Protocol of the Session on December 15, 2004

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Es wird - wie bei Staatsverträgen oft - aus übergeordneten Gründen wohl kaum möglich sein, in Ruhe Details zu beraten oder noch zu ändern, schließlich haben alle drei Bundesländer unterschrieben. Das ist nicht nur in diesem Fall so. Ich empfehle deshalb der SPD-Fraktion - mit oder ohne Zähneknirschen - erstens die Überweisung an den Ausschuss und zweitens - ich gehe davon aus, dass wir am Freitag nicht erneut zu dem Tagesordnungspunkt reden werden - die Zustimmung am Freitag in der zweiten Lesung.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt hat Herr Abgeordneter Kubicki das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin sowohl der Kollegin Franzen als auch dem Kollegen Wadephul für die einleitenden Worte dankbar, denn es ist langsam schon nicht mehr erstaunlich, sondern geradezu unerträglich, wie die Landesregierung mit diesem Parlament umgeht. Wir hetzen momentan Verfassungsänderungen, Gesetzentwürfe und insbesondere Staatsverträge in einer solchen zeitlichen Kürze durch dieses Haus, dass von einem geordneten Verfahren nicht mehr die Rede sein kann.

Hatten wir zumindest für den Achten Rundfunkänderungsstaatvertrag noch zwei Landtagstagungen Zeit, so soll dieser Staatsvertrag mit Änderungen zur Prüfungsordnung für die Große Juristische Staatsprüfung in einer Tagung mit zwei Lesungen durchgepaukt werden.

Die Durchführung von Anhörungen wird nicht mehr möglich sein - und das bei einer Thematik, die immerhin den juristischen Nachwuchs in diesem Land unmittelbar betrifft, aber auch die Anwaltskanzleien vor dem Hintergrund, dass in diesem Staatsvertrag die Rechtsanwaltspflichtstation auf neun Monate verlängert wird.

Frau Ministerin, ich stelle wiederholt die Frage - das habe ich schon einmal gemacht -, ob Sie überhaupt wissen, wie viele Anwaltskanzleien es in SchleswigHolstein gibt, die die Zertifizierung des DAV als Ausbildungs- und Anwaltskanzlei bereits haben. Meine Töchter, die dankenswerter Weise - jedenfalls die eine - das juristische Staatsexamen gemacht ha

(Wolfgang Kubicki)

ben, teilen mir mit, dass gar nicht ausreichend Anwaltskanzleien in Schleswig-Holstein zur Verfügung stehen, die die Anforderungen erfüllen. Das heißt, Sie beschließen etwas, was faktisch momentan gar nicht umgesetzt werden kann, ohne dass wir überhaupt die Möglichkeit haben, sowohl die Studierenden als auch die Lehrenden und die Anwaltskanzleien dazu zu befragen, ob Probleme bestehen, welche Probleme bestehen und wie man mit diesen Problemen fertig wird.

Ich sage es noch einmal: Wir sind es langsam leid und halten es für unerträglich, dass das Parlament in Fragen von Staatsverträgen nur noch als Formalie wahrgenommen wird.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Wie kann es anders sein, dass erst am 19. November ein Staatsvertrag von drei Landesregierungen unterzeichnet wird und ein Inkrafttreten der neuen Regelungen für den 1. Januar 2005 als Ziel vereinbart wird? Ich gestehe der Justizministerin durchaus zu - die auch immerhin aus einem anwaltlichen Beruf kommt -, dass sie nach Abschluss der Verhandlungen am 19. November 2004 mit Schreiben vom 24. November 2004 den Innen- und Rechtsausschuss unverzüglich informiert hat. Aber auch Frau Lütkes wird einsehen, dass eine gewissenhafte inhaltliche Befassung des Parlamentes mit einem Gesetz - und um ein solches handelt es sich hier - innerhalb eines so kurzen Zeitraums schlicht und ergreifend nicht möglich ist. Allein schon aus diesem Grund werden wir diesem Staatsvertrag nicht zustimmen. Der SchleswigHolsteinische Landtag ist der Souverän unseres Landes, das ist nicht die Landesregierung.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU und Bei- fall des Abgeordneten Günther Hildebrand [FDP])

Im vorliegenden Staatsvertrag sollen neben der Verlängerung der Pflichtstation von Referendaren bei Rechtsanwälten auch die Anforderungen an das Bestehen des zweiten Staatsexamens - nun Zweite Juristische Staatsprüfung genannt - angehoben werden. Es soll darüber hinaus der Zeitraum enger gestaltet werden, in denen die schriftlichen Prüfungsleistungen durch die Rechtsreferendare erbracht werden sollen. Ich halte - um es einmal zu sagen - den Einwand der Kollegin Franzen für durchaus nachdenkenswert, ob die Frage der Quotierung von schriftlichen und mündlichen Leistungen tatsächlich so angemessen ist, wie sie gegenwärtig vorgesehen ist.

Das alles sind Punkte - ich sage es noch einmal -, die wir prinzipiell mit tragen könnten. Darüber lassen wir

auch gern mit uns reden. Und die Zeit, darüber auch ausreichend reden zu können, die wollen wir uns auch nehmen. Wir haben ja dankenswerterweise in diesem Haus bei dieser Berufsgruppe, um die es geht, auch einige Leute, die aus eigener auch noch ausgeübter anwaltlicher Tätigkeit ihre Praxiserfahrungen dabei sinnvoll einbringen können.

Schriftliche Anhörungen bringen ja so manches Mal wertvolle Erkenntnisse. Auch im Rahmen des Gesetzgebungsverfahren zum Juristenausbildungsgesetz haben wir schließlich noch einige wichtige Hinweise aus der Praxis bekommen, die dann noch in das Gesetz eingearbeitet werden konnten.

Nun habe ich es schon bei der Debatte über den Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag gesagt, dass man Staatsverträge entweder beschließen kann oder man lässt es. Dennoch machen wir dieses Hoppla-HoppVerfahren nicht weiter mit. Wir halten es da wie die Kollegin Fröhlich. Sie kritisierte in der Sitzung des Innen- und Rechsausschusses vom 24. November 2004 die „Erpressungssituation“, in der sich Parlamentarier bei Staatsverträgen befänden, und erklärte, beim Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag würden die Grünen noch einmal zustimmen, beim nächsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag sei damit aber Schluss.

Liebe Kollegin Fröhlich, der nächste Staatsvertrag - wenn auch nicht im Bereich Rundfunk, aber im Bereich Justiz - liegt uns vor; er stammt von ihrer eigenen Ministerin. Er lässt uns noch weniger Zeit. Wir dürfen gespannt darauf sein, ob Ihrer Ankündigung heute Taten folgen werden.

Ich erkläre ausdrücklich, es ist sinnvoll, darüber zu debattieren. Wir sollten es tun. Es wird uns die Möglichkeit dazu genommen und weil das so ist, stimmen wir dem nicht zu.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ich erteile Frau Abgeordneter Fröhlich das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Bonmot sagt, die Diskussion um die Juristenausbildung sei so alt wie die Ausbildung selber. In diesem Landtag jedenfalls haben wir uns mit keinem Berufszweig und mit keinem Ausbildungsgang auch nur annähernd so intensiv befasst, wie mit der Ausbildung von Juristinnen und Juristen.

(Zuruf: Die Lehrerausbildung!)

(Irene Fröhlich)

- Nein, nicht einmal mit der Lehrerausbildung. Mit der Schule haben wir uns wohl sehr oft befasst, aber nicht mit der Lehrerausbildung in dieser Intensität. Ich weiß das, denn ich war bei beiden Themen gefragt.

Vor gut einem Jahr haben wir das Juristenausbildungsgesetz verabschiedet, das sich in erster Linie mit dem universitären Studium befasst. Heute geht es um die zweite Staatsprüfung, die ab jetzt auch so genannt werden soll.

Die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein betreiben seit einigen Jahren ein gemeinsames Prüfungsamt für die bislang so genannte „Große Staatsprüfung“.

(Unruhe)

Die ansonsten doch eher als konservativ bekannten Juristinnen und Juristen gehören damit zur Avantgarde der länderübergreifenden Verwaltungszusammenarbeit. Dies begrüße ich sehr. Diese Zusammenarbeit muss aber eben auch von Zeit zu Zeit auf neue Füße gestellt werden, wenn sich die Rahmenbedingungen ändern.

(Anhaltende Unruhe - Glocke der Präsiden- tin)

- Einen Moment, Frau Abgeordnete! Ich bitte um etwas mehr Ruhe.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Der Geräuschpegel ist im Moment sehr hoch.

Eine solche Änderung ist zum Beispiel das Bundesgesetz zur Reform der Juristenausbildung. Es erfolgt hier eine Anpassung an die hierin erfolgten Änderungen im Ablauf der Referendariatsausbildung und im Ablauf der Prüfungen. Wie ich bereits dargelegt habe, haben wir dies ausführlich diskutiert - im Unterschied zum Beispiel zu den Rundfunkänderungsstaatsverträgen, die wir immer erst anfangen zu diskutieren, wenn sie auf dem Tisch liegen. Das haben wir dieses Mal aber auch schon anders gemacht. Das werden wir auch weiter verfolgen.

Aber auch andere Verabredungen werden novelliert. Zum Beispiel wird die Kostenverteilung zwischen den Ländern erstmals im Staatsvertrag direkt geregelt.

Die wichtigste substantielle Änderung, die dem Gestaltungsspielraum der Länder unterliegt, ist aber sicherlich eine stärkere Ausrichtung auf die rechts

anwaltliche Tätigkeit. Dies ist sicherlich auf die starke Mitwirkung der Interessenverbände der Rechtsanwälte zurückzuführen. Da aber 70 % aller Juristen in freien Berufen und dabei insbesondere als Anwälte tätig sind, ist hier - auch trotz Verlängerung der Anwaltsstation - allenfalls ein erster Schritt gemacht. Ob es reicht, für die zweite Staatsprüfung eine Konzentration auf die anwaltliche Tätigkeit vorzunehmen, wird sich zeigen. Ebenso muss verwaltende und rechtsberatende Arbeit von den Universitäten stärker als bisher vermittelt werden, denn das Berufsbild des Juristen entwickelt sich zunehmend in Richtung des Beraters.

Wir haben es hier also, wie so oft in der Politik, mit einem „work in progress“ zu tun. Wir wollen es weiter verfolgen. Wir wollen es weiter begleiten.

Dass ich sinngemäß den Rundfunkstaatsvertrag genannt habe, dass ich Allerlei getan habe, um das hier festzuklopfen, ist vorhin deutlich geworden. Insofern muss ich zu den Einlassungen des Kollegen Kubicki nichts mehr sagen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Frau Abgeordneter Hinrichsen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen, die meine Vorrednerinnen und Vorredner gemacht haben, waren für mich ganz interessant. Ich hatte nicht ganz so viel Zeit, mich auf das heutige Thema vorzubereiten. Deshalb halte ich mich ein wenig an den Staatsvertrag. Ich weise gleichzeitig darauf hin, dass ich morgen im Innen- und Rechtsausschuss, wenn wir den Staatsvertrag erörtern, ein Problem ansprechen werde. Ich habe ein bestimmtes Thema auf die Schnelle nicht verstanden.

Seit dem Mai 1972 gibt es bereits die gemeinsame Zusammenarbeit der norddeutschen Länder Schleswig-Holstein, Hamburg und Bremen im Bereich der Juristenausbildung und hier insbesondere bezogen auf die Prüfungen. Damals wurde der jetzt geltende Staatsvertrag über ein Gemeinsames Prüfungsamt und die Prüfungsordnung für die Große Juristische Staatsprüfung von den genannten Ländern unterzeichnet. Diese Zusammenarbeit der norddeutschen Länder im Bereich der Juristenausbildung hat sich meines Wissens in den vergangenen Jahren bewährt. Auch ich war dieser Prüfung ausgeliefert; das heißt, ich musste die mündliche Prüfung in Hamburg machen. Es ist sinnvoll, diese Zusammenarbeit auch bei ver

(Silke Hinrichsen)

Herausgegeben vom Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtags - Stenographischer Dienst

änderten Rahmenbedingungen in der Zukunft fortzusetzen.

Heute liegt uns in Gesetzesform eine Änderung des Staatsvertrages vor, die im November 2004 zwischen Schleswig-Holstein, Hamburg und Bremen unterzeichnet wurde. Hintergrund ist die Reform der Juristenausbildung, die im Juli 2002 vom Bund beschlossen wurde und zum 1. Juli 2003 in Kraft getreten ist. Auffällig ist das insbesondere dadurch, dass die Bezeichnung „Große Juristische Staatsprüfung“ durch die Bezeichnung „zweite Staatsprüfung“ ersetzt wird.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Großer Fort- schritt!)

Inhaltlich stellt die Änderung eine Modernisierung der Juristenausbildung mit einer stärkeren Konzentration der Ausbildung auf die anwaltliche Tätigkeit dar. So wird die Rechtsanwaltspflichtstation auf neun Monate verlängert. Vieles dazu haben meine Kollegen hier schon ausgeführt. Es bleibt auch künftig den Ländern überlassen, den Ergänzungsvorbereitungsdienst zu regeln.