zernen getroffen - siehe die Beispiele Motorola und Beate Uhse in Flensburg, Trelleborg in Neumünster oder HDW in Kiel.
Die Steuerreform der Bundesregierung oder die Entscheidung zur Beendigung der Werftenhilfe durch die EU-Kommission stellen hier nur die Spitze des Eisberges einer Entwicklung dar, die für SchleswigHolstein entscheidende finanzielle und wirtschaftliche Auswirkungen hat, auf die wir aber wenig oder nur einen begrenzten Einfluss haben.
Diese Erkenntnis darf aber nicht dazu führen, dass die politischen Akteure ihren Gestaltungswillen wie ausgediente Boxhandschuhe an den Nagel hängen. Mag sein, dass es die Politikerinnen und Politiker schon lange aufgegeben haben, die Entwicklung zu steuern. Das heißt aber nicht, dass sie auch aufgegeben haben, die Entwicklung zu beeinflussen, sagte kürzlich die dänische Wirtschaftsministerin Pia Gjellerup in einem Zeitungsinterview. Auf Schleswig-Holstein bezogen heißt das wiederum: Wir sind alle gefragt, den Handlungsspielraum der Landespolitik neu zu definieren. Nur so können wir ihn auch erweitern.
In diesem Zusammenhang gibt es bereits Stimmen, die dafür plädieren, dass die Politik angesichts der rasanten ökonomischen, technischen und sozialen Veränderungen eine Auszeit nehmen sollte, bis eigentlich klar ist, wo und wie man konkret wieder politisch handeln kann. Das kann es aber nicht sein. Es muss vielmehr darum gehen, dass wir als Politikerinnen und Politiker wieder unsere „Deutungshoheit“ akzeptieren, wenn es um die gesellschaftliche Entwicklung geht.
Das heißt aber auch, dass sich die Politik verstärkt darauf besinnen muss, welche Ziele sie erreichen will. Kurz gesagt: Welche Gesellschaft wollen wir für unsere Kinder und Kindeskinder schaffen?
(Roswitha Strauß [CDU]: Eine freiheitliche! - Beifall beim SSW und des Abgeordneten Rolf Fischer [SPD])
Nur immer kurzfristig auf reale oder vermeintliche Probleme zu reagieren, die dann meistens von den Medien aufgegriffen werden, reicht nicht aus. Um verstärkt Einfluss auf die Entwicklung unserer Gesellschaft zu nehmen, brauchen wir eine „innere Richtschnur“, die angibt, wohin wir überhaupt wollen, welche langfristigen Ziele wir erreichen wollen.
Eines dieser Ziele hängt zweifelsohne damit zusammen, dass sich Schleswig-Holstein und der Rest der Welt am Anfang des 21. Jahrhunderts auf dem Weg befinden zu etwas, was als Wissensgesellschaft be
zeichnet wird. Das Wissen in allen Gebieten wächst explosiv - nicht zuletzt dank der Technik - und das stellt uns vor neue Herausforderungen. Was heute zur Bewältigung des Lebens und des Berufs an Wissen ausreicht, kann morgen schon überholt sein. Deshalb muss eine Kultur des beständigen Lernens begründet werden, die in dieser Form überhaupt noch nicht vorhanden ist.
Auch die Schule wird sich verändern müssen. Vor diesem Hintergrund begrüßen wir, dass der Bildungsbereich im Haushalt 2001 weitestgehend von Kürzungen ausgenommen worden ist.
Dennoch wird es in den kommenden Jahren nicht reichen, die existierenden Strukturen sichern zu wollen. Bildungspolitik ist angesagt, wenn es darum geht, die Schule für die Wissensgesellschaft fit zu machen, wie man so schön sagt. Es wird ganz sicherlich nicht ausreichen, sich für weitere Modellversuche in Richtung „Turboabitur“ stark zu machen, wenn alles andere so bleiben soll, wie es ist. Für den SSW steht fest: Ein Abitur nach 12 Jahren muss am Ende und nicht am Anfang einer Schulreform stehen.
(Beifall beim SSW und der Abgeordneten Holger Astrup [SPD] und Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Übergeordnet bedeutet alles dies für die Finanz- und Haushaltspolitik des Landes, dass wir nicht nur nackte Zahlen in soundso vielen Jahren erreichen müssen, um endlich wieder ohne Kredite auszukommen. Wir müssen vielmehr für die Bereiche, die dadurch von Einsparmaßnahmen und Strukturänderungen betroffen werden, Konzepte erarbeiten, die darlegen, welche Ziele erreicht werden sollen und was die Folgen sind.
Solche Konzepte kosten Zeit, jedenfalls, wenn man die Betroffenen - was wir für richtig halten - in diesen Prozess mit einbezieht. Wer so einen Ansatz wählt, muss also längerfristig planen, man könnte fast sagen, der Mut zur Langsamkeit muss wieder entdeckt werden. Es mag sein, dass es einem Teil der Öffentlichkeit und einigen Interessenverbänden bisher nicht schnell genug gegangen ist - zum Beispiel, wenn es um die Stichworte „Modernisierung der Verwaltung“, „Öffnung von Standards“, „Kommunalreform“ oder um die „Überprüfung von Förderprogrammen“ und den „Abbau von Subventionen und Zuwendungen“ geht.
Die Arbeit der Enquetekommission belegt aber auch, wie schwierig es ist, weiter zu denken und sich die Zeit dafür zu nehmen. Wir bedauern, dass die Arbeit der Enquetekommission immer wieder durch wenig durchdachte politische - ich hätte fast gesagt populistische
Initiativen überholt wird. Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass es in all diesen Politikfeldern um Menschen geht, die von der einen oder anderen Maßnahme betroffen werden. Für viele geht es in diesen Fragen um schwer zu verkraftende Veränderungen.
Der Verlauf der Haushaltsberatungen 2001 hat deutlich gemacht, dass sich keine Landesregierung - kein Politiker in einer Demokratie - diesen Anforderungen der Betroffenen wirklich entziehen kann. Das bedeutet auf keinen Fall, dass man sich jeder Lobby beugen sollte. Aber, wenn wir es ernst meinen mit Begriffen wie Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit, ist es wichtig, dass wir die Umsetzung unserer Politik zwar nicht unbedingt im Einvernehmen, so doch unter Beteiligung der Betroffenen voranbringen. Je grundlegender sich der Landeshaushalt verändern soll, je wichtiger wird die Forderung nach einer eigentlichen Informationspolitik sein. Nur wer in diesem Prozess glaubwürdig bleibt, kann die erforderlichen Eingriffe, die zur Konsolidierung der Landesfinanzen notwendig sind, auch durchsetzen. In diesen Bereichen hat die Landesregierung leider einige Defizite aufzuweisen.
Wenn es zum Beispiel bei der Verwaltungsmodernisierung um die Zusammenlegung von Ämtern geht, darf nicht nur die Einsparmöglichkeit im Vordergrund stehen, vielmehr muss die Zielsetzung der Strukturänderung insgesamt in den Mittelpunkt gerückt und plausibel vermittelt werden. Dies gilt sowohl für die Öffentlichkeit als auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Dazu kommt, dass aus der Sicht des SSW bei Strukturänderungen in der öffentlichen Verwaltung auch immer die regionale Ausgewogenheit berücksichtigt werden muss.
(Beifall beim SSW und der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN] sowie vereinzelter Beifall bei der SPD)
Wir werden uns immer dagegen wehren, wenn der notwendige Abbau von öffentlichen Arbeitsplätzen überproportional im Landesteil Schleswig geschieht. Auch in dieser Frage ist es die Pflicht einer jeden Landesregierung, für eine von allen akzeptierte Balance zu sorgen. Weiterhin ist es wichtig, im Prozess der Verwaltungsmodernisierung auch die Qualifikationen der Mitarbeiter konstruktiv zu nutzen. Wir wollen eine bürgernahe und effiziente Verwaltung. Das heißt, wir können es uns nicht leisten, wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die innere Kündigung gehen. Dies erreichen wir aber nur, wenn sie alle zusammen mit uns das wollen und wenn wir nicht gegen sie handeln.
Das Gleiche gilt für die notwendigen Reformen im kommunalen Bereich. Wir haben es zwar begrüßt, dass die Landesregierung bei der beabsichtigten Kürzung des kommunalen Finanzausgleichs den Kommunen ein Stück entgegengekommen ist. Dennoch bleibt der SSW bei seiner Aussage, dass die angespannte Haushaltslage der schleswig-holsteinischen Kommunen grundsätzlich keine zusätzlichen finanziellen Belastungen durch das Land zulässt.
Wir schlagen als alternative Finanzierung weiterhin vor, dass das Land die 57 Millionen DM einsetzt, die durch die Rückkehr zur Verbeamtung junger Lehrkräfte eingespart werden. Damit würde man zwar bis an die Kreditobergrenze gehen, aber man würde den Kommunen weitestgehend entgegenkommen.
Wir werden dies auch deshalb nicht tun, weil die ebenfalls vorgeschlagene Änderung des interkommunalen Finanzausgleiches, die gerade die finanzschwachen Landkreise und kreisfreien Städte betrifft und so den Unterschied in der Finanzkraft innerhalb der kommunalen Familie vergrößern wird, Teil dieses Gesetzentwurfes ist.
Der SSW hatte schon bei der ersten Lesung darauf hingewiesen, dass der Vorschlag von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dazu führt, dass die nördlichen Kreise und die kreisfreie Stadt Flensburg im interkommunalen Finanzausgleich fast 1 Million DM verlieren, während die Kreise im wirtschaftsstarken Hamburger Umland über 3 Millionen DM mehr bekommen. Einen solchen Vorschlag kann der SSW - gerade wegen der Forderung nach regionaler Ausgewogenheit - nicht unterstützen.
Auch die vorgeschlagene Möglichkeit einer differenzierten Kreisumlage lehnen wir weiterhin ab. So richtig es ist, steuerstarke Gemeinden finanziell stärker am Gemeinwesen zu belasten, so schwierig wird der vorgeschlagene Weg sein. Wir meinen, dass die Kreise lieber verstärkt das Instrument der Förderrichtlinien benutzen sollen, um finanzschwache Gemeinden zu stärken.
Wie schon im Verlauf der ersten Lesung gesagt, lehnt der SSW nicht alle Vorschläge dieses Gesetzentwurfs ab. Insbesondere können wir die vorgeschlagene Änderung bei den Jugendhilfekosten unterstützen. Es
erscheint sinnvoll, dass die Jugendhilfeausgaben in Zukunft über den kommunalen Finanzausgleich geregelt werden und nicht mehr über den Haushalt des Jugendministeriums. Auch die Änderungsvorschläge zum Kommunalen Investitionsfonds finden unsere Unterstützung. Insgesamt aber bleibt es dabei, dass wir dem Gesetzentwurf zur Änderung des kommunalen Finanzausgleichs nicht zustimmen werden.
Im November hat das Kabinett beschlossen, dass durch eine Änderung des Landesverwaltungsgesetzes den Kommunen die Möglichkeit eröffnet werden sollte, von Mindestanforderungen sowie Verfahrensvorgaben abzuweichen, die als Ausführungsbestimmungen eines Gesetzes in Landesverordnungen festgelegt sind. Bis zur abschließenden Haushaltsberatung sollte das Innenministerium eine Sichtung von fast 1.200 Verordnungen durchführen, um zu sehen, welche Standards man abschaffen könnte. Diese Vorgehensweise haben wir abgelehnt, weil den Kommunen dadurch zur Finanzierung der verbleibenden Haushaltslücke ein geldwerter Vorteil in Form einer generellen Öffnung von Standards ermöglicht werden sollte.
Selbstverständlich ist auch der SSW für eine Stärkung der Eigenverantwortung der Kommunen. Wir können zum Beispiel viele der vom Kabinett beschlossenen Vorschläge zur Verlagerung von Aufgaben von der Landes- auf die kommunale Ebene unterstützen. So erscheinen die 22 Deregulierungsvorschläge, die im Rahmen der Funktionalreform beschlossen worden sind, ohne weiteres durchdacht und sinnvoll. Wenn man diese Stärkung der Eigenverantwortung jedoch mit einer Schwächung der Finanzkraft verbindet, erreicht man leider insgesamt keine Stärkung der kommunalen Ebene. Im Gegenteil, man höhlt das gesamte kommunale System weiter aus. Wer durch Deregulierung und Standardöffnung eine Stärkung der Kommunen erreichen will, muss auch dafür sorgen, dass sie über ausreichende Finanzkraft verfügen. Das ist leider in einer ganzen Reihe von kreisfreien Städten, Landkreisen und Gemeinden weiterhin nicht der Fall. Der geplante Eingriff des Landes wird diesen negativen Trend - trotz einer Minderung des 100-Millionen-DMBetrages - weiter verstärken.
Der SSW hat insbesondere die Forderung der Wohlfahrtsverbände und der Grünen unterstützt, dass es keine Freigabe der Kindergartenstandards geben darf. Deshalb begrüßen wir es, dass dieser Vorschlag jetzt endgültig vom Tisch ist.
Bei der Debatte um die Standards im Bereich der Kindergärten möchte ich in Erinnerung rufen, dass schon unter der jetzigen Verordnung eine Gruppengröße von mindestens 25 Kindern erreicht werden kann.
- Lieber Kollege Garg, wir haben es hier mit einer Symboldiskussion zu tun, die gar nichts bringt. Ich höre jetzt, dass auch Gesetze Standards setzen. Das ist richtig. Wenn damit gemeint ist, dass jetzt Gesetze geändert werden sollen, dann möchte ich daran erinnern, mit welchen Intentionen Gesetze von Mehrheiten in diesem Haus beschlossen wurden. Ich warne davor.
- Lieber Kollege Nabel, ich sehe einen Umdruck des Landkreistages vor mir. Darin schlägt der Landkreistag vor, dass zum Beispiel das Landesarchivgesetz, das Gleichstellungsgesetz oder das Informationsfreiheitsgesetz wieder geändert werden sollen. Wenn das nicht bedenklich ist, dann weiß ich nicht, wie man das einschätzen soll.