Protokoll der Sitzung vom 18.10.2000

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich lasse einmal das Beispiel mit der Buchdruckerkunst weg, auch wenn Wiederholung ein bewährtes pädagogisches Prinzip ist.

Nur etwas über die Hälfte aller allgemein bildenden Schulen in Schleswig-Holstein verfügt über einen Internetzugang. Damit ist noch nicht einmal etwas über die Anzahl der Arbeitsplätze, über die Qualität der technischen Ausstattung oder die Bedingungen der Nutzung gesagt. Etwas über 50 %, das ist eine erschreckend niedrige Zahl, denn niemand ist wohl im Zweifel darüber, dass Schüler, Eltern und der Rest der Gesellschaft so etwas heute von einer Schule wie selbstverständlich erwarten. Wir erwarten, dass Schülerinnen und Schüler die neuen Kulturtechniken Computer und Internet beherrschen. Wir erwarten, dass die Schulen sie zu einem souveränen, aufgeklärten und kritischen Umgang mit diesen Techniken erziehen. Die Zahlen der Antwort auf die Große Anfrage zeigen aber eines in aller Deutlichkeit: Wir haben noch lange nicht die Voraussetzungen dafür geschafft, dass alle Schülerinnen und Schüler dies erlernen können.

Die gegenwärtige Ausstattung der Schulen ist nicht befriedigend. Vergleicht man sie mit der technischen Ausstattung in den meisten anderen öffentlichen Bereichen, zum Beispiel in den Kommunen, sieht man, dass die Schulen die allgemeine Realität widerspiegeln: Wir sind von einer gleichmäßigen Verteilung der

(Anke Spoorendonk)

neuen Informations- und Kommunikationstechnologien noch weit entfernt. Das darf man nicht vergessen. Auch wenn es wünschenswert wäre, weiter zu sein, die Wirklichkeit sieht noch immer anders aus. Das geht immer wieder aus Presseberichten hervor.

Allerdings hat sich die Landesregierung ein ehrgeiziges Ziel gesetzt. Sie will bis Ende 2001 alle Schulen ans Netz bringen. Ich finde, das wäre eine enorme Leistung, die restlichen Schulen - immerhin annähernd die Hälfte - innerhalb von gut 14 Monaten ans Internet anzubinden, falls es denn gelingt.

Selbstverständlich sind wir damit nicht am Ziel. Die Zahl der Schulen mit Internetzugang sagt noch nichts darüber aus, wie viele Arbeitsplätze von den Schülerinnen und Schülern genutzt werden können und unter welchen Bedingungen diese das Internet nutzen dürfen.

Das mittelfristige Ziel der Landesregierung lautet zehn bis zwölf Computer pro Klassenraum. Aber selbst da werden wir nicht Halt machen können. Deshalb habe ich auch erhebliche Zweifel daran, ob wir mit den von der Landesregierung vorgesehenen Mitteln auf Dauer werden mithalten können. Vergleicht man mit den Investitionen manch anderer Bundesländer oder mit unseren nördlichen Nachbarn, dann geben wir eindeutig weniger aus.

Die Etablierung von Multimedia in den Schulen wird eine permanente Anstrengung bleiben. Es muss nicht nur die technische Ausstattung vermehrt und verbessert werden. Es muss vor allem auch die Lehre erheblich verbessert und angepasst werden. Das Ziel ist erst erreicht, wenn wir nicht nur zwölf Computer in jedem Klassenraum haben, sondern auch vermögen, diese sinnvoll pädagogisch einzusetzen.

Hier kann ich mir eine Bemerkung nicht verkneifen. Wenn ich an ganz viele schulpolitische Debatten in diesem hohen Hause zurückdenke, sind diese eher von einem ganz traditionellen Bild von Schule und von einem klassischen Bildungsideal geprägt.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Vieles von dem, was wir heute bereden, wirkt vor diesem Hintergrund eher abstrakt. Ich denke daran, dass immer wieder verbindliche Stundentafeln oder Frontalunterricht als Ausdruck dafür gefordert werden, dass Leistung gewährleistet ist.

(Martin Kayenburg [CDU]: Wer hat das denn gefordert?)

Das hat wenig mit dem zu tun, was Thema dieser Großen Anfrage ist.

(Martin Kayenburg [CDU]: Das ist Unsinn!)

Das ist eine Interpretation ganz vieler schulpolitischer Debatten.

Der Bericht der Landesregierung macht deutlich, dass im Bereich der Lehrerbildung schon vieles geschieht. Es wird ein Netz von Experten und Multiplikatoren geknüpft, welche die Lehrerinnen und Lehrer in großer Zahl für den Unterricht in der Informationsgesellschaft fit machen sollen. Allerdings ist auch dieses System noch verbesserungsfähig. In Dänemark hat man gute Erfahrungen damit gemacht, den Schulen regionale IT-Berater anzubieten. Vorhin hatten wir das Beispiel Bayern. Auch wenn ich nicht beschlossen habe, jedes Mal, wenn Bayern genannt wird, auch unsere nördlichen Nachbarn zu nennen, so finde ich, dass es des Gleichgewichts wegen angebracht ist, dies hier zu tun.

(Zuruf der Abgeordneten Roswitha Strauß [CDU])

Diese IT-Berater, liebe Kollegin Strauß, können angefordert werden, um die Lehrerinnen und Lehrer vor Ort bei der Entwicklung des IT-Konzeptes der Schule zu beraten. Dies wäre vielleicht eine sinnvolle Ergänzung der Fortbildung durch das IPTS. Wir können nämlich nicht erwarten, dass sich alle Lehrkräfte das umfangreiche Spezialwissen aneignen, das für die Integration der IT in den Alltag der Schule und des Unterrichts erforderlich ist. Eine optimale Einbettung der Technologien in die Schulen erfordert eine klare Strategie. Dafür wären externe Beraterinnen und Berater vielleicht eine angemessene Lösung. Damit meine ich, dass wir bei der Fortbildung von Lehrkräften nicht nur an traditionelle Formen von Fortbildung denken dürfen.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Der Großen Anfrage der CDU und diesbezüglichen Pressemitteilungen des Kollegen de Jager konnten wir entnehmen, dass viele Lehrkräfte, die vor Ort für die Computer zuständig sind, viel ihrer freien Zeit dafür verwenden müssen. Das lässt sich aus unserer Sicht aber kaum vermeiden. Als Anregung wäre vielleicht auch hier der Ansatz unserer nördlichen Nachbarn eine nähere Betrachtung wert. Dort bietet man tausend Lehrern einen kostenlosen PC mit Modem an, wenn sie einen so genannten pädagogischen IT-Führerschein erwerben. Man erwartet sich davon, dass sie sich auch in ihrer Freizeit damit beschäftigen.

Das Problem der Wartung ist dabei, wie ich denke, das geringere Problem. Für die Wartung hat man Firmen. Das wissen die Schulen auch. Gerade die päd

(Anke Spoorendonk)

agogische Umsetzung wird künftig im Mittelpunkt stehen und das ist auch jetzt schon so.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

In den skandinavischen Ländern und auch in Dänemark gibt es andere Finanzierungswege. Es wäre zu überlegen, ob Ähnliches hier durch die Hilfe von Sponsoren umgesetzt werden kann. Wir werden aber nicht umhinkommen, auch die Lehrpläne - zusätzlich zur Fortbildung der Lehrer - zu revidieren.

(Beifall der Abgeordneten Lars Harms [SSW] und Karl-Martin Hentschel [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Lehrpläne werden den Informations- und Kommunikationstechnologien als Gegenstand und Instrument des Lernens angepasst werden. Das hat seine besonderen Tücken, denn eigentlich weiß niemand von uns, wie sich die Technik weiterentwickelt. Wir wissen nur, dass alles verdammt schnell geht. Das hat uns die Entwicklung des Internets innerhalb einer Reihe von Jahren eindrucksvoll vorgeführt. Wir brauchen deshalb flexible, schnell weiterzuentwickelnde Leitlinien für die Schulen, damit sie eine solide Basis für den Umgang mit den neuen Technologien haben, ohne dass wir den Schulen dabei unnötig die Hände binden. Die Einbeziehung der Informations- und Kommunikationstechnologien in unsere Bildungskultur ist neben der technischen Ausstattung die große Herausforderung, vor der wir stehen. Dafür brauchen wir erst einmal kreative Vielfalt. Auf Dauer wird es aber nicht ohne ein strategisches Vorgehen auf der Basis zentraler Leitlinien gehen. Es gibt also noch viel zu tun. Ich glaube aber, dass wir schon auf dem richtigen Wege sind.

Die Große Anfrage der CDU gibt einen engen Themenkreis von Computerzahlen und Lehrerstunden vor. Erweitert man den Themenkreis, so ergibt sich, dass es auch erfreuliche Entwicklungen in Schleswig-Holstein gibt. Ich denke, auch das muss unter dem Gesichtspunkt hervorgehoben werden, dass das Glas nicht nur halb leer, sondern auch halb voll ist. Wir haben zum Beispiel einen ausbaufähigen Landesbildungsserver, der eine gute Plattform für die weitere Entwicklung der multimedialen Schule darstellt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Lehrerinnen und Lehrer werden in großer Zahl für den Computereinsatz ausgebildet. Auf manchen Feldern der Lehrerausbildung sind wir bundesweit Spitze. Auf technischer Seite hat Schleswig-Holstein als erstes Bundesland in Zusammenarbeit mit einem Nürnberger Linux-Distributeur eigens für die Schulen das besonders bedienerfreundliche kmLinux entwickelt, wodurch

endlich die Monokultur der Software in den Schulen beseitigt wird.

(Beifall der Abgeordneten Lars Harms [SSW] und Karl-Martin Hentschel [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

All dies darf man nicht übersehen, will man den Einsatz für Multimedia in den schleswig-holsteinischen Schulen würdigen.

Trotzdem besteht kein Anlass zur Zufriedenheit. Wir werden kräftig investieren müssen, wenn wir unsere Schülerinnen und Schüler gut rüsten wollen, und zwar nicht nur für den Arbeitsmarkt, sondern auch für einen selbstbewussten und kritischen Umfang mit den Herausforderungen der „schönen neuen Welt“.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich Herrn Abgeordneten Weber zu einem Kurzbeitrag das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte gern noch einmal kurz drei Punkte aufgreifen. Herr Kollege Klug, Sie haben Herrn Hay und seine Äußerungen zum IT-Kompetenzzentrum Flensburg angesprochen. Damit kein Missverständnis entsteht, möchte ich noch einmal klar machen: Es gibt eine Entscheidung des Landes, einen Multimedia-Campus in Kiel beziehungsweise in der K.E.R.N-Region zu entwickeln und die einzelnen Partner dort auch zu stärken. Wenn die Flensburger nun so tun, als könnte es sozusagen eine parallele Entwicklung mit entsprechender Landesförderung für Flensburg geben, sind sie, wie ich denke, auf dem Holzweg.

(Beifall bei der SPD)

Etwas anderes ist es natürlich, dass sozusagen aus den Kompetenzen vor Ort eine Konzentration auch im Bereich Multimedia/IT resultiert. Das geschieht weiterhin sehr zügig im Bereich Itzehoe und im Bereich Lübeck und natürlich auch im Bereich Flensburg.

Bezüglich der Lehrerausbildung - das ist der zentrale Ansatzpunkt gewesen - geht es, wie ich glaube, darum, sowohl die bereits bestehende Hardwareausstattung als auch die inhaltlichen Kompetenzen, die es an den verschiedenen Hochschulorten - auch in Flensburg gibt, sinnvoll zu bündeln und vor allen Dingen Sorge

(Jürgen Weber)

zu tragen, dass entsprechende Dinge verbindlich in die Lehrerausbildung Eingang finden.

(Dr. Ekkehard Klug [F.D.P.]: Das kostet auch ein bisschen was!)

- Ja, das sind aber Dinge, die, wie Sie wissen, auch die CAU aus ihren eigenen Möglichkeiten heraus entwikkelt hat, und zwar sinnvollerweise durch Umorganisation von Kompetenzen. Sie wissen, dass der Studiengang Informations- und Kommunikationstechnologie im Unterricht als Zertifikatsstudiengang verbindlich in die Lehrerausbildung eingebaut worden ist. Man kann über die Frage nachdenken, ob man dies ausweiten kann.

Über die Lehrerverlagerung nach Flensburg will ich jetzt gar nichts sagen. Dazu hat jeder seine private Auffassung. Diese will ich hier vor dem Parlament nicht kundtun. Ich will aber sagen, dass wir natürlich zum Beispiel durch die Integration der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät in die anderen Fakultäten in der CAU die Möglichkeit haben, mehr Didaktik in alle Studiengänge der Lehrerausbildung einzubauen. Ich glaube, dass dies auch positive Effekte und Erfolge zeitigen kann und wird.

Lassen Sie mich noch einen Satz zum Kollegen de Jager sagen. Er sprach von einer Aufgabenteilung zwischen Schulträgern und Land im Bereich Multimedia. Das ist natürlich ein wichtiger Punkt, in dessen Zusammenhang wir unter Umständen sozusagen neue Mechanismen diskutieren sollten. Dieses müsste sich dann aber - mein letzter Satz, Herr Präsident - nicht nur auf den Bereich Multimedia beziehen. Es gibt noch viele andere Bereiche, die ebenfalls einzubeziehen wären. Ich nenne hier die Bereiche Schule, Jugendhilfe, Schulwahl und Ähnliches mehr, wo wir im Paket über die Frage der Aufgabenteilung reden sollten.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sollten also nicht nur über Aufgabenteilung in schwierigen Bereichen, die für uns Kosten verursachen, reden, sondern bitte schön über Aufgabenteilung in allen Bereichen.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und die Geduld.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)