Wenn Sie das alles lächerlich finden und denken, mit einem Erlass und einem Verbot könnten Sie Heranwachsende im 21. Jahrhundert zu mündigen Bürgern erziehen, in einer so schwierigen und wichtigen Entscheidungsfrage, was die eigene Gesundheit betrifft, dann irren Sie sich.
Sämtliche Kampagnen der Krankenkassen, sämtliche Handlungsansätze der Prävention setzen nicht mehr auf Verbote und das ist gut so.
- Ich komme zum Ende. - Wenn wir trotzdem an dieser Stelle angesichts der Tabakwerbung, angesichts massiver Gelder, die in die Produktion von Tabakwaren gesteckt werden, noch am Anfang stehen, lassen Sie uns über Verbote nachdenken für Zigarettenautomaten, Zigarettenwerbung und so weiter. Da sind wir gern an Ihrer Seite, aber nicht an dieser Stelle, wo es völlig unsinnig ist und keinen Erfolg bringt.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jugendliche, die schon im Alter von zwölf Jahren zur Zigarette greifen, sind ein ernsthaftes Problem.
Von oben übergestülpte Verbote sind bekanntlich pädagogisch sinnlos, da sie meist den Reiz des Verbotenen überhaupt erst erhöhen. Zumal wird jeder Kriminologe bestätigen, dass ein vollzugsdefizitäres Verbot, also ein Verbot, das nicht durchgesetzt werden kann, kontraproduktiv wirkt. Rauchende Schülerinnen und Schüler neigen bei einem Rauchverbot an ihrer Schule dazu, einfach das Schulgelände zu verlassen, um zu rauchen, so unter anderem auch an der Lornsen-Schule in Schleswig. Hier gibt es nämlich bereits ein Rauchverbot. Oberstufenschüler dürfen aber das Schulgelände verlassen und haben sich direkt als Konsequenz daraus eine Raucherecke außerhalb des Schulgeländes ausgeguckt. Jüngere Schüler machen das Gleiche, aber an anderer Stelle und ohne Erlaubnis. Wenn ihnen hierbei während der Schulzeit etwas zustößt, muss die Schule dafür geradestehen.
Verdrängung allein reicht also nicht aus. Wenn das Rauchen per Ukas im ganzen Schulgebäude, im Schulhof und bei Schulveranstaltungen verboten wird, dann werden sich die Raucherinnen und Raucher eben an der Grenze zum Schulgebäude, neben dem Schulhof oder außerhalb von Schulveranstaltungen aufhalten, ohne dass dies eine präventive Wirkung hat.
Ich glaube nicht, dass damit etwas gewonnen ist. Drogenpolitisch gesehen sogar eher im Gegenteil. Daher fordern wir auch weiterhin eine Stärkung der präventiven Maßnahmen an den Schulen. Das ist ja - wie schon erwähnt - nicht die erste Debatte, die wir zu diesem Thema führen. Die bundesweite Initiative „Be smart - don't start“ hat für das Schuljahr 2004/2005 einen Teilnehmerrekord von etwa 284.000 Schülern zu verzeichnen. Schleswig-Holstein liegt hier bei der Teilnehmerliste mit 571 teilnehmenden Klassen in der oberen Hälfte auf einem guten 6. Platz. Das halten wir für ein deutliches Signal dafür, dass auch bei den Schülern eine große Nachfrage nach solchen Initiativen besteht.
Wir sind also auch dafür, dass das Rauchen an Schulen eingestellt wird, allein schon, weil das Rauchen beziehungsweise Nikotin gesundheitsschädlich ist und im schlimmsten Fall sogar als Einstiegsdroge für den Konsum von Cannabis gelten kann, wie wir erst vor kurzem wieder in der Beantwortung der Kleinen Anfrage der Kollegin Tengler nachlesen konnten.
Laut einer Umfrage von Infratest sind 79 % der Deutschen dafür, sowohl Schülern als auch Lehrern jeglichen Zigarettenkonsum auf dem Schulgelände zu untersagen.
Es geht also darum, dass Schülerinnen und Schüler erfahren, dass der Konsum von Zigaretten problematisch ist, und es geht darum, dass Lehrerinnen und Lehrer eine Vorbildfunktion für Kinder und Jugendliche haben.
Es ist richtig, dass die Einstellungen der Kinder und Jugendlichen und der Lehrkräfte verändert werden müssen, wenn man den Einstieg in die Nikotinabhängigkeit vermeiden und den Ausstieg erleichtern will. Es ist aber naiv zu glauben, dass man eine solche Veränderung der Akzeptanz des Rauchens am besten durch ein Verbot erreicht.
Wir brauchen einen umfangreicheren, breiteren Einsatz gegenüber Zigaretten und Nikotin an jeder Schule, wenn wir wirklich die Zahl der Raucherinnen und Raucher reduzieren wollen. Das Einzige, das wirklich Sinn macht, ist, an den Schulen im Dialog der Beteiligten eine eigene „Nikotinpolitik“, ein eigenes Konzept zu entwickeln. Jede Schule soll ihren eigenen Weg für den Umgang mit dieser Droge finden.
Dadurch sichert man die Akzeptanz und dass so ein Konzept auch von allen unterstützt wird. Dafür können wir aber nicht ein Verbot per ministerieller Verordnung gebrauchen. Angebracht wäre die Forderung, dass die Landesregierung einen Weg findet, den Schulkonferenzen aufzutragen, sich verbindlich mit der Problematik zu befassen, damit vor Ort eine Regelung gefunden wird, zu deren Umsetzung sich alle verpflichtet fühlen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Debatte ist schon ein bisschen komplexer und schwieriger, als dass man sie verengen könnte auf die Frage des Rauchverbots in den Schulen - ja oder nein.
Wir müssen uns fragen: Woher kommt es, dass heute schon Grundschüler rauchen? Woher kommt es, dass das Kiffen so normal geworden ist? Das ist zum Teil in Jugendlichen-Kreisen akzeptierter als das Rauchen, weil es angeblich nicht so viel schadet. Woher kommt es, dass Kinder Tabletten nehmen? Woher kommt es, dass die Alcopops so populär sind? Woher kommt es, dass sich Gymnasiasten - da müssen Sie sich am Wochenende nur einmal hier in den Kieler Kneipen umgucken - sinnlos besaufen? Woher kommt das alles?
- Ja, das ist die typische Antwort auf die Probleme aller Art der Gesellschaft: Die Schule versagt! Ich bin das wirklich langsam leid. Das ist der typische Reflex, von der eigenen Verantwortung abzulenken, die die Eltern, die Familie, die Gesellschaft insgesamt haben. Die Schule soll es lösen, soll es richten, möglichst mit Verboten, mit neuen Unterrichtsfächern und dergleichen mehr. Ich finde schon, wir müssen uns auch ein bisschen an die eigene Nase fassen. Es sind unsere Kinder, über die wir da reden.
Nein, ich habe ganz wenig Zeit und muss das zu Ende führen. Wir werden im Ausschuss weiter darüber debattieren.
Meine Damen und Herren, wenn man dieses verengte Ziel der rauchfreien Schule - und es ist legitim, darüber zu diskutieren - erreichen will, hat man im Wesentlichen zwei Handlungselemente. Das eine sind die präventiven Maßnahmen, die auf Aufklärung und Selbstverpflichtung setzen. Da gibt es eine Fülle von Angeboten in Schleswig-Holstein: Beratung der
Lehrkräfte, Fortbildung, Elternarbeit, Unterstützung bei Schulprojekten und so weiter. Wir bringen gerade eine neue Lehrerhandreichung auf den Weg, eine Zusammenstellung aller Drogenpräventionsangebote, die den Schulen ab Anfang nächsten Jahres zur Verfügung steht. Wir machen eine intensive interministerielle Zusammenarbeit. Der schleswig-holsteinische Präventionspreis „Nicht rauchen, tief durchatmen“ richtet sich in diesem Jahr an Schulen. Das geht in diesem Monat los und die Schulen werden darauf aufmerksam gemacht.
Bei vielen Jugendlichen hat all dies aber keinen Erfolg. Sie rauchen nach wie vor und das Durchschnittsalter des Einstiegs sinkt immer weiter. Das macht mir auch Sorgen. Es ist doch nicht so, dass das an uns vorbei geht, liebe Frau Tengler, darüber redet man auf Elternversammlungen, darüber redet man auf öffentlichen Veranstaltungen. Oft stehen die Eltern total hilflos vor diesem Problem. Sie wissen nicht, wo sie mit den Verboten, mit der Aufklärung, mit der Erziehung anfangen sollen, übrigens auch deswegen, weil sie leider oft selbst schlechte Vorbilder sind.
Aus diesem Grund, weil das so ist, weil eine gewisse Hilflosigkeit in der Gesellschaft da ist, wird diese Diskussion um die Verbote geführt. Es gibt durchaus Argumente dafür, das will ich gar nicht bestreiten, aber es gibt auch Beweggründe dagegen. Mich erreichen in letzter Zeit immer häufiger Briefe und auch Diskussionsbeiträge, die mich auffordern, die Schulen sollten seitens des Ministeriums klare Vorgaben erhalten, nach denen das Rauchen in der Schule generell untersagt wird, auf welche Art auch immer. Ich will mich diesen Argumenten überhaupt nicht entziehen, weil ich das Thema auch viel zu ernst nehme. Aber wie diese klaren Vorgaben aussehen sollen, welche Art und Weise denn die effektivste ist, um all das, was sozusagen an Nebenwirkungen beschrieben worden ist, ist für mich noch nicht endgültig klar.
Einen zahnlosen Tiger oder eine neue Grauzone wollen wir nicht, auch keine Welle von Klagen. Auch das kann man nicht ausschließen. Ein solches Verbot, ein solcher Erlass muss wirklich nachvollziehbar und muss durchsetzbar sein. Selbst bei den Schulen, die sich selbst ein Rauchverbot auferlegt haben, ist es oft so, dass es den Lehrern zu unbequem ist, immer hinterher zu laufen, dass dieses Verbot eben nicht konsequent durchgesetzt wird, Verstöße geahndet werden. Das muss dann aber bitte dazu gehören. Das ist das eine.
Niemand sollte aber wirklich glauben, dass ein solches Verbot allein ausreicht. Die tragende Säule muss nach wie vor die Erziehung bleiben, muss die Prävention bleiben, damit das Rauchen nicht durch ein
Verbot erst recht attraktiv ist. Das wäre das Schlimmste, was man da an Effekt erzeugen könnte. Deswegen müssen alle Beteiligten Vorbild sein. Der Ruf sozusagen nach den Regelungen von oben, der bei Ihnen reflexartig in allen Themen da ist, ist wirklich nicht immer der Königsweg. Ich will mich aber absolut einer solchen Lösung nicht entziehen. Ich sehe das nicht als eine Grundsatzfrage gegen oder für Verbote, sondern ich suche nach einem pragmatischen und möglichst effektiven Weg, um das Problem zu mindern. Lassen Sie uns darüber im Ausschuss weiter diskutieren.
Zu einem Kurzbeitrag nach § 58 Abs. 2 der Geschäftsordnung erhält Frau Abgeordnete Tengler das Wort.
Ich möchte noch auf ein paar Dinge eingehen. Frau Ministerin, es ist mir außerordentlich wichtig, an dieser Stelle zu sagen, dass ich nicht die Schuld in den Schulen gesucht habe und dass ich den Schulen auch keine Schuld gegeben habe. Aber Sie wissen, die Schulen und die KOSS schreien nach Hilfe. Die haben uns gesagt: Gebt uns die Unterstützung. Ich frage mich, Frau Ministerin: Andere Landesregierungen sind dazu in der Lage, warum sind wir das nicht?
Ich danke dem Kollegen Eichstädt, der offen eingestanden hat: Sie werden immer jünger, sie rauchen immer mehr.
Der SSW ist auch dafür, dass nicht geraucht wird. Das finde ich prima. Aber, liebe Anke Spoorendonk, dann sollten wir auch etwas tun.
Frau Birk, ich frage mich: Wie können Sie die Arbeit Ihrer Landesstelle so missachten? Die Vertreter der Landesstelle haben in Ihrem Beisein gesagt: Wir brauchen den Erlass für die Unterstützung unserer Arbeit. Ich begreife nicht, warum Sie ihnen diese Unterstützung verweigern. Auf den Rest Ihrer Überzeugungstäterei, Frau Birk, gehe ich hier nicht ein.