Auch in den Schulen - das ist vorhin schon angesprochen worden - müssen die Voraussetzungen für die Arbeit mit den neuen Medien verbessert werden. Ich meine, dass Lehrer, die hier an den Schulen Koordinierungsaufgaben leisten, heute dafür zu wenig Entlastungsstunden bekommen.
Sie sollten vielleicht in die laufenden Verhandlungen und Gespräche mit aufnehmen, dass die Schulträger vom Land Hilfestellungen für Formulierungen von Ausschreibungen und Musterverträge für Servicevereinbarungen und Wartungsverträge mit Firmen erhalten. Der Einsatz der kommunalen Schulträger in diesem Bereich ist im Lande sehr unterschiedlich. Es gibt vorbildliche Beispiele. Ich denke da an die kurz vor den Sommerferien erfolgte Ankündigung der Stadt Bad Oldesloe, dass städtische Mitarbeiter, die zurzeit die kommunalen IT-Anlagen betreuen, künftig die technische Seite der Administration der örtlichen Schul-PCs übernehmen sollen. Das ist eine vorbildliche Sache, wenn ein Schulträger in diesem Sinne Ressourcen für seine Schulen bereitstellt.
Es gibt aber auch andere Beispiele. Auf dem Schulleiterkongress in Rendsburg berichtete ein Schulleiter davon, dass ihm vom Schulträger gesagt wurde: „Sie haben doch jetzt eine schöne neue PC-Anlage bekommen, da können wir Ihnen doch eine halbe Sekretärinnenstelle entziehen.“ Bei den kommunalen Schulträ
gern gibt es eine breite Palette von sehr großem Engagement für die örtlichen Schulen bis hin zu Negativbeispielen. Dort, wo es Defizite gibt, muss man darauf hinwirken, dass das Thema auch von kommunaler Seite stärker als bisher in den Blick rückt.
In den verbleibenden Sekunden meiner Redezeit möchte ich auf die kritischen Stimmen eingehen, die von einer Computereuphorie sprechen. Ich habe eingangs deutlich gemacht, dass ich die Vergleiche mit früheren Dingen - zum Beispiel den Sprachlaboren für völlig verfehlt halte. Ich bin davon überzeugt, dass sich die Schulen grundlegend auf diese neue Technologie einstellen müssen, weil sie unsere Lebenswelt zentral verändert.
Ich habe aber auch Verständnis für warnende Stimmen, wie die von Susanne Gaschke, die in der Zeitung „Die Zeit“ kürzlich davor gewarnt hat, dass eine starke öffentliche Aufmerksamkeit für die Kampagne „Schulen ans Netz“ möglicherweise andere Probleme der Schulen in den Hintergrund drängen könnte. Eine solche Fehlentwicklung müsste man in der Tat verhindern. Es muss darum gehen, die Frage nach dem sinnvollen Einsatz der neuen Medien in den einzelnen Unterrichtsfächern in den Vordergrund zu stellen. Es geht vor allem darum, bei dem Umgang mit den neuen Kommunikationstechniken deren sinnvolle, vernünftige und auch kritische Nutzung sicherzustellen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie die Ministerin heute, so bemühte Erwin Staudt, Vorsitzender der Geschäftsleitung von IBM Deutschland und Mitbegründer der Initiative „D 21“, auf dem Kongress „Lernen im 21. Jahrhundert“ von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN am 5. Februar 2000 in Pinneberg ein großes Bild. Er sagte:
„Wir erleben gegenwärtig eine Revolution: Das Zusammentreffen von Paradigmenwechseln, den Wandel der Industrie- in die Informationsgesellschaft, den Übergang von der Nationalität in die Globalität und damit die Aufhebung von sozialen und gesellschaftlichen Strukturen.“
Wie sieht das konkret aus? Am Sozialen Tag von „Schüler helfen Leben“ haben Lehrerinnen und Lehrer im Kreis Plön bei zwei Schülerinnen und Schülern Fortbildungen über neue Medien gemacht. Lehrer und Schüler arbeiteten gemeinsam an dem schulinternen Netzwerk, stellten Unterrichtsinhalte ein, gestalteten die Schulhomepage und führten Reparaturen aus. Das berichtet die Presseerklärung des Bildungsministeriums von diesem Tage. Ich zitiere weiter Staudt:
„Seit den 60er-Jahren haben Ökonomen auf die Bedeutung des früher unterschätzten - für die Wirtschaft nur am Rande wichtig erscheinenden - menschlichen Wissens hingewiesen. Heute ist das Wissen Produktionsfaktor Nummer eins, nämlich die Fähigkeit, Informationen zu analysieren und effektiv einzusetzen.“
Staudt befindet, dass Deutschlands Chancen in der Informationsgesellschaft großartig sein könnten, wir müssen aber zukunftsorientiert ausbilden. Darauf begründet sich sein Engagement für die Initiative „D 21“. Die Ministerin weist zu Recht auf das Interesse der Wirtschaft an gebildeten jungen Menschen hin. Sie weist aber auch zu Recht auf die Pflicht der Wirtschaft hin, hier mehr als Lippenbekenntnisse zu leisten.
Der Umgang mit dem Internet muss Alltag sein. Finnland hat schon 100 % der Schulen entsprechend ausgestattet. In Kanada sind es nur 80 % und in den USA - man höre und staune - nur 60 %. Derzeit sind in Deutschland nur 12 % der Schulen ausgerüstet. Wir müssen uns nicht in so schlechter Gesellschaft fühlen, wenn sogar die USA - die uns meistens um zehn Jahre voraus sind - noch längst nicht alle Schulen am Netz haben. Wir brauchen uns aber nicht die Zahlen um die Ohren zu hauen. Der sehr nachdenkliche Beitrag von Herrn Dr. Klug hat zu Recht darauf hingewiesen, dass es um mehr geht.
Ich zitiere jetzt eine Äußerung, die Herr Reinhard Kahl vor einigen Wochen in der Zeitschrift „Die Woche“ gemacht hat. Er beobachtete junge Internet-Surfer und sagte:
„Unsere schulische Lehrtradition.... folgt dem Modell der holländischen Landnahme. Um Sicherheit unter die Füße zu bekommen,
wird entwässert, entwässert, entwässert. Man glaubt im Zweifel an feste Grundlagen und nicht an risikoreiche Bewegungen, sucht Schutz in Wissenshäusern und errichtet Dämme gegen das bedrohliche Meer.... Aber das Meer lässt sich nicht zähmen. Holland ist wieder mal in Not - man nennt das Ganze jetzt Globalisierung.“
„Die neue Erfahrung der Wissens-Surfer ist, dass die See zwar nie risikolos, aber längst nicht so gefährlich ist, wie Stubenhocker meinen. Wellen aus unerwarteten Problemen und rätselhaften Fehlern verschaffen ihnen Resonanz, die sie in den Schulen zumeist vermissen. So holen sie sich tanzend ihre Energie zu Hause.“
Das ist ein weiteres Problem, auf das verschiedene Studien - beispielsweise auch die Shell-Studie - zu Recht hinweisen. 30 % der 15- bis 24-jährigen Jugendlichen in Deutschland haben zu Hause einen PC. 28 % können ihn zumindest mitbenutzen. Was ist mit dem Rest?
Ich stimme mit all denjenigen überein, die gefordert haben, dass wir gerade an den Haupt- und Realschulen sowie auch an den Grund- und Förderschulen unser Hauptaugenmerk auf die Ausstattung und die Fortund Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer lenken müssen. Die Anfrage macht deutlich, dass hier tatsächlich eine Kluft besteht, die wir schließen müssen. Herr Staudt wies darauf hin, dass auch in Amerika das Problem der Diskriminierung von denjenigen diskutiert wird, die keinen Zugang zu einem PC haben und die von Herrn Kahl etwas romantisch beschriebene Erfahrung gar nicht kennen.
Die Situation ist aber auch aus geschlechtsspezifischer Sicht interessant. Aus den uns vorliegenden Daten geht hervor, dass 70 % der Benutzer den Computer für Textverarbeitung nutzen, und zwar 75 % der Frauen und nur 67 % der Männer. Wie sieht es aber im Bereich der Softwareentwicklung aus? Dort liegt die weibliche Beteiligung bei 3 %, während der männliche Anteil bei 10 % liegt. Ähnlich sieht es bei den Computerspielen aus. Auch hier überwiegen Männer und Jungen bei weitem. Ich merke an dieser Stelle kritisch an:
Diese Spiele, die für das, was unter dem Stichwort Internet und Computer mit seinen Lern- und Lehrinhalten in Verbindung gebracht wird, nicht unwichtig sind, erinnern an todessüchtige männliche Abenteuer. Ich verstehe sehr gut, dass Mädchen auf die Mehrheit dieser Spiele keine Lust haben. Ich denke, es ist auch kein Zufall, dass Kriegsspiele und ähnliche Inhalte bei diesen Angeboten dominieren und auch den größten Absatz haben. Auch das ist eine Herausforderung, die nicht nur an die Globalisierung, sondern auch an die Schulen gestellt wird.
Wie können nun die Schulträger und das Land mit gemeinsamer großer Anstrengung, auf die die Ministerin hingewiesen hat, erreichen, dass die Schulen nicht nur tatsächlich gut ausgestattet sind, sondern dass für die ständige Wartung der Geräte auch eine gute Lösung gefunden wird?
Ich darf in aller Deutlichkeit für meine Fraktion sagen: Wir möchten nicht, dass kostbare Stunden von Lehrerinnen und Lehrern für die Wartung von Computern genutzt werden. Wir möchten tatsächlich eine neue Lösung. Wir müssen uns - da gebe ich meinen Vorrednern Recht - auch an die kommunalen Landesverbände wenden. Es muss eine große Anstrengung gemeinsam mit der Industrie geben. Wir haben viele gute Projekte, auf die die Anfrage hinweist. Aber das reicht noch nicht aus. Die Dimension des Problems ist dem Gros der Beteiligten in den kommunalen Landesverbänden offensichtlich noch nicht bewusst. Es ist ja so, dass die Standards, die wir in Unternehmen und öffentlichen Verwaltungen vorfinden, nämlich dass Verträge an Fachleute vergeben und regelmäßige Wartungen durchgeführt werden, noch längst nicht die Norm in den Köpfen der Bürgermeister und Landräte sind.
Ich bin sehr dankbar dafür, dass hier zum ersten Mal seit längerer Zeit, Herr Klug, einige sehr konkrete Vorschläge zu den Themen der Fortbildung und Lösung des Wartungsproblems gekommen sind. Ich darf Sie daran erinnern, wenn es um die Finanzierung solcher Vorschläge geht, dass Sie dann auch genauso seriös argumentieren müssen. Denn wir können hier das möchte ich ganz deutlich betonen - nicht das alte Spiel der Schuldzuweisungen, das ich aus dem etwas nörgelnden Ton von Herrn de Jager herausgehört habe, weiterspielen. Wir stehen hier vor einer gemeinsamen großen Herausforderung, die das ganze Haus einver
Ich möchte an dieser Stelle auf den kleinen Einschlag „Bayern vorn!“ eingehen. Nach meinen vorliegenden Zahlen ist es keineswegs so, dass Schleswig-Holstein von Bayern abgehängt wird.
Die Rückmeldungen der Schulen in der bayerischen Umfrage hinsichtlich der Computerausstattung kamen zu 98 % bis 99 % von den Gymnasien in Bayern - wie in Schleswig-Holstein; wohlgemerkt von den Schulen, die eine Rückmeldung abgegeben haben. Das stellt natürlich noch nicht das ganze Kontingent dar. Das macht die Antwort auf die Große Anfrage auch deutlich. Bei den Berufs- und Fachschulen liegen wir dagegen mit einer hundertprozentigen Rückmeldung und Ausstattung ein Stück vor Bayern. Diese Zahlenbeispiele sollten wir im Sinne von mehr Seriosität gelassen betrachten.
Was wir allerdings brauchen - das mahne ich noch einmal an -, ist eine gemeinsame große Anstrengung mit der Industrie, mit denjenigen, die für die Lehrinhalte in der Aus- und Fortbildung stehen, mit denjenigen, die vor Ort in den Kommunen dafür zuständig sind, dass die Computer eingeführt und gewartet werden.
Die eigentliche Herausforderung jenseits der technischen Probleme ist in der Tat die Frage: Was machen wir mit diesem neuen Unterricht? Was machen wir vor dem Hintergrund dessen, dass viele Erwachsene und viele in der Industrie die Dimension dieses neuen Mediums noch gar nicht erfahren haben? Ich appelliere an Sie: Lassen wir uns von dem Bild leiten, das Reinhard Kahl gebraucht hat: ein wenig mit Energie, tanzend und uns der Risiken bewusst sein, sich in dem Meer des Nichtwissens von Station zu Station des Wissens zu bewegen. Wir können diese Probleme nicht so angehen, dass wir eine globale Verordnungsorgie über die Schulen erlassen, sondern wir müssen hier - da stimme ich ausdrücklich der Ministerin und der Antwort auf die Große Anfrage zu - die Autonomie der Schulen ernst nehmen.
Frau Abgeordnete, ich bitte das Haus um etwas mehr konzentrierte Aufmerksamkeit. Einige sind ziemlich flegelig in ihrem Tratsch.
Ich danke für diese Unterstützung und komme zu meinem letzten Satz. - Wir müssen uns der Organisation dieses großen Vorhabens, des Mediums und seiner neuen Herausforderung stellen. Es geht nicht nur um die technische Einführung nach alten Methoden, sondern es geht um die Revolutionierung der Lernmethoden und der Lehrenden selbst.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich lasse einmal das Beispiel mit der Buchdruckerkunst weg, auch wenn Wiederholung ein bewährtes pädagogisches Prinzip ist.