Protokoll der Sitzung vom 10.05.2000

(Anke Spoorendonk)

triebliche Förderung jetzt in größerem Ausmaß, insbesondere in den Kreisen Schleswig-Flensburg und Nordfriesland, wieder als Investitionshilfe genutzt werden.

(Zuruf des Abgeordneten Peter Jensen-Nissen [CDU])

Mit der Möglichkeit, dass Produktions- und Dienstleistungsunternehmen für Investitionen einen direkten Zuschuss bis zu 15 % bekommen können, wenn die Betriebe Arbeitsplätze schaffen und ihre Leistungen überregional absetzen, hat die Landesregierung auch eine alte SSW-Forderung erfüllt.

(Martin Kayenburg [CDU]: Ach nee!)

Durch neue Verkehrswege entsteht eine Neuordnung der Verkehrsinfrastruktur in Nordeuropa. Das Fehmarnbelt-Projekt muss auch in diesem Zusammenhang gesehen werden. Dadurch verändern sich die Rahmenbedingungen für die Ostseekooperation.

Zuständig für die Ostseekooperation ist ab dieser Legislaturperiode die Staatskanzlei. Ostseekooperation ist somit zur Chefsache deklariert worden. Dass der SSW bei dem Thema „Chefsache“ so seine Schwierigkeiten beziehungsweise ein etwas strapaziertes Verhältnis dazu hat, liegt nicht an der Ministerpräsidentin, möchte ich hinzufügen.

(Klaus Schlie [CDU]: Degradiert? - Wolf- gang Kubicki [F.D.P.]: Deklassiert!)

Doch wenn schon „Chefsache“, dann erwarten wir nicht nur „Verwaltung“, sondern verstärkt „Gestaltung“ in der Ostseepolitik unseres Landes.

(Beifall bei SSW und F.D.P. und vereinzelt bei der CDU)

Dabei ist die Zahl der Akteure gewachsen. Das Land Schleswig-Holstein muss zum Teil direkt mit Staaten konkurrieren, die der Ostseepolitik im Rahmen ihrer nationalen Außenpolitik hohe Priorität einräumen.

(Dr. Ekkehard Klug [F.D.P.]: Sehr gut!)

Dies gilt in erster Linie für die skandinavischen Staaten.

(Dr. Ekkehard Klug [F.D.P.]: Ja!)

Mit dem Regierungswechsel nach Berlin ist der Stellenwert der Ostseepolitik auch auf Bundesebene gewachsen - kein Zweifel. Hier gibt es dennoch einiges zu tun - trotz des Besuchs des Bundeskanzlers in Kolding.

Es gilt in Zukunft, einerseits die Präsenz SchleswigHolsteins zu sichern. Andererseits sollte unbedingt daran festgehalten werden, dass Ostseepolitik mehr ist

als nur EU-Politik. Ostseekooperation läuft auf allen Ebenen und in unzähligen Gremien. Es ist sicherlich eine gute Idee - wie hier schon einmal angesprochen -, den Informationsfluss zu bündeln und eine zentrale Anlaufstelle für Brüssel zu schaffen. Es wäre aber aus unserer Sicht ein Fehler, das kreative Chaos strukturieren zu wollen oder gar eine institutionalisierte Zusammenarbeit anzustreben. Durch die Beteiligung und Mitwirkung auf den verschiedensten Ebenen bekommt die Ostseezusammenarbeit eine echte, entscheidende demokratische Dimension. Ziel der Ostseepolitik des Landes sollte also weiterhin sein, diese vielfältigen Verbindungen zu fördern und zu pflegen.

Auf europäischer Ebene wird in diesen Tagen konkret darüber diskutiert, inwieweit in einem zukünftigen europäischen Grundrechtekatalog auch die Rechte der nationalen und ethnischen Minderheiten berücksichtigt werden sollen. Gerade vor dem Hintergrund der Ereignisse im Kosovo im letzten Jahr scheint dies eine mehr als sinnvolle Debatte zu sein.

In Schleswig-Holstein haben wir mit dem Artikel 5 der Landesverfassung zum Schutz der nationalen Minderheiten eine vorbildliche Regelung. In ihrer Regierungserklärung spricht die Ministerpräsidentin davon, dass „Schleswig-Holstein in Europa als Vorbild für partnerschaftliches Zusammenleben von Mehrheiten und Minderheiten gilt“ und „dass Dänen, Friesen, Sinti und Roma aktiv und selbstbewusst zur kulturellen Vielfalt und Attraktivität unseres Landes beitragen“. Diese Formulierungen kann der SSW natürlich nur unterstützen.

(Beifall beim SSW sowie der Abgeordneten Rolf Fischer [SPD] und Bernd Schröder [SPD])

Damit dies auch in Zukunft so bleibt, kommt es entscheidend darauf an, dass die Minderheitenpolitik des Landes nicht zur Schönwetterpolitik verkommt.

(Beifall des Abgeordneten Rolf Fischer [SPD])

Alle Formulierungen zum Schutz der Minderheiten sind nur so gut, wie sie sich auch im alltäglichen Leben bewähren oder verwirklichen lassen. Für den SSW geht es deshalb in der Minderheitenpolitik in den nächsten Jahren in erster Linie darum, dass diese Zielsetzungen mit Leben erfüllt werden.

Das gilt zum Beispiel auch für die „Europäische Charta für Regional- und Minderheitensprachen“, die von der Bundesrepublik ratifiziert worden ist - vorbildlich schnell, möchte ich hier gern hinzufügen. In Artikel 10 der Sprachencharta ist beispielsweise als Zielsetzung vorgegeben, dass die Bürgerinnen und Bürger bei Bedarf diese Regional- und Minderhei

(Anke Spoorendonk)

tensprachen bei dem Besuch von öffentlichen Behörden sprechen können sollten. Deshalb haben wir einen Antrag in den Landtag eingebracht, in dem sowohl die Landesregierung als auch die Kommunen des Landes aufgefordert werden, die Kenntnis dieser Sprachen als ein zusätzliches Einstellungskriterium bei Neueinstellungen zu nutzen.

Mit Provinzialismus hat die Europäische Charta also sehr wenig zu tun, mit Toleranz und Respekt den Minderheiten gegenüber aber umso mehr.

(Beifall bei SSW und SPD)

Auch bei der Umsetzung der Staatszielbestimmung der Landesverfassung müssen wir weiter vorankommen. Dazu gehört, dass die Landesregierung bei der notwendigen Modernisierung der öffentlichen Verwaltungen die gewünschten Änderungen auch auf die Belange der Minderheiten abklopft. Ich denke hierbei natürlich an die negativen Folgen für das Fach Friesisch nach der Änderung der Prüfungsordnung für das Lehramtsstudium.

(Dr. Ekkehard Klug [F.D.P.]: Unglaublich!)

Der SSW erwartet von der Landesregierung, dass sie sich für eine Lösung im Sinne des Erhalts des Faches Friesisch als Prüfungsfach einsetzt.

(Beifall beim SSW sowie der Abgeordneten Heinz Maurus [CDU] und Dr. Ekkehard Klug [F.D.P.])

Auch für die Friesisch-Professur an der Universität Flensburg muss langfristig gesehen eine bessere Lösung gefunden werden.

(Beifall beim SSW sowie der Abgeordneten Heinz Maurus [CDU] und Dr. Ekkehard Klug [F.D.P.])

Es ist zwar positiv, dass Zuschüsse für Minderheiten im Haushalt 2001 nach Angaben der Landesregierung überrollt werden sollen. Angesichts der anhaltenden Lohn- und Preisentwicklung bedeutet das jedoch für die Organisationen natürlich eine reale Kürzung der Mittel. Hinzu kommt, dass es sehr bedenklich ist, dass Dänemark zunehmend den größten Teil der finanziellen Zuwendungen sowohl für die dänische als auch für die deutsche Minderheit zahlt. Dieses Problem ist schon mehrfach angesprochen worden, auch von der Ministerpräsidentin. Das lässt hoffen.

Der SSW fordert die Landesregierung auf, auch diesen Sachverhalt bei den Änderungen der Schülerkostensätze für die dänischen Ersatzschulen zu berücksichtigen,

(Zuruf des Abgeordneten Peter Jensen-Nissen [CDU])

die nach Auslaufen des jetzigen Kompromisses nach dem Jahre 2001 vorgenommen werden müssen. Auch in der Frage der Bezuschussung der Schülerbeförderung für die Schulen der dänischen Minderheit ist das letzte Wort noch nicht gefallen. Der SSW wird sich weiterhin für eine angemessene finanzielle und rechtliche Regelung im Sinne des Dänischen Schulvereins einsetzen.

(Beifall beim SSW)

Dabei sind wir uns darüber im Klaren, dass eine Lösung die deutschen Schulen in freier Trägerschaft einbeziehen muss.

(Lothar Hay [SPD]: Das wird teuer!)

Ein umfassendes Schülerbeförderungsgesetz ist nicht kostenlos zu haben. Der SSW hat bereits in der letzten Legislaturperiode auf mögliche Finanzierungen hingewiesen.

In ihrer Regierungserklärung hebt die Ministerpräsidentin hervor, dass es keine Alternative zu einer Konsolidierung des Landeshaushalts gibt. Wir teilen natürlich diese Auffassung. Dennoch fordert der SSW die Landesregierung auf, das strukturelle Defizit für den Haushalt 2001 von 750 Millionen DM, das hauptsächlich durch die Belastungen des Bundes zustande kommt, nicht einfach zu akzeptieren. Weder das Land noch die Kommunen in Schleswig-Holstein können eine solche finanzielle Kürzung verkraften.

(Beifall des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

Auf Landesebene kann sich der SSW keine Einsparungen bei den verschiedenen Institutionen, Vereinen und Verbänden vorstellen oder bei den Investitionen, die auf einem Tiefstand sind. Gefragt sind also Strukturänderungen und echte Reformen.

Dabei kann es nicht angehen, dass die Bundesregierung zusätzliche Mehreinnahmen von wahrscheinlich über 100 Milliarden DM nicht zur Finanzierung der angepeilten Unternehmensteuerreform benutzen will, sondern dass die Länder und Kommunen weiterhin die Hauptlast dieser Reform tragen sollen. Der SSW fordert daher die Landesregierung auf, sich über den Bundesrat entschieden für eine Änderung der Finanzierung der Unternehmensteuerreform einzusetzen. Die zusätzlichen Belastungen für die Länder und Kommunen im Zuge der Unternehmensteuerreform müssen begrenzt werden.

Der SSW hat Heide Simonis’ Wahl zur Ministerpräsidentin unterstützt. Unsere Stimmen sind allerdings keineswegs ein Blankoscheck für die Ministerpräsidentin und ihr neues Kabinett.

(Anke Spoorendonk)

Der SSW wird aufmerksam und kritisch verfolgen, ob es der neuen Landesregierung gelingen wird, in den nächsten fünf Jahren das Land mit Schwung voranzubringen.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Hast du daran Zweifel?)