Protokoll der Sitzung vom 14.12.2000

Lassen Sie mich nach diesen Ausführungen zu Strukturfragen noch ein paar Sätze zur aktuellen Situation mit den Tests sagen.

(Glocke des Präsidenten)

Ich war - das muss ich ehrlich sagen - hell entsetzt, als ich in der Zeitung gelesen habe, dass einem Unternehmen, das jetzt aus Verbraucherschutzgründen sämtliche Tiere - und nicht nur die, die älter als 30 Monate sind - testet und sagt, damit gehe ich auf den Markt, damit schaffe ich zwar kein 100-prozentiges Vertrauen, aber damit schaffe ich mehr Vertrauen als andere, einem Unternehmen also, das sich mit mehr Verbrauchersicherheit einen Marktvorteil verschafft - das wollen wir ja auch -, untersagt wird, damit zu werben. Das ist ein Skandal sondergleichen. Ich verstehe das nicht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, F.D.P. und SSW)

Deshalb brauchen wir Tests, möglichst alle Tests.

Zu Holland ist ja viel gesagt worden. Ich habe gehört, dass Holland jetzt glücklicherweise entschieden hat, dass man dort in Zukunft auch alle aus Deutschland importierten Rinder nach deutschem Recht schlachten will. Das ist ein Schritt nach vorn. Ich hoffe, die Dänen werden sich dem anschließen.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluss.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte noch einen letzten Satz zu den Anträgen sagen: Wir haben im Vorfeld ja darüber gesprochen, ob wir die Anträge dem Ausschuss überweisen sollen oder ob wir darüber heute im Plenum abstimmen. Ich glaube, wenn der Landtag drei Stunden lang über solch ein wichtiges Thema diskutiert hat, dann ist es vernünftig, dass wir diese Debatte auch mit Beschlüssen beenden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Wir haben bei beiden Anträgen in 90 % der Punkte Übereinstimmung. Es ist aus mir nicht ganz verständlichen Gründen leider nicht gelungen, einen gemeinsamen Antrag hinzubekommen. Ich glaube aber, dass gerade die Einigkeit, die wir in der Richtung haben, dass alle Rinder getestet werden müssen, ein deutliches Signal ist und dass der Landtag mit diesem Signal auch hinausgehen muss.

Zu Gen-Soja haben wir alle etwas gesagt, zu den Alternativen. Ich glaube trotzdem - das ist das, was uns unterscheidet -, dass wir heute in der Sache abstimmen sollten. Die Menschen im Land hätten wenig Verständnis,

(Glocke des Präsidenten)

wenn wir solch eine Debatte nicht mit einem Signal beenden würden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD sowie des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Ich erteile Frau Ministerin Franzen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass wir zu so einer guten Zeit so umfangreich über die Themen Landwirtschaft, Verbraucherschutz, Gesundheitsschutz debattieren. Aber seien wir ehrlich und beschimpfen wir nicht den Rest der Welt: Auch wir tun es nur wegen der Krise. Solch eine Debatte zum Thema Landwirtschaft habe ich hier noch nicht erlebt. Ich bedanke mich dafür.

(Ministerin Ingrid Franzen)

Aktuell ist - 11.27 Uhr - ein weiterer, wenn auch sehr fraglicher Verdachtsfall in Brandenburg über den Ticker gegangen. Dort ist es wieder ein altes Tier, zwölf Jahre alt; es ist wieder ein kleiner Hof. Die Einschläge werden zunehmen, egal ob sich dieser Fall verifiziert oder nicht.

Als Argrarministerin gilt mein Dank ganz persönlich Herrn Lorenzen - und zwar auch dafür, dass er heute hier dabei ist -, seiner Familie, auch seinem Dorf. Ich weiß sehr genau aus Gesprächen mit ihm vor Ort, wie er Beistand gehabt hat. Mein Dank gilt ihm für seine aktive Öffentlichkeitsarbeit.

(Beifall im ganzen Haus)

Denn das, was er dort hat leisten müssen, ist fast unmenschlich gewesen. Da die Nerven behalten zu haben, sich allen Fragen, allen Kameras gestellt zu haben, hat der Landwirtschaft, hat auch unserem Land gedient, wie wir es uns besser gar nicht hätten wünschen können. Herzlichen Dank!

(Beifall im ganzen Haus)

Ich will kurz auf einige Dinge eingehen - weitgehend ist das natürlich auch in der Regierungserklärung der Ministerpräsidentin und in den Wortbeiträgen von Herrn Müller angesprochen worden -, in denen kein Dissens besteht.

Tiermehlverbotsgesetz! Manchmal wundere ich mich ja auch, dass Politik nicht in der Lage ist, sich zu loben, wenn sie einmal gut ist. So schnell ist noch kein Gesetz durch den Bundestag und durch den Bundesrat gekommen - meine Damen und Herren auf der rechten Seite! -, mit großer Mehrheit, auch mit den Stimmen der CDU, auch mit den Bundesländern. Da können Sie hier nicht gleich wieder kritisieren. Da wird dann auch einmal ein bisschen schnell genäht, da muss dann auch einmal nachgebessert werden und natürlich ist es dann auch so, dass man daran „herumknöcht“, das umzusetzen. Das ist bei „schnellen“ Gesetzen ganz normal.

Aber eines haben wir erreicht - das ist in der EU nicht gelungen -: Die Lobby konnte gar nicht erst wach werden, die Lobby von Tiermehl und allem anderen, die hat sich platt auf den Boden gelegt - einschließlich CDU, einschließlich Bauernverband, die vorher alle noch das Gegenteil verlangt hatten. Wir sind und waren hier gut.

(Beifall bei SPD und SSW)

Ich will auch nicht verhehlen, dass ich 14 Tage vorher, als ich natürlich durch gute Zuarbeit im Ministerium die europaweite Tiermehlverbotsforderung erhoben habe - ohne jeden BSE-Fall -, sehr allein gestanden habe. Insofern bin ich auch sehr zufrieden.

Ich will darauf hinweisen, dass Frau Bulmahn, die heute ein Forschungssymposium zu „CreutzfeldtJakob“ hat, heute Morgen im Frühstücksfernehen, das man ja im Hotel gern einmal sieht, bezüglich der Forschung gesagt hat, an Geld werde es nicht scheitern. Das sollten wir gerade hier in Schleswig-Holstein laut sagen und zu Protokoll geben, damit wir sie daran auch erinnern können. Mich hat das sehr gefreut.

(Zuruf des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

- Zur Höhe hat sie nichts gesagt. Da war sie sehr „bedrängt“. Da hat sie aber auch meine Sympathie, Herr Kayenburg! Solche Fragen kennen wir ja auch.

Ich sage noch einmal zu der Forderung, SchleswigHolstein dürfe in der Aufklärung nichts auslassen: Diese Auffassung teile ich. Das verspreche ich Ihnen hier. Wir sind an der Arbeit und wir werden versuchen, alles hinzubekommen, was menschenmöglich überhaupt noch zu recherchieren ist. Auch da haben wir optimale Zusammenarbeit mit Herrn Lorenzen, mit allen Futtermittelzulieferern. Wir können uns nicht über das beklagen, was es gibt.

Ein kurzes Wort zu den Bodenproben! Wenn Herr Müller sie nicht hätte entnehmen lassen, hätten wir dann hier nicht die umgekehrte Situation?

(Beifall bei der SPD)

Würde es dann nicht heißen: Wie konntet ihr das auslassen? - Das ist doch das Problem.

(Martin Kayenburg [CDU]: Es geht nicht um die Entnahme, es geht um die Art und Weise!)

- Ja, Herr Kayenburg, Sie müssen sich ja heute nicht entscheiden. Doch, es geht auch darum, dass die Medien dann herumgeiern. Wissen Sie, ich habe manchmal gedacht, man kann gar nicht irgendetwas denken, was die Medien nicht auch schon wissen. Ich habe es noch gar keinem gesagt, da hat die Zeitung es schon gedruckt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Man weiß nicht, woher die es haben.

Das ist sicherlich nicht gut gelaufen. Das wird Herr Müller auch nicht so gewollt haben.

(Martin Kayenburg [CDU]: Dann sind wir uns einig! - Zurufe von der CDU: Nein, nein!)

Aber natürlich relativiere ich das auch und sage, wenn wir die Dinger dann einfrieren müssen, weil die Wissenschaft gar keine Beprobung hat, dann zeigt das natürlich auch, wie weit wir sind und wohin wir noch müssen.

(Ministerin Ingrid Franzen)

Zu dem Funke-Angebot habe ich Herrn Lorenzen bei dem Besuch gesagt: Ich kenne kein Gespräch; Herr Funke hat mich inzwischen gesehen. Wenn er irgendetwas aufkaufen will, dann soll er hier nach Hörsten kommen. Da mische ich mich nicht ein.

Zu der Situation europaweit ist alles gesagt worden.

Ich will jetzt noch ein Thema ansprechen, bei dem wir auch gut dabei sind, uns etwas in die Tasche zu lügen, um mit Willy Brandt zu reden. Das ist unser Verhältnis zur Entfernung des Risikomaterials erst ab 1. Oktober dieses Jahres. Da liegt ein großer Skandal, da liegt ein Fehler in der Politik

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und F.D.P.)

und da haben sich viele geweigert, die jetzt hier auch klatschen. Das hat eben auch eine Dimension, die wir öffentlich vielleicht gar nicht genug betonen. Ich habe zwar Verständnis für die Kritik, wenn es heißt, die EU fordert etwas und wir sollen bezahlen, aber es fragt sich, ob wir immer das Nonplusultra bei den Finanzen setzen müssen und ob wir nicht ehrlich sein und sagen müssen, hier sind wir zu spät gewesen. Dabei möchte ich Sie herzlich bitten, sich dieser Kritik anzuschließen.

(Beifall bei der F.D.P. und vereinzelt bei der SPD sowie Beifall der Abgeordneten Silke Hinrichsen [SSW])