Protokoll der Sitzung vom 23.03.2001

(Glocke des Präsidenten)

- Ich komme sofort zum Schluss, Herr Präsident. - Ich glaube auch, dass die Verbraucher auf diese Tierkrankheit gelassener reagieren, zumal insbesondere älteren Menschen das alles noch vertraut ist.

Ich schlage der CDU vor, dass wir ihren Antrag zur Beratung an den Ausschuss überweisen. Wir haben in der letzten Ausschusssitzung auf Antrag der SPDFraktion ohnehin über die Maul- und Klauenseuche diskutiert und ich befürchte, wir werden noch etwas länger diskutieren müssen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW - Thorsten Geißler [CDU]: Das ist doch keine Lösung!)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Dr. Happach-Kasan das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist von meinen Vorrednern geschildert worden: Die Maul- und Klauenseuche steht vor den Toren der Bundesrepublik Deutschland. Nach den ersten MKSFällen in Großbritannien sind nun auch Frankreich, Irland und - für uns besonders gefährlich - die Niederlande betroffen. Das heißt, MKS ist nur noch 50 km von der Landesgrenze entfernt. Allein nach Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen sind aus den Niederlanden über 200.000 Schweine exportiert worden. Dort herrscht verständlicherweise sehr große

(Dr. Christel Happach-Kasan)

Angst vor dem Auftreten der Seuche in den eigenen Höfen.

Wir in Schleswig-Holstein haben unter den gegebenen Vorzeichen bis jetzt noch ein bisschen Glück, dass es lediglich 500 Tiere in unserem Land gibt, die in einen Betrieb gelangt sind; sie stehen bereits unter Beobachtung. Wir stehen somit in einer etwas anderen Lage als Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen.

Wir haben das Thema Impfpolitik in diesem Hause verschiedentlich diskutiert, wir haben es beim Thema Schweinepest diskutiert und wir werden es auch in diesem Zusammenhang diskutieren. Kollege JensenNissen, für die F.D.P. möchte ich allerdings ganz deutlich sagen: Wir sind nicht der Meinung, dass man über die Frage der Impfpolitik - ja oder nein - im Rahmen eines Dringlichkeitsantrages in diesem Hause beschließen sollte, ohne dass darüber vorher im Fachausschuss diskutiert worden ist.

(Beifall bei F.D.P., SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir als F.D.P.-Fraktion sind der Meinung, dass die Auswirkungen eines Beschlusses zum Impfen derart gravierend sind, dass man sie mit dem Für und Wider bedenken müsste und nicht innerhalb von Fünfminutenbeiträgen in diesem Hause zu einer Beschlussfassung kommen sollte.

(Vereinzelter Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir sind uns der Bedrohung durch die Seuche sehr bewusst. Wir wissen auch, dass viele Betriebe Angst haben, dass diese Seuche bei uns einbrechen kann. Aber wir sind uns auch bewusst, dass die Änderung der Impfpolitik gravierende Folgen für ganz Deutschland haben würde, nicht nur für Schleswig-Holstein. Vor diesem Hintergrund halten wir es doch für einen Schnellschuss, innerhalb einer Debatte eine solch weitreichende Entscheidung zu treffen

(Beifall bei SPD und SSW)

und von den Kolleginnen und Kollegen zu erwarten, die nicht im Agrarausschuss sitzen, die nicht Landwirte sind, dies so mitzutragen. Das halte ich nicht für richtig.

Ich darf im Übrigen daran erinnern, dass ich für die F.D.P. bereits beim Ausbruch der Seuche in Großbritannien erklärt habe, die Impfpolitik müsse überprüft werden. Ich finde es auch richtig, dass die F.D.P.Bundestagsfraktion eine Sondersitzung des Agrarausschusses gefordert hat. Das ist richtig.

Ich meine, dass wir uns im Agrarausschuss - er tagt ja bereits am Donnerstag nächster Woche; dass ist ja

nicht mehr lange hin - insbesondere mit dem Beschluss der Agrarministerkonferenz in Cottbus befassen sollten, der immerhin drei Seiten umfasst. Die können wir jetzt nicht innerhalb von fünf Minuten vorlesen und das dann auch noch abschnittsweise beraten. Das halte ich für falsch.

Wir sind - das möchte ich deutlich sagen - der Meinung, das Ringimpfungen - sollte es einen Fall in Schleswig-Holstein geben - richtig sind.

(Beifall bei F.D.P. und SSW)

Dann sollte diese Methode angewendet werden. Wir wollen nicht auf den Feldern verbrannte Tiere. Das ist unmöglich; das kann es nicht sein.

(Beifall bei F.D.P. und SSW sowie vereinzelt bei der SPD und Beifall der Abgeordneten Brita Schmitz-Hübsch [CDU])

Eine Ringimpfung gibt uns die Möglichkeit, die entsprechenden Maßnahmen abzuwarten.

Wir bitten um nähere Informationen durch das Ministerium zu den Fragen: Was ist, wenn Tiere geimpft werden, die bereits infiziert sind? Ist es dann nicht so, dass sich die Seuche unter der Hand ausbreiten kann? Auch vor diesem Hintergrund halte ich es für gefährlich, in diesem Stadium sofort die Impfungen zu beschließen. Nur weil wir Opposition sind, die Folgen nicht ganz so mitzutragen haben, bin ich nicht bereit, so etwas zu tun.

(Beifall bei F.D.P., SPD und SSW)

Ich bitte das Ministerium, uns in der kommenden Agrarausschusssitzung dann auch über den genauen Planungsstand des Maßnahmenkataloges für die Tierseuchenbekämpfung zu informieren. Das Ministerium für ländliche Räume, Landesplanung, Landwirtschaft und Tourismus hat hierzu einen Umdruck verteilt, nämlich den Umdruck 15/858, der einen Überblick über Zuständigkeiten und geplante Aktionen der Landesregierung im Fall des Auftretens der Tierseuche gibt. Das sollte aber noch konkretisiert werden: Wie ist der Stand der Erarbeitung solcher Alarmpläne für die Maul- und Klauenseuche? Wie sieht der Plan zur Sicherung der Tierkörperbeseitigung aus? Welche Vorschläge zur Senkung des Risikos der Verschleppung der Tierseuche sind bereits erarbeitet worden? Ich möchte auch ansprechen, dass wir in SchleswigHolstein Betriebe haben, die Speisenreste verwerten. Ist diese Maßnahme noch sicher, angesichts der Tatsache, dass es jetzt auch auf dem Festland MKS-Fälle gegeben hat? In welcher Weise werden diese Betriebe kontrolliert, sind sie sich der Gefährdung bewusst?

Für das Agrarland Schleswig-Holstein ist die Maulund Klauenseuche sicher kein Thema, bei dem man

(Dr. Christel Happach-Kasan)

sich parteipolitisch profilieren kann. Wir sollten vielmehr gemeinsam und Hand in Hand alles dafür tun, dass wir die Folgen eines solchen Ausbruchs klein halten, dass es möglichst nicht zu einem Ausbruch der Seuche in Schleswig-Holstein kommt.

(Beifall bei der F.D.P. und vereinzelt bei SPD und SSW)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Steenblock das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich gestehe, dass ich durchaus Sympathie auch in der Sache - für den Antrag, den die CDU vorgelegt hat, habe, weil wir zu Recht zu einer Überarbeitung unserer Strategie kommen müssen, wie wir in einer sich globalisierenden Welt mit solchen Gefahren umgehen wollen. Das, was wir jetzt bei MKS erleben, ist ein Teil der Globalisierung, der nicht so viel Spaß macht wie andere Teile, dem wir uns aber stellen müssen.

Die Anfang der 90er-Jahre festgelegt Strategie zur Bekämpfung von Seuchen, speziell MKS, die darauf abzielt, Europa durch die Tötung von Herden seuchenfrei zu machen und dies durch Abschottung aufrechtzuerhalten, hat sich als nur begrenzt tragfähig erwiesen. Wir müssen diese Strategie deshalb überprüfen.

Das, was dahinter stand, dass mit MKS-Impfungen Exporte genehmigt werden können beziehungsweise durch die Impfung Exporte verhindert werden, gilt heute so nicht mehr. Darauf hat der Kollege Wodarz schon hingewiesen. Alle Importländer haben bei einem auftretenden Fall sofort ihre Importe aus der EU gestoppt. Ich glaube, hinter der jetzigen Strategie, bei der Tierbesatzdichte, die wir haben, verbirgt sich, dass wir anders als bei BSE über die massenhafte Keulung ganzer Herden noch stärker diskutieren müssen. Das bezieht sich nicht nur auf die ethischen Fragen, die dahinter stehen, sondern auch auf die ökonomischen Fragen, die für die Betriebe, die betroffen sind, dahinter stehen.

(Beifall bei der CDU)

Es ist ja nicht nur der materielle Wert, sondern es geht um den züchterischen Wert einer ganzen Generation, der dort vernichtet wird. Ich glaube, dass man darüber nicht einfach hinweggehen kann. Das muss man sehr ernst nehmen. Deshalb finde ich es in der Sache ausgesprochen vernünftig, darüber zu diskutieren. Man muss aber auch sehen, dass sehr viele Konsequenzen daran geknüpft sind. Wenn wir anfangen zu impfen,

bedeutet das, dass wir ein Jahr lang die Bestände als nicht MKS-frei zu definieren haben - mit all den wirtschaftlichen Konsequenzen, die daran hängen.

Frau Happach-Kasan hat noch eine Reihe anderer Fragen aufgeworden, die in diesem Zusammenhang beantwortet werden müssen und die zu einer Gesamtbeurteilung dazugehören. Ich möchte deshalb gern, dass wir im Ausschuss über all das diskutieren. Dazu gehört auch die Frage: Wie reagieren wir im Bereich des Tiertransportes? Welche Exporte reduzieren wir? Stoppen wir zum Beispiel das Schlachtprogramm? Ab Montag geht es mit dem Schlachtprogramm los, das heißt, es finden viele - Hunderttausende - von Tiertransporten statt.

Gestatten Sie mir an dieser Stelle einmal einen Hinweis: Ich finde es einen Skandal, dass es in Bayern keinen einzigen Schlachthof gibt, der sich an diesem Programm beteiligt. 100.000 Tiere müssen aus Bayern nach Thüringen, Hessen und Rheinland-Pfalz transportiert werden. Das ist unter Tierschutzgesichtspunkten ein Problem, aber ich finde auch - gestatten sie mir diesen Ausdruck -, es ist eine Sauerei, dass wir gerade in einer solchen Situation diese überflüssigen Tiertransporte machen müssen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, F.D.P. und SSW)

Deshalb hoffe ich, dass wir eine faire Auseinandersetzung führen werden. Ich habe das Gefühl, dass wir mit unseren Meinungen ganz dicht beieinander liegen. Ich freue mich, dass es über diese Sache keinen parteipolitischen Streit gibt und wir eine sachliche Debatte führen.

Die Ministerin wird uns - wie bisher - sicherlich darüber informieren und die Agrarausschusssitzung entsprechend vorbereiten. Dort sollten wir dann abschließend entscheiden. Vielen Dank für die kollegiale Beratung an dieser Stelle.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, SSW und vereinzelt bei der CDU)

Herr Abgeordneter, wir können auch eine parlamentarische Ausdrucksweise benutzen, ohne dadurch den Sachverhalt zu verfälschen!

Ich erteile Herrn Abgeordneten Harms das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bereits in der gestrigen Debatte zur BSEKrise habe ich darauf hingewiesen, dass wir auf Grund der rasanten Übertragbarkeit und der hohen Anstec

(Lars Harms)

kungsgefahr der Maul- und Klauenseuche stündlich damit rechnen müssen, dass in Deutschland der erste MKS-Fall gemeldet wird.

Ich gebe dem Kollegen Jensen-Nissen Recht, wenn er in seiner Begründung zur Dringlichkeit sagt, dass die Übertragung der Maul- und Klauenseuche von England auf das europäische Festland auch auf den ausgedehnten Tier- und Fleischtransport zurückzuführen ist. Ich hoffe allerdings, Sie geben meiner wiederholten Forderung Recht, Herr Jensen-Nissen, dass generell die Tiertransporte begrenzt werden müssen.

(Beifall beim SSW und des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [F.D.P.])