Protokoll der Sitzung vom 10.05.2001

Situation der Außenhandelswirtschaft in Schleswig-Holstein

Landtagsbeschluss vom 17. November 2000 Drucksache 15/522

Bericht der Landesregierung Drucksache 15/812 (neu)

Ich erteile zunächst dem Minister für Wirtschaft, Technologie und Verkehr, Herrn Dr. Rohwer, das Wort zum Bericht.

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Beratung des Wirtschaftsberichts etwas später am heutigen Nachmittag werden wir sicherlich zu differenzierten Einschätzungen kommen. Wenn es jetzt um das Thema Außenwirtschaft geht, könnte ich mir vorstellen, dass wir ein gemeinsames Urteil treffen

(Minister Dr. Bernd Rohwer)

nach dem Motto: Erfolge im Ausland - der Landtag gratuliert der Wirtschaft! Es gibt dafür gute Gründe, wie der Bericht zur Situation der Außenhandelswirtschaft in Schleswig-Holstein zeigt. Er liegt Ihnen mit einer Fülle interessanter Informationen vor, die ich hier im Einzelnen nicht wiedergeben will und kann.

Aus meiner Sicht sind drei Fragen entscheidend, auf die ich kurz eingehen werde.

Erstens. Was sind die wichtigsten Trends der außenwirtschaftlichen Aktivitäten in Schleswig-Holstein?

Zweitens. Wo sind die wichtigsten außenwirtschaftlichen Potenziale für die Zukunft?

Drittens. Was sind die wichtigen Aufgaben, denen wir uns stellen müssen, damit diese Potenziale für Wachstum und Beschäftigung in Schleswig-Holstein genutzt werden?

Die wichtigsten Trends: Die schleswig-holsteinische Exportquote, also der Auslandsanteil am Umsatz des verarbeitenden Gewerbes, ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen und hat sich dem Bundesdurchschnitt bis auf etwa 4 Prozentpunkte angenähert. Dieser Aufholprozess ist - wie ich meine - ein riesiger Erfolg und wird sich - da bin ich zuversichtlich - weiter fortsetzen.

Die wichtigste Exportadresse für die schleswigholsteinische Wirtschaft ist und bleibt Europa, und zwar - nicht überraschend - die Europäische Union, wenn auch mit leicht fallendem Anteil. Innerhalb Europas legt die östliche Ostsee kräftig zu. Asien, dort insbesondere China, und Amerika, insbesondere die Vereinigten Staaten, gewinnen ebenfalls an Bedeutung.

Der dritte Trend, den ich für bedeutsam halte: Elektronische Erzeugnisse - also Elektronik und Informationstechnik - haben im Ranking der wichtigsten Exportbranchen Platz 1 erobert. Ihr Exportvolumen ist in zehn Jahren um 500 % gewachsen, dagegen haben Nahrungs- und Genussmittel in der gleichen Zeit am meisten verloren.

Wir sehen also auch hier: Der Strukturwandel der Wirtschaft spiegelt sich auch in der Außenwirtschaft. Die neuen Branchen etablieren sich auf internationalen Märkten und sie überkompensieren, was in traditionellen Branchen verloren geht.

Wo liegen nun die Potenziale für die nächsten Jahre?

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das fragen wir uns auch!)

Was die Regionen angeht, so gehe ich davon aus, dass in Europa, insbesondere im Ostseeraum und in Osteuropa, aber auch Westeuropa, in Asien, insbesondere

China und Japan, und in Amerika, insbesondere die USA, die besonderen Gebiete unseres Interesses sein sollten.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Also weltweit!)

Die Brancheninformationsund -kommunikationstechnik sowie der Maschinenbau - dort übrigens auch Medizintechnik - sind die Bereiche, die im Inland besonders hohe Wachstumschancen haben und die auch unsere Exportlokomotiven sind und sein werden.

Was die Betriebsstrukturen angeht, so sind es die kleinen Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes, die bei den Auslandsaktivitäten enorm zulegen. Ihre Exportquote ist nämlich von 2 % im Jahr 1990 auf 14,6 % im Jahr 1999 gestiegen. Das zeigt im Übrigen, wie groß unser weiteres Potenzial noch ist, denn wir haben einen großen Anteil kleinerer und mittlerer Unternehmen, die ihr Potenzial noch nicht ausgeschöpft haben.

Was sind die Aufgaben der Exportpolitik und der Außenwirtschaftspolitik in der nächsten Zeit? Zugangshilfen und Kontakte für Unternehmen in Zielregionen schleswig-holsteinischen Exports sind nach wie vor die wichtigsten Instrumente einer Landeswirtschaftspolitik, die eine zunehmende internationale Verflechtung der heimischen Wirtschaft nicht nur hinnimmt, sondern als Chance für Wachstum und Beschäftigung begreift, gerade auch bei den kleineren Unternehmen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Eine sorgfältige Analyse der Exportbeziehungen zeigt, dass in nächster Zeit eine regionale Konzentration dieser Bemühungen auf den Ostseeraum, Osteuropa, Westeuropa, Ostasien und Amerika sinnvoll ist. Das ist eine Beschränkung, die nicht zu groß, aber auch nicht zu klein ist.

In Amerika ist das Potenzial bisher unterdurchschnittlich genutzt worden. Wir haben Erfolg versprechende Ansätze in New Hampshire und in der Region Boston und Massachusetts. Die müssen wir ausbauen. Unsere Exporterfolge im asiatischen Raum müssen auch auf Grund der kulturellen Besonderheiten mit langem Atem und persönlichem Einsatz weiter begleitet werden. Hier gibt es riesige Chancen insbesondere in China. Die Ostsee und Osteuropa als Zentrum einer europäischen Wachstumsregion sind ohnehin aus geostrategischen Gründen, aber auch wegen des besonderen Potenzials gerade in den Beitrittsländern im osteuropäischen Raum ein besonderer Schwerpunkt. Natürlich bleiben die EU-Länder - das sage ich hier ganz deutlich -, insbesondere auch die westeuropäi

(Minister Dr. Bernd Rohwer)

schen EU-Länder, eine Zielregion für die schleswigholsteinische Außenwirtschaftspolitik.

(Beifall bei der SPD)

Die Globalisierung von wirtschaftlichen Aktivitäten und Entscheidungen legt eine stärkere Verzahnung von Ansiedlungs- und Außenwirtschaftspolitik im Sinne einer integrierten Standortpolitik nahe.

(Beifall der Abgeordneten Christel Asch- moneit-Lücke [FDP])

Außenwirtschaftsbeziehungen sollten künftig noch mehr als bisher auch zur Ansiedlung von Unternehmen in Schleswig-Holstein genutzt werden. Wir sind dabei, ein Konzept zu entwickeln, das vorhandene Beziehungen zwischen ausländischen Unternehmen und Schleswig-Holstein einbezieht und das neue Kontakte in diesem Sinne knüpft.

Derzeit befasst sich in meinem Haus eine Projektgruppe mit der Frage, wie zugleich das Außenwirtschaftsmarketing in diesem Bereich für den Standort Schleswig-Holstein verbessert werden kann.

Schließlich rückt die Frage der wechselseitigen grenzüberschreitenden Kapitalbeteiligung stärker in den Blickpunkt. Es kommt zunehmend darauf an - Beispiel Motorola -, Standortbedingungen zu schaffen, die Schleswig-Holstein bei Entscheidungen zur Restrukturierung international tätiger Unternehmen einen Bonus geben. Auch dies können wir nur gemeinsam mit einer integrierten Außenwirtschaftspolitik leisten. Das bedeutet für mich Netzwerkpflege auch an den Orten, wo die Muttergesellschaft schleswig-holsteinischer Unternehmen sitzt.

(Beifall bei der SPD und der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])

Um die Außenwirtschafts- und Akquisitionspolitik in Zukunft weiter zu optimieren, werden wir unter anderem auch prüfen, ob die Effizienz unserer Schleswig-Holstein-Büros und Repräsentanten im Ausland an allen Stellen gegeben ist oder ob wir Veränderungen vornehmen müssen. Wir werden unser Konzept der Delegationsreisen überprüfen, nicht etwa abschaffen, denn Delegationsreisen sind ein Instrument dessen, was ich eben dargestellt habe, und wir werden als Neuerung künftig unsere zukunftsträchtigen Branchen wie zum Beispiel die Medizintechnik und die Gesundheitswirtschaft auf Auslandsreisen in besonderer Art präsentieren. Last, but not least werden wir unter Beteiligung der Wirtschaft prüfen, ob unsere derzeitige Messe- und Exportförderung noch zeitgemäß ist.

Unsere Zeitplanung sieht vor, bis Ende des Jahres die Prüfaufträge abzuarbeiten und dann eine Entscheidung

über konzeptionelle Änderungen zu treffen. Diese Änderungen haben nichts damit zu tun, dass die gegenwärtige Außenwirtschaftspolitik nicht erfolgreich wäre. Die Bilanz zeigt, dass sie erfolgreich war. Wir wollen sie noch erfolgreicher machen.

Lassen Sie mich das Fazit ziehen: Die außenwirtschaftliche Verflechtung Schleswig-Holsteins nimmt zu und das ist gut so. Zirka 45.000 Arbeitsplätze in Schleswig-Holstein sind allein von der Sicherung und dem Ausbau der Auslandsmärkte abhängig. Dies können und sollen noch mehr werden. Wir werden gemeinsam mit den Wirtschaftsorganisationen und den Unternehmen alles dafür tun. Es geht dabei nicht nur um Geld, es geht auch um Kontakte, Netzwerke und Beratungen. Diese werden wir ausbauen. Es ist selbstverständlich, dass noch einiges zu tun ist. Der Bericht zeigt aber: Die schleswig-holsteinische Wirtschaft ist in beachtlichem Grade und mit beachtlichem Erfolg in der Welt zu Hause. Ich gratuliere den Unternehmen dazu und würde mich freuen, wenn Sie sich diesem Urteil anschließen könnten.

(Beifall bei SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich danke dem Herrn Minister für den Bericht und eröffne die Aussprache. Herr Abgeordneter Eichelberg hat das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem zusammengetragenen statistischen Material des Berichts werden die Situation und die für die Beurteilung der Außenhandelswirtschaft unseres Landes ausschlaggebenden Faktoren sehr gut aufgearbeitet. Es ist ein guter Bericht. Nicht zufrieden sind wir jedoch mit den Schlussfolgerungen, die oft im krassen Widerspruch zu dem Zahlenmaterial stehen. Man sieht an diesem Beispiel, wie man mit dem gleichen Zahlenmaterial zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen kommen kann.

Dies werde ich begründen. Es beginnt schon mit dem ersten Satz des Berichts:

„Der Wirtschaftsstandort Schleswig-Holstein hat die Globalisierung der Weltwirtschaft als Chance genutzt!“

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist sehr beachtlich. Ich meine, dass nicht einmal Kanzler Schröder mit so dicken Backen herumläuft. Die Situation ist übertrieben geschildert. Ich muss aber

(Uwe Eichelberg)

feststellen, dass Ihre Ausführungen wesentlich mäßiger waren.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das Ergebnis ist noch mäßiger!)

Es gibt sogar Abgeordnete, die sagen: Wir haben gar nicht gewusst, dass es in Schleswig-Holstein so etwas wie Außenhandelswirtschaft gibt.

(Zuruf von der SPD: Das muss Kollege Schlie gewesen sein!)