Protokoll der Sitzung vom 22.02.2001

(Uwe Eichelberg)

Das ist wirklich etwas, was uns sehr beschäftigen muss. Da muss man in die Tiefe gehen.

Anhand der verfügbaren statistischen Daten im August letzten Jahres haben wir darauf hingewiesen: Freunde, wir gehen in die falsche Richtung. - Damals haben Sie, lieber Herr Minister, gesagt, Sie seien von den Daten überrascht. Man kann als Wirtschaftsprofessor nie von Daten überrascht sein; denn man hat gelernt, damit umzugehen. Deswegen denke ich, Sie sind vorgeschoben worden, so einen Spruch zu machen. Ich kann Ihnen das einfach nicht abnehmen; ich kenne Sie anders.

(Beifall bei der CDU)

Es ist schlichtweg nicht richtig, wenn man immer nur mit Jubelmeldungen nach außen geht und das Positive beschreibt. Es geht uns nicht darum, das Land schlechtzureden, sondern man muss realistisch denken. Die realistische Basis - Sie, Herr Harms, haben sie am Anfang deutlich skizziert und analysiert - muss immer auf den Tisch. Man muss die Detailfragen analysieren und dann sagen, wo die regionalen Schwachpunkte sind. Dort muss man ansetzen.

Da ist es überhaupt nicht gut, wenn man Statistiken veröffentlicht und sagt, seit 1994 seien in SchleswigHolstein 16.000 neue Arbeitsplätze geschaffen worden. Wenn man aber einhakt und fragt, was aus den versprochenen Arbeitsplätzen echt geworden ist, stößt man ins Leere. Ich denke nur an diese Neugründung in Itzehoe mit den versprochenen 200 Arbeitsplätzen. Dort ist noch nicht einmal ein Spatenstich erfolgt, aber die 200 Arbeitsplätze haben wir schon verbucht. Viele von den Firmen, die dort verzeichnet sind, haben angekündigt, sie wollten so und so wachsen. Aber gerade bei den Firmen im Neuen Markt zeigt sich doch, dass viele der neuen Firmen längst aufgekauft worden sind. Viele dieser Firmen gibt es gar nicht mehr. Betrachten Sie Zukunftsindustrien wie Motorola, Dräger - Medizintechnik - und alle anderen. Die haben schon längst Arbeitsplätze abgebaut, statt neue aufzubauen.

Wir müssen realistisch sein. Das Betrachten und Begleiten, das Moderieren ist das Wichtigste, was wir tun können. Das muss realistisch betrachtet werden. Wir dürfen uns nicht immer wieder Sand in die Augen streuen und sagen, wir seien die Besten. Wir sind nicht die Besten. Wir wollen Sie, Herr Minister, auf dem Wege begleiten, Stabilität ins Land SchleswigHolstein zu bringen, und wir wollen nicht negativ reden. Aber man muss uns einbeziehen und darf uns nicht noch die Auskünfte verweigern, wie das jetzt häufig geschehen ist.

(Beifall bei der CDU und des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [F.D.P.])

Man muss klipp und klar sagen, was uns erwartet. Man kann nicht sagen, die Binnennachfrage werde es schon wieder schaffen und zusätzliche Arbeitsplätze schaffen. Gehen Sie doch einmal in die Zahlen hinein. Erkundigen Sie sich bei den Krankenkassen, wie viele der neuen Arbeitsplätze solche für 630-DM-Kräfte gewesen sind, die einfach als neue Arbeitsplätze ausgewiesen wurden. Das ist doch gar nichts Neues!

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Auch die versprochenen Auftragseingänge, die das zweite Halbjahr herausreißen sollten, waren Luftblasen. Da ist gar nichts gekommen. Die Auftragseingänge sind weggeblasen worden wie nichts, weil einfach die Konjunktur gar nicht mehr da war.

Was ist denn mit der Bauwirtschaft? Die war in einem Flächenland wie Schleswig-Holstein immer der Konjunkturmotor. Sie liegt darnieder. Ihr wird gar nicht geholfen. Und schauen Sie einmal nach draußen, selbst auf das, was am Landeshaus gebaut wird. Was sind denn das für Nummernschilder? Es sind doch keine schleswig-holsteinischen Nummernschilder an den Autos.

Wir müssen darauf achten, dass unsere Wirtschaft hier entsprechend berücksichtigt wird.

(Beifall bei der CDU)

Auch die hoch gepriesenen Dienstleister wie Handel, Spedition und Tourismus befinden sich in keiner Blütephase mehr, wie wir sie brauchen.

Sehen Sie sich einmal die Bilanzen der hochgejubelten Firmen der New Economy an. Die Bilanzen sind genauso mies wie die Börsenkurse. Das müssen Sie doch einsehen. Wir brauchen deren Hilfe, aber wir können nicht nur darauf bauen. Das ist ein Segment, wir aber müssen die Basis in Ordnung bringen. Genauso wie ein Arzt Kassenpatienten braucht, um existieren zu können, kann er auch ein paar private Patienten gebrauchen. Genauso müssen wir sagen: Wir haben die „alte“ Economy, die wir pflegen müssen, und die „neue“ Economy päppeln wir auf, damit irgendwann einmal ein Konjunkturumschwung eintritt, wie du es gesagt hast, Karl-Martin. Aber das geht nicht von heute auf morgen. Sie können das zurzeit gar nicht ersetzen.

Wir haben immer wieder darauf hingewiesen: Die Folgen, die aus BSE entstehen, können wir überhaupt noch nicht überblicken. Die ländlichen Strukturen an der Westküste und im Norden des Landes brechen in eklatanter Art zusammen. Es wird eine Landflucht nach Süden geben, wenn wir dem nicht schnell Einhalt gebieten und etwas Neues aufbauen.

(Uwe Eichelberg)

Und die Oberflächenwasserabgabe! In Hamburger Zeitungen konnte ich lesen, dass die HEW die Energieproduktion einfach zurückfährt. Beim Geesthachter Stauwerk passiert doch überhaupt nichts. Da wird das Bruttosozialprodukt im nächsten Jahr noch schlechter aussehen. Wir können nicht noch weiter nach vorn gehen und sagen, das stimme nicht.

(Beifall bei der CDU)

Nicht schön, aber nicht dramatisch - das war der Ausspruch des Ministers. Lieber Herr Minister, ich glaube Ihnen das nicht. Sie können die Zahlen so definieren, wie ich es gesagt habe. Wir brauchen klare Daten. Genauso klar, wie Sie sich zum Betriebsverfassungsgesetz geäußert haben, äußern Sie sich jetzt zur Situation! Wir wollen mit Ihnen durch dieses Feuer gehen, aber wir müssen nach vorn blicken.

(Beifall bei der CDU - Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wol- len Sie einen Strukturwandel oder nicht?)

Das Wort für die SPD-Fraktion hat Frau Abgeordnete Birgit Herdejürgen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir alle wissen, Strukturwandel ist ein kontinuierlicher Prozess, der nicht nur positive Effekte hervorruft. Natürlich kommt es auch zu Einbrüchen und Krisen in verschiedenen Bereichen, die im Einzelfall schmerzhaft sind und sich natürlich auch in der Statistik wiederfinden. Die SPD ist selbstverständlich bereit - das haben wir auch in den Ausschüssen gezeigt -, über Probleme zu diskutieren.

(Klaus Schlie [CDU]: Sehr schön! - Zuruf von der CDU)

Wir reden hier aber nicht über hausgemachte Probleme Schleswig-Holsteins. Wir müssen vielmehr sehen: Interessant ist, was Schleswig-Holstein in diesem Zusammenhang tut, um diesen Prozess in eine Richtung zu steuern, die unserem Land langfristig eine Spitzenstellung im Bundesvergleich und auf internationaler Ebene sichert.

(Zuruf von der CDU: Das würden wir gern wissen!)

Daher sollten wir von den etwas konstruierten Horrorszenarien und Rundumschlägen wieder zu den Tatsachen zurückkehren. Schleswig-Holstein hat sich in den vergangenen Jahren zu einem Hochtechnologiestandort entwickelt, der auf internationale Beachtung stößt.

(Martin Kayenburg [CDU]: Eben hat Herr Schröder das Gegenteil gesagt!)

Neue Technologien verändern bisherige Strukturen. Gerade den für Schleswig-Holstein wichtigen kleinen und mittleren Unternehmen bieten sich durch neue Kommunikationstechnologien Chancen, internationale Märkte und neue Zielgruppen zu erschließen. Ziel der Technologiepolitik des Landes ist es, die Innovationskraft schleswig-holsteinischer Unternehmen zu stärken und für den internationalen Markt fit zu machen.

(Klaus Schlie [CDU]: Das klingt aber gut!)

Dafür haben wir in Schleswig-Holstein ein leistungsfähiges System von Förderinstrumenten zur Verfügung. Das sind Förderprogramme, die den Unternehmen direkt zur Verfügung stehen, das sind aber auch eine Reihe flankierender Maßnahmen. Das heißt: Unterstützung bei der Bildung von Netzwerken im Bereich der Forschung, in der Ausbildung und beim Wissenstransfer. Die schleswig-holsteinische Technologiepolitik setzt auf die Schaffung von regionalen Clustern, von Hochtechnologieschwerpunkten und der Erfolg dieser Politik ist offensichtlich.

Es ist nahe liegend, dass ich an dieser Stelle zum Beispiel nicht Lübeck, sondern Itzehoe herausgreife, das sich zu einem anerkannten Mikrotechnologiestandort entwickelt hat und weiter entwickeln wird.

(Zuruf von der CDU - Unruhe)

Ich glaube, Herrn Austermann können wir in diesem Zusammenhang vergessen. Jeweils mit entscheidender finanzieller und beratender Unterstützung durch das Land hat sich in Itzehoe das Fraunhofer-Institut für Siliziumtechnik entwickelt.

(Glocke des Präsidenten)

Ich bitte bei aller verständlichen Freude um mehr Aufmerksamkeit für die Rednerin.

Damit hat sich eine Forschungseinrichtung etabliert, die im internationalen Vergleich an oberster Stelle rangiert und die auch Wissenstransfer in die Unternehmen betreibt.

Im benachbarten Innovationszentrum werden gerade junge Unternehmen unterstützt. Durch die Ansiedlung einer zweiten Chipfabrik wird der Standort Itzehoe weiter aufgewertet. Weitere Ansiedlungen sind zu erwarten. Um das Bild abzurunden, sind Ausbildungsangebote im Bereich der Mikrotechnologie geschaffen worden, begleitet durch die IT-Ausbildungsinitiative

(Birgit Herdejürgen)

des Landes, um dem Mangel an Fachkräften entgegenzuwirken.

Weitere Schwerpunkte im Land nenne ich an dieser Stelle nur kurz, zum Beispiel den Multimediabereich, die Medizintechnik und die Maßnahmen zur Unterstützung der Biotechnologien, die unter anderem durch ein Projekt zur länderübergreifenden Zusammenarbeit mit Hamburg verstärkt wurden. Auch hier stehen die Schaffung von Netzwerken und die Beratung im Vordergrund. In Planung ist zum Beispiel eine zentrale Beratungs- und Dienstleistungseinrichtung, die beiden Ländern zugute kommen soll.

Ein weiteres Beispiel: Gerade heute Abend findet der zweite Community-Treff für innovative Technologieunternehmen statt. Nachdem bei der Auftaktveranstaltung im November 500 Besucher, Gründer, Investoren und Berater miteinander ins Gespräch kommen konnten,

(Zuruf des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

wird dieses Projekt mit einer weiteren Veranstaltung heute fortgesetzt. Mit Unterstützung zum Beispiel der Technologie-Transfer-Zentrale und der Investitionsbank entwickelt sich hier ein hochkarätiges Netzwerk, das gerade junge Unternehmen unterstützen soll und Schleswig-Holstein als attraktiven Ansiedlungsstandort herausstellt.

Das sind Aktivitäten, die Schleswig-Holstein voranbringen. Diese Aktuelle Stunde dient dem nicht.

(Beifall bei der SPD)

Ich brauche auf die einzelnen Programme, die sich hier in Schleswig-Holstein bieten, nicht näher einzugehen. Diese kennen Sie selber. Wichtig ist es, abschließend festzustellen, dass sich neben den übrigen Maßnahmen die betriebliche Technologieförderung als äußerst effizientes Instrument zur Schaffung zukunftsorientierter Arbeitsplätze erwiesen hat: 800 neue Arbeitsplätze durch die im Jahr 2000 gestarteten Projekte! Dabei haben etwa 95 % der geförderten Unternehmen weniger als 50 Beschäftigte. Die Wachstumspotenziale in diesem Bereich sind jedoch beachtlich. Ich bin überzeugt davon, dass wir mit einer weiterhin flexiblen und an den Bedürfnissen der jungen Unternehmen, der Unternehmen auch im Handwerksbereich und der bestehenden Unternehmen ausgerichteten Programmstruktur den Standort Schleswig-Holstein langfristig zu Erfolg verhelfen werden.

(Beifall bei der SPD - Martin Kayenburg [CDU]: Wann haben Sie das letzte Mal mit einem Handwerker geredet?)

Das Wort hat jetzt der F.D.P.-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Kubicki.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute ist ja Weiberfastnacht, wie wir wissen. Das heißt: eine Hochzeit des Karnevals.