Protocol of the Session on February 22, 2001

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Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich wünsche allen einen guten Morgen. Wir setzen die Tagung fort. Bevor ich den Tagesordnungspunkt 1, Aktuelle Stunde, aufrufe, darf ich noch Folgendes bekannt geben:

Erkrankt sind die Ministerin Ute Erdsiek-Rave und der Abgeordnete Klaus Klinckhammer, beurlaubt ist der Abgeordnete Klaus-Dieter Müller. Wegen dienstlicher Verpflichtungen auf Bundesebene sind Minister Klaus Buß und Minister Claus Möller beurlaubt.

Ich möchte bekannt geben, dass die Fraktionen übereingekommen sind, dass der Tagesordnungspunkt 23, Zukunft der maritimen Wirtschaft, erst im März behandelt werden soll.

Ich begrüße in der Loge als Gäste Professoren der Staatlichen Rechtsakademie Saratow aus Russland. Herzlich willkommen!

(Beifall)

Auf der Tribüne begrüße ich Schülerinnen und Schüler der Hauptschule Sude aus Itzehoe. Herzlich willkommen!

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Für die Aktuelle Stunde der 10. Tagung des Landtages hat die Fraktion der CDU eine Aktuelle Stunde mit folgendem Titel beantragt:

Bericht des Statistischen Landesamtes vom 15. Februar 2001 zum wirtschaftlichen Wachstum in Schleswig-Holstein

Antrag der Fraktion der CDU

Ich darf für den Antragsteller, die CDU-Fraktion, dem Herrn Oppositionsführer und Vorsitzenden der CDULandtagsfraktion, Martin Kayenburg, das Wort erteilen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der letzten Woche veröffentlichte das Statistische Landesamt erschreckend schlechte Zahlen über unser schleswig-holsteinisches Wirtschaftswachstum. Wenig vorher ging der Wirtschaftsminister vor die Presse und meldete angeblich erfolgreiche Wirtschaftsförderung. Gleichzeitig widerspricht sich derselbe Minister vor der Presse, indem er sagt, dass 2001 wieder alles besser sein werde. Dann werde die Eichelsche Steuerreform die Binnennachfrage ankurbeln. Dabei übersieht der Minister, dass das Bruttoinlandsprodukt im Jahr

2001 nur um 2,7 % wachsen soll - nach 3,3 % im Jahr 2000.

Ich frage Sie, Herr Minister: Glauben Sie wirklich, dass die Steuerreform in diesem laufenden Jahr zusätzliche Vorteile für unser Land bringen könnte?

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [F.D.P.])

Wir haben Umsatzrückgänge in der Ernährungsindustrie; die Wertschöpfung in der Landwirtschaft wird weiter auf niedrigem Niveau verharren; das Gastgewerbe hat einen erheblichen Rückgang durch Tourismusprobleme und jetzt kommen die Auswirkungen durch BSE hinzu; die Gaststätten sind massiv belastet. Der Einzelhandel verzeichnet in den traditionellen Branchen nach wie vor Umsatzrückgänge. Der Entwurf der Neufassung des Betriebsverfassungsgesetzes hemmt die Investitionsfreude der Unternehmer,

(Beifall des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [F.D.P.])

das Teilzeitgesetz führt zu unzumutbaren Erhöhungen der Personalnebenkosten. Das ist die wirkliche Lage im Land, Herr Minister. Was der Bürger durch die Steuersatzsenkung oder durch Kindergeldanhebung mehr in der Tasche hat, das wird ihm durch die Ökosteuer und andere hausgemachte Belastungen wieder aus der Tasche herausgeholt.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU - Zuruf des Abgeordneten Konrad Nabel [SPD])

Der Bürger ist durch eine vertrauenszerstörende Rentendiskussion verunsichert, er ist zudem verärgert, weil er in Zukunft wesentlich mehr für seine Altersvorsorge aufbringen muss, wenn er seinen Lebensstandard sichern will.

Im Gesundheitsbereich hat der Bürger künftig mehr und mehr selbst zu zahlen. Krank sein kommt teuer zu stehen und die Aussichten für die Zukunft sind nicht rosig.

In den vom Truppenabbau betroffenen Gemeinden geht bei den Zivilangestellten das Gespenst von der Arbeitslosigkeit um. Die Kaufkraft wird sinken, die Gewerbetreibenden, die Händler und die Handwerker haben zu Recht Angst vor riesigen Umsatzeinbrüchen, die leicht zur Geschäftsaufgabe, ja sogar zum Konkurs führen können. Das betrifft nicht nur diese Bereiche, sondern zum Beispiel auch den Bereich der Ärzte. Wenn Sie an diesen Bereich denken, müssen Sie sehen, welche Konsequenzen das hat, wenn den Ärzten und Apothekern Hunderte von Privatpatienten wegbrechen. Oder denken Sie an den Autohandel, bei dem die Fahrzeuge der Bundeswehr repariert wurden.

Schleswig-Holsteinischer Landtag (15. WP) - 25. Sitzung - Donnerstag, 22. Februar 2001 1789

(Martin Kayenburg)

Und Sie, die Regierung, stellen sich hin und prophezeien gute Zeiten. Ich frage: Wo leben Sie eigentlich? Das ist selektive Wahrnehmung, verehrter Herr Minister!

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Wenn Sie Ansiedlungs- und Gründungszahlen und die Schaffung von angeblich 11.300 Arbeitsplätzen nennen, dann ist es nur die halbe Wahrheit. Diesen Zahlen stehen nämlich Entlassungen bei Motorola, bei Dräger, aber auch Insolvenzen und Personalreduzierungen in vielen anderen Unternehmen gegenüber, die schon Personal abgebaut haben oder es noch tun werden. Die Unternehmensinsolvenzen - darüber verlieren Sie kein Wort, Herr Minister - sind um 13 % angestiegen. Das sind, wenn Sie die Verbraucher- und Unternehmensinsolvenzen zusammenfassen, sogar 40 % mehr als im Vorjahr. Das ist die wirtschaftliche Situation und sie ist keineswegs so, wie Sie uns vorgaukeln wollen.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Die nackten Zahlen, die das Statistische Landesamt veröffentlicht hat, sprechen für sich. Nominales Wachstum beim Bruttoinlandsprodukt: bei uns 0,7 %, in Deutschland insgesamt 2,7 %! Das sind - um das einmal in Zahlen zu sagen - 280 % mehr oder real sind das 1,1 % zu 3,1 % im Bundesdurchschnitt. Bayern und Baden-Württemberg liegen bei 4,5 %. Wir in Schleswig-Holstein liegen auch real 180 % unter dem Bundesdurchschnitt.

(Klaus Schlie [CDU]: Hört, hört!)

Wir sind von der wirtschaftlichen Entwicklung im Bund abgekoppelt. Das ist die Wahrheit, Herr Minister!

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Dafür gibt es auch konkrete Gründe. Die Gründe liegen natürlich in der Ernährungsindustrie, sie liegen natürlich in der Landwirtschaft, aber sie liegen insbesondere auch in der Energiepolitik.

Wie man das macht, haben Sie uns ja im Wahljahr gezeigt. Jetzt wird knallhart Energiepolitik nach ideologischen Gesichtspunkten betrieben. Sie belasten die Kernkraftwerke. Sie sorgen dafür, dass die Kernkraftwerke nicht die notwendigen Exportmengen liefern können. Im Wahljahr 1999 ging es aber darum, das Bruttoinlandsprodukt hochzutreiben. Damals gab es plötzlich keine Stillstände. Das ist ideologisch fixierte Politik, Herr Minister!

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Wir brauchen den Strom. Er ist als Exportartikel unverzichtbar, wenn wir überhaupt noch an der gesamt

deutschen Entwicklung teilnehmen und nicht abgekoppelt werden wollen.

(Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Nichts begriffen!)

- Frau Fröhlich, hier wird die Wirtschaftslage schöngeredet, obwohl die Zahlen etwas ganz anderes beweisen. Frau Simonis hat eben kein Konzept für die Zukunftsgestaltung unseres Landes. Die Regierung schafft es einfach nicht, in Schleswig-Holstein auch nur ein durchschnittliches Wachstum nachhaltig zu sichern. Offensichtlich ist diese Regierung mit ihrer Weisheit am Ende und die Entwicklung dieses Landes ist leider von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung abgekoppelt.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Für die SPD-Fraktion erteile ich jetzt dem Herren Abgeordneten Bernd Schröder das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man sich in diesem Hause auf etwas verlassen kann, dann darauf, dass sich am Stil der CDU nichts ändern wird.

(Beifall bei der SPD)

Nicht dass ich Ihnen das Recht absprechen will, eine Aktuelle Stunde zu beantragen! Typisch für die CDU in diesem Lande ist nur wieder, dass sie sich eine erste und vorläufige negative Meldung herausgreift.

(Martin Kayenburg [CDU]: Wenigstens ge- ben Sie zu, dass die Meldung negativ ist!)

Sie machen sich nicht einmal die Mühe, die vom Statistischen Landesamt mitgelieferten Gründe für das unter dem Durchschnitt liegende Wachstum in Schleswig-Holstein zu hinterfragen.

(Martin Kayenburg [CDU]: Sie haben nicht zugehört!)

Ich frage mich auch, warum Sie nicht im letzten Jahr eine Aktuelle Stunde beantragt haben, als das Wirtschaftswachstum in Schleswig-Holstein über dem Bundesdurchschnitt lag.

(Beifall bei der SPD)