Protokoll der Sitzung vom 14.12.2000

Ich wäre in diesem Zusammenhang froh, wenn sich alle Lebensmittelketten so verantwortungsbewusst wie Edeka verhalten würden. Dann wären wir beim Verbraucherschutz und bei der Zurückgewinnung des Vertrauens der Verbraucher mit Sicherheit weiter als jetzt. Schnelltests sind derzeit nun einmal das einzige mögliche Mittel, um den Verbraucher zu schützen.

Jetzt ist auch dafür zu sorgen, dass weder die Landwirte noch die Steuerzahler mit den Kosten für diese Tests belastet werden. Auch ist ein Aufschlag auf den Schlachtpreis für andere Tiere zum Ausgleich der Einnahmeverluste durch die Tatsache, dass weniger Rinder geschlachtet werden, nicht der richtige Weg. Über den Groß- und Einzelhandel muss der Preis für die BSE-Tests an die Verbraucher weitergegeben werden. Ich bin überzeugt, dass der Verbraucher diesen Preis auch zu zahlen bereit ist. Diese Erfahrungen haben die Manager der Edeka-Gruppe auch gemacht. Gerade wegen der dortigen BSE-Tests und der Deklaration des Fleisches als „BSE-getestet“ ist der Umsatz

(Lars Harms)

bei Edeka gestiegen. Dies beweist, dass sich Verbraucherschutz auch lohnen kann.

(Beifall bei SSW und SPD)

Es sollte jedoch nicht die alleinige Angelegenheit der Politik oder der Supermarktketten sein, hier die Voraussetzungen für einen sicheren Markt zu schaffen. Natürlich ist die Politik gefordert, die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen, um heute die bestmögliche Sicherheit zu gewähren. Aber auch der Verbraucher muss verstärkt ein Eigeninteresse entwikkeln, sich besser zu schützen. Man kann nicht billiges Fleisch fordern, ohne die Konsequenzen solcher Forderungen in Kauf zu nehmen.

(Beifall beim SSW und des Abgeordneten Torsten Geerdts [CDU])

Wer gute Produkte an der Fleischtheke haben will, muss auch eine aufwendigere Produktion in Kauf nehmen. Daher ist auch der Verbraucher gefordert, indem er umdenkt. Er kann durch sein Handeln erheblich dazu beitragen, den Markt zu steuern. Wenn also der Wunsch vonseiten des Verbrauchers vorhanden ist, sicheres Fleisch zu verzehren, muss er auch sein Kaufverhalten ändern.

Der SSW hat in der letzten Legislaturperiode einen Änderungsantrag im Landtag eingebracht, der vorsah, dass sowohl Rindfleisch als auch Rindfleischerzeugnisse vom Rindfleischetikettierungsgesetz des Bundes erfasst werden. Dieser Antrag musste leider zurückgezogen werden, da es technisch und praktisch nicht möglich erschien, Fleischprodukte so zu etikettieren, dass sich der Weg bis zum Produzenten zurückverfolgen lässt. Wir sehen also, dass die Politik derzeit nicht in der Lage ist, eine 100-prozentige Sicherheit zu gewährleisten. Trotzdem sollten wir uns noch einmal mit dem Sinn und Inhalt unseres damaligen Antrags beschäftigen.

(Beifall beim SSW)

Es ist begrüßenswert, dass sich die Landesregierung, speziell - ich sage es wieder - die Landwirtschaftsministerin Frau Franzen und der Umweltminister Herr Müller, nach dem BSE-Vorfall umgehend dafür eingesetzt hat, dass Untersuchungsmöglichkeiten in Schleswig-Holstein erweitert werden, dass die Laborkapazitäten im Veterinäruntersuchungsamt ausgeweitet worden sind und weiter ausgeweitet werden und dass Verträge mit privaten Labors geschlossen werden und hierfür schnell 18,7 Millionen DM bereit gestellt wurden.

(Beifall des SSW und SPD)

Diese 18,7 Millionen DM sind wesentlich wichtiger als jede Finanzierung irgendwelcher Gütesiegel. Dafür

sind wir der Landesregierung dankbar, Herr Kollege Kayenburg!

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei der SPD sowie Beifall des Abgeordneten Karl- Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Alle diese Maßnahmen verdeutlichen, dass die Landesregierung die Dimension des Problems schnell erkannt und entsprechend reagiert hat. Dies sage ich auch immer wieder vor dem Hintergrund, dass dies vor allem auf europäischer Ebene nicht immer der Fall ist und war.

Ebenso ist der SSW der Auffassung, dass die Landesregierung durch ihre verständliche Informationspolitik zu BSE ihrer Aufgabe zur Aufklärung in dieser Sache nachkommt. In diesem Zusammenhang möchte ich kurz auf die Homepage der Landesregierung verweisen. Dort hat man die Möglichkeit, über Links unter anderem zu verschiedenen Organisationen und Ministerien geleitet zu werden, die auch über das Internet qualitative Informationen zu BSE und der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit herausgeben.

Wie wichtig eine umfassende Aufklärungsarbeit ist, zeigen uns die hohen Zahlen der besorgten Anrufer im Lagezentrum der Landesregierung. Auf diesem Wege möchte ich mich für den außerordentliche Einsatz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ministerien sowie den Polizistinnen und Polizisten bedanken, die sich der Aufgabe gestellt haben und Auskünfte zur BSE-Problematik erteilt haben.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN )

Ich möchte in diesem Zusammenhang jedoch nochmals betonen, dass es im Sinne der Sicherheit der Verbraucher ist, alle Rinder zu testen. Jedes einzelne unter 30 Monate alte Rind, das von BSE-Erregern befallen ist und gefunden wird, rechtfertigt diese Maßnahme. Selbst wenn keine europäische Lösung möglich sein sollte, müssen wir dies auf Bundesebene durchführen. Wir brauchen die größtmögliche Sicherheit für den Verbraucher. Nur dies kann und darf die einzige Maxime sein.

(Beifall beim SSW)

Vor diesem Hintergrund wünsche ich mir auch, dass die Bundesregierung eine Initiative startet, die Lebendtiertransporte in Deutschland und Europa auf das absolut notwendige Mindestmaß begrenzt.

(Beifall beim SSW - Dr. Heiner Garg [F.D.P.]: Verbieten!)

(Lars Harms)

- Verbieten ist noch schöner, aber ich bin ja Politiker, Herr Kollege Garg, und weiß, dass Politik die Kunst des Machbaren bedeutet!

(Zurufe der Abgeordneten Claus Ehlers [CDU] und Peter Jensen-Nissen [CDU] - Un- ruhe - Glocke des Präsidenten)

Herr Abgeordneter Jensen-Nissen, ich rufe Sie zur Ordnung.

Wir kennen alle die Bilder von zusammengepferchten, verdurstenden und gequälten Tieren, die unter unwürdigen Umständen durch ganz Europa gekarrt werden, um in einem anderen Land oder gar auf einem anderen Kontinent geschlachtet zu werden. Diese Tatsache allein ist schon Grund genug, eine Initiative gegen Tiertransporte zu starten.

(Beifall beim SSW sowie der Abgeordneten Friedrich-Carl Wodarz [SPD], Dr. Heiner Garg [F.D.P.] und Rainder Steenblock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Diskussionen über die Verbreitung von BSE haben aber auch gezeigt, dass die Aktivitäten über die Grenzen hinaus nahezu unkontrollierbar sind. Wir wissen nicht, was da zurückkommt, wenn die Rinder geschlachtet sind. Sind es jene Rinder, die lebend auf den Weg gebracht worden sind? Oder sind es möglicherweise andere Tiere? Welchen Kontrollen unterlag das geschlachtete Tier? Sind diese Kontrollen genau so wie bei uns? Sind die Tiere BSE-getestet oder nicht? Will man eine höchstmögliche Sicherheit für den Verbraucher, so muss man alle Eventualitäten ausschließen. Das heißt auch, dass das Transportieren und Verschieben von lebenden Tieren durch ganz Europa ein Ende haben muss.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [F.D.P.])

Alle unsere Maßnahmen nützen aber nichts, wenn sie nicht auch von einer entsprechenden medizinischen Forschung begleitet werden.

Noch ist zu wenig über das Phänomen BSE bekannt. Man kennt oder vermutet Ansteckungswege nur ansatzweise. BSE ist nach heutigem Stand der Tiermedizin nicht zu heilen und wir wissen absolut nichts über den Zusammenhang zwischen BSE und der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit. Tatsache ist, dass sich BSE mit zunehmendem Alter der geschlachteten Rinder immer besser feststellen lässt. Tatsache ist aber auch, dass

kaum ein Rind sehr alt wird. Meist werden die Rinder in dem Stadium geschlachtet, in dem der Nachweis von BSE derzeit noch sehr schwer feststellbar ist. Daher brauchen wir dringend ein Forschungsprojekt zur Früherkennung von BSE. Je früher und sicherer wir BSE diagnostizieren können, desto besser können wir Verbraucherschutz gewährleisten.

(Beifall beim SSW und des Abgeordneten Friedrich-Carl Wodarz [SPD])

Aber auch die möglichen Übertragungswege von BSE sind weitgehend unerforscht. Dass die Übertragung durch Tiermehl erfolgen könnte, ist sehr nahe liegend, aber vielleicht gibt es noch weitere Übertragungswege.

Wir wissen auch nicht, ob und wie BSE in die Nachfolgegenerationen vererbt wird. Wir vermuten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, dass es so ist. Aber wir wissen es nicht. Auch hier ist Forschung notwendig. Anstatt Milchseen zu finanzieren und so genannte „Herodes-Prämien“ für Schlachtungen im Ausland zu gewähren,

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

sollte man lieber mit EU-Mittel ein EU-weites Forschungsprojekt zum Thema BSE auflegen.

(Beifall beim SSW)

All das, was bisher gelaufen ist, war in jedem Fall nicht ausreichend.

Weiter muss natürlich die mit BSE in Verbindung stehende Creutzfeldt-Jakob-Krankheit weiter erforscht werden. Es gibt verschiedene Varianten dieser Krankheit, von denen eine mit BSE in Verbindung steht. Die Krankheit ist, was Früherkennung und Behandlung angeht, noch immer völliges medizinisches Neuland. Ich glaube, man darf sich keine allzu großen Hoffnungen machen, dass diese Krankheit in absehbarer Zeit entschlüsselt werden wird. Umso mehr ist dies ein Grund, erst einmal dort anzufangen, wo man möglicherweise schnell etwas tun kann, und das ist der vorbeugende Verbraucherschutz. Der Verbraucherschutz und die BSE-Schnelltests sind zur Zeit die einzige Waffe, die wir gegen diese Krankheit haben, und diese sollten wir so umfangreich wie möglich einsetzen.

Zum Schluss möchte ich auf die beiden vorliegenden Anträge eingehen. Sie sind sehr ähnlich und ich hoffe, dass man die Anträge in den Ausschüssen noch zusammenfügen kann. Gleichwohl geht der gemeinsame Antrag von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW etwas weiter als der von CDU und F.D.P.

(Lars Harms)

Wir begrüßen es, dass die Bundesregierung schon einen Schritt vorangegangen ist, indem sie Tiermehl zur Fütterung von Rindern verboten hat. Auch das Verbot von Im- und Exporten von Tiermehl zeigt, dass wir von unserem Land eine Vorreiterrolle erwarten und diese auch erwarten dürfen. Darüber hinaus sind wir uns alle einig, dass EU-weite Regelungen erforderlich sind. Wir schwer diese umzusetzen sind, zeigen die Erfahrungen der letzten Wochen. Daher ist der zweite Absatz unseres Antrages auch von zentraler und wegweisender Bedeutung.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass wir nicht wollen, dass das eine Übel durch das andere ersetzt wird.

(Beifall beim SSW und des Abgeordneten Friedrich-Carl Wodarz [SPD])

Das heißt, Gen-Soja oder andere genmanipulierte Stoffe dürfen nicht Ersatz für Tiermehl sein. Denn dann hätten wir möglicherweise ein neues Problem.

(Beifall bei SSW und SPD)

Wir fordern in unserem Antrag die lückenlose Untersuchung aller geschlachteten Rinder auf BSE-Erreger, und dies ausnahmslos. Hier darf es keine Auslegungsmöglichkeiten geben, was beispielsweise „ab dem frühest möglichen Zeitpunkt“ bedeutet, wie es im Antrag von CDU und F.D.P. gefordert wird. Für den SSW gibt es hier keine Kompromisse. Der rigorose Verbraucherschutz muss oberstes Gebot allen Handelns sein.

(Beifall beim SSW und des Abgeordneten Friedrich-Carl Wodarz [SPD])