Protokoll der Sitzung vom 31.05.2001

Der künftige Bedarf verteilt sich nicht gleichmäßig auf alle Fächer und aus finanziellen Gründen kann niemand Neueinstellungen auf Vorrat vornehmen. Während es in einigen Bereichen ein Überangebot gibt, fehlen an den allgemein bildenden Schulen Fachkräfte in den naturwissenschaftlichen Fächern und an den berufsbildenden Schulen zum Beispiel Metall- und Elektrotechniklehrer. Die anderen Bundesländer haben die gleichen Probleme. Das zwingt zur Zusammenarbeit, aber hoffentlich nicht zu wilden Abwerbeaktionen, wie wir sie bereits erlebt haben.

In den Berufsschulen trifft uns das Nachwuchsproblem bereits akut und die KMK hat länderübergreifend Arbeitsgruppen eingesetzt, die sich mit Werbemaßnahmen, dem Abbau von Mobilitätsbeschränkungen zum Beispiel soll das Lehrertauschverfahren vereinfacht werden - und mit Nachqualifizierungsprogrammen befassen. So wird zum Beispiel über Weiterqua

lifikationen von Personen aus Überhangbereichen in Engpassbereichen nachgedacht. Im Hochschulbereich soll ein Wechsel aus Magister- und Diplomstudiengängen in Lehramtsstudiengänge erleichtert werden und bereits erbrachte Leistungen sollen hier flexibel anerkannt werden. Mangelbereiche sollen für qualifizierte Quereinsteiger geöffnet werden.

Als Eigeninitiative hat das Land das Studienangebot die Ministerin wies noch einmal darauf hin - für Berufsschullehrer um die Studiengänge Elektrotechnik und Metalltechnik ausgeweitet. Eine Imageverbesserung des Lehrerberufs ist durch die Aktion „Gute Leute machen Schule“ erreicht worden und die Ausbildungskapazitäten im Vorbereitungsdienst sind ausgebaut worden. Schleswig-Holstein - auch das wurde von der Ministerin gesagt - scheint also nicht so unattraktiv zu sein, wenn über 40 % der Bewerberinnen und Bewerber aus anderen Bundesländern kommen.

Eine Fachkommission hat Vorschläge für eine effektivere Lehrerausbildung erarbeitet. Dabei sollen die drei Phasen Erstausbildung, Referendariat und Fortbildung stärker verknüpft und eine Agentur für Bildungsinformation soll die Fort- und Weiterbildungsangebote des öffentlichen und des privaten Marktes nach Inhalt und Qualität bündeln.

Nicht mehr nur die Berufsschulen sollen in eigener Verantwortung eigene Lehrkräfte gewinnen können, sondern diese Kompetenz soll im kommenden Jahr auf alle Schulen verlagert werden. Außerdem verfügen die Schulämter und Berufsschulen über Stundengebermittel, mit denen Vertretungskräfte bezahlt werden können.

Zusammenfassend bietet der Bericht zwar nicht viele Neuigkeiten, weil in jüngster Zeit sehr viel über Nachwuchssicherungsmaßnahmen diskutiert wird, er macht jedoch deutlich, dass man in Schleswig-Holstein seit Jahren erhebliche Anstrengungen unternimmt, um einen Lehrermangel zu vermeiden und den Lehrernachwuchs zu sichern.

(Beifall der Abgeordneten Jürgen Weber [SPD] und Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Er widerlegt die Behauptung, das Land habe nichts oder nicht genug getan, um das Problem des Lehrernachwuchses zu lösen.

(Lachen des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [FDP])

Noch einige Anmerkungen zum Teil zwei des FDPAntrages! Den Vorschlag, den von Referendaren eigenverantwortlich erteilten Unterricht gesondert zu vergüten, haben wir im Bildungsausschuss diskutiert

(Helmut Jacobs)

und einstimmig angenommen. Wir sind der Auffassung, dass alle Anstrengungen - ich betone: alle - unternommen werden müssen, um den Lehrerberuf attraktiv zu machen. Uns ist klar, dass wir bei dieser Beschlussfassung die Prüfungsordnungen ändern müssen, aber trotzdem halten wir das für sinnvoll. Den Bericht sollten wir zur Kenntnis nehmen und dem FDP-Antrag sollten wir unsere Zustimmung geben.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die FDP-Fraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Dr. Klug das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ohne eine Erhöhung der Referendarbezüge wird es in den kommenden Jahren nicht möglich sein, genügend Lehrernachwuchs für dieses Land zu finden.

(Beifall bei FDP und CDU)

Dies gilt erst Recht für den Bereich der berufsbildenden Schulen; denn ausgebildete Berufsschullehrer haben auch sehr gute Beschäftigungs- und Einkommenschancen außerhalb des Schulbereichs.

(Jürgen Weber [SPD]: Das ist bekannt!)

Wenn sie nach einer langen Ausbildungsphase und während eines zweijährigen Referendariats nur Bezüge bekommen, die in einigen Fällen unterhalb der Sozialhilfesätze liegen - das ist abhängig von Alter und Familienstand -, dann wird deutlich, wie abschreckend zurzeit die Beschäftigungsbedingungen sind, die die Länder diesen Referendaren für den Einstieg in den Schuldienst bieten.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Jürgen Weber [SPD]: Das ist richtig!)

Hier muss etwas geschehen und ich finde, es ist gut, dass sich auch die Landesregierung das Ziel zu Eigen gemacht hat, die Referendarbezüge zu erhöhen. Es ist aber wirklich betrüblich, dass diese Sache auf Bundesebene wieder einmal im Konzert zwischen Ländern und Bundesregierung offensichtlich nicht zügig vorankommt. Da ist so viel Sand im Getriebe, dass wir absehbar Probleme bekommen werden.

Wir haben deshalb bereits im Zusammenhang mit unserem Antrag, den wir Anfang des Jahres eingereicht haben, den Vorschlag gemacht, einen alternativen Weg zu prüfen, nämlich dass das Land die Anteile, die die Referendare in Form von eigenverant

wortlichem Unterricht geben, gesondert vergütet. Damit kann im Ergebnis eine Erhöhung des Einkommens erreicht werden. Ich bin den anderen Fraktionen dankbar, dass sie sich diesem Gedanken im Bildungsausschuss alle geöffnet und dem Vorschlag zugestimmt haben. Ich bitte Sie alle, insoweit der Beschlussvorlage des Bildungsausschusses im Landtag zuzustimmen.

Das ist aber nur eine Sache, die der Sicherung des Lehrernachwuchses dienen wird. Genauso wichtig ist es, in anderen Bereichen etwas zu tun. Ich verweise auf den nächsten Tagesordnungspunkt, im Rahmen dessen unser Konzept zur Sicherung des Lehrerbedarfs zur Abstimmung gestellt werden wird. Wir haben vorgeschlagen, die Ausbildungskapazitäten in den Studiengängen für das Lehramt an berufsbildenden Schulen auszuweiten und in Kiel die Zahl der Studienplätze für angehende Diplomhandelslehrer zu erhöhen. Wir haben ferner vorgeschlagen, neben dem bisher in Flensburg vorhandenen Angebot an der Technischen Fakultät in Kiel ein Studienangebot für Berufsschullehrer aus dem gewerblich-technischen Bereich zu schaffen. Das bietet sich in Kiel besonders deshalb an, weil die Technische Fakultät der Kieler Uni einen besonders gut ausgestatteten Informatikbereich hat. Wir brauchen gerade für die modernen IT-Fächer in verstärktem Maße ausgebildete Berufsschullehrer.

Das ist ein Bereich - damit komme ich zum nächsten Komplex -, in dem es zwar nicht ausgeschlossen, aber doch schwierig sein wird, Leute in Form von Quereinsteigern für den Schuldienst zu rekrutieren. Wir wissen, bundesweit werden von der Wirtschaft in sechsstelliger Zahl IT-Fachkräfte gesucht. In der Wirtschaft werden sehr hohe Gehälter für ausgebildete Leute im Bereich Informatik oder für Leute mit vergleichbaren Qualifikationen gezahlt. Es wird außerordentlich schwer sein, auf dem Weg der Quereinsteiger Lehrernachwuchs oder ausgebildete Lehrer für die ITUnterrichtsfächer an den berufsbildenden Schulen zu bekommen. Dass man es versucht, ist in Ordnung. Aber wir brauchen darüber hinaus eine eigenständige Ausbildung gerade für diese Palette von Unterrichtsfächern, die an unseren Berufsschulen immer wichtiger werden.

Der Kollege Jacobs hat gesagt, 40 % der Bewerber kämen von außerhalb Schleswig-Holsteins. Lieber Herr Jacobs, das sind Zahlen von gestern und von vorgestern. Das sind die Zahlen der Vergangenheit. Nehmen Sie doch bitte zur Kenntnis, dass wir eine Pensionierungswelle, und zwar in zunehmendem Maße, in allen Bundesländern haben. Das heißt, alle Bundesländer haben einen verstärkten Ersatzbedarf und werden den Arbeitsmarkt in ihren Ländern in zunehmendem Maße leerfischen. Daher wird es schwieriger werden, Leute aus anderen Bundesländern

(Dr. Ekkehard Klug)

zu bekommen. Dies wird auch deshalb außerordentlich schwierig, weil sich andere, große Bundesländer entschlossen haben, in den nächsten Jahren über den Ersatzbedarf hinaus zusätzliche Lehrkräfte einzustellen. In Baden-Württemberg werden in dieser Wahlperiode 5.500 zusätzliche Lehrerstellen eingerichtet; in Nordrhein-Westfalen sind es 6.100 Lehrerstellen. Der Arbeitsmarkt für Lehrkräfte wird in den kommenden Jahren leergefischt sein. Deshalb sage ich Ihnen: Verlassen Sie sich nicht auf die Zahlen von gestern und vorgestern, die in irgendwelchen Berichten stehen. Wir müssen mehr für die Ausbildung der angehenden Lehrer in unserem Land tun.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich nun der Frau Abgeordneten Angelika Birk.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir brauchen - auch wenn es nicht in die gegenwärtige finanzpolitische Landschaft zu passen scheint - mehr Referendarstellen, und zwar am besten noch in diesem Jahr. Wir brauchen eine bessere Bezahlung, eine transparentere Bedarfsbeschreibung, attraktive Angebote für Quereinsteigerinnen und -einsteiger und schnellere Dauereinstellungen.

Es freut mich, dass uns die Bildungsministerin einen ausführlichen Handlungskatalog vorgelegt hat. Das Thema Referendariat und das Thema Lehrerversorgung werden im Rahmen von zwei Tagesordnungspunkten nacheinander diskutiert, hängen aber eng miteinander zusammen. Insofern lässt es sich kaum vermeiden, auf beides einzugehen. Der Handlungskatalog zur Lehrerversorgung liegt vor. Es ist eine Reihe von Punkten aufgenommen worden, die die Grünen schon Anfang des Jahres vorgeschlagen haben. Uns interessiert jetzt vor allem, Frau Erdsiek-Rave, wie das auch unter den schwierigen Bedingungen schrittweise umgesetzt werden soll. Wir erwarten dabei ein gutes Management und viel Phantasie. Ich glaube, das ist in einer solchen Situation des Umbruchs, eines kompletten Generationenwechsels notwendig.

Wir haben in unserem Forderungskatalog auch die Chancen beschrieben. Ich freue mich, Frau ErdsiekRave, dass Sie dies genauso sehen. Sie haben insbesondere für den Bereich der Berufsschulen betont, welche Chancen darin liegen, dass Quereinsteiger aus anderen Berufen mit einem interessanten Lebensweg

das Schulleben bereichern und zur Öffnung der Schule beitragen.

Wir unterstreichen hiermit aber erneut, dass wir uns ein Mehr an kurzfristigen Maßnahmen wünschen. Ich träume nach wie vor - das tue ich nicht allein; viele von denen, die sich bewerben wollen, tun das mit mir von einer im Internet veröffentlichten Landkarte, auf der man akute und langfristige Bedarfe nach Schularten und Fächern ablesen kann. Ich weiß, dass das schwierig ist. Aber ich denke, es müsste überhaupt einmal als Ziel formuliert werden, um dann schauen zu können, wie weit sich so etwas realisieren lässt. Wir sind zum Beispiel nicht sicher, ob der Nachwuchsbedarf für die Sonderschulen richtig beschrieben ist. Wir erhalten da vor Ort sehr widersprüchliche Informationen. Das sei nur als Beispiel genannt.

Eine generelle Verkürzung des Referendariats von zwei auf eineinhalb Jahre, wie es jetzt in Hamburg vorgesehen wird, haben wir bereits im Januar empfohlen. Wir haben darauf hingewiesen, dass sich eine Art Coachingphase - so will ich das einmal nennen anschließen muss, damit Junglehrerinnen und Junglehrer mit den Problemen, die in der Berufsanfangsphase doch sehr heftig auf sie einstürmen, nicht völlig isoliert dastehen. Aber diese Verkürzung auf anderthalb Jahre würde es uns erlauben, jetzt mehr Referendare und Referendarinnen einzustellen, also mehr Ausbildungskapazität zu schaffen.

Wir haben auch gesagt, dass denjenigen Referendaren, die bereits Unterrichtserfahrung haben, angeboten werden sollte, während des Referendariats mehr Stunden zu unterrichten als andere Kolleginnen und Kollegen, und dass dieser Unterricht extra bezahlt werden sollte. Dieser Vorschlag ist vom Bildungsausschuss einstimmig angenommen worden. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir zumindest für die Berufsschullehrer zu einer entsprechenden Lösung kämen.

Weite Fahrstrecken sind für manche Referendare in Schleswig-Holstein tatsächlich auch ein finanzielles Problem. Ich meine, auch diesbezüglich sollte man prüfen, was man im Einzelfall tun kann.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [FDP])

Das gilt insbesondere für die Berufsschulzentren. Die Wege dorthin sind besonders weit.

Ich erinnere auch daran, dass Konsens im Landtag darüber bestanden hat, sich bei einem Scheitern im Bundesrat - offensichtlich handeln Bundesrat und Bundesinnenministerium nicht so schnell, wie wir das wollen - für eine finanzielle Sonderunterstützung einzusetzen. Ich sehe Zustimmung im ganzen Haus,

(Angelika Birk)

dass gerade in Bezug auf die Berufsschullehrerinnen und Berufsschullehrer Handlungsbedarf besteht.

(Beifall der Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], Sylvia Eisenberg [CDU] und Dr. Ekkehard Klug [FDP])

Zu meinem Bedauern ist der Finanzminister nicht anwesend, sodass er meine Ausführungen nicht hören kann. Es ist klar, dass dies auch Gegenstand einer finanzpolitischen Auseinandersetzung sein wird.

Darüber hinaus haben wir aber auch noch einen Appell an die Wirtschaft zu richten. In der Vergangenheit hat meine Fraktion schon häufiger darauf hingewiesen - es sind zum Teil Einzelgespräche geführt worden und das ist, glaube ich, sowohl vom Wirtschaftsminister als auch von der Bildungsministerin bereits in der einen oder anderen Runde angesprochen worden -: Wir brauchen für die Berufsschullehrerinnen und Berufsschullehrer Stipendien. Vielen, die bereits einen Beruf haben, ist es nur dann möglich, noch einmal ein Studium aufzunehmen mit der Folge, dass sie sich beschränken müssen, wenn sie ein Stipendium erhalten. Sie wissen, dass unsere Vorstellungen in Richtung einphasige Lehrerausbildung gehen. Ich bin aber realistisch genug zu wissen, dass das nicht etwas ist, was wir in den nächsten zwei Jahren in Schleswig-Holstein realisieren können. Deswegen ist es um so wichtiger, dass die Wirtschaft nicht nur darüber klagt, dass es einen Mangel an qualifiziertem Nachwuchs gibt, sondern dass sie auch etwas zur Behebung dieses Mangels tut.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Das Wort für den SSW erteile ich jetzt der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Bemerkung vorweg: Aus heutiger Sicht ist mir nicht mehr ganz klar, warum SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Problematik der Referendarbezüge für Lehramtsanwärter an beruflichen Schulen einen Änderungsantrag stellten, der einen Bericht forderte, der sich sehr viel allgemeiner mit der Pensionierungswelle und dem Mehrbedarf an Lehrkräften sowie den zurückgehenden Absolventenzahlen der Hochschulen befasste. Das sei einfach einmal so dahingestellt.

(Beifall der Abgeordneten Sylvia Eisenberg [CDU])