Protokoll der Sitzung vom 22.02.2001

Soforthilfeprogramm für die Land- und Ernährungswirtschaft

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/731

Antrag der Fraktion der F.D.P. Drucksache 15/765

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht.

Ich eröffne die Aussprache. Ich erteile Herrn Abgeordneten Ehlers das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die BSE-Krise hat uns alle überrollt und geradezu fassungslos sehen wir uns mit einer Entwicklung konfrontiert, die wir in dieser Form in der Landwirtschaft noch nicht erlebt haben. Nahezu täglich verändert sich die Situation. Bisher ist nicht übersehbar, welche Folgen die Krise auslösen wird.

Die bisher aufgetretenen BSE-Fälle haben zu einer tiefen Verunsicherung bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern geführt. Der dramatische Rückgang des Rindfleischverbrauchs zeigt dies eindringlich. Dies hat bereits zu erheblichen Problemen in der Landwirtschaft, aber auch im vor- und nachgelagerten Bereich geführt. Besonders belastet sind die landwirtschaftlichen Betriebe mit Rinderhaltung, die erhebliche finanzielle Einbußen hinnehmen müssen. Einer psychisch außerordentlich belastenden Situation sind diejenigen ausgesetzt, auf deren Höfen BSE-Fälle aufgetreten sind.

In dieser schwierigen Situation dürfen wir unsere Landwirtschaft nicht allein lassen. Sie braucht unsere Solidarität, aber auch aktive Hilfe.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Eine Vielzahl von Bundesländern hat Entscheidungen getroffen, die der Landwirtschaft in dieser schwierigen Situation mit Sofortmaßnahmen unter die Arme greifen. Ich will hier nicht das Beispiel Bayerns anführen, das für unser armes Bundesland nicht erreichbar ist. Im Übrigen geht es bei uns auch um andere Größenordnungen. Das von uns vorgeschlagene Soforthilfeprogramm mit einem Volumen von 30 Millionen DM kann als Liquiditätshilfe ein Überbrückungskreditvolumen von 600 Millionen DM auslösen und damit auch in den vor- und nachgelagerten Bereichen in einem ersten Schritt der Existenznot begegnen.

(Beifall bei der CDU)

Bisher hat das Land Schleswig-Holstein nichts unternommen, um der wirtschaftlichen Not zu begegnen.

Die angekündigten Hilfen des Bundes erweisen sich bei näherer Betrachtung als Täuschung. Lediglich maximal 200 Millionen DM wird der Bund von der in Aussicht gestellten 1 Milliarde an Bundesmitteln tatsächlich bereitstellen. Der gesamte Rest soll durch Umschichtungen und Kürzungen insbesondere zulasten der Landwirtschaft aufgebracht werden. Dies ist keine Solidaritätserklärung durch den Bund, sondern eine Bestrafungsaktion, die sich gegen die Landwirtschaft richtet.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

In diesem Fall wird das Geld von einer Tasche in die andere gesteckt und bei den Bauern kommt die direkte Hilfe nicht an.

Es macht keinesfalls Sinn - dies richte ich insbesondere an die Landesregierung -, eines Tages verkünden zu können: Rinderbestände BSE-frei, aber Fleischwirtschaft kaputt. Die Vorstellung der Bundesregierung, die Mehrkosten für die BSE-Untersuchungen würden die Verbraucher tragen, ist zwar im Ansatz richtig, aber solange dies nicht durchsetzbar ist, sind Hilfen erforderlich. Die Entsorgungskosten gesperrter Futtermittel werden nunmehr aus öffentlichen Kassen aufgefangen. Damit ist diese Forderung unseres Antrages zufrieden stellend erfüllt.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Dass Schleswig-Holstein hier in Vorleistung tritt, will ich durchaus positiv vermerken. Offen ist weiterhin, wer für die Entsorgungskosten verworfener Schlachtchargen aufkommt, wenn eine BSE-Untersuchung ein

(Claus Ehlers)

positives Ergebnis hat. Hier besteht weiterhin akuter Handlungsbedarf.

Die Aussetzung der „Superabgabe“, die bei Überschreiten der Milchquote erhoben wird, soll keineswegs ein Freibrief für eine ungehemmte Milchproduktion sein. Das kann auch in der Landwirtschaft niemand wollen. Es geht darum, den Betrieben in dieser absoluten Ausnahmesituation, die nicht von der Landwirtschaft verursacht worden ist, nicht auch noch die Folgekosten aufzubürden. Über diese Maßnahme kann allerdings nicht das Land entscheiden, wohl aber kann es dafür bei Bund und EU im Interesse unserer Landwirtschaft eintreten.

In der Hand des Landes liegt dagegen die Auszahlung der Rindersonderprämie zu einem frühestmöglichen Zeitpunkt. Jetzt ist in den Betrieben jede Hilfe willkommen. Das Soforthilfeprogramm könnte sicherlich um weitere Punkte ergänzt werden. In einer ersten Maßnahme geht es darum, diese schwierige Phase zu überwinden und dafür zu sorgen, dass in unserem Lande die gewachsenen Strukturen in allen Bereichen erhalten bleiben.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Zweifellos kann mit dieser ersten Hilfe das aus der BSE-Krise resultierende finanzielle Problem nicht allein überwunden werden. Ich fürchte, es wird noch sehr viel mehr Geld kosten, wenn wir ein Wegbrechen der Strukturen nicht in Kauf nehmen wollen. Wir können es uns jedoch nicht leisten, die Hände in den Schoß zu legen.

Die Soforthilfe kann Maßnahmen zur Rückgewinnung des Vertrauens der Verbraucherinnen und Verbraucher nicht ersetzen. Dies ist aber die Basis für eine Weiterentwicklung unserer Landwirtschaft. Der Rückgang des Rindfleischverbrauchs in Deutschland um 60 % und in der EU um 30 % ist alarmierend und bedrohlich zugleich. In der Europäischen Union bedeutet der Rückgang des Fleischverbrauchs um 10 % eine Verringerung um 1 Million t.

Nun werden Sie die Frage stellen: Wie wollen wir das alles finanzieren? Das Land Schleswig-Holstein hat Mehreinnahmen von 186 Millionen DM. Daraus wollen wir die 30 Millionen DM aufbringen. Es wird sonst dazu kommen, dass Arbeitsplätze und Wertschöpfung verloren gehen. Die Folgekosten wären dann mit Sicherheit noch höher. Es ist allemal billiger, jetzt zu helfen, das Gröbste zu verhindern und unsere Strukturen zu erhalten. Dazu fordern wir Sie auf. Dies ist der Hintergrund unseres Antrages, der keinen Abschluss darstellt, sondern nur ein Anfang sein kann. Ich bitte um Ausschussüberweisung.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Ich erteile jetzt Herrn Abgeordneten Wodarz das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vier Anträge beschäftigen diese Landtagstagung zum Thema BSE, sechs Anträge liegen den Ausschüssen noch zur Beratung vor. Ich habe das Gefühl, die Opposition glaubt, mit der Häufigkeit von Anträgen und Anfragen das verloren gegangene Vertrauen der Verbraucher wiedergewinnen zu können.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Wider- spruch von der CDU)

So, wie ich bislang stets vor einer übertriebenen Hysterie gewarnt habe, so warne ich vor blindem Aktionismus, Kollege Ehlers.

Im Landwirtschaftsministerium wird schnelle und gute Arbeit geleistet.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

- Da ist gut zu klatschen! - Neben all den BSEKriseninstrumenten müssen wir uns aber auch finanzielle Spielräume für eine dauerhafte Neuausrichtung der Landwirtschaft in Schleswig-Holstein erhalten. Eine faire Kostenaufteilung aller im Zusammenhang mit BSE entstehenden Kosten zwischen EU, Bund, Land, der Landwirtschaft und den Verbrauchern - wir sollten sie nicht außen vor lassen - ist dafür notwendig. Die CDU macht es sich zu einfach, wenn das Land für alle Kosten gerade stehen soll.

Da wird munter ein 30-Millionen-DM-Soforthilfeprogramm gefordert, ohne zu sagen, woher denn das viele Geld kommen soll.

(Zuruf von der CDU: Hat er gerade gesagt!)

Den eben gemachten Finanzierungsvorschlag betrachten Sie doch wohl nicht als seriös.

(Claus Ehlers [CDU]: Herr Wodarz, Sie ha- ben nicht zugehört!)

Sie machen sich nicht einmal die Mühe aufzuzeigen, wie dieses Geld sinnvoll eingesetzt werden soll.

Weiter geht es mit der Forderung nach Übernahme sämtlicher Untersuchungskosten am Schlachtkörper und Kadaver. Wir sind da ehrlicher: Diese Kosten müssen durch kostendeckende Gebühren aufgebracht werden.

(Zuruf von der CDU: Ja, das ist auch richtig!)

(Friedrich-Carl Wodarz)

Die Entsorgung der gesperrten Futtermittel wurde sogar im Vorgriff auf die Bundesregelung schnell und unkonventionell durchgeführt. Kollege Ehlers hat das mittlerweile vermerkt.

Gleiches gilt für die Auszahlung der Rindersonderprämien. Auch hier handelten die Behörden, das Ministerium, sehr schnell.

Ein aktuelles Problem sind in der Tat die Entsorgungskosten für verworfene Schlachtchargen. Wenngleich wir hier eine Haftung des Landes ablehnen, so muss ich doch betonen: Die jetzige Praxis kann nicht das letzte Wort sein. Ich halte es weder für gerecht, dass zum Beispiel die Schlachthöfe das Risiko durch privatrechtliche Verträge auf die Landwirte abwälzen, noch, dass das Risiko allein bei den Schlachthöfen bleiben soll. Der Vorschlag, die Schlachthöfe mögen sich gegen das Risiko versichern, kann nicht die endgültige Lösung sein. Hier muss ein Prozedere gefunden werden, notfalls durch andere Schlachtungsabläufe oder Chargenbildung - auf jeden Fall ein Verfahren, dass das finanzielle Risiko des Unternehmers minimiert oder ausschaltet.

Die Aussetzung der Superabgabe für einen bestimmten Zeitraum wird von Frau Franzen bereits verfolgt. Ich könnte mich für eine Übergangszeit damit einverstanden erklären, doch sollte in diesem Zusammenhang ganz klar gesagt werden: Wir wollen weg von unsinnigen Anreizen zur Massenproduktion.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Die Entschädigungskosten für BSE-betroffene Betriebe werden über den Tierseuchenfonds abgewickelt. Das Land - das wird hier immer etwas unter den Tisch gekehrt - ist jeweils mit 50 % dabei.

(Zuruf des Abgeordneten Peter Jensen-Nissen [CDU])

- Herr Jensen-Nissen, warum verschweigen Sie so etwas? Es wird im Grunde genommen nicht richtiger dadurch, dass Sie herumpolemisieren.