Ich möchte auch gern den Abgeordneten aller Fraktionen danken, die sich dabei vor Ort unterstützend einsetzen und die mithelfen, Sponsoren zu gewinnen und die Schulen bei der Ausstattung zu unterstützen.
Ich bin überzeugt davon, dass der Einzug der neuen Technologien in die Schulen keine Modeerscheinung ist wie das Sprachlabor der Siebzigerjahre. Die technischen Voraussetzungen werden sich verbessern, die Kosten für den Betrieb werden sinken. Es wird eine neue Generation von Lehrerinnen und Lehrern an die Schulen kommen, die die neuen Anforderungen bereits mitbringen.
Schule und Unterricht müssen dabei nicht neu erfunden werden, aber sie werden sich nachhaltig verändern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Erdsiek-Rave, es gibt beim Thema Multimedia sicherlich viele Bereiche, in denen wir uns einig sind, unter anderem in der Betrachtung der Tatsache, dass wir auch künftig Tafeln in Schulklassen brauchen und auch künftig Schulbücher haben. Das war allerdings streng genommen nicht die Frage, die wir in der Großen Anfrage gestellt haben.
Wir haben uns vielmehr nach anderen Dingen erkundigt. Sie haben meines Erachtens in Ihrer Antwort im Wesentlichen offen gelassen, wie Sie auf die digitale Revolution in den Schulen Schleswig-Holsteins konkret und im Einzelnen reagieren wollen. Deshalb werden wir in der Diskussion über die Große Anfrage in vielen Bereichen sicherlich Dissens haben.
Lassen Sie mich zu Beginn ansprechen, dass ich mich darüber geärgert habe - das halte ich nicht für einen guten Stil -, dass Sie zwei Tage vor der Debatte im Landtag in einem anderen Zusammenhang zum Teil wortgleiche Passagen der Großen Anfrage der Presse vorgestellt haben. Ich habe mich deshalb darüber geärgert, weil wir, wenn wir als antragstellende Fraktion einer Fristverlängerung zugestimmt haben, erwarten können, dass die Termine, die in Rücksichtnahme auf das Ministerium zustande gekommen sind, auch die Richtschnur für die Debatten und die Presseveröffentlichung sind, die wir in diesem Zusammenhang haben.
Inhaltlich war das, was Sie Montag vorgestellt haben, interessant, aber nicht überzeugend. Sie haben ein Fortbildungsprogramm vorgestellt, das beinhaltet, dass bis zum Ende des Jahres 2003 50 % der schleswig-holsteinischen Lehrer in diesem Bereich fortgebildet sein werden. Das ist erneut ein halber Schritt, den wir für zu kurz halten, wenn wir uns angucken, wie groß die Aufgabe ist, die die Länder bei der Fortbildung der Pädagogen zu leisten haben. Denn aufgrund der Erkenntnisse einer Gemeinschaftsinitiative der Nixdorf-Stiftung und der Bertelsmann-Stiftung verfügen im Moment bundesweit lediglich 25 % der Lehrkräfte über Grundkenntnisse im Zusammenhang mit Computern, aber nur 7 % wenden diese Kenntnisse im
Unterricht tatsächlich an. Nur 7 % der Lehrer nutzen den PC tatsächlich im Unterricht. Das zeigt, wie gigantisch die Aufgabe ist, die Sie im Bereich der Fortbildung zu leisten haben, und es zeigt, dass die Anstrengungen, die Sie bisher unternommen haben, auch wenn die in Ordnung sind, nicht ausreichen, um das aufzuarbeiten, was wir dort in der Zukunft bewerkstelligen müssen.
Insofern war es interessant, dass am selben Tag, dem 16. Oktober, Ihre bayerische Kollegin, Frau Hohlmeier, auch eine Pressekonferenz gegeben hat. Frau Hohlmeier hat in dieser Pressekonferenz bekannt gegeben, dass Bayern es schaffen wird, bis zum Ende des Jahres 2000 alle Schulen des Freistaates mit einem Netzzugang auszustatten. Das bedeutet einen Versorgungsgrad von 100 %. Schleswig-Holstein backt dagegen mal wieder kleine Brötchen: Erst 50 % der Schulen - so können wir der Antwort auf unsere Große Anfrage entnehmen - sind bisher am Netz und damit rangieren wir im Bundesvergleich mal wieder hinten. Die anderen 50 %, immerhin 500 Schulen, sollen innerhalb des nächsten Jahres angeschlossen sein. Bei dem bisher an den Tag gelegten Tempo glaubt das kein Mensch.
Was uns in der Antwort auf unsere Große Anfrage vor allem überrascht hat, ist zweierlei: Zum einen das kleine Kaliber, mit dem das Bildungsministerium schulpolitisch auf die gigantische Herausforderung Internet reagieren will, und zum anderen zum Teil die Ahnungslosigkeit, mit der Sie durch das schulische Cyberspace tappen.
So verweisen Sie in der Antwort auf die Große Anfrage zum Beispiel mehrmals darauf, dass die technische Ausstattung der Schulen eigentlich Aufgabe der Schulträger ist. Eine Ahnung davon, wie viel Geld die Kommunen diese Aufgabe kostet, haben Sie nicht. Ebenso haben Sie keinen Überblick darüber, wie viele Netzzugänge oder Computer über privates Sponsoring an die Schulen gegangen sind. Dies würde nicht zentral erfasst, heißt es lapidar in der Antwort auf die Frage A 5. Das ist schade, denn die Frage des privaten Sponsoring ist eine der zentralen Fragen im Zusammenhang mit der Multimedia-Ausstattung; das haben Sie selber zugegeben. Insofern wäre ein Datenüberblick dort erforderlich gewesen.
Bemerkenswert bei der Lektüre der Antwort auf die Große Anfrage ist auch der zum Teil eigentümlich altmodische Rückgriff auf die traditionellen Instrumente der Schulpolitik im Umgang mit der Einführung hochmoderner Technik. In den Antworten auf unsere Fragen wimmelt es von Modellversuchen, Pilotprojekten, mehrjährigen Untersuchungen und Verweisen
auf die Schulautonomie. Es wird auf ein Pilotprojekt zum Schulassistenten verwiesen, es wird auf ein Pilotprojekt verwiesen, das die tatsächliche Zeit bemisst, die es kostet, die Netzwerke zu betreuen. Stellt man eine Frage nach dem pädagogischen Konzept, wird auf die Eigenverantwortung und Autonomie der Schule verwiesen.
Ich möchte allerdings davor warnen, beim Thema Multimedia mit einem reflexartigen Autonomieruf und althergebrachten Mitteln wie Pilotprojekten vorzugehen. Denn durch Multimedia wird sich für die Schulen und die Organisation von Schulen sehr viel mehr ändern, als Sie uns in der Antwort auf die Große Anfrage glauben machen wollen, und es wird sich sehr viel schneller ändern, als Sie es sich im Moment denken.
Lassen Sie mich im Wesentlichen auf vier Bereiche eingehen, die ich im Zusammenhang mit dem Thema Multimedia für wichtig halte.
Erstens. Frau Erdsiek-Rave, Sie haben selbst die Aufgabenverteilung zwischen Schulträgern und Land bei der Einführung neuer Technologien angesprochen. Ich bin der festen Auffassung, dass die Grenzen der Zuständigkeiten und Aufgabenverteilung, wie wir sie im Moment haben, zwischen dem Schulträger, der für die technische Ausstattung zuständig ist, und dem Land, das für das Personal zuständig ist, erreicht sind. Das wird am Beispiel Multimedia überdeutlich. Technische Ausstattung und personelle Betreuung vermengen sich beim Thema Multimedia. Es ist offenkundig, dass diese Regelung so nicht funktionieren kann. Sie entstammt einer Zeit, in der noch niemand an Computer gedacht hat. Deshalb glaube ich, dass die Regelung der geteilten Zuständigkeiten und der geteilten Finanzierung nur bedingt anwendbar ist. Wir müssen dort dringend zu neuen Modellen kommen und die alten Zuständigkeiten überwinden.
(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Dann schlagen Sie doch mal etwas vor! Was wollen Sie denn?)
- Frau Heinold, insofern ist es gut, dass es eine erste Arbeitsgruppe des Städteverbandes gibt. Wir glauben allerdings, dass es besser wäre, Spitzengespräche zwischen der Landesregierung und allen kommunalen Landesverbänden darüber zu führen, wie man ein Paket Multimedia schnüren kann, in dem die verschiedenen Bestandteile enthalten sind, nämlich die Erstbeschaffung, Folgekosten, Wartung, Betreuung und all das, was mit Multimedia zu tun hat.
Frau Heinold, denn die Antwort auf die Große Anfrage gibt ja selber darüber Auskunft: Die Folgekosten werden auf 40 % des Erstbeschaffungspreises der Geräte
geschätzt. Das ist eine immense Kostenlawine, die im Moment auf die Schulträger zukommt, wobei viele andere Fragen, wie zum Beispiel Raumprogramme für Schulbauten, noch gar nicht berücksichtigt sind.
Wenn sich die Ministerin hinstellt und sagt, das Ziel sei, zehn bis zwölf Computer pro Klassenraum aufzustellen, ist das ein richtiges Ziel; denn auch wir wollen, dass die Computer direkt in den Klassenräumen genutzt werden können. Dabei muss aber bedacht werden, dass die jetzigen Klassenräume überhaupt nicht darauf ausgelegt sind. Meines Erachtens wäre es eine in die Zukunft weisende Antwort der Landesregierung gewesen zu sagen, wie man dieses Problem künftig regeln will, wie man es in den kommenden Jahren regeln will und wie man es einvernehmlich mit den Kommunen regeln will, und das geschieht nicht.
Der zweite Punkt, auf den ich zu sprechen kommen möchte, ist der zeitliche Aufwand der Lehrkräfte für die Betreuung der Computernetzwerke, also für die Systemadministration. Es wird darauf verwiesen, dass das noch nicht so bekannt sei und dass es dafür ein Pilotprojekt gebe. Aber es gibt ja dennoch Anzeichen: Es wird gesagt, dass zum Beispiel an Berufsschulen eine Lehrkraft, die mit der Konzipierung, Einrichtung und Wartung von Computernetzwerken beschäftigt ist, dafür 20 Arbeitstage im Jahr braucht. Das ist ein Zeitkontingent, das mir realistisch zu sein scheint. Das bedeutet aber auch, dass das, was Sie den Schulen im Moment zusätzlich an Zeit zur Verfügung stellen - 100 Ausgleichsstunden für alle allgemein bildenden Schulen; wir haben 1.000 davon, was bedeutet, dass sozusagen jede zehnte Schule eine Ausgleichsstunde bekommt, und 150 für die berufsbildenden Schulen -, natürlich nicht ausreicht.
Ich glaube auch, dass wir falsch beraten wären, wenn wir dieses Problem über die Frage von Ausgleichsstunden lösen wollten. Ich bin vielmehr der Auffassung, dass wir hier einen großen Wurf machen müssen. Das bedeutet, dass wir bei der Neubewertung und Neudefinition der Lehrerarbeitszeit insgesamt die Frage der Systemadministration und Computerbetreuung an den Schulen mit lösen müssen.
Es gibt eine solche Kommission; die hat bisher sehr systemkonservative Vorschläge gemacht. Ich fordere Sie auf: Denken Sie weniger darüber nach, was korrekturintensiver ist - Mathe oder Deutsch -, sondern denken Sie mehr darüber nach, wie man solche neuen Herausforderungen wie Computerbetreuung auch mit in die Lehrerarbeitszeit hineinbringen kann.
Ein weiterer Punkt ist die Lehrerausbildung; zur Fortbildung habe ich eben schon etwas gesagt. Die Nixdorf-Stiftung und die Bertelsmann-Stiftung haben errechnet, dass sich bundesweit in der ersten Phase der Lehrerausbildung - an den Universitäten - 3 % der Veranstaltungen mit den neuen Medien, also mit dem Thema „Computer in den Schulen“ beschäftigen. In Schleswig-Holstein sind es laut Ergebnis dieser Großen Anfrage für die allgemein bildenden Schulen zwischen 1,3 und 1,6 %, also die Hälfte dessen, was wir im bundesweiten Schnitt haben. Das ist nicht eine Erblast aus Zeiten, als noch niemand an Computer dachte, sondern das ist eine ganz neue Verordnung, nämlich die Verordnung zur Lehrerausbildung aus dem November des vergangenen Jahres.
Ich glaube, dass hier eine strategische Weichenstellung erforderlich wäre, den Anteil der praktischen und fachdidaktischen Ausbildungsgegenstände schon im Studium auszuweiten, weil wir im Moment die Lehrer ausbilden, die in den nächsten 25 bis 30 Jahren mit den Computern den Unterricht in den Klassenräumen gestalten sollen.
Die sind jedoch darauf im Moment von der Ausbildung her nicht vorbereitet. Das muss dringend nachgeholt werden.
Das ist die Frage, über die wir im Moment noch gar nicht gesprochen haben - das müssen wir aber noch dringend tun -, welche neuen inhaltlichen Voraussetzungen mit dem Computer einhergehen. Das Lernen in der Schule wird spielerischer, die Inhalte in der Schule werden sich ändern. Darauf gibt es noch keine Antworten. Die müssen dringend gegeben werden. Das kann man nicht auf die Schulautonomie schieben. Dorthin gehört das nicht. Man kann das auch nicht auf die Lehrpläne schieben, weil die Lehrpläne zu einer Zeit entstanden sind, als die Computer noch gar keine Rolle spielten. Das ist etwas, was, um überall gleiche Unterrichtsinhalte zu haben, vom Land geregelt werden muss.
Herr Abgeordneter, hören Sie mir bitte einmal zu! Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte einmal zu mir!