Christel Happach-Kasan

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Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Minister hat es gesagt, im Bericht wird die ernüchternde Bilanz gezogen, zehn Jahre nach der Konferenz von Rio gehen immer noch pro Jahr weltweit 15 Millionen ha naturnaher Wald verloren. Das ist das Hundertfache der Waldfläche SchleswigHolsteins, eine praktisch für uns unvorstellbar große Fläche. Die Landesregierung zieht daraus das Fazit:
„In Anbetracht der nahezu ungebremst fortschreitenden Zerstörung der Wälder im letzten Jahrzehnt ist zu konstatieren, dass die internationalen Abkommen und politischen Initiativen bis heute noch keinen durchgreifenden Erfolg gebracht haben.“
Die Beschreibung ist ernüchternd, aber sie trifft zu. Daher verstehe ich nicht, dass es dann weiter unten heißt, und zwar ganz optimistisch: „Bei der Eindämmung des illegalen Holzeinschlags... spielt die Zertifizierung nachhaltiger Waldwirtschaft eine zunehmend wichtige Rolle.“ Wie kann die Zertifizierung eine wichtige Rolle spielen, wenn doch die Zerstörung der Wälder ungebremst fortschreitet? Beide Sätze zusammen besagen doch einfach, und das traut sich die Landesregierung nicht zuzugeben: Die Wälder werden zerstört, ob mit oder ohne Zertifizierung.
Diese Erkenntnis ist keine Einzelmeinung der FDP. Auf der Jahrestagung einer Gruppe namhafter Nichtregierungsorganisationen heißt es zum Stand der FSC-Diskussion: „Während die großen Umweltverbände weiterhin uneingeschränkt das FSC-Siegel empfehlen, läuft in Fachkreisen seit einem Jahr eine heiße Diskussion um die Grenzen der Zertifizierung: Ökologische Nachhaltigkeit ist in den Tropen schwer überprüfbar; in einigen FSC-Betrieben ist sie wohl nicht gegeben; Betrug mit FSC-Siegeln ist wegen mangelnder Kontrollen häufig; illegaler Holzeinschlag kommt weiterhin auch in zertifizierten Betrieben vor.“ - Das ist die Bilanz von FSC und deswegen wollen wir in Schleswig-Holstein FSC.
Bei Pro Wildlife lautet die Überschrift: „Orang Utans stehen vor der Ausrottung - Die Ausrottung der Regenwälder Indonesiens - auch für den deutschen Absatzmarkt - ist die größte Gefahr für die Waldmenschen“. 70 % des Holzes aus Indonesien stammen aus illegaler Abholzung.
Pro-Regenwald berichtet: „690.000 € für deutsche Tropenholzfirma in der Republik Kongo“.
Im letzten Jahr meldete Pro-Regenwald: „FSC-Zertifikat für größten indonesischen Teak-Produzenten aufgehoben, Plantagenteak stammte aus Raubbau.“
Ein Blick auf die Internetseiten namhafter Holzimporteure in Deutschland zeigt, das FSC-Siegel spielt praktisch keine Rolle. Unter etwa 30 Firmen habe ich nur zwei gefunden, die das Symbol zeigten, ohne aber weiter darauf einzugehen. FSC ist ein Potemkinsches Dorf.
Zusammengefasst müssen wir feststellen, naturnahe Wälder werden weiter zerstört, der illegale Holzeinschlag geht weiter, FSC hat sich als Flop erwiesen. Deutschland ist der drittgrößte Holzimporteur. Deutschland hat deshalb eine Mitverantwortung für den Schutz naturnaher Wälder auch außerhalb des eigenen Landes. Wenn die FSC-Zertifizierung die Zerstörung der Wälder nicht aufhalten kann - und dies ist offensichtlich der Fall muss nach anderen Wegen gesucht werden.
Wir müssen uns auch fragen, ob die von rot-grünen Regierungen betriebene Diskriminierung der Nutzung heimischen Holzes im Sinne der Nachhaltigkeit richtig ist.
- Das kann ich Ihnen gern zeigen, Herr Matthiessen! Jetzt seien Sie endlich einmal ruhig und hören Sie zu!
Eine Ursache des illegalen Holzeinschlages ist doch, dass die Nachfrage nach Holz und Holzprodukten bei uns sehr groß ist, der Holzeinschlag aber rückläufig. Im Sinne einer globalen Nachhaltigkeitsstrategie ist dies der falsche Weg. Zusätzlich schränkt die Landesregierung die Förderung der Neuwaldbildung ein. Die Waldbesitzer werden dieses heute noch einmal deutlich machen. Der Wald wird durch die FSC-Zertifizierung nicht geschützt, dennoch halten die Umweltverbände an der Zertifizierung fest. Natürlich wäre es gut gewesen, wenn es funktioniert hätte, aber wenn man nach mehreren Jahren feststellt, dass dies nicht der Fall ist, muss man neue Wege einschlagen. Sicherlich ist die Beteiligung der Umweltverbände in den Gremien des FSC ein besonderer Anreiz, sich für diese Zertifizierung einzusetzen. In der Konkurrenz der beiden in Europa eingeführten Siegel sehen dann die Umweltverbände beim FSC-Siegel die größeren Beteiligungsmöglichkeiten.
In Deutschland brauchen wir jedoch zum Schutz unserer Wälder beide Siegel nicht. Die nachhaltige und naturgemäße Bewirtschaftung der Wälder hat in Deutschland eine lange Tradition. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der privaten, kommunalen und staatlichen Forstbetriebe sind sehr gut ausgebildet und hoch motiviert. Im Vergleich zu den Methoden des illegalen Holzeinschlags in Afrika oder Südamerika mit seinen katastrophalen Auswirkungen nicht nur für die Natur, sondern auch für die sozialen Strukturen dort ist die Waldbewirtschaftung in Deutschland mit und ohne Siegel vorbildlich. Die qualitativen Unterschiede zwischen beiden Gütesiegeln sind minimal und insgesamt unerheblich.
Wenn Herr Trittin in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken versucht, dass FSC-zertifiziertes Holz umweltfreundlicher hergestellt sei als PEFC-zertifiziertes Holz, dann ist dies eine Verbeugung vor den Umweltverbänden, mehr nicht. Mit Umweltpolitik hat die Holzzertifizierung nichts zu tun.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin, ehrlich gesagt, ein bisschen erschüttert, dass es in einer solchen Debatte nichts weiter gibt als das Verkünden von Glaubensbekenntnissen.
FSC ist gut - so wird geglaubt. Kritische Nachfragen gibt es nicht einmal bei den Grünen, früher ein durchaus kritischer Verband. Keinerlei Kritikfähigkeit.
Nichts weiter als das Lesen des Regierungsberichtes. Keinerlei eigene Nachforschungen. Keinerlei eigene Initiative, sich einmal darüber zu informieren, was in der Welt tatsächlich los ist. Warum gehen Sie nicht einmal ein bisschen raus aus dem Landeshaus und erkundigen sich? Das, was Sie machen, ist einfach Murks.
Raubbau in der gesamten Welt, das ist doch hier das Thema. Das steht in dem Bericht auch drin. Sie konnten es nachlesen. Das 100-fache der Waldfläche von Schleswig-Holstein wird jedes Jahr zerstört. Dann sagen Sie: FSC ist gut, das ist ganz prima.
Ich kann nicht verstehen, dass Sie nicht in Rage darüber kommen. Sie nehmen es einfach zur Kenntnis, nehmen es hin.
Gucken Sie doch einmal, was zum Beispiel Nichtregierungsorganisationen, die vor Ort tätig sind, die in Brasilien tätig sind, die in Kanada tätig sind, dazu sagen. Auch in Kanada, einem G8-Staat, wird Raubbau betrieben.
Festzustellen ist, dass sich am Raubbau der Wälder, egal, ob es Zertifizierungen gibt oder nicht, nichts geändert hat. Insofern müssen wir neue Wege gehen und dürfen nicht länger die alten beschreiten.
Herr Kollege Matthiessen, Sie fordern Konzepte in einem 5-Minuten-Beitrag ein. Das finde ich schon ein bisschen seltsam.
Ich finde, man muss dazu etwas mehr Gehirnschmalz haben als das, was ich in fünf Minuten hier sagen kann.
Ich habe in jeder Legislaturperiode mehrfach vorgelegt, in welcher Weise sich die FDP in SchleswigHolstein die Waldwirtschaft für Schleswig-Holstein vorstellt. Die Leitlinien dazu gibt es. Die Drucksachen dazu gibt es. Lesen Sie nach. Lesen Sie meine Reden nach. Es ist alles vorhanden.
Ich garantiere Ihnen: Auch für den Bereich des Raubbaues der Wälder müssen wir neu denken, müssen
wir neue Konzepte entwickeln. Natürlich gibt es diese Konzepte. Es ist offensichtlich: Mit den von den Industriestaaten gewählten Methoden der Bürokratie ist dies nicht zu machen.
Sie haben das Eine selbst erwähnt. Wir produzieren die Nachfrage, die dazu führt, dass beispielsweise im Kongo Firmen, gefördert von der Bundesregierung, Rot-Grün, Raubbau betreiben. Wir haben die Nachfrage. Warum haben wir die Nachfrage? - Weil wir den Holzbestand in unseren Wäldern hochfahren.
Wir fahren den Holzbestand in unseren Wäldern hoch, weil wir viel besser und übergut sein wollen und weil wir im Bereich der Neuwaldbildung nicht mehr vorankommen. Seit wir grüne Minister haben, die für die Forsten zuständig sind, nimmt die Neuwaldbildung kontinuierlich ab.
Das ist die Bilanz grüner Politik.
Sie haben ein gestörtes Verhältnis zu den Wäldern in Schleswig-Holstein. Sie sollten Ihre eigene Position einmal überdenken.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Altstandorte sind die Sünden der Vergangenheit. Der Minister hat es eben gesagt. Die großen Altstandorte im Land wie das Metallhüttengelände in Lübeck und die Deponie 80 in Barsbüttel können nur im Verlauf von Jahrzehnten saniert werden. Die Kosten sind immens. Für uns ergibt sich daraus eine Verpflichtung, weitere Altstandorte mit allen Mitteln zu vermeiden.
In der öffentlichen Diskussion um Umweltthemen nimmt der Bereich der Altlasten nur einen geringen Raum ein. Das steht völlig im Gegensatz zu den Problemen, die Altlasten im Land darstellen und auch zu den Finanzmitteln, die wir ausgeben müssen, um diese zu sanieren. Altlasten sind nach der Definition des Bundesbodenschutzgesetzes Abfallbeseitigungsanlagen sowie sonstige Grundstücke, auf denen Abfälle behandelt, gelagert oder abgelagert worden sind, und Grundstücke stillgelegter Anlagen und sonstige Grundstücke, auf denen mit umweltgefährdenden Stoffen umgegangen worden ist. Ausgenommen sind Anlagen, deren Stilllegung einer Genehmigung nach dem Atomgesetz bedürfen.
Auch der Landesregierung ist bekannt, dass bei den Altlasten Handlungsbedarf besteht. Dazu brauchte sie nur in ihr Umweltranking aus dem letzten Jahr zu sehen. Dort steht:
„Im Bereich Altlasten ist ein erheblicher Handlungsbedarf erforderlich. Die Kreise unterscheiden sich durchaus diesbezüglich hinsichtlich ihres bisher aufgebrachten Engagements. Dies äußert sich sowohl in der Anzahl der untersuchten Altablagerungen und Altstandorte als auch in dem Anteil der durchgeführten Gefährdungsabschätzungen und Sanierungen.“
Allerdings finde ich es bemerkenswert, dass die Daten, die Sie beim Umweltranking verwendet haben, nicht mit den Daten kompatibel sind, die in diesem Bericht zu den Altlasten stehen. Somit hat die Bewertung im Umweltranking offensichtlich daneben gelegen. Ich habe dies bereits vor einem Jahr kritisiert.
Im Bericht des Landesrechnungshofs, auf den Sie dankenswerterweise hingewiesen haben, heißt es zum Thema Altlasten:
„Die Diskrepanz zwischen erfassten Altlasten, altlastverdächtigen Flächen und durchgeführten Gefährdungsabschätzungen ist in einigen Kreisen sehr groß.“
Diese Erkenntnis und die Tatsache, dass der Landesregierung spätestens mit dem Bericht aus dem Jahre 1995 - auch damals hat die FDP-Fraktion nachgefragt - die wesentlichen Probleme im Bereich der Altlasten bekannt waren, haben mich im Frühjahr dazu bewogen, von der Landesregierung einen Bericht über den neuesten Stand der Altlastenerfassung, der Gefährdungsabschätzung und der Altlastensanierung anzufordern.
Der nun vorgelegte Bericht ist allerdings nicht in allen Teilen das, was ich von ihm erwartet habe. Es werden sehr viele handwerkliche und systematische Dinge, wie zum Beispiel Rechtsgrundlagen und Aufgabenverteilung, aufgeführt. Die eigentlichen Probleme, die sich mit der Erfassung, Gefährdungsabschätzung und Sanierung durch die Kreise ergeben haben, lassen Sie außen vor.
Im Bericht des Landesrechnungshofs, der in manchen Teilen konstruktiver ist als der, den Sie vorgelegt haben, wird darauf hingewiesen, dass die Qualität der vorgelegten Daten über Altstandorte - obwohl Mitarbeiter beteiligt waren - sehr uneinheitlich ist. Weiter wird vom Landesrechnungshof kritisiert, dass die Kreise die Altablagerungen in zu geringem Maße überwachen. Von den Kreisen und kreisfreien Städten wird die Überwachung zurückgefahren, wenn nicht gar eingestellt, denn nur 1 % der Altstandorte werden noch überwacht.
Woran das liegt, darüber hat die Landesregierung keine Erkenntnisse. Haben Sie vielleicht auch einmal beim Landesrechnungshof nachgefragt? Sie werden dann darauf kommen, dass sich viele Kreise das, was wünschenswert und nach den gesetzlichen Vorschriften notwendig ist, nicht mehr leisten können. Auch das dürfte ein Problem sein. Immerhin wird eingeräumt, dass eine aktuelle Abfrage der finanziellen und personellen Ausstattung der unteren Bodenschutzbehörden ergeben habe, dass einige Kreise nicht in der Lage sein dürften, die gesetzlichen Auf
gaben zu erfüllen, weil weder genügend Personal noch Sachmittel zur Verfügung standen. Wenn dies der Landesregierung bekannt ist, warum lässt sie das Parlament dann in Unkenntnis darüber, um welche Kreise es sich handelt? Sie vermeiden konstant irgendwelche Aussagen darüber, in welchen Kreisen es gut läuft und in welchen Kreisen nicht. Wir haben eine einzige Tabelle, in der die Kreise miteinander verglichen werden. Ich meine, dies hilft angesichts eines Problems, das wir bereits seit 20 Jahren behandeln, nicht weiter.
Welche konkreten Maßnahmen werden vom MUNF im Rahmen der Fachaufsicht getroffen? Mit der immer noch geplanten, länger angemahnten, aber nie verwirklichten Leitlinie zur Nachwirkung und Überwachung von Altlagerungen und Altstandorten wird es nicht getan sein, aber auch sie fehlt noch. Wir wissen immer noch nicht, wann diese Leitlinie tatsächlich kommen wird.
Ich hätte auch gern erfahren, wie es mit dem Vorwurf des Landesrechnungshofs steht, dass das eingearbeitete Personal bei der Altstandorterfassung wegen der mangelhaften finanziellen Ausstattung der Kreise oftmals nicht übernommen werden kann, wodurch die Gefahr besteht, dass die gewonnenen Daten nicht weiter gepflegt werden. Auch hierüber bietet der Bericht keine Erkenntnisse. Bereits 1984 wurde mit der Erfassung und Bewertung der Altlasten begonnen. Nach zehn Jahren waren etwa 90 % der jetzt bekannten Standorte erfasst. Die Fortschritte der letzten Jahre sind - wie insbesondere im Bericht des Landesrechnungshofs festgestellt wird - marginal, auch wenn sich im Bereich der Bewertung in den letzten Jahren einiges getan hat. Das will ich ausdrücklich anerkennen.
Der Bericht macht deutlich, dass es der Landesregierung nicht gelungen ist, eine einheitliche Erfassung und Bewertung der Altstandorte im Land zu organisieren. Das ist aber Voraussetzung dafür, dass eine nachvollziehbare Prioritätenliste für die Sanierung von Altstandorten aufgestellt wird. Bei knappen Mitteln muss sichergestellt werden, dass die größten Probleme zuerst gelöst werden. Das ist unser Anliegen. Wer nicht weiß, wie man es anstellt, mit vielen Worten zu schweigen, der lese diesen Bericht der Landesregierung. Das ist das Fazit, das ich leider ziehen muss. Die notwendigen Ergänzungen - insbesondere über die Situation in den einzelnen Kreisen - werden wir hoffentlich in der Ausschussberatung erfahren.
Herr Minister, ich nehme mit ausgesprochener Freude zur Kenntnis, dass Sie die Kreise nicht in irgendeiner Weise an den Pranger stellen oder unhöflich behandeln wollen. Das ist wirklich ein toller Ansatz. Ich warte jetzt auf das nächste Umweltranking, bei dem Sie dann wieder eine Liste aufstellen, in der dann doch wieder der eine oder andere Kreis an den Pranger gestellt sein wird. Ich würde mich freuen, wenn Sie bei einem erneuten Umweltranking inhaltlich etwas sauberer arbeiten würden, damit die Ergebnisse nachvollziehbar sind.
Mich hat gestört, dass der Bericht das eine ist und das, was Sie im Umweltranking aussagen, das andere und dass beides nicht miteinander kompatibel ist. Ich
finde, wir sollten im Ausschuss schon darüber reden, in welcher Weise das zusammenfindet.
Es tut mir Leid, wenn ich den einen oder anderen Satz überlesen haben sollte. Ich bitte das zu entschuldigen. Gleichwohl meine ich genau wie Frau Tengler, dass wir nach fast 18 Jahren der Erfassung von Altlasten - ich habe den Beginn als Umweltausschussmitglied im Kreistag im Herzogtum Lauenburg verfolgt und gesehen, welche Mühe man sich damit machte - ein bisschen mehr produktive Ungeduld hineinbringen müssten, damit wir eine Prioritätenliste bekommen und nicht die Altlasten als erste sanieren, bei denen es am wenigsten erforderlich ist.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Vorredner haben dargestellt, welche Bedeutung die Halligen für den Küstenschutz haben. Meine Vorredner haben auch dargestellt, welche besondere Natur wir mit der Halliglandschaft vor unserer Westküste haben. Und es ist auch dargestellt worden, dass Herr Flessner im Jahre 1984 ein ordentliches Programm aufgestellt hat und wir uns eigentich wünschten, es aufrechterhalten zu können.
Ich kann mich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließen; es wäre nicht sinnvoll, sie hier noch einmal zu wiederholen. Herr Malerius hat dann auch richtigerweise gefragt, wie die Halligbewohner sich
in Zukunft aufstellen wollen. Wir müssen Antworten auf die Frage finden, was ist, wenn es dieser Landesregierung nicht gelingt, das bisherige Programm tatsächlich fortzuführen. Darüber sollten wir ausführlich im Ausschuss miteinander debattieren.
Wir unterstützen die Landesregierung in ihrem Bestreben, das Programm aufrechtzuerhalten. Wir sind allerdings der Auffassung, dass die Chancen vergleichsweise gering sind, dies tatsächlich hinzubekommen, obwohl die Halliglandschaft sicherlich etwas ganz Besonderes ist. Sie ist auch nicht unmittelbar mit den Almwirtschaften zu vergleichen, wie man sie beispielsweise im Bereich der Voralpen findet. Es gibt bei den Halligen meines Wissens keinerlei Vorbilder.
Wir müssen sicherstellen, dass die Menschen, die auf den Halligen leben, weiterhin so gefördert werden, dass sie ihre Existenz dort selbst erwirtschaften können und dass sie nicht verdrängt werden. Wir brauchen diese Halligen für den Küstenschutz und wir brauchen sie als Heimat für die Menschen, die dort zu Hause sind. Und sie sind für den Naturschutz unverzichtbar. Ich glaube, wir haben ein gemeinsames Anliegen und ich hoffe, dass wir gute Beratungen im Ausschuss haben werden.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach der BSE-Krise, dem immer noch nicht aufgeklärten Nitrofen-Skandal, den jüngsten Entdeckungen von Krebs erregenden Acrylamid in Chips und Keksen
- und Pommes frites; richtig, Kollege Garg - fragen sich viele Menschen: Was können wir noch essen? Trotz all dieser Skandalmeldungen gilt nach wie vor: Nicht etwaige Schadstoffe im Essen, sondern die Auswahl und Menge dessen, was viele Menschen essen, stellt die eigentliche Gefahr dar. Viele Menschen haben Übergewicht. Die Zahl der übergewichtigen Kinder steigt. Ein großer Anteil an Krebserkrankungen ist auf falsche Ernährung zurückzuführen. Ich habe festgestellt: Die Übergewichtigen haben mehrheitlich den Saal verlassen.
- So ist es, Herr Kollege Matthiessen. - In einer Veranstaltung der Landesregierung, die während der Phase der Aufarbeitung der BSE-Krise im Kieler Schloss stattfand -
Danke schön! -, sagte der Göttinger Ernährungswissenschaftler Professor Pudel: Die Wissenschaft bietet Beweise, gibt aber keine absolute Sicherheit. Glaube bietet Sicherheit, hat aber keine Beweise.
Der wissenschaftlich geführte Nachweis guter Qualität überzeugt nicht alle, egal wie überzeugend der Nachweis geführt wurde. Daher reicht Wissenschaft nicht aus; es muss auf vielen Wegen um Vertrauen geworben werden.
Das Gütezeichen der Schleswig-Holsteinischen Landwirtschaftskammer „Hergestellt und geprüft in Schleswig-Holstein“ hatte immer zum Ziel, die besonders gute Qualität auszuzeichnen. Mit diesem Konzept ist es in 37 Jahren unermüdlicher Qualitätskontrolle gelungen, das Vertrauen der Verbraucher zu erwerben.
In Schleswig-Holstein kennen es 98 %, in Deutschland 65 % der Menschen und 42 % berücksichtigen das Gütesiegel bei ihrer Einkaufsentscheidung. Ich glaube, dass ist eine enorme Leistung, die von keinem anderen Gütezeichen erreicht wird.
Die FDP hält das Konzept des Gütezeichens für richtig. Im Mittelpunkt stehen nachprüfbare Kriterien, die die Qualität der Produkte beeinflussen und die Endkontrolle des Produkts. Das ist die Stärke dieses Zeichens.
Nur die Endkontrolle des Produkts kann bestimmte Qualitäten garantieren. Aus diesem Grund verlassen sich die Hersteller von Babynahrung nicht auf die Anwendung von bestimmten Produktionsmethoden, sondern prüfen die Qualität der Rohprodukte, aus denen die Babynahrung hergestellt wird.
Nach dem Vorbild des Gütezeichens sind die Qualitätstore der Landesregierung gestaltet. Von der Bundesregierung kommt das QS-Zeichen. Sowohl die Qualitätstore als auch das QS-Zeichen sind Reaktionen auf die BSE-Krise. Nur das Gütezeichen der
Landwirtschaftskammer stammt aus einer Zeit, als die Welt BSE-mäßig sozusagen noch heil war.
Angesichts unseres gut eingeführten und auch öffentlich akzeptierten Gütezeichens frage ich mich, ob wir die Qualitätstore überhaupt noch brauchen.
Kollegin Kruse, das habe ich auch nach Ihrem Bericht nicht verstanden.
Ich weiß nicht, wofür wir dieses neue Zeichen noch brauchen. Es ist nicht eingeführt. Es ist in der Bevölkerung nicht bekannt. Wir haben ein gutes Gütezeichen, das bekannt ist, in das schon sehr viel Geld investiert worden ist.
Man muss sich fragen, wofür wir ein zusätzliches Gütezeichen brauchen.
Die Vielfalt der Qualitätssiegel und Gütezeichen verwirrt eher, als dass sie dem Verbraucher bei seiner Kaufentscheidung hilft. Damit wird die Möglichkeit aus der Hand gegeben, den Verbraucher durch ein Gütezeichen über besondere Qualitäten zu informieren. Weniger Zeichen ist mehr an Information.
Neben den fachlichen Kriterien macht es aber auch aus rein wirtschaftlichen Gründen Sinn, dem Gütezeichen der Kammer die Federführung zu überlassen: seit 37 Jahren auf dem Markt, hoher Bekanntheitsgrad und große Akzeptanz in der Bevölkerung! Um diese Effekte für das neu eingeführte und noch nahezu gänzlich unbekannte „Vier-Tore-Qualitätskonzept“ erreichen zu können, bedürfte es ungeahnter Werbeaufwendungen und vor allem eines langen Atems. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich die Landesregierung beides - im wahrsten Sinne des Wortes - nicht leisten kann.
Uns allen, einschließlich der Landesregierung, muss daran gelegen sein, mit einem starken Gütezeichen auf dem Markt vertreten zu sein - im Interesse der Verbraucher, aber auch der Landwirtschaft und der Ernährungsindustrie.
Dass dieses Qualitätssiegel mit den europäischen Wettbewerbsvorschriften im Einklang stehen muss, ist dabei nicht erst seit der Entscheidung des EuGH von Anfang dieses Monats eine Selbstverständlichkeit. Ich weise aber auch darauf hin, dass selbstverständlich auch nach diesem Urteil regionale Bezüge bei der Qualitätskennzeichnung zulässig bleiben, solange sie nicht diskriminierend im Sinne der EU
Vorgaben wirken. Unter dieser Prämisse sollten wir das Gütezeichen der Landwirtschaftskammer weiter stärken.
Ich weise noch einmal auf unsere Debatte anlässlich der Zielvereinbarung mit der Landwirtschaftskammer hin. Vor dem Hintergrund, dass die Landesregierung mit der Landwirtschaftskammer eine öffentliche Vereinbarung getroffen hat, diese unterstützt, für sie ein wichtiger Vertragspartner ist, ist es richtig, gemeinsam mit der Landwirtschaft ein solches Gütezeichen weiterzuentwickeln und die Vorteile des alten Zeichens zu nutzen, statt in ein neues viel Geld hineinzustecken.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Harms, in Ihrem Beitrag sind Sie als „Regierungssprecher der rot-grünen Koalition“ wohl ein bisschen über das Ziel hinausgeschossen. Das muss ich einmal ganz deutlich sagen.
Offensichtlich weiß Ihre Ministerin Franzen über das Gütezeichen deutlich besser Bescheid, als das bei Ihnen der Fall ist. Das muss man einmal feststellen.
Frau Franzen, ich will auch anerkennen, dass Sie sehr wohl in Ihrem Beitrag darauf hingewiesen haben, welche Bedeutung das Gütezeichen für die Land- und Ernährungswirtschaft in Schleswig-Holstein hat. Das sollten wir meiner Meinung nach auch anerkennen. Das finde ich gut so.
Eines möchte ich aber doch noch sagen: Es ist heutzutage üblich, von Prozesssicherheit zu sprechen. Das ist ganz toll, klingt gut und ist auf jeden Fall ein Fremdwort. Das ist ganz wichtig dabei. Bei natürlichen Systemen stellt sich aber die Frage, ob Prozess
sicherheit alles ist. Ob eine Kartoffel, egal ob sie von einem Biobauernhof, einem konventionellen oder integrierten Bauernhof kommt, die Kriterien der Landwirtschaftskammer und des Gütezeichens hinsichtlich der Nitratbelastung einhält, kann man erst bestimmen, wenn man die Endkontrolle gemacht hat. Daher warne ich davor, gerade bei Nahrungsmitteln immer nur auf Prozesssicherheit zu setzen. Das reicht nicht. Wir brauchen die Endkontrolle, wie sie das Gütezeichen vorsieht.
Wir haben alle erlebt, wie wichtig die Endkontrolle ist. BSE ist über die freiwillige Kontrolle eines Schlachterbetriebs gefunden worden und nicht über die Prozesssicherheit. Nitrofen ist ebenfalls von einem Hersteller gefunden worden, der sicher sein wollte, dass das Bio-Getreide auch wirklich gutes Getreide ist. Er musste feststellen, dass es das nicht war, sondern dass es nitrofenbelastet war, wobei wir immer noch nicht wissen, wo dieses Nitrofen hergekommen ist.
Daher vertreten wir als FDP die Meinung, wenn wir dem Verbraucher Sicherheit geben wollen, müssen wir auch auf die Endkontrolle Wert legen und können nicht sagen, der macht das schon ordentlich und es wird alles in Ordnung sein. Das reicht nicht aus. Aus diesem Grund habe ich mich immer für das Gütezeichen eingesetzt, weil es nicht sagt, die Prozesskontrolle reicht aus. Herr Kollege Harms, es findet übrigens viermal während der Vegetationsperiode eine Kontrolle statt. Ich sage das nur, um lediglich noch ein paar Fakten in Ihren Kopf zu bringen. Entscheidend ist aber die Endkontrolle. Diese gibt dem Verbraucher die Sicherheit, ein gutes Produkt auf dem Tisch zu haben.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Ministerin, mich verwundert bei Ihrem Redebeitrag ein bisschen Ihr Selbstbewusstsein. Ich vermisse - ganz ehrlich gesagt - den Dank an die SPD-Fraktion, die letztlich die Regierung in Sachen Landwirtschaftskammergesetz vor einem totalen Fiasko bewahrt hat.
Diese Realität sollte man schon einmal sagen.
Frau Ministerin, ich vermisse auch ein bisschen den Dank an die Landwirtschaftskammer, die einen enormen Modernisierungsprozess hinter sich hat. Ich wünschte mir, dass auch manche Landeseinrichtung
oder Behörde des Landes einen entsprechenden Weg der Modernisierung ginge.
Es ist deutlich, dass die Selbstverwaltungseinrichtung Kammer in der Beziehung deutlich mehr geschafft hat als manches Amt im Lande.
Frau Kruse, ich vermisse auch ein bisschen, dass Sie sich daran erinnern, dass immerhin einige meiner Änderungsanträge so waren, dass Sie sie übernommen haben.
Daher muss ich das Wort „Blockadepolitik“ nicht auf meine Fahnen schreiben und fühle mich damit nicht gemeint.
Es ist bemerkenswert - das macht auch der Lärm in diesem Hause deutlich -: Jahrelang war die erfolgreiche Arbeit der Landwirtschaftskammer der Landesregierung ein Dorn im Auge. Es wurde keine Gelegenheit ausgelassen, die Kammer zu schwächen.
Herr Kammerjäger Neugebauer, so ist es und Sie haben daran teilgehabt.
Heute, zu einem Zeitpunkt, zu dem der finanzielle Gürtel für die Landwirtschaftskammer so eng geschnallt ist wie nie und im Gegenzug die politischen Einflussmöglichkeiten für die Landesregierung deutlich erhöht sind, besinnt sich die Landesregierung darauf, dass die Kompetenz der Kammer für die schleswig-holsteinische Landwirtschaft erhalten werden sollte. Spät, beinahe zu spät ist diese Erkenntnis gereift.
Es ist wohl kein Geheimnis, dass die Aufgabenbegrenzung bei der Kammer dem Erhalt des eigenen Landwirtschaftsministeriums diente. Leidtragende waren die landwirtschaftlichen Betriebe im Land, die zur Stärkung ihrer Betriebe auf die Beratungsleistungen und Weiterbildungsangebote der Kammer angewiesen sind. Schließlich finanzieren sie durch ihre Kammerbeiträge die Kammer in einem erheblichen Maße. Das sollte dann auch einmal erwähnt werden.
Ich will auch anerkennen: Der Bericht spricht eine deutlich andere Sprache als zum Beispiel der ur
sprüngliche Entwurf des Landwirtschaftskammergesetzes. Als ich die Präambel las - das will ich Ihnen ehrlich sagen -, bin ich aus dem Staunen kaum herausgekommen. Sie ist wirklich ordentlich und einwandfrei formuliert. Meine Mitarbeiterin sagte mir: Frau Happach-Kasan, Sie hätten das geschrieben haben können. - Herzlichen Glückwunsch!
Meine Punkte sind darin gut aufgenommen. Ich habe das selbstverständlich registriert und freue mich über die Lernfähigkeit der Landesregierung.
Nun haben alle Landwirtschaftsminister zumindest rhetorisch zur Kammer gestanden. Offensichtlich war in diesem Haus entscheidender, was die Verwaltung dachte, als was die Führung in der Öffentlichkeit redete. Vielleicht besteht jetzt die Chance, dass in Zukunft in Sachen Landwirtschaftskammer Verwaltung und Spitze des Ministeriums nicht nur an einem Strang ziehen, sondern auch noch in dieselbe Richtung.
Es ist kein Geheimnis, dass die FDP-Fraktion ein Gegner der Umstellung von der institutionellen Förderung auf die Projektförderung gewesen ist, die mit der letzten Novellierung des Landwirtschaftskammergesetzes durchgedrückt wurde. Es ist mit unserem Verständnis von einer Selbstverwaltungseinrichtung nicht vereinbar, wenn das Land die Kammer gängelt, ihren Gestaltungsspielraum gegen die Interessen der Landwirtschaft, für die die Kammer da ist, einschränkt und somit ein Kompetenzzentrum brachliegt. Selbstverwaltungseinrichtungen machen nur dann Sinn, Herr Neugebauer, wenn Raum für Kreativität und eigenen Aktivitäten vorhanden ist. Sonst braucht man sie nicht.
Ich will aber anerkennen, dass die Zielvereinbarungen zumindest vom Wortlaut her moderater gestaltet sind, als es aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre zu erwarten war. Das ist sicherlich nicht zuletzt den Vertragspartnern zuzurechnen. Ich freue mich über diesen frischen Wind, der in dieser Frage ganz offensichtlich aus dem Ministerium weht. Es ist aber auch deutlich, dass die Kammer in den letzten Jahren enorme Anstrengungen zur Modernisierung unternommen hat und einen starken Überlebens- und Gestaltungswillen gezeigt hat. Anders hätte sie die schwierigen Aufgaben nicht bewältigt.
Für die Weiterführung der erfolgreichen Arbeit der Landwirtschaftskammer ist unabdingbar, dass sie finanzielle Planungssicherheit erhält. Durch die
vorgelegte Vereinbarung soll das bis 2005 gewährleistet sein. Ich hoffe sehr, dass sich die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen an dieses Versprechen halten und die Haushaltsbestimmungen entsprechend den Grundlagen gestalten. Es sei daran erinnert: Die finanziellen Bestimmungen des Vorgängergesetzes sind nur ein einziges Mal befolgt worden. Insofern ist das Misstrauen durchaus gerechtfertigt.
Ebenso unverzichtbar ist, dass sie die erforderlichen Freiräume für die inhaltliche Arbeit erhält. Es muss möglich sein, dass auf neue Situationen angemessen reagiert wird. An einer Planwirtschaft kann niemandem gelegen sein.
Ich will aber auch darauf hinweisen, dass auf die Umsetzung der Zielvereinbarung beim besten Willen auf beiden Seiten auch die weitere Prioritätensetzung im Landeshaushalt Einfluss hat. Ich frage mich zum Beispiel, wie bei dem im Haushaltsentwurf vorgeschlagenen Kahlschlag bei der forstlichen Förderung die Aufnahme und Durchführung von 1.400 Förderanträgen, wie in der Zielvereinbarung festgelegt, im kommenden Jahr erfolgen soll.
Ich hoffe auf eine gute Zusammenarbeit im Rahmen der Zielvereinbarung zwischen Landwirtschaftsministerium und Landwirtschaftskammer. Wir als FDPFraktion werden diese Arbeit weiterhin kritisch begleiten.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Bericht der Landesregierung über die in Schleswig-Holstein betriebene Forschung mit adulten menschlichen Stammzellen ist in der Tat nicht sehr umfangreich, wie es Frau Schmitz-Hübsch festgestellt hat. Er ist aber deswegen durchaus nicht inhaltsleer.
Ich bedanke mich bei der Ministerin dafür, dass sie in ihrer Rede noch einige Positionen deutlich gemacht hat, nämlich dass wir die Forschung sowohl an adulten wie an embryonalen Stammzellen brauchen.
Frau Ministerin, ich bedanke mich für dieses Statement. Ich hätte mir gewünscht, dass sich auch die CDU in dieser Richtung geäußert und nicht nur über den Bericht gemeckert hätte.
Ich betone aber auch, dass ich die Botschaft dieses Berichts in manchen Punkten als zwiespältig empfinde. Wir erfahren, dass an den Universitäten in Kiel und Lübeck sowie am Forschungszentrum Borstel Forschungen an adulten Stammzellen durchgeführt werden. Es ist wichtig festzustellen, dass bei der Behandlung bösartiger Krankheiten, Blutkrankheiten und maligner Lymphome bereits adulte Stammzellen
in der Therapie verwandt werden. Deshalb ist es wichtig, in der gesamten Diskussion über embryonale Stammzellen die adulten Stammzellen nicht aus den Augen zu verlieren. Das ist ein wichtiger Punkt.
Als weitere Perspektiven werden die Behandlung von Diabetes und neurologischen Erkrankungen, die Züchtung von Knorpeln und die Regeneration von Herzgeweben genannt.
Das Gesetz zum Import von Stammzellen, das der Bundestag im letzten Jahr beschlossen hat, geht von der Vorstellung aus, dass die Forschung auf menschliche adulte Stammzellen sowie auf Stammzellen tierischer Herkunft konzentriert werden sollte. Daher ist die Frage von besonderem Interesse, ob durch diese Beschränkung der Forschung auf adulte Stammzellen gleichzeitig auch eine Beschränkung in den Therapiemöglichkeiten eintritt. Dahinter steht die Hoffnung, dass adulte Stammzellen dieselben Chancen wie embryonale Stammzellen bieten und so die von verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen kritisierte Verwendung embryonaler Stammzellen vermieden werden kann. Daher wird im Bericht die Pressemitteilung amerikanischer Forscher herausgestellt, die adulte Stammzellen im Knochenmark mit großem Entwicklungspotenzial entdeckt haben wollen. Leider bleibt im Bericht unerwähnt, dass diese Ergebnisse noch nicht veröffentlicht sind und bisher niemand diese Versuche hat nachvollziehen können.
Auch die enttäuschenden Ergebnisse britischer Forscher bei ihrer Arbeit an adulten Blutstammzellen bleiben unerwähnt. Die Zellen zeigten ein großes Entwicklungspotenzial bei Versuchen in der Petrischale, im Körper jedoch entwickelten sich aus den Blutstammzellen ausschließlich Blutzellen. Das heißt: Wir können uns nicht einfach zurückziehen und sagen, mit adulten Stammzellen geht es, sondern wir werden uns weiterhin mit der Frage embryonale Stammzellen beschäftigen müssen.
Der Bericht der Landesregierung macht insofern zu Recht deutlich, dass adulte Stammzellen nicht das gleiche Einsatzspektrum bei der Entwicklung von Therapiemöglichkeiten bei bis jetzt nicht heilbaren Krankheiten haben wie embryonale Stammzellen. Eine Entwicklung von Therapien zum Beispiel für angeborene und erworbene Stoffwechselkrankheiten, degenerative Nerven- und Muskelkrankheiten ist nur bei Verwendung embryonaler Stammzellen denkbar. Die Hoffnung, dass auch bei einer Beschränkung der Forschung auf adulte Stammzellen dieselben Chancen auf Therapien bestünden wie bei der Forschung mit
embryonalen Stammzellen, hat sich bisher nicht erfüllt.
Ministerin Erdsiek-Rave hatte im vergangenen Jahr in ihrem bemerkenswerten Redebeitrag zum Thema Stammzellforschung gesagt, sie sei zutiefst davon überzeugt, dass sich die Gewinnung von Erkenntnissen nicht verbieten lasse. In anderen Ländern der EU wird die bei uns vorherrschende Haltung nicht geteilt. Es ist möglich, dass durch die embryonale Stammzellforschung Gewebetherapien für Krankheiten wie Alzheimer, Multiple Sklerose oder Parkinson entwickelt werden. Wir alle kennen diese Krankheiten. Viele von uns haben Verwandte und Freunde, die an ihnen leiden. Wir müssen darauf vorbereitet sein, kranken Menschen zu sagen, warum ihnen bestimmte Therapien in Deutschland nicht zur Verfügung stehen. Diese Menschen werden sich, wenn sie es sich leisten können, Hilfe im Ausland suchen.
Ich will nur daran erinnern, wie im Augenblick der Stand bei der PID ist. Bereits jetzt ist erkennbar, dass Paare, die ein hohes Risiko für die Weitergabe einer genetischen Krankheit tragen, Kontakt zu den Zentren für Präimplantationsdiagnostik in Belgien und den Niederlanden aufnehmen. Es ist auch deutlich, dass Menschen, die einer Hochrisikogruppe angehören, über die PID anders als andere denken. In einer vom Bundesforschungsministerium geförderten Studie lehnten 11 % der Menschen in der Hochrisikogruppe, aber 27 % der Menschen in der Kontrollgruppe die PID ab. Ich will auch darauf hinweisen, dass die befragten Paare in beiden Gruppen die PID befürworteten.
Die ethischen Bedenken gegen die Verwendung embryonaler Stammzellen zur Verwendung in der Forschung sind schwerwiegend. Die Ängste in der Bevölkerung dürfen nicht einfach hinweggewischt werden, die Hoffnungen kranker Menschen, durch neue Therapien Hilfe zu erhalten, aber genauso wenig. Mit dem Beharren auf fundamentalistischen Standpunkten ist niemandem geholfen.
Deutschland blockiert zurzeit zusammen mit Italien und drei weiteren Staaten die Freigabe eines EUForschungsbudgets in Höhe von 17,5 Milliarden € für das 6. Forschungsrahmenprogramm. Hintergrund dieser Blockade sind die unterschiedlichen Vorstellungen der EU-Länder zur embryonalen Stammzellforschung.
Ich hatte eigentlich vorgehabt, noch einen weiteren Beitrag zu zitieren. Darauf verzichte ich. Ich wünsche mir aber, dass wir in Deutschland weiterhin da
ranbleiben, über Stammzellforschung und Therapiemöglichkeiten zu diskutieren und diesen gesellschaftlichen Diskurs zu einem glücklichen Ende zu führen.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die FDP hat das Instrument der ländlichen Struktur- und Entwicklungsanalyse von Anfang an positiv begleitet. Die dadurch geförderte interkommunale Zusammenarbeit ist ein wichtiges Mittel gegen Kirchturmpolitik. Ich glaube, dieses Mittel gegen die auch in unserem Lande teilweise verbreitete Kirchturmspolitik sollten wir weiter nutzen. Soweit die positive Analyse.
1,8 Millionen € Fördermittel aus der Gemeinschaftsaufgabe für gerade einmal zehn Markttreffs sind ausgegeben worden. Mir scheint angesichts der Menge von Gemeinden, die wir in ländlichen Räumen haben - allein im Kreis Herzogtum Lauenburg haben wir 127 Gemeinden -, ist dieses nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Erwartungshaltung, in allen Dörfern so vorgehen zu können, müssen wir - das erkennt jeder schnell - eindämmen.
Angesichts dieser Menge an Fördermitteln und der Tatsache, dass das Land die Mittel aus der Gemeinschaftsaufgabe nicht ausschöpft, fragen wir uns in der FDP-Fraktion, ob die Landesregierung die Prioritäten wirklich im Interesse der ländlichen Räume richtig setzt. Wir können nicht erkennen, dass dieses Programm von der Landesregierung ordentlich durchgeführt wird. Wir haben das Gefühl, dass in einigen Gemeinden Prestigeobjekte gefördert worden sind, die letztlich nicht den Nutzen für die ländlichen Gemeinden entfalten, den sie entfalten sollten, insbesondere angesichts der Fördersumme. Angesichts dessen, dass allein in Kasseedorf beispielsweise ein förderfähiges Investitionsvolumen von 1,3 Millionen € bestanden hat - 184.000 € EU-Zuschuss, 551.000 € GAK-Zuschuss -, frage ich mich wirklich, wie wir dieses entsprechende Angebot in anderen Gemeinden, die mit Sicherheit Ähnliches anbieten können, verwirklichen können. Es entsteht bei mir der Eindruck, dass möglicherweise SPD-Hochburgen ein wenig bevorzugt wurden und andere das Nachsehen hatten.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Diskussionsbeiträge machen, wie ich glaube, sehr deutlich, dass das Instrument der LSE, der ländlichen Struktur- und Entwicklungsanalyse, von allen positiv bewertet wird. Das ist überhaupt keine Frage. Die Beiträge machen aber auch deutlich, dass es - im Übrigen auch von der Ministerin - kritische Stimmen zum Thema Markttreffs gibt. Wir müssen uns alle darüber im Klaren sein, dass wir mit einer Fördersumme von im Schnitt 180.000 € pro Gemeinde nicht weiter operieren können. Wir haben schlicht zu viele Gemeinden. Ich kann das am Beispiel meines Kreises verdeutlichen. Dort gibt es 132 Gemeinden. Darunter sind fünf Städte. Es verbleiben 127 Gemeinden. Wenn ich einmal annehme, dass etwa die Hälfte davon - das wären 60 - die Kriterien erfüllen würde, kämen wir auf ein Fördervolumen von 60 mal 180.000 €. Dies ist ein Programm, das wir nicht finanzieren können. Deswegen sollten wir uns frühzeitig, bevor wir entsprechende Bauwerke in einzelnen Gemeinden errichten und damit zu Recht die Begehrlichkeit der anderen Gemeinden wecken, überlegen, wie wir zu besseren Infrastrukturprogrammen für die ländlichen Räume kommen, zu Programmen, die wirksamer wären. Frau Schümann, ich habe wie Sie genau hingeguckt. Der Betreiberwechsel ist ein Kriterium. Wir sehen, dass wir nicht überall Menschen haben, die in der Lage sind, eine solche Infrastrukturmaßnahme auch zum Erfolg zu führen. Es macht keinen Sinn, kostbare Mittel dorthin zu geben, wo wir niemanden haben, der auch die Umsetzung ermöglicht.
Von daher meine ich, dass wir dieses Instrument, insgesamt gesehen, kritisch betrachten müssen.
Natürlich ist es so, dass jeder, der dabei ist, wenn irgendwo etwas eingeweiht wird, sich für den Ort freut. Jeder von uns sollte aber auch im Hinterkopf haben, dass es tausend Gemeinden gibt, in denen man die Einweihung einer solchen Einrichtung eben nicht feiern kann. Deswegen müssen wir uns, wie ich meine, etwas mehr Gedanken darüber machen, wie wir breitenwirksam tätig werden können und die ländlichen Räume insgesamt und nicht nur punktuell dort, wo es einen engagierten Bürgermeister gibt - ich will
nicht in Abrede stellen, dass das Engagement von Bürgermeistern etwas Positives ist -, fördern können.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn der Kollege Benker sehr launig dargestellt hat, Schleswig-Holstein habe genug Kies, mag das im Sinne des Wortes vielleicht richtig sein. Gleichwohl hat es nicht genug Kies, wie wir am Beispiel Soziale Stadt oder Markttreffs gemerkt haben.
Frau Strauß ist natürlich zuzustimmen, wenn sie sagt: Es ist ein Unterschied, ob wir lediglich genug Kies haben oder ihn auch fördern können. Genau um diese Diskrepanz geht es letztlich bei diesem Thema. Deswegen hat die FDP-Fraktion diesen Berichtsantrag eingebracht.
Der nachfolgende Tagesordnungspunkt, Ausbau des NOK, macht die Bedeutung von Kies deutlich. Denn wer den NOK ausbauen will, braucht Kies. Wer die A 20 bauen will, braucht ebenfalls Kies. Für die A 21 und diverse Ortsumgehungen gilt das in genau gleicher Weise.
Kies ist kein beliebiger Rohstoff. Er kann nur sehr begrenzt durch recyceltes Baumaterial ersetzt werden. Auch wenn die Beschlussfassung des Wirtschaftsausschusses darauf Wert legt, bin ich gleichwohl dankbar, dass der Wirtschaftsausschuss einen Beschluss gefasst hat und bei den betroffenen Unternehmen nachfragen will, wie die Ausweisepraxis vor Ort ankommt.
Kies ist ein wertvoller Rohstoff. Aber sein Transport ist im Verhältnis zum Wert des beförderten Gutes ausgesprochen teuer. Eine fehlende Ausweisung von
Flächen zur Kiesförderung führt zwangsläufig zu einer Verlängerung der Transportwege, zu einer Verteuerung der Baumaßnahmen und gleichzeitig zu einem erheblichen CO2-Ausstoß.
Eine Verlängerung des Transportweges von 25 km von der Kiesabbaustätte bis zum Ort der Weiterverarbeitung bei einer Abbaumenge von 3 Millionen t bringt eine zusätzliche CO2-Belastung von 10.800 t. Das sollte man sich immer einmal vor Augen führen.
Zur Verwirklichung ehrgeiziger Infrastrukturprojekte wie dem Bau der A 20 ist die ortsnahe Bereitstellung von Kiesabbauflächen eine wichtige Voraussetzung. Für die mittelständischen Betriebe ist die Planungssicherheit ebenso wichtig. Dafür ist erforderlich, dass beendete Abbauvorhaben kontinuierlich durch gleichwertige neue ersetzt werden. Angesichts der hohen Anforderungen an Planfeststellungsbeschlüsse und der Neigung der Behörden, die Abbauflächen von beantragten Abbauvorhaben möglichst zu verringern, ist dies eine sehr schwierige Aufgabe.
Es ist richtig: In Schleswig-Holstein gibt es etwa 1.100 qkm geologisch erfasste Lagerstätten und Vorkommen des Rohstoffes Kies. Das klingt ganz gut. Allerdings heißt es im Arbeitsmaterial der Akademie für Raumordnung und Landesplanung zum Planungsraum I:
„Die großräumigeren Vorbehaltsgebiete umfassen z. T. auch Flächen, die mit Infrastruktureinrichtungen wie Straßen und Versorgungseinrichtungen … belegt sind. In einigen Vorranggebieten sind die Lagerstättenvorräte zum überwiegenden Teil abgebaut.“
Die Konfliktpotenzialanalyse des LANU aus dem Jahr 1998 zeigt, dass damals in diesem Planungsraum 85 % der Flächen eine Überlappung mit Naturschutzfachplanungen sowie mit Wald aufwiesen.
Die Aussagen zum langfristigen Versorgungszeitraum sind ebenfalls ungenau. Sie beschränken sich im Wesentlichen darauf, dass ausgehend von der derzeit im Durchschnitt für das Land gegebenen Versorgungssicherheit für die nächsten zehn Jahre gehofft oder vermutet wird, dass „innerhalb dieses Zeitraumes erschöpfte Gewinnungsstätten durch Inbetriebnahme neuer ersetzt werden“. Es ist eine Hoffnung. Ob sie sich erfüllt, wissen wir nicht.
Wesentlich ist, dass vergessen wurde zu erwähnen, dass es sich bei den zehn Jahren um einen statistischen Mittelwert handelt und in einigen Gebieten die Genehmigungen für den Abbau bereits in fünf Jahren
auslaufen. Sie erreichen auch nicht den Planungszeitraum von 15 Jahren, der für Raumordnungspläne gilt.
Von den 30 Jahren, die nach Aussage der Abteilung als Planungszeitraum für die langfristige Rohstoffsicherung angesehen werden, reden Sie schon überhaupt nicht mehr. Von daher ist es dringend, dass wir uns mit diesem Thema beschäftigen, auch wenn es am Freitagnachmittag ist und jeder nach Hause will.
Ein weiteres Dilemma ist die Praxis der Ausweisung von Vorranggebieten. Es werden fast nur die Gebiete als Vorrangflächen ausgewiesen, die bereits für den Abbau genehmigt sind oder wo der Abbau unmittelbar bevorsteht. Das hat nichts mehr mit einer Planung für die Zukunft zu tun, sondern mit der Abarbeitung bestehender Ansprüche. Insgesamt wird nur ein Bruchteil der für eine langfristige Rohstoffsicherung, also besagte 30 Jahre, benötigten Fläche in den Regionalplänen ausgewiesen.
Außerdem reden Sie beim Abbau von Kies immer von Flächenverbrauch. Das ist falsch. Durch den Abbau der Kiesvorräte wird eine Fläche lediglich in Anspruch genommen. Danach ist sie nach dem Landesnaturschutzgesetz sogar vorrangig der natürlichen Entwicklung zu überlassen. Diese Fläche ist nicht verbraucht worden. Es gibt sie immer noch. Nachher dient sie dem Naturschutz.
Ich habe den Eindruck, dass sich die Solidarität dieser Landesregierung mit der Hansestadt Hamburg in sehr engen Grenzen hält. Wie soll eigentlich die Stadt Hamburg ohne große Kiesimporte aus England und Portugal auskommen, wenn gerade im Planungsraum I nicht genug Abbauflächen für die Zukunft gesichert sind?
Ich zitiere:
„Zur Verbesserung der Standortbedingungen für die Wirtschaft sind in erforderlichem Umfang Flächen vorzuhalten, die wirtschaftsnahe Infrastruktur auszubauen sowie die Attraktivität der Standorte zu erhöhen.“
Ich komme zum Schluss.
„Für die vorsorgende Sicherung sowie die geordnete Aufsuchung und Gewinnung von standortgebundenen Rohstoffen sind die räumlichen Voraussetzungen zu schaffen.“
Das ist nicht das Wahlprogramm der FDP, sondern der entsprechende Gesetzestext.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bedauere es außerordentlich, dass der Umweltminister an der heutigen Debatte - genauso wie schon an der gestrigen Debatte - nicht teilnehmen kann, denn die Ostsee ist, wie ich meine, für Schleswig-Holstein ein ganz wichtiges Thema.
Die Ostsee ist ein geologisch junges, gerade einmal etwa 12.000 Jahre altes Binnenmeer. Sie ist das größte Brackwassermeer der Erde. Das Ökosystem der Ostsee ist von Natur aus labil. Das wissen wir. Die Organismen in der Ostsee sind an einen größeren Salzgehalt des Wassers angepasst und haben Stress, weil ihnen Salz fehlt. Beim Menschen ist es in der Regel umgekehrt.
Als enges, flaches und relativ stark strukturiertes Nebenmeer des Atlantischen Ozeans mit ganzjährig stark geschichtetem Meerwasser ist die Ostsee besonders empfindlich gegenüber natürlichen und anthropogenen Einflüssen. 70 Millionen Menschen leben im Einzugsbereich der Ostsee. Die Ostsee hat sich im letzten Jahrhundert von einem oligotrophen Meer mit klarem Wasser zu einem eutrophen Meer gewandelt. Es wird geschätzt, dass der Eintrag an Stickstoff und Phosphor inzwischen etwa das Vier- bis Siebenfache gegenüber dem von vor 100 Jahren beträgt. Der Eintrag des größten Teils der Schadstofffrachten - etwa 40 % - erfolgt über die großen Zuflüsse Newa, Weichsel, Düna und Memel, ein Drittel des Stickstoffs gelangt über die Atmosphäre in die Ostsee.
Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion sind insbesondere in den baltischen Staaten zahlreiche Kläranlagen gebaut worden. Eine lokale Verbesserung der
Wasserqualität im Osten ist spürbar. Das Kaliningrader Gebiet sowie St. Petersburg leiten ihre Abwässer aber weiterhin ungeklärt in die Ostsee. Dies spüren wir auch hier.
Ein großes Problem der Ostsee ist die sehr unregelmäßige Zufuhr von salzreichem Wasser aus der Nordsee. Seit neun Jahren hat es keinen stärkeren Einbruch von Salzwasser mehr gegeben. Der Salzgehalt in der Ostsee geht kontinuierlich zurück. Für die Organismen bedeutet dies zusätzlichen Stress.
Die Ursachen für den niedrigen Sauerstoffgehalt im Tiefenwasser der westlichen Ostsee werden im Bericht der Landesregierung zutreffend erklärt. Sinkt der Sauerstoffgehalt im Tiefenwasser unter 2 mg pro Liter, wie es beispielsweise im September in der westlichen Kieler Bucht, in der Lübecker und Mecklenburger Bucht oder in den Förden zum Teil deutlich der Fall war, wird es für die Bodentiere lebensbedrohlich. Fische können zumeist in Gebiete mit günstigerer Sauerstoffversorgung abwandern.
Über die Sauerstoffsituation der Ostsee kann man sich objektiv auf den Internetseiten des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie informieren. Dort gibt es extra ein Meeresumwelt-Reportsystem, das einen regelmäßigen Meeresumweltbericht gibt, sowie spezielle Informationen zum Sauerstoffmangel in der westlichen Ostsee oder auch zur Algensituation.
Sauerstoffmangel in der Kieler Bucht ist kein neues Phänomen. Bereits 1913 und 1926 wurde darüber berichtet. Das heißt, dass auch unter der damals herrschenden deutlich geringeren Nährstoffbelastung der Ostsee die speziellen hydrographischen Bedingungen dazu geführt haben, dass der Sauerstoff in den Sommermonaten im Tiefenwasser aufgezehrt wurde.
In der Berichterstattung über den Sauerstoffmangel in der Ostsee wurde viel mit dem Finger nach Dänemark gezeigt. Von einer Verjauchung der Ostsee durch den Nachbarn im Norden zu sprechen, wie eine Tageszeitung dies getan hat, war jedoch zu keiner Zeit gerechtfertigt. Allerdings wünschen wir uns, dass Dänemark dieselben Anstrengungen zur Reinhaltung der Ostsee unternimmt wie wir.
Der Maßnahmenkatalog der Landesregierung setzt ausschließlich bei der Landwirtschaft an. Das ist offensichtlich zum Lieblingsthema grüner Politik geworden. Selbst dem Kollegen von Hielmcrone ist bekannt, dass es weitere Verursacher von Stickstoffeinträgen gibt. Er hat sie hier auch benannt. Vielen
Dank, Herr Kollege, für diese Ergänzung des Berichtes.
Wir sind uns durchaus einig, dass die Stickstoffausträge aus der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung vermindert werden müssen. Das gilt aber für den ökologischen Landbau in gleicher Weise wie für andere Verfahren. Der Ökolandbau ist kein Allheilmittel gegen Stickstoffeinträge. Das ist denjenigen, die sich mit diesem Thema beschäftigt haben, durchaus bewusst.
Im Maßnahmenkatalog wird weiter vergessen, dass gerade die Stickstoffdeposition zu einem Drittel über die Luft erfolgt und Emissionen aus dem Verkehr daran ebenfalls einen bedeutenden Anteil haben. Auf EU-Ebene ist die Beschränkung auf die Landwirtschaftspolitik geradezu grotesk. In Ländern des ehemaligen Ostblocks sind kommunale und industrielle Kläranlagen noch längst nicht Standard. Selbst Estland, das sich besonders angestrengt hat, erreicht nur einen Anschlussgrad von 45 % der Einwohner an Kläranlagen. In allen anderen Ländern ist der Anschlussgrad weitaus geringer. Wir müssen insofern also auch beim Kläranlagenbau in östlichen Ländern ansetzen.
Wünschenswert wäre auch, dass die Bundesregierung die unter Frau Merkel vorbildliche Information über die Situation der Umwelt in Deutschland fortsetzt. Die Umweltdaten 2002 haben im Vergleich zu den Daten zur Umwelt aus dem Jahr 1997 einen deutlich geringeren Informationsgehalt und das Thema Ostsee fehlt völlig.
Den Zwischenrufen von der grünen Seite ist anzumerken, dass Sie sich nicht ordentlich informieren konnten, weil Sie offenkundig die Informationen von Frau Merkel nicht mit berücksichtigt haben, anders als Herr Kollege von Hielmcrone, der es offensichtlich getan hat. Ganz offensichtlich ist eine objektive Information der Öffentlichkeit über den Zustand der Umwelt kein Ziel grüner Umweltpolitik.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es muss, Kollege Nabel, schon ein bisschen deprimierend gewesen sein: Mit dem Aufruf des Tagesordnungspunktes „Landesnachhaltigkeitsstrategie“ leert sich das Haus, auch die Ministerbank. Ich kann das nachempfinden, das will ich Ihnen durchaus sagen. Ich will aber auch sagen - Frau Kollegin TodsenReese hat das deutlich gemacht -, es kann vielleicht
auch ein bisschen an dem vorgelegten Bericht gelegen haben, dass viele das Weite gesucht haben.
Auf der Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung in Rio im Jahre 1992 hat sich die internationale Staatengemeinschaft auf die Grundpfeiler einer weltweiten nachhaltigen Entwicklung verständigt. Ich glaube, wir haben keine Alternative dazu, diese Grundpfeiler auch tatsächlich zu verwirklichen. Nachhaltigkeit heißt, dass wir die Ressourcen der künftigen Generationen nicht heute verbrauchen dürfen. Unsere Kinder sollen weder schlechtere Umweltbedingungen noch schlechtere Berufschancen oder ein schlechteres Lebensumfeld vorfinden, als wir es heute haben. Im Gegenteil, unsere Aufgabe ist es, es für unsere Kinder besser zu bestellen, als es heute ist.
Der Zwischenbericht der Landesregierung zur Erarbeitung einer Landesnachhaltigkeitsstrategie führt insofern auch richtig aus, dass sich der Leitgedanke einer nachhaltigen Entwicklung nicht ausschließlich an die Umweltpolitik richtet, sondern wirtschaftlichen Wohlstand, soziale Sicherheit und die Stabilisierung der ökologischen Systeme als drei unverzichtbare Dimensionen und Ziele gesellschaftlicher Entwicklung ansieht, die gleichberechtigt und wechselseitig voneinander abhängig sind. Das Ziel „zukunftsfähiges Schleswig-Holstein“ ist ehrgeizig, der Weg ist weit, und eine ehrliche Analyse wird zeigen, dass wir bisher kaum die Startlöcher gefunden haben.
Zu Recht weist der Bericht auf die besonderen Schwierigkeiten hin, die der von der BrundtlandKommission 1987 geprägte Begriff der nachhaltigen Entwicklung verursacht. Das Leitbild ist abstrakt, die Diskussion darüber entfaltet keinerlei Breitenwirkung, daher ist es sehr schwer, die Menschen zu motivieren, sich an der Diskussion zu beteiligen. Es breitet sich Resignation aus. Es ist so. Auch beim Lesen des Zwischenberichts breitet sich genau diese im Bericht selbst richtig beschriebene Resignation aus. Die ersten 30 Seiten Politlyrik sind für alles und nichts zu gebrauchen. Die drei von der Landesregierung formulierten Leitbilder sind politisch völlig korrekt gestaltet und von daher nicht zu beanstanden, allerdings lassen sie viele Wünsche offen. Der an anderer Stelle beiläufig erwähnte Bildungsaspekt kommt eindeutig in diesen Leitbildern zu kurz.
Nachhaltige Entwicklung mit den drei Stichworten: Wirtschaftlicher Wohlstand, soziale Sicherheit, Stabilität der ökologischen Systeme: Ohne eine gute Bildung für unsere Kinder, eine fortwährende Weiterbil
dung lässt sich dieser komplexe Dreiklang nicht verwirklichen. Offensichtlich hat die Landesregierung die Ergebnisse von PISA schon jetzt vergessen. Ein Armutszeugnis! Aber noch ein Manko haben die Leitbilder. Es sind Standardleitbilder, die sehr wohl auch ohne die Ergebnisse der Brundtland-Kommission hätten formuliert werden können und auch formuliert worden wären.
Dasselbe gilt für die abgeleiteten Ziele, zum Beispiel die Ressourceneffizienz zu steigern: Klar, das ist eine seit der Ölkrise in den Betrieben konsequent verfolgte Strategie. Zum Beispiel gesunde Lebensbedingungen verbessern: Das ist seit 30 Jahren Motiv im technischen Umweltschutz. Zum Beispiel umweltverträgliche Mobilität fördern: ein Forschungsprogramm der Bundesregierung seit 1970. Mit den Geldern aus diesem Forschungsprogramm wurde beispielsweise der Transrapid entwickelt.
Es sind somit sehr viele als wichtig erkannte Ziele aufgelistet, egal ob sie etwas mit nachhaltiger Entwicklung zu tun haben oder nicht. Um es positiv auszudrücken, die Landesregierung beweist einen sehr pragmatischen Umgang mit dem Ziel der nachhaltigen Entwicklung. Politische Ziele, die ihr in den Kram passen, sind Ziele der nachhaltigen Entwicklung, politische Ziele, die ihr nicht in den Kram passen, eben nicht. So einfach ist das.
Der von der Landesregierung vorgelegte Zwischenbericht ist somit ein grandioses Ablenkungsmanöver. Die in der Debatte über den Landeshaushalt von der Opposition aufgezeigten Probleme unseres Landes finden in dem Bericht keinerlei Widerhall, Lösungsansätze sind nicht in Sicht, und eben deshalb komme ich zu dem Schluss, dass wir noch nicht einmal die Startlöcher für eine tatsächliche nachhaltige Entwicklung in Schleswig-Holstein gefunden haben.
Der spezifische Ansatz des von der BrundtlandKommission entwickelten Nachhaltigkeitsbegriffs findet kaum Berücksichtigung. Was heißt denn eigentlich dieses Soziologendeutsch: „Der Ansatz des Gender Mainstreaming wird als Strategiesteuerungs- und Controllinginstrument innerhalb der Nachhaltigkeitsstrategie verankert“. Was heißt das konkret? Oder: „Dieses Vorgehen sucht nach dem Besonderen, dem Konkreten als Beispiel für das Allgemeine und das Abstrakte, es zielt somit nicht auf Vollständigkeit, ist aber auch nicht beliebig“. Was will uns der Autor sagen? Ich weiß es nicht. Loriot hätte es nicht besser sagen können. Die intellektuelle Dürftigkeit des Berichts ist peinlich.
Die Eier legende Wollmilchsau steht in der Landwirtschaft für ein Tier, das allen Zielen der landwirtschaftlichen Produktion genügt. Es ist überflüssig zu sagen, dass es das nicht gibt. Aber genau so verwendet die Landesregierung den Begriff der Nachhaltigkeit: Sie soll für alles gut sein. Es gibt so etwas nicht, was für alles gut ist.
Im Bericht setzt die Landesregierung drei Schwerpunkte: Arbeiten und Produzieren, Zusammenleben, das Land nutzen. Im Anschluss an die Benennung der Zukunftsfelder wird eine umfangreiche Bestandsaufnahme vorgenommen. Schon die Reihenfolge zeigt die methodische Verwirrung der Landesregierung. Aber ich will gerne mit dem Erfreulichen anfangen. Es ist erfreulich, dass im Bereich Arbeiten und Produzieren auch die Biotechnologie und damit die Gentechnik aufgeführt wird. Sogar die Pflanzenzucht ist erwähnt. Dennoch schmoren immer noch die Anträge der FDP-Fraktion zur Gentechnik, weil sich die Koalitionsfraktionen nicht einigen können. Nehmen Sie doch einmal zur Kenntnis, dass Ihre Regierung weiter ist als Sie und längst im Sinne unserer Anträge handelt. Wenn Sie denn endlich Vernunft annehmen, nähmen Sie auch gar keinen Schaden, Frau Fröhlich. Der von der Bundesregierung, Ihrer Bundesregierung, in Auftrag gegebene Bericht belegt, dass die Akzeptanz der grünen Gentechnik inzwischen sehr deutlich gestiegen ist. Allerdings entsprechen diese Ergebnisse nicht den Wünschen des Auftraggebers, und daher werden sie verschwiegen.
Unter dem Schwerpunkt „Zusammenleben“ fällt unter anderem der Bereich Bildung. Die Landesregierung spricht dennoch mit keinem Wort die personelle und sächliche Ausstattung der Schulen an. Wie sollen denn all die guten Werte vermittelt werden, wenn zum Beispiel in den Realschulen 10 % des vorgesehenen Unterrichts ausfallen? Dagegen wird die Informationsstelle zu den Gefahren der Atomenergie genannt. Es wird aber mit keinem Wort erwähnt, dass der Energiestaatssekretär in den letzten zwei Jahren insbesondere damit zu tun hatte, die Bevölkerung zu beruhigen, weil die Kernkraft doch nicht so gefährlich ist, wie andere gerne Glauben machen wollen. Die verschiedensten von Kernenergiegegnern in Auftrag gegebenen Gutachten erwiesen sich als Falschmeldungen. Die so genannten heißen Teilchen waren Hirngespinste. Das war für das Land ein teures Vergnügen. Etwa 100.000 € hat es gekostet. Das ganze erinnert an den Zauberlehrling: Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los.
Zu dem Schwerpunkt „das Land nutzen“ werden an prominenter Stelle der Bau der Ostsee-Autobahn A 20 wie auch der Ausbau der B 404 zur A 21 aufgeführt. Diese Bestandsaufnahme ist richtig, aber auch bemerkenswert, denn die Grünen spielen gerne Opposition von den Regierungsbänken aus. Im Koalitionsvertrag werden die Projekte festgeschrieben, gegen die dann Mitglieder der Landtagsfraktion vor Ort Sturm laufen. Ein bemerkenswertes Verfahren.
Frau Heinold lächelt fröhlich über diese Verfahrensweise.
Die Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie hat den Landtag mehrfach beschäftigt. Die Landesregierung hat es bei der Umsetzung versäumt, durch die Kommunalisierung der Aufgaben dem Land Kosten zu sparen.
Das hat auch etwas mit finanzieller Nachhaltigkeit zu tun. Der SPD-Kreisverband Schleswig-Flensburg hat erst im Juli seine Kritik an dieser Vorgehensweise öffentlich kundgetan. Wir stimmen dem zu.
Es ist überhaupt nicht nachzuvollziehen, dass die noch nicht etablierten Qualitätstore der Landesregierung Erwähnung finden, während das eingeführte bundesweit anerkannte Gütesiegel der Landwirtschaftskammer keine Erwähnung findet. Sie sollten den Mut haben, die Leistungen anderer anzuerkennen. Der Begriff der Nachhaltigkeit wurde von preußischen Forstleuten in Brandenburg geprägt. Dennoch wird das mehrfach vom Landtag wie auch von der Landesregierung erwähnte Ziel, den Waldanteil in Schleswig-Holstein auf 12 % der Landesfläche zu erhöhen, nicht genannt. Angesichts der eindeutigen Beschlusslage des Landtages ist dies ungewöhnlich. Offensichtlich ist die Landesregierung seit langem fest entschlossen, den Zuschuss für die Neuwaldbildung bei Privatwaldbesitzern um 1,5 Millionen € zu kürzen. Der Wald hat bei dieser Landesregierung keine Lobby.
Außerordentlich gefreut hat mich allerdings die Äußerung des Umweltministers, noch 2003 den Nationalpark Wattenmeer als Weltkulturerbe anzumelden. Das ist eine FDP-Forderung. Ich bedanke mich für die Umsetzung sehr. Wir sollten das in die Nachhaltigkeitsstrategie mit aufnehmen.
Die Bestandsaufnahme - das habe ich, glaube ich, zeigen können - der Landesregierung ist umfangreich, ideologisch gefärbt und somit keine ehrliche Analyse,
aber die brauchen wir, wenn wir die Zukunft in diesem Land gestalten wollen.
Von den 196 Seiten des Zwischenberichts der Landesregierung bestehen allein 76 Seiten aus beantworteten Fragebögen. 256 Fragebögen wurden verschickt; 51 Antworten sind eingegangen. Allerdings sind die Antworten in 90 % der Fälle genauso dürftig wie die vier gestellten Fragen. Sie stellen klar, dass viele Gefragte erstens nicht wussten, welches Ziel die Landesregierung mit der Nachhaltigkeitsstrategie überhaupt verfolgt, und zweitens auch keine Ahnung hatten, welchen Beitrag sie konkret zur Verfolgung dieses unbekannten Zieles leisten konnten.
Insgesamt bietet der Bericht mehr Masse als Klasse. Er ist nicht geeignet, einer nachhaltigen Entwicklung Impulse zu geben. Für ein zukunftsfähiges SchleswigHolstein brauchen wir eine nachhaltige Entwicklung im Sinne der Brundtland-Kommission, aber wir brauchen nicht mehr Masse als Klasse. Wir brauchen auch nicht mehr Papiere.
Viel mehr brauchen wir neue grundlegende Ideen. Zu ihnen kommt man nicht durch Papierchenschieben; zu ihnen kommt man in Gesprächen mit den Menschen vor Ort.
Vor diesem Hintergrund werden wir einer Fortführung dieses Berichts nicht zustimmen und befürworten stattdessen den Antrag der CDU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Von Ehepartnern oder Lebensgefährten ausgehende häusliche Gewalt betrifft in erster Linie Frauen und ihre Kinder, aber nicht nur. Die Erhebung in BadenWürttemberg hat gezeigt, dass in Fällen häuslicher Gewalt zu 85 % Männer die Täter sind, aber eben 15 % auch Frauen. Wir sollten das nicht außer Acht lassen.
Schwere körperliche und psychische Misshandlungen führen bei den betroffenen Frauen zu Wunden, die nur schwer verheilen. Gewaltausübung in den eigenen vier Wänden gehört nach Ansicht von Experten zu der am weitesten verbreiteten Form der Gewalt in unserer Gesellschaft. Dennoch ist die Gewaltausübung im häuslichen Bereich lange tabuisiert und bagatellisiert worden. Aber auch häusliche Gewalt ist Gewalt. Sie ist kein Kavaliersdelikt und sie ist auch keine Privatsache.
Das Schlagen hinter der Wohnungstür ist genauso Gewaltausübung wie das Schlagen auf offener Straße. Auch im häuslichen Bereich sind körperliche und seelische Misshandlungen, Vergewaltigung oder sexuelle Nötigung Straftaten und müssen als solche vom Staat verfolgt werden. Kinder und Jugendliche, die selbst Opfer von Gewalt wurden, die bei der Gewaltausübung in der Familie zusahen, werden später als Erwachsene mit größerer Wahrscheinlichkeit selber Gewalt als Mittel zur Lösung von Konflikten anwenden als Kinder ohne Gewalterfahrung. Auch um aus früheren Opfern später keine Täter werden zu lassen, muss deshalb häusliche Gewalt als gesellschaftliches Problem wahr- und ernst genommen und es müssen Wege zur Eindämmung dieser Form der Gewalt gefunden werden.
Der bisherige Weg, Frauen und ihren Kindern in Frauenhäusern Schutz zu bieten, hat Leid lindern helfen. Die Opfer sind vor den Tätern geflohen. Das Wegweiserecht bei häuslicher Gewalt gibt dagegen den Opfern Schutz in der eigenen Wohnung und weist die Täter aus. Wer gewalttätig ist, muss gehen. Nur wenn die Täter für ihr strafbares Verhalten zur Rechenschaft gezogen werden, kann eine Enttabuisierung und gesellschaftliche Ächtung von Gewalt in der Familie erreicht werden.
Unsere europäischen Nachbarn, allen voran Österreich, aber auch Baden-Württemberg haben bereits eindrucksvoll vorgemacht, dass auf diesem Wege Menschen geschützt und Gewalt vermieden werden kann. Denn bereits die Androhung der Wegweisung hat abschreckende Wirkung. Bereits von Juni 2000
bis November 2001 lief in Baden-Württemberg der Modellversuch zu Platzverweis in Fällen häuslicher Gewalt, ein zumindest von der Aussprache her besserer Titel für das Verfahren, Täter aus der Wohnung zu verweisen. Es ist mir unverständlich und nicht ganz nachvollziehbar, warum die Landesregierung nicht mit dem Verfahren auch den in Baden-Württemberg eingeführten Namen übernommen hat. Der Modellversuch in Baden-Württemberg war sehr erfolgreich und ist auch umfangreich und inhaltlich sehr sorgfältig dokumentiert. Auf 50 Seiten sind die wesentlichen Fragen abgehandelt und ausgesprochen kompetent behandelt worden. Die Erfahrungen in BadenWürttemberg zeigen, dass anders, als man erwarten konnte, die Platzverweise nicht zu einem Rückgang der Belegungszahlen der Frauen- und Kinderschutzhäuser geführt haben. Es ist offensichtlich, dass durch das Platzverweisverfahren viele Gewaltfälle offenkundig wurden, die früher in der Privatsphäre blieben.
In Baden-Württemberg wird aufgrund der positiven Erfahrung im Modellversuch das Platzverweisverfahren bereits landesweit umgesetzt. Wir sehen also: Das Rad in Sachen Wegweisung - wie es hier heißt - muss in Schleswig-Holstein nicht neu erfunden werden. Wir können an Erfahrungen aus BadenWürttemberg anknüpfen. Gesetzesänderungen sind nicht erforderlich. Ermächtigungsgrundlage für die Ausweisung eines gewalttätigen Lebenspartners aus der von ihm bewohnten Wohnung ist die bereits bestehende polizeiliche Generalermächtigung.
Ich möchte erreichen, dass das Modellprojekt in Schleswig-Holstein, dem sich bis jetzt erst acht Polizeiinspektionen angeschlossen haben, auf das gesamte Land ausgedehnt wird, und das möglichst bald. Denn Frauen auch in den anderen Kreisen brauchen ein solches Instrument.