Ich habe mir zur Vorbereitung auf den heutigen Tag einmal angesehen, was Sie, Frau Simonis, 1996 in Ihrer Regierungserklärung angekündigt und versprochen haben. Ich habe auch nachgelesen, was Herr Dr. Hennig Ihnen damals geantwortet hat. Die Lektüre macht überdeutlich, dass Sie in der vergangenen Legislaturperiode nicht ein einziges der wichtigen Probleme des Landes wirklich gelöst haben.
Ich möchte nur ein Beispiel nennen: Sie haben 1996 den Abbau der Neuverschuldung auf 800 Millionen DM angekündigt. Wir liegen heute bei einer Neuverschuldung von 1,3 Milliarden DM, also eine halbe Milliarde DM höher als Ihre Zielprognose. Genau dies hat Ihnen Herr Dr. Hennig vorausgesagt: „Den Abbau der Neuverschuldung auf 800 Millionen DM werden Sie mit dieser Politik nie erreichen.“
Ich sage Ihnen heute: Sie haben ein grundlegendes Versprechen Ihrer Regierungserklärung von 1996 wegen Ihrer falschen Finanzpolitik nicht gehalten. Deshalb müssen Sie es sich gefallen lassen, dass wir auch Ihren heutigen Ankündigungen nicht glauben, dass Sie die Nettoneuverschuldung bis 2010 etwa auf null bringen wollen. In diesem Zusammenhang und weil es um Finanzpolitik geht, will ich hier kurz auf die unglaubliche - um das einmal vorsichtig zu formulieren - und ein Stück weit hinterhältige Presse des Herrn Finanzministers von gestern eingehen,
mit der er zu suggerieren versuchte, wir hätten beim Immobiliendeal die falschen Vorstellungen gehabt. Herr Minister, für wie dumm halten Sie eigentlich die Journalisten, die Ihre Äußerungen und das, was das Bundesverfassungsgericht uns mitgeteilt hat, kommentieren? Für wie dumm halten Sie eigentlich die Bevölkerung, dass sie nicht in der Lage ist zu lesen?
„wurde durch Beschluss des Senats vom 17. September über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung entsprochen.“
„hat durch Aufhebung des beanstandeten Gesetzes ex ante dem Beschluss des Senats Rechnung getragen und ist darüber hinausgegangen.“
Sie haben eine glatte Bauchlandung gemacht. Sie haben versagt. Sie haben die Öffentlichkeit belogen, Herr Minister!
Der Präsident des Landesrechnungshofs hatte sich mit der grundsätzlichen Kritik an Ihrer Finanzpolitik am letzten Freitag ja zurückgehalten und dabei die Hoffnung geäußert, dass Sie in Ihrer heutigen Regierungserklärung zur Haushaltssanierung zielweisende Äußerungen machen würden.
So wird das nichts! Sie können doch nur hoffen, dass Sie aufgrund der anziehenden Konjunktur oder gegebenenfalls mithilfe der einen oder anderen Millionen aus dem Bundeshaushalt aus der Klemme herauskommen. Aber ein ernsthafter Wille zur Sparsamkeit ist jedenfalls für uns nicht erkennbar.
Weil Sie diesen Willen zur Sparsamkeit nicht haben, drücken Sie sich auch vor konkreten Erklärungen zum Haushalt. Es gehört meiner Meinung nach schon ein
Stück Dreistigkeit dazu, angesichts Ihrer finanzpolitischen Leistungen seit 1988 in den neuen Koalitionsvertrag hineinzuschreiben:
„Wir müssen in die Zukunft unseres Landes investieren, um die Zukunftschancen seiner Bürgerinnen und Bürger zu sichern. Wir müssen zugleich sparen, um unseren Kindern künftige Gestaltungsspielräume nicht zu verbauen. Deshalb wollen wir die Nettoneuverschuldung bis 2005 deutlich senken. Wir dürfen nicht die Last erleichtern, indem wir sie als Schulden in die Zukunft verschieben.“
Da kann ich nur sagen: Wie wahr, wie wahr! Nur findet sich null Ansatz dafür, dass dieses Ziel auch mit Ihrer Haushaltspolitik realisiert werden soll.
Heute soll uns sogar weisgemacht werden, dass bis 2010 die Nettoneuverschuldung auf null heruntergefahren werden soll. Was soll eigentlich der Bürger von solchen Versprechungen halten angesichts des offensichtlichen Wortbruchs aus der letzten Legislaturperiode?
(Beifall bei der CDU - Holger Astrup [SPD]: Jetzt zu Ihren Konzepten! - Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sparvorschläge!)
In Wahrheit ist diese Regierung zu einem echten Konsolidierungskurs überhaupt nicht bereit, vielleicht aber auch nicht fähig. Konsolidierung heißt nämlich, konsumtive Ausgaben zurückzufahren, Investitionsausgaben und Ausgaben mit Blick auf die Zukunft zu erhöhen. Arbeitsplätze und Nachhaltigkeit sind die Ziele. Sie gehen genau den entgegengesetzten Weg. Sie haben stets die konsumtiven Ausgaben erhöht und die Investitionen haben Sie auf einen Stand heruntergefahren, der geradezu blamabel ist: Eine Investitionsquote von 10 % gegenüber 20 % zuzeiten von Gerhard Stoltenberg!
Wir werden ja in diesem Jahr vielleicht noch erfahren, wo Sie konsumtive Ausgaben zurückfahren wollen. Da bin ich schon auf die Vorschläge des Kollegen Hay gespannt, der ja zumindest angekündigt hat, dass da etwas passieren soll. Nur, wir sind nicht dazu da, der
Regierung die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Kommen Sie mit Vorschlägen! Wir werden diese Vorschläge prüfen.
Wir prüfen die Vorschläge und werden dann, wenn es dem Wohl unseres Landes dient, auch zustimmen. Aber nehmen Sie sich bitte auch zu Herzen, dass - wie die Ministerpräsidentin gesagt hat - nicht alles, was wünschenswert ist, auch finanziert werden kann. Das bedeutet, sich ein Stück weit von Klientelpolitik zu verabschieden.
Sie sind in Ihrer Politik bis heute eben nicht konsequent. Sie haben keinen Mut zum Neuanfang. Es gibt selten eine zweite oder eine dritte Chance im Leben, Frau Simonis, und ich kann Sie nur bitten, nachdem der Wähler aufgrund der Parteispendenaffäre dafür gesorgt hat, dass Sie wieder auf dieser Regierungsbank sitzen, die Chancen für unser Land, die Sie dadurch erhalten haben, nicht zu verspielen, sondern für unser Land eine angemessene Haushaltspolitik zu betreiben.
Ich möchte aber - auch das sage ich sehr deutlich vergossenem Wein nicht nachtrauern. Wir akzeptieren unsere Rolle als größte Oppositionsfraktion in diesem Hause und nehmen sie an.
Wir werden Ihre Politik mit konstruktiver Kritik begleiten. Wir sind aber nicht dazu da, Ihnen Beifall zu geben, wenn Sie dabei sind, die Zukunft unseres Landes zu verspielen.
Wenn wir oder auch andere Ihre Politik kritisieren, reden wir nicht das Land schlecht; nehmen Sie dies bitte einmal - und endgültig - zur Kenntnis. Majestätsbeleidigung gibt es Gott sei Dank in der Demokratie nicht. Deshalb sollten Sie unsere Kritik in Zukunft ernst nehmen und nicht mit billiger Polemik abbügeln. Am Ende - dazu verweise ich nur einmal auf Ihre Ausführungen zur Bildungspolitik - übernehmen Sie ja doch unsere Vorschläge!