Protokoll der Sitzung vom 18.10.2000

Für die Landesregierung erteile ich jetzt Frau Ministerin Franzen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich kurz etwas zur Historie der Leitlinien für eine ordnungsgemäße Landbewirtschaftung sagen. So viel Ehrlichkeit gehört dazu. Sie sind seit vier Jahren in Arbeit. Beteiligt ist das Ministerium für ländliche Räume und Landwirtschaft, beteiligt ist das Umweltministerium und beteiligt ist die Kammer, meine Damen und Herren auf der rechten Seite des Hauses. Wenn Sie allen Beteiligten sagen - das sind die Fachleute aus allen Häusern, die hier genannt sind -: „Das ist uns nichts wert, weg damit“, dann sagen Sie das, aber dann sagen Sie das auch laut und deutlich gegenüber der Kammer! Das sollte mich dann allerdings wundern.

(Beifall des Abgeordneten Friedrich-Carl Wodarz [SPD])

Von Minister Müller und mir ist das sehr gern aufgegriffen worden. Ich wusste nicht, dass es diese Arbeit in diesen Häusern gibt, und es galt eigentlich nur, diese Arbeit zu gebären. Das haben wir dann gemeinsam mit der Kammer getan. Ziel - das haben wir auch deutlich gesagt - ist die Beratung und die Landwirtschaft wird gern beraten. Die ist da nicht so resistent wie die CDU.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Die Landwirtschaft hat sehr viele selbst organisierte Beratungsringe - das wissen Sie auch; denn Sie wissen ja Bescheid im Lande - und diesen arbeiten wir zu.

Wir haben es gemeinsam vorgestellt, Herr Müller und ich. Er könnte hier genauso gut reden wie ich; das wäre für uns kein Problem, weil wir die Leitlinien beide tragen.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Zuruf des Abgeordneten Claus Ehlers [CDU])

Sie passen sehr gut in das Mosaik, das wir uns gemeinsam vorstellen. Das wissen Sie auch aus vielen Veröffentlichungen. Wir wollen die Barrieren und Kriegszustände abbauen, die wir in den letzten vier, acht Jahren zwischen Landwirtschaft und Naturschutz gehabt haben und die ich aufseiten des Naturschutzes mehr als einmal habe ertragen müssen. Beide, Landwirtschaft und Naturschutz, sind dabei die Verlierer gewesen; das muss aufhören.

(Beifall der Abgeordneten Helmut Plüschau [SPD] und Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Zuruf des Abgeordneten Peter Jensen-Nissen [CDU])

Diese Leitlinien sind ein Beitrag dafür, das hinzukriegen.

Schauen wir einmal auf die Bundesrepublik und die neuen Länder: Niedersachsen und Baden-Württemberg haben Leitlinien seit 1991, Bayern 1993, 1994, 1995 und so weiter. Ich habe nicht die Zeit, die Länder alle aufzuzählen. Schleswig-Holstein steht ganz hinten. Meine Damen und Herren der CDU, wenn Sie die Partei der Landwirtschaft sind, hätten Sie die Leitlinien längst fordern und nicht ablehnen müssen, wie Sie es hier heute tun.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Diese Leitlinien - das ist mir ganz wichtig - sind als Entwurf vorgelegt worden, das heißt, sie gehen in die Diskussion, die wir überhaupt nicht fürchten. Was ich an Ihrem Antrag, den die regierungstragenden Fraktio

(Ministerin Ingrid Franzen)

nen hoffentlich ablehnen werden, weil wir die Leitlinien natürlich nicht zurückziehen werden,

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

schade finde, ist, dass Sie sich der Chance zur Mitdiskussion begeben, meine Damen und Herren. Aber auch das werden wir verkünden.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Wir werden am 6. Dezember 2000 einen öffentlichen Workshop durchführen, zu dem ich auch Sie herzlich einlade. Da werden wir natürlich auch die Naturschützer, den Bauernverband und alle anderen hören. Und wenn es allen nicht so ganz passt, dann muss doch viel Gutes daran sein.

Die Leitlinien sind begehrt. Sie werden im Internet abgerufen, sie werden von Organisationen, Verbänden, Fachleuten und interessierten Bürgerinnen und Bürgern angefordert. Wir sind sehr zufrieden mit der Resonanz dieser Leitlinien.

Ich möchte mit einem Zitat von Präsident Früchtenicht von der Landwirtschaftskammer auf der gemeinsamen Pressekonferenz enden, der öffentlich und auch nachlesbar zu diesen Leitlinien gesagt hat:

„In den Leitlinien spiegelt sich die Idee des integrierten Landbaus als Leitbild wider, das mit seiner ausgewogenen Beachtung ökologischer und ökonomischer Erfordernisse eine zukunftsträchtige Wirtschaftsform für die Landwirtschaft in Schleswig-Holstein darstellt.“

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Ich weiß nicht, was es daran auszusetzen gibt. Ich weiß nicht, was es daran zurückzunehmen oder abzulehnen gibt. Wenn sich Ihre Solidarität mit der Kammer - das werden wir ja im Dezember diskutieren - nur auf Finanzen, nicht aber auf die Fachlichkeit der Kammer bezieht, haben Sie ein falsches Bild.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist Abstimmung in der Sache beantragt worden. Wer dem Antrag der Fraktion der CDU, Drucksache 15/461, seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen?

(Zuruf des Abgeordneten Lothar Hay [SPD])

- Bitte keine Kommentierung während des Wahlgangs.

Damit haben wir folgendes Stimmergebnis: Der Antrag der Fraktion der CDU, Drucksache 15/461, wurde mit den Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW abgelehnt. Für den Antrag stimmten CDU und F.D.P.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die F.D.P. auch - so eine sklavi- sche Unterwürfigkeit!)

- Für Gespräche ist außerhalb des Plenarsaals Zeit.

Wir kommen jetzt zu Tagesordnungspunkt 13:

Halten und Beaufsichtigen von Hunden

Antrag der Fraktion der F.D.P. Drucksache 15/456

(Zurufe von der SPD: Wau, wau! - Heiterkeit bei der SPD)

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die Fraktion der F.D.P. hat der Abgeordnete Dr. Heiner Garg.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich darauf hinweisen, dass meine Fraktion für diesen Tagesordnungspunkt zehn Minuten Redezeit angemeldet hat. Ich sage das nur, weil ich hier fünf Minuten sehe.

Herr Minister Buß, ich nehme Sie beim Wort. Wenn Sie sagen, Sie seien Minister für Menschen und nicht für Hunde, dann ist das in Ordnung. Aber gerade dann kann und darf es doch nicht sein, dass Sie das eigentliche Problem im Zusammenhang mit der Problematik gefährlicher Hunde vollkommen außer Acht lassen, nämlich den Menschen selbst.

In einer Frage gibt es überhaupt keine zwei Meinungen: Menschen müssen vor gefährlichen Hunden geschützt werden. Vor allem aber müssen Menschen vor gefährlichen Menschen geschützt werden. Sie müssen nämlich vor jenen Kriminellen geschützt werden, die Hunde gezielt als Waffe gegen andere Menschen einsetzen. Und, Herr Minister Buß, es geht hier weder um unseren persönlichen Geschmack noch um die Frage, ob die eine oder andere Rasse gehalten oder erhalten werden muss.

(Beifall bei der F.D.P. und des Abgeordneten Heinz Maurus [CDU])

Auch wenn Sie es nicht gern hören und es immer wieder bestreiten: Kein einziger Hund wird als mordende Bestie geboren oder erzieht sich selbst zum blutrünsti

(Dr. Heiner Garg)

gen Monster. Erst wenn Sie diese Tatsache endlich berücksichtigen, werden Sie Ihrem eigenen Anspruch gerecht, die Bevölkerung wirkungsvoll zu schützen. Wenn Sie jedoch weiterhin ignorieren, dass jedes Hundeverhalten vom Menschen entscheidend beeinflusst wird, machen Sie sich und der Bevölkerung nur etwas vor.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in diesem Sommer ist ein kleiner Junge auf bestialische Art und Weise umgebracht worden. Ich kann die Wut, das Entsetzen und die Angst vieler Menschen nicht nur gut verstehen, ich selbst habe auf die Vorfälle in Hamburg genauso reagiert. Wofür ich allerdings überhaupt kein Verständnis habe, ist die Scheinheiligkeit, mit der die zuständige Senatorin dort auf die Vorkommnisse reagiert hat. Es war der zuständigen Behörde bekannt, dass beide Hunde auf eben diesem Schulhof, auf dem der kleine Junge getötet wurde, dressiert und abgerichtet wurden - mit dem einzigen Ziel, Menschen anzugreifen, sie zu verletzen oder sogar zu töten. Ebenso war bekannt, dass den Tieren Kokain gespritzt wurde, um ihre Aggressivität zu erhöhen. Und es war bekannt, dass gegen den verhängten Leinen- und Maulkorbzwang permanent verstoßen wurde. Und schließlich war der zuständigen Ordnungsbehörde auch das Vorstrafenregister des Tierhalters bekannt. Sie alle wissen, dass es bereits mit der damals geltenden Rechtslage möglich gewesen wäre, diesen Kriminellen das Tier schlicht und ergreifend einfach wegzunehmen.

(Beifall bei der F.D.P. und des Abgeordneten Heinz Maurus [CDU])

Ich frage Sie daher, Herr Minister: Wer ist Ihrer Auffassung nach dafür verantwortlich, dass ein kleiner Junge sterben musste? - Der Hund? Die Behörde, die monatelang tatenlos blieb und gegen die heute ein Ermittlungsverfahren läuft? Oder der Verbrecher, der aus welchem Grund auch immer - aus einem Hund eine lebende Waffe gemacht hat? Ihre Antwort lautet: Der Hund! Ihre Antwort muss so lauten, denn danach und nur danach haben Sie gehandelt. Gerade darin liegt aber das eigentliche Problem. Sie sagen, möglicherweise tun sie dem einen oder anderen Hund Unrecht. Ich sage Ihnen, darauf kommt es überhaupt nicht an. Sie stellen aber die überwiegende Mehrzahl verantwortungsvoller Hundehalter zumindest all jener Hunderassen an den Pranger, die in der schleswigholsteinischen Gefahrhundeverordnung unwiderlegbar als gefährliche Hunde - also als Kampfhunde qualifiziert werden. Wortgewaltig signalisieren Sie damit der Bevölkerung ein Mehr an Schutz. Dieser Schutz präsentiert sich dann vor allem in Form einer so genannten Rasseliste.

Auch hier gilt: Es kommt überhaupt nicht darauf an, ob Sie die mehr oder weniger willkürliche Zusammenstellung bestimmter Hunderassen und deren Deklaration zu gefährlichen Hunden für sachgerecht halten und ich permanent das Gegenteil behaupte. Entscheidend ist neben der Frage, wer ursächlich dafür verantwortlich ist, dass aus Hunden Waffen werden können, die gegen Menschen eingesetzt werden, nur, ob gesteigerte Aggressivität tatsächlich ein rassespezifisches Merkmal darstellt. - Herr Minister, Sie kennen die Antwort ebenso gut wie ich: Eine angeborene rassespezifische erhöhte Aggressivität ist nicht nur äußerst selten, sondern sie beschränkt sich immer auf bestimmte Zuchtlinien, niemals aber auf ganze Rassen. Gesteigerte Aggressivität stellt somit gerade kein rassespezifisches Merkmal dar - und damit fehlt jedweder Rasseliste, unabhängig davon, ob Sie elf, 20 oder 50 Hunde darauf setzen, die Legitimation.

Natürlich ist es Ihnen dennoch unbenommen, wie bisher alle sachlichen Argumente und Einwände mit der schlagkräftigen Entgegnung vom Tisch zu wischen, das alles interessiere Sie überhaupt nicht. Ich sage Ihnen nur: Durch das beharrliche Ignorieren von Fakten schützen Sie gar niemanden. Und Vollzugsdefizite geltenden Rechts bekämpfen Sie nicht durch den Erlass vermeintlich schärferer Verordnungen oder Gesetze, deren Vollzug Sie wiederum nicht garantieren können.

(Beifall bei der F.D.P. und vereinzelt bei der CDU sowie der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])