Protokoll der Sitzung vom 27.01.2005

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Denn am Ende ist es so, dass die Rechnung, die Ersparnisse der Kommunen aus Hartz IV könnten in den Ausbau der Krippenplätze gehen, nur auf dem Papier steht und nicht eintreten wird.

Frau Höfs, lassen Sie mich noch eine Bemerkung machen, und zwar eine - auch wenn Vorwahlkampf ist - etwas nachdenklichere.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Was heißt „Vor- wahlkampf“?)

Wir haben in Deutschland ein bisschen die Diskussion in Richtung Monokausalität nach dem Motto: Wir brauchten nur die Betreuungsplätze für Kinder von null bis drei Jahren auszuweiten -

(Glocke des Präsidenten)

- ich komme zum Schluss, Herr Präsident -

Ich bitte darum.

- und dann gäbe es mehr Kinder. Die neueste Umfrage der Zeitschrift „Eltern“ hat bewiesen, dass dieser monokausale Zusammenhang nicht besteht. Wir müssen natürlich für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf die Betreuungsplätze ausweiten. Zu glauben, dass wir allein über eine Ausweitung der Betreuungsplätze mehr Kinder bekämen, ist falsch. Nach wie vor ist die Entscheidung für Kinder - das hat die Befragung ergeben - eine persönliche. Deshalb brauchen wir eine insgesamt gute Familienpolitik.

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Birk das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erstmalig hat sich Deutschland auch im elementarpädagogischen Bereich dem internationalen Vergleich gestellt. Diesmal wurden nicht die Kinder getestet, sondern die Politik. Deutschland war für die internationalen Expertinnen und Experten besonders interessant, weil hier nach wie vor zwei Welten der Auffassung von frühkindliche Erziehung aufein

ander prallen. Im Westen die durch den Kalten Krieg offenbar noch verstärkte und noch immer nicht überwundene Haltung: „Nur Mutti ist die Beste!“ Im Osten die selbstverständliche junge Tradition: Auch Kleinkinder profitieren von ergänzender Erziehung und Bildung durch Profis.

Dahinter steht heute nicht mehr der Oktroi eines undemokratischen sozialistischen Staates, sondern sogar von erwerbslosen Müttern die selbstverständliche Erwartung, auch wenn sie erwerbslos sind - das sind sie im Osten leider viel zu viel -, dass sie das Recht auf Berufstätigkeit haben und damit das Recht, ihre Kinder in hervorragend eingerichtete Kindertageseinrichtungen zu schicken, und zwar schon bevor die Kinder laufen lernen. Die zunehmende Erwerbslosigkeit der Mütter im Osten, die sich inzwischen an die im Westen angleicht, hat nicht zur Folge gehabt, dass die Mütter sagen: Die Kinder bleiben bei uns zu Hause. Das finde ich einen sehr interessanten Tatbestand, der zeigt, dass im Osten offensichtlich eine völlig andere Auffassung herrscht über das, was Bildung und Erziehung in den frühen Jahren bedeutet.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Darüber hinaus ist Deutschland auch deshalb für die externen Fachleute interessant, weil in kaum einem anderen Staat die Kompetenzen, wer über die Formen öffentlicher Kleinkindererziehung entscheidet, auf so viele verschiedene Instanzen verteilt sind.

Dieses Thema hat durch das gestrige Urteil des Bundesverfassungsgerichts erneute Aktualität bekommen. Wir haben dieses Gerichtsurteil noch nicht in Gänze auswerten können. Aber es deutet sich an, das es auf viele Gesetze, nicht nur auf die Hochschulgesetzgebung, einen Schatten wirft. Ich sage das mit Bedauern. Denn wir Grüne ziehen aus der Studie die Konsequenz, dass es einen verbindlichen bundesweiten Rahmen braucht, um die Chancengleichheit zu wahren.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir stimmen mit der Studie überein, dass eine entscheidende Aufgabe eben nicht nur der Eltern, sondern auch der öffentlichen Hand ist, für Chancengleichheit, Bildung, Erziehung und Betreuung von sehr jungen Kindern zu sorgen. Diese Verantwortung - das hat die Bundesregierung deutlich gemacht - beginnt schon bei den Kindern unter drei Jahren. Von der Kommission ist auch festgestellt worden - darin stimmen wir mit ihr überein -, dass offensichtlich eine nachsteuernde Bundesgesetzgebung notwendig gewesen ist - schlicht, weil die Kommunen es versäumen, ihre Aufgaben wahrzunehmen.

(Angelika Birk)

Insofern fühlen wir uns durch die Studie darin bestärkt, dass die Elementarpädagogik als Fach endlich auch in Deutschland an Hochschulen einzurichten ist. Es ist schon merkwürdig, dass ein so wichtiger Gegenstand, wie die Kinder lernen und wie man sie dabei unterstützen kann, hier in Deutschland keiner wissenschaftlichen Erforschung und ständigen Erprobungen von neuen Praxismodellen wert ist. Wir müssen immer wieder nach München zu Herrn Fthenakis gucken, um wirklich gute wissenschaftliche und praxisorientierte Beobachtungen und Erforschungen zu erfahren. Es ist doch eigentlich ein bisschen merkwürdig, dass wir hier nicht auf mehr Kompetenzen überall zurückgreifen können.

Die Studie stellt auch fest - hier fühlen wir uns ebenfalls bestätigt -, dass Kinder mit Migrationshintergrund, aber auch Kinder mit Handicaps in den Kindertagesstätten nicht überall angemessen integriert sind. Hier sehen wir Handlungsbedarf. Hier hat Schleswig-Holstein viele Schritte nach vorn gemacht. Aber gerade aufgrund des Finanzdrucks in den Kommunen droht, das Erreichte gefährdet zu werden.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Weil Sie den Zu- schuss für dieses Jahr gedeckelt haben!)

Deshalb haben wir gesagt: Hier müssen wir Weichen stellen. Unser Fazit. - Alle anderen haben überzogen. Ich erlaube mir auch noch eine Minute.

(Heiterkeit)

- Ich habe das verfolgt. Sie haben das auch zugegeben.

Für Kinder muss der Besuch in der Kindertagesstätte ebenso selbstverständlich und verbindlich sein wie der Schulbesuch. Den Einstieg hierzu sehen wir in einem kostenlosen Kindertagesstättenjahr für alle 5Jährigen.

Kinder brauchen Kindersprachförderung. In dem letzten Jahr vor der Schule ist sie besonders notwendig. Ich freue mich, wenn uns die CDU mit ihren Ausführungen dann folgt.

Kindergärten sind aber keine Schulen. Im Gegenteil. Schulen können von vielen guten Kindergärten lernen. Darauf hat die Ministerin für Bildung aufmerksam gemacht.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Schule und Kindergärten brauchen die Kooperation auf gleicher Augenhöhe.

Auch in Schleswig-Holstein müssen wir das Angebot für Kinder unter drei Jahren aufstocken. Hier müssen wir flexibel vorgehen. Da folge ich der Opposition. Das heißt aber nicht das Billigmodell für Tagesmütter, sondern das heißt, Kinderkrippen und Tagesmütter müssen zusammenarbeiten und auch Tagesmütter brauchen eine Qualifikation und

(Glocke des Präsidenten)

angemessene Bezahlung.

Schließlich unterstützen wir den Einstieg in die Elementarpädagogik. Wir glauben, dass insbesondere die pädagogischen Leitungskräfte berufsbegleitend eine Hochschulqualifikation beginnen können. Selbstverständlich ist dazu die Erfahrung der Fachhochschulen zu integrieren.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bevor ich weiter das Wort erteile, begrüße ich Gäste. Auf der Tribüne haben Mitglieder des Seniorenbeirates und des Bürgerausschusses der Gemeinde Flintbek sowie Unternehmerfrauen im Handwerk, Arbeitskreis Nordfriesland, Platz genommen. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Nun erteile ich der Frau Abgeordneten Spoorendonk das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der OECD-Bericht zur frühkindlichen Betreuung und Bildung beruht weniger darauf, zahlenmäßige Vergleiche anzustellen. Er untersucht vielmehr die Sachlage und gibt Empfehlungen zur Verbesserung der vorgefundenen Problemfelder.

Die Experten der OECD bewerten als positiv, dass es in Deutschland eine lange Tradition auch für Konzepte mit überwiegend sozialpädagogischen Ansätzen gibt. Darüber hinaus lobt die OECD, dass die Kindertagesstätten landesweit gut ausgestattet sind, wobei es auch hier auf die Detailfragen ankommt. Stichworte wurden schon genannt. Es sind die Öffnungszeiten, die Gruppengrößen und auch die Frage der Elternbeiträge. Als lobenswert betrachtet die Expertengruppe den ganzheitlichen Ansatz. Das heißt, dass es bei den Kindertagesstätten sowohl um das Wohl des Kindes als auch um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht.

Problematisiert wird die in Deutschland immer noch vorherrschende Auffassung, dass 0- bis 3-Jährige am

(Anke Spoorendonk)

Besten bei ihrer Mutter aufgehoben sind. Das hat zur Folge, dass es hierzulande weiterhin zu wenig Betreuungsplätze für diese Altersgruppe gibt. Das Ost-West-Gefälle ist auch schon angesprochen worden.

Weiterhin empfiehlt die OECD, dass der Einsatz für die Integration und für die bessere Förderung von Kindern mit Behinderung, Kindern mit ausländischem Hintergrund und Kindern aus sozial schwächeren Familien gestärkt werden muss. Darüber hinaus regt die OECD an, die Erzieherinnen- und Erzieherausbildung auf Hochschulniveau anzuheben.

Interessanterweise führt der Bericht als Beispiel die Erfahrungen an, die man in den skandinavischen Ländern und nördlich der Grenze gemacht hat. Dort gibt es Ausbildungszentren, Fachhochschulzentren für Pädagogen, wo sowohl Studien auf Fachhochschulniveau als auch Weiterbildung und Ausbildung von Erziehergehilfen angeboten wird. Dort hat man zwei Berufsformen für Erzieherinnen und Erzieher. Gerade das wird in Zukunft das sein, was wir hier bei uns umsetzen müssen.

Der SSW unterstützt die Forderung nach einer neuen Art von Erzieherausbildung.

Das habe ich auch schon bei der Debatte im Mai letzten Jahres deutlich gemacht. Für uns kann es dabei aber nicht um eine Verschulung von Kindergärten gehen. Für uns ist weiterhin wichtig, dass der sozialpädagogische Ansatz erhalten bleibt. Also: Kindergarten ist auch Schnittstelle zur Jugendhilfe.

Trotz der Einführung eines Hochschulstudiums wissen wir, dass die berufsbegleitende Weiterbildung weiterhin eine hohe Priorität haben muss, um den Beschäftigten in den Kitas die Möglichkeit der Qualifizierung zu geben. Dies kann nur im Sinne des Kindes sein, besonders mit Blick auf den immer wichtiger werdenden Bildungsauftrag, dem die Betreuer und Betreuerinnen gerecht werden müssen.

Ein weiteres Fazit ist unserer Meinung nach, dass die immer wieder aufflackernde Diskussion um die Senkung von Kindertagesstättenstandards endgültig vom Tisch sein sollte. Denn die Senkung der Standards wäre gleichbedeutend mit einer Verschlechterung des Ausgangspunktes unseres Bildungssystems.

Zusammenfassend heißt das für uns, dass wir einem Hochschulstudium Elementarpädagogik zustimmen und wir werden uns daran beteiligen, dass dieser Ausbau dann auch zügig stattfinden kann. Wir wollen eine qualifizierte Betreuung für die unter 6-Jährigen. Das kann in Form von Krippen, das kann in Form von Tagesmüttern angeboten werden, aber, liebe Kolle