Protocol of the Session on December 17, 2004

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Kritisiert wird von vielen Arbeitgebern, aber auch von vielen Auszubildenden die zu kurze Probezeit. Beide Seiten brauchen mehr Zeit, um festzustellen, ob die richtige Berufswahl getroffen worden ist. Ich halte es daher für richtig, die Berufsschultage aus der Probezeit herauszunehmen.

Wer diesen Vorschlag gleich wieder als soziale Kälte brandmarkt - ich beuge der Diskussion ein wenig vor -, der sollte auch bedenken, dass es zurzeit 25 % Ausbildungsabbrecher gibt, ein Drittel aus persönlichen Gründen, da sie den falschen Beruf gewählt haben.

Des Weiteren muss die Mobilität der jungen Erwachsenen dadurch gefördert werden, dass ein europatauglicher Ausbildungspass eingeführt wird, um die im Ausland erworbenen Qualifikationen einfacher anrechnen zu können.

Zusammenfassend ist festzustellen: Die Ausbildungssituation zum Jahreswechsel ist in Schleswig-Holstein zufrieden stellend. Die Wirtschaft hat trotz der wirtschaftlich schwierigen Lage ihre soziale Verantwortung wahrgenommen. Die Politik ist weiterhin gefordert, für ein modernes, zukunftsorientiertes und international arbeitendes Berufsbildungsrecht zu sorgen.

(Beifall bei CDU und FDP sowie vereinzelt bei SPD und SSW)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Aschmoneit-Lücke das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Geerdts, das Stufenmodell, das Sie zum Schluss noch einmal vorgestellt haben, wird von uns absolut unterstützt. Dafür haben wir uns auch in der Vergangenheit schon häufig eingesetzt. Wir sind sehr froh, dass inzwischen auch bei vielen Beteiligten, die sich früher einmal dagegen gewehrt hatten, die Einsicht zugenommen hat, dass ein solches Modell den Auszubildenden und uns insgesamt helfen könnte.

(Beifall bei der FDP)

Herr Minister, Schleswig-Holstein hat es geschafft. Ich muss, wie Sie es auch getan haben, dazu sagen: In diesem Jahr. Natürlich sind weitere Anstrengungen in den nächsten Jahren notwendig. Es gibt dann mehr

(Christel Aschmoneit-Lücke)

Schüler und möglicherweise ist die Wirtschaft noch nicht so weit, diese vielen zusätzlichen Schüler in Ausbildungsverhältnisse aufzunehmen. Dies bedauern wir. Auch weiterhin werden also Anstrengungen unternommen werden müssen.

Ende September gab es in Schleswig-Holstein 53 Ausbildungsangebote mehr als unvermittelte Bewerber. Im Jahre 2004 können in Schleswig-Holstein alle ausbildungswilligen und ausbildungsfähigen Menschen auch ausgebildet werden. Im Namen der FDP-Fraktion danke auch ich wie meine Vorredner allen, die sich an diesen Bemühungen beteiligt haben. Das sind die Unternehmer, das sind aber auch die Kammern, das sind die Schulen, das sind die Behörden. Allen meinen herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Die gemeinsamen Anstrengungen haben zweierlei erreicht. Erstens muss kein potenzieller Berufsanfänger sein Berufsleben mit offizieller Arbeitslosigkeit beginnen und zweitens sollte spätestens jetzt all jenen Politiker, die immer noch versuchen, mit ihrer chronischen Steuererhöhungssucht Politik zu machen, klar sein, dass dieses Ergebnis mit einer Ausbildungssteuer niemals hätte erreicht werden können.

(Beifall bei FDP, CDU und des Abgeordne- ten Lars Harms [SSW] - Zuruf des Abgeord- neten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Eine Ausbildungsplatzabgabe ist eine Ausbildungssteuer, Herr Kollege Hentschel. Das sollte inzwischen auch bei Ihnen angekommen sein.

Herr Kollege Bernd Schröder, Sie haben in diesem Zusammenhang gesagt, eine Ausbildungsplatzabgabe könnte allenfalls das letzte Mittel sein. Ich will für die FDP an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich machen, dass die Ausbildungsplatzgabe für uns auch kein letztes Mittel ist.

(Beifall bei FDP und CDU)

Sie ist in jedem Falle kontraproduktiv und führt damit eher zum Gegenteil dessen, was wir in SchleswigHolstein jetzt erfreulicherweise erreicht haben.

„Kammern und Arbeitsagenturen haben eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass freiwillige Lösungen allemal weiter führen als staatliche Regulierung... Ich hoffe, dass Schleswig-Holstein damit Vorbild auch für andere Regionen in Deutschland wird.“

So kommentierte Bundeswirtschaftsminister Clement den schleswig-holsteinischen Erfolg am Nikolaustag in Lübeck. Recht hat er. Dem möchte ich nur noch

eines hinzufügen: Wer jetzt noch eine Ausbildungsplatzabgabe fordert, der gefährdet in Zukunft ähnliche Erfolge.

(Vereinzelter Beifall bei FDP und CDU)

Denn der will die Wirtschaft dafür bestrafen, dass sie jungen Menschen Chancen gibt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie sich in SchleswigHolstein umhören und in Betriebe gehen, erkennen Sie, welche Kooperationen gebildet worden sind, damit Betriebe, die nicht das volle Ausbildungsangebot vorhalten können, andere Betriebe unterstützen und Teilausbildung betreiben. Damit ist ganz klar, dass diejenigen, die jetzt solche Dinge anbieten, dies nicht täten, würde ihnen gesagt: Ihr habt nicht genügend Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt; dafür müsst ihr jetzt bezahlen. Ich glaube, das ist eine ganz einfach nachzuvollziehende Schlussfolgerung.

Aber das Wichtigste für heute noch einmal: Schleswig-Holstein hat es geschafft. Der Ausbildungspakt ist ein voller Erfolg.

Schön wäre es, könnten wir diesen Erfolg auf den gesamten Arbeitsmarkt ausdehnen und würden alle arbeitswilligen und arbeitsfähigen Menschen auch Arbeit finden. Ich bin überzeugt, dass dies möglich ist, allerdings nicht innerhalb des heutigen Regelwerks für den deutschen Arbeitsmarkt. In welche Richtung dieses Regelwerk geändert werden sollte, um die Massenarbeitslosigkeit zu besiegen, zeigt uns der Ausbildungspakt: Weniger staatlicher Zwang senkt die Arbeitslosigkeit und steigert die Beschäftigung.

(Vereinzelter Beifall bei FDP und CDU)

Mehr Motivation, mehr Flexibilität bei Anbietern und Nachfragern wird auch auf dem Arbeitsmarkt - davon bin ich überzeugt - eher zum Erfolg führen als das ganze Regelwerk, mit dem wir uns insgesamt belastet haben.

Herr Minister, ich möchte noch zu einigen Dingen Stellung nehmen, die Sie gesagt haben. Sie haben von den Nachvermittlungsaktionen und von den Ausbildungsplatzbörsen gesprochen. Ich kann Ihnen nur Recht geben: Dies waren hervorragende Initiativen, die auch sehr erfolgreich gewesen sind. Das Beispiel der Industrie- und Handelskammer Flensburg zeigt, dass mit einem erhöhten Einsatz ganz viele junge Menschen erreicht werden können, die sonst nicht erreicht würden.

Das Nichterscheinen von vielen, die zur Teilnahme an der Nachvermittlung aufgefordert worden sind, ist

(Christel Aschmoneit-Lücke)

natürlich ein Phänomen, das wir auch in der Vergangenheit schon gesehen haben. Erstaunlich in diesem Jahr war, dass auch junge Menschen erschienen sind, die gar nicht dazu aufgefordert worden waren. Sie hatten nur davon gehört, dass es eine solche Nachvermittlungsaktion und solch eine Börse gibt. Sie sind von sich aus dahin gekommen und haben gesagt: Vielleicht finde ich dort noch etwas. Das finde ich toll! Auch da kann man nur sagen: Weiter mit diesen Aktionen. Wenn sich dies herumspricht, dann kommen möglicherweise auch viele, die gar nicht angeschrieben worden sind. Herr Minister, Sie haben die Motivation völlig zu Recht angesprochen. Die Motivation muss das sein, was uns allen am Herzen liegt. Dann werden wir auch die ansprechen, die in der Vergangenheit vielleicht nicht gekommen sind.

Über eine Frage würde ich gern noch weiter diskutieren, aber möglicherweise wird das in dieser Legislaturperiode nichts mehr werden. Es ist die Frage, ob wir nicht auch das Jugendarbeitsschutzgesetz in der einen oder anderen Richtung überdenken müssten. Meiner Ansicht nach und nach meinen Informationen gibt es noch Regelungen, die nicht Erfolg versprechend und - zumindest im gastronomischen Bereich - kontraproduktiv sind. Vielleicht könnte man darüber noch einmal sprechen, denn Jugendlichen, die in der Ausbildung sind, zu sagen, sie dürften nach 22 Uhr auf keinen Fall mehr arbeiten, ist zu überdenken. Ich weiß nicht, ob das noch so zeitgerecht ist. Jugendliche gehen heute oft erst nach Mitternacht in die Disco. Vielleicht könnte man in der Zukunft darüber nachdenken, ob man hier eine Flexibilisierung findet. Man könnte die Grenze vielleicht um eine Stunde hinausschieben. Es bleibt noch viel Arbeit übrig, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Sie demnächst ohne mich machen müssen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Hentschel das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eine Ausbildungssteuer haben wir nicht gefordert. Wir haben uns aber intensiv über eine Ausbildungsplatzabgabe unterhalten. Ich glaube, die Diskussion über die Ausbildungsplatzabgabe war auch sehr erfolgreich. Ich kenne genügend Leute aus der Wirtschaft, die zugestehen, dass das Ergebnis, das wir jetzt haben, ohne diese Diskussion so nicht zustande gekommen wäre. Ich glaube also, dass es richtig war, diese Diskussion zu führen. Ich glaube auch, dass es

richtig war, sie so zu führen, wie wir sie hier geführt haben.

Die Initiative, in Schleswig-Holstein eine Regionalisierung einzufordern, war auch sinnvoll. Ich freue mich sehr, dass Schleswig-Holstein nach den Zahlen im bundesweiten Vergleich wiederum ganz vorn liegt. Das ist ein Erfolg, auf den wir alle gemeinsam stolz sein können. Es ist ein Erfolg, auf den vor allem diejenigen, die sich in den Kammern und in den Betrieben engagiert haben, stolz sein können.

Ich möchte noch einmal auf das Berufsbildungssystem und die Fragen des Stufensystems, die hier angesprochen worden sind, eingehen. Ich bin dafür, ein Stufensystem einzuführen, weil das Berufsbildungssystem so, wie es heute mit einem einheitlichen Ausbildungsabschluss ist, zu wenig die unterschiedlichen Qualifikationen und Fähigkeiten von Jugendlichen berücksichtigt. Es führt zu erheblichen Umwegen, wenn man Jugendliche zum Beispiel erst Abitur machen und sie dann eine Berufsausbildung abschließen lässt. Ich halte es für sinnvoller, dass wir drei verschiedene Abschlusstypen haben, nämlich den normalen Gesellenbrief, den Gesellenbrief mit Hochschulreife, der die Qualifikation einer Oberstufe eines Gymnasiums einbezieht, und eine Qualifikation, die darunter liegt, nämlich einen Werkerbrief, der nicht dem vollem Gesellenbrief entspricht. Wenn wir solche Abstufungen hätten, würden wir wesentlich mehr den individuellen Fähigkeiten der Jugendlichen gerecht werden können. Wenn wir eine Modularisierung haben, dann könnten auch diejenigen, die nicht den Werkerbrief schaffen, trotzdem bescheinigt kriegen, welche Kurse und welche Module sie erfolgreich abgeleistet haben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Später könnten sie in ihrer weiteren beruflichen Entwicklung auf den bescheinigten Zertifikaten aufbauen. Möglicherweise können sie dann den Werkerbrief oder den Gesellenbrief nachholen.

Ich glaube allerdings, dass es nicht richtig ist, dass wir diejenigen, die schwächer sind und die für einen abgestuften Abschluss ausgebildet werden, wie wir es zurzeit im Bäcker- oder Metallbereich haben, kürzer ausgebildet werden als die anderen. Ich bin mit dem, was zurzeit gemacht wird, nicht einverstanden. Wenn wir schwächere Schüler haben, dann brauchen diese eher eine längere Ausbildung. Ich bin also dafür, dass grundsätzlich alle Jugendlichen nach der Real- oder der Hauptschule automatisch zur Berufsschule kommen und dass alle Jugendlichen eine Ausbildung machen. Ich bin dafür, dass diese Ausbildung dann mit einer der drei Qualifikationsstufen abschließt und

(Karl-Martin Hentschel)

dass die Jugendlichen bis zu vier Jahre lang Zeit haben, einen Abschluss zu erreichen. Wenn sie nach vier Jahren keinen Gesellenbrief geschafft haben, dann können sie einen Werkerbrief machen. Wenn sie den auch nicht geschafft haben, dann kriegen sie das bescheinigt, was sie erreicht haben. Sie können die Ausbildung in Modulform aber auch in zweieinhalb oder drei Jahren durchlaufen. Ein solches Modell ermöglicht für die einzelnen Schülerinnen und Schüler erheblich mehr Flexibilität. Es hat aber natürlich Auswirkungen auf die Berufsschulen in SchleswigHolstein. Darüber muss man sich klar sein und darüber werden wir reden müssen.

Ich freue mich auch über die erfolgreichen Projekte für Migranten, weil ich glaube, die Einbeziehung der Migranten in Berufsausbildungen ist eine der wesentlichen Aufgaben, die uns in den nächsten Jahren bevorsteht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Insbesondere die Quote bei den russischen Migranten und bei den Migranten aus der Türkei ist noch viel zu niedrig. Es ist ganz entscheidend, dass das Bewusstsein in den Familien und auch in den ausländischen Betrieben gehoben wird. Das erfolgreiche Projekt AIM hat dazu einen wichtigen Beitrag geleistet. Ich bin dafür, dieses Projekt weiter zu unterstützen und möglicherweise auch landesweit auszubauen.

Zum Schluss freue ich mich außerordentlich über die Worte meiner Kollegin Frau Aschmoneit-Lücke. Sie hat gesagt:

„Ich hoffe, dass Schleswig-Holstein Vorbild für die anderen Regionen in Deutschland wird.“