Protokoll der Sitzung vom 26.09.2001

Die vielfältige Unterstützungsstruktur der Landesregierung hat erheblich dazu beigetragen, dass Ehrenamt

(Glocke des Präsidenten)

- Herr Präsident, ich komme zum Schluss! - und freiwillige Arbeit in diesem Land einen hohen Stellenwert haben. Ich denke, dass die jetzt vorliegende Antwort auf die vielen Fragen eine gute Grundlage für die weitere Arbeit auf diesem Wege ist und ich begrüße es, wenn uns dabei alle Parteien begleiten wollen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich danke der Frau Ministerin für die Beantwortung der Großen Anfrage und eröffne die Aussprache. Zunächst erteile ich Frau Abgeordneter Tengler das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir debattieren heute über die Antwort auf die Große Anfrage meiner Fraktion zur Bedeutung und Sicherung des Ehrenamtes. Die Ministerin hat es gesagt: Dieses Thema betrifft über 700.000 Menschen in Schleswig-Holstein. Wir debattieren die Antwort der Landesregierung auf einen zugegebenermaßen umfangreichen Fragenkatalog, für dessen Beantwortung ich mich an dieser Stelle bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der beteiligten Häuser sehr herzlich bedanken möchte. Ich weiß, dass die Beantwortung der Großen Anfrage in Teilen schwierig und aufwendig war. Deshalb hat meine Fraktion auch volles Verständnis für die Fristverlängerung zur Vorlage der Antwort. Ich glaube aber auch, dass diese Große Anfrage im so genannten Jahr der Freiwilligen gut, richtig und notwendig war, auch wenn in diesen Monaten und Wochen so viel über das Ehrenamt geredet wurde,

dass Ehrenamtler vor Ort häufig nur noch quälend Applaus spenden. Es setzt sich die Meinung durch, dass - außer Worte zu sprechen - nur wenig bewegt wird.

Das Ehrenamt gibt unserer Gesellschaft ein menschliches Gesicht. Das Ehrenamt schafft Kontakte, erweitert den eigenen Erfahrungshorizont und wird in Zukunft für unsere Gesellschaft von immer größerer Bedeutung sein. Ein Ehrenamt macht Spaß - das muss so bleiben. Ohne Ehrenamt gäbe es keine zusätzliche Altenbetreuung, keine vereinsgetragene Jugendbetreuung in Vereinen aller Art, keine zusätzliche Seelsorge und Sterbebegleitung, keine Angebote in Selbsthilfegruppen, keine Angebote für Jugend im musischen Bereich und keine Betreuung in Naturschutzgebieten. Ich könnte diese Aufzählung unendlich fortsetzen.

Um diese wesentliche Komponente unseres Zusammenlebens sicherzustellen, bedürfen aus unserer Sicht folgende Punkte einer dringenden Klärung: der Versicherungsschutz, unter anderem bei Jugendfahrten und während ehrenamtlicher Tätigkeiten generell, der Abbau von Bürokratieaufwand im Ehrenamt generell, zum Beispiel bei Anträgen für Jugendaustausche mit anderen Ländern, unnötige Statistiken in Kleinstvereinen und so weiter! Außerdem geklärt werden müssen der Steuerfreibetrag für das Ehrenamt gefahrene Kilometer in unserem Flächenland, die Rücknahme der Sozialversicherungspflicht für Aufwandsentschädigungen - unter anderem für Übungsleiter - und die Würdigung ehrenamtlicher Tätigkeiten in Zeugnissen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Eine Bestandsaufnahme zum Ehrenamt in SchleswigHolstein ist wichtig, wenn wir - im Bereich des Ehrenamtes gehe ich davon aus - gemeinsam in diesem hohen Haus politische Schlussfolgerungen ziehen wollen, wenn wir zusammen Handlungsstränge erarbeiten wollen, die das Ehrenamt - und vor allem die Ehrenamtler selbst in ihrer persönlichen Motivation - stärken und Ehrenamtler in ihrer Tätigkeit bestärken sollen.

Über die Bedeutung des Ehrenamtes für unsere Gesellschaft, da bin ich sicher, wird es hier keine Debatte geben. Dafür ist der partei- und fraktionsübergreifende Konsens wiederholt und eindeutig unterstrichen worden. Darum stelle ich mich voll und ganz hinter die Worte des Landtagspräsidenten, der in seiner Funktion als Präsident der Ostseeanrainerkonferenz das politische Dilemma des Ehrenamtes auf den Punkt gebracht hat, wenn er sagt:

„Man kann dem Ehrenamt nicht sagen: ‘Nun macht mal schön’, sondern die Politik muss sich auch überlegen, welche Hilfestellung sie leisten kann.“

(Frauke Tengler)

Das sollten wir endlich konkret tun.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich empfinde diese Aussage deshalb als so wichtig, weil sie mich hoffen lässt, dass wir gemeinsam zu Verbesserungen der Rahmenbedingungen kommen können. Ich weise hier auf die vorgelegte Antwort der Landesregierung hin und zitiere die Seite sechs, auf der es ausdrücklich heißt:

„Die Überlegungen der Landesregierung für eigene Konzepte und Impulse zur Umsetzung ihres Regierungsschwerpunkts konzentrieren sich auf folgende Bereiche...“

Die Zukunftssicherung des Ehrenamtes ist also ein Regierungsschwerpunkt dieser Landesregierung und nach diesem hat die CDU-Fraktion gefragt.

Wo steht das Ehrenamt und was tut diese Landesregierung, um es zu befördern, zu sichern und ihm die Anerkennung zukommen zu lassen, die es verdient? - Ich kürze meinen Beitrag ab und verweise auf die Seite sechs, auf der die Ziele der Landesregierung explizit dargestellt worden sind. Frau Ministerin Moser, den genannten Zielen stimme ich für meine Fraktion ausdrücklich zu.

Da wir nun Einigkeit über die wesentlichen Zielsetzungen erreicht haben, muss sich die Landesregierung natürlich auch fragen lassen, was sie ganz konkret unternommen hat, um diese Ziele zu befördern. Wo hat diese Landesregierung eigene Vorstellungen für die Stärkung des bürgerlichen Engagements entwickelt und wie setzt sie diese politisch um? Das hätte uns interessiert. Wenn man aber über die tatsächlichen Gegebenheiten und Schwierigkeiten nichts weiß, ist es schwierig oder sogar unmöglich, Handlungsstränge zu entwickeln. Ich möchte dafür zwei Beispiele nennen.

Frau Ministerin, Sie haben darauf zum Teil hingewiesen. Ein eklatanter Widerspruch findet sich hinsichtlich des ehrenamtlichen Engagements von jungen Menschen. In Ihrer Untersuchung wird zitiert, dass Jugendliche im Alter von 14 bis 24 Jahren eine besonders aktive Altersgruppe sind. Leider haben Sie hier nicht zu Ende zitiert, denn wenig später stellt die Landesregierung in der Antwort auf die Große Anfrage fest, dass die Jugendlichen den kleinsten Anteil ehrenamtlich Tätiger ausmachen. Wie fällt denn nun die Eigenanalyse für Schleswig-Holstein aus?

Ein weiterer Punkt. Setzt die Landesregierung sich das Ziel, bürokratische und rechtliche Barrieren für das freiwillige Engagement abzubauen, sollte man hoffen dürfen, dass sie um diese Barrieren Bescheid weiß. Tut sie aber nicht, denn auf eine entsprechende Frage auf Seite 18 erwidert die Landesregierung

knapp, dass ihr dazu keine konkreten Hinweise vorlägen. Wie will man Handlungsansätze erarbeiten, wenn man das Problem nicht kennt?

Diese Haltung ist symptomatisch für die Beantwortung der Großen Anfrage insgesamt: Statt eine notwendige Eigenanalyse vorzustellen, wird auf Gutachten, auf das Freiwilligensurvey von 1999 und die Enquetekommission des Bundes verwiesen.

Es wird geprüft und gewartet statt zu denken und zu handeln. Lassen Sie mich aus dies mit einem Beispiel untermauern.

Auf die Frage 23 wird deutlich geantwortet, dass die Landesregierung in der Tat eine Beeinträchtigung des ehrenamtlichen Engagements durch steuer- und sozialversicherungsrechtliche Rahmenbedingungen sieht. Welche Konsequenz zieht die Landesregierung daraus? - Die Landesregierung antwortet: „Die Landesregierung wird Regelungsabsichten unterstützen, die geeignet sind, die Rahmenbedingungen für freiwilliges Engagement zu verbessern.“ Wieder das bekannte Prinzip: warten und prüfen statt denken und handeln!

Es geht mir in keiner Weise darum, die Leistungen dieser Regierung herabzuwürdigen. Es wurden auch gute Ideen in die Tat umgesetzt, aber diese wurden dann nicht weiter gehegt und gepflegt, sondern schlicht sich selbst überlassen. Wir als politisch Gestaltende müssen wissen, was es zu verbessern gilt und wo wir weiter unterstützen können. Das wird uns aber nicht gesagt und damit sind wir nicht schlauer als vorher und ich fürchte, dass die Landesregierung auch nicht mehr weiß.

(Beifall bei CDU und FDP)

Und hier liegt das Problem. Ein Beispiel: Die Jugendleiter-Card - JULEICA -, eine glänzende Idee, die sich in Nordfriesland leider zum Flop entwickelt, weil die Kommunen - und nur die sind finanziell daran beteiligt - weitere einseitige Lasten nicht auf sich nehmen können! Schlussfolgerungen für die Landesregierung ergeben sich daraus nicht und das ist schade.

Eine andere Seite der Medaille ist folgende. Sie stellen fest, dass sich die Jugendfeuerwehren erfreulich entwickeln. Ich denke, das können wir alle in unseren Wahlkreisen feststellen. Dies ist eine hervorragende Möglichkeit, Jugendliche an das Ehrenamt heranzuführen. Aber welche Konsequenz zieht die Landesregierung aus diesem Umstand? Wie können wir diesen Trend politisch sinnvoll begleiten? Darauf bleibt Sie die Antwort schuldig. Hier gibt es eine Menge Fragen, die wir gemeinsam in den zu beteiligenden Ausschüssen vertiefen können. Es wäre schön, wenn wir gemeinsam konkretere Ansätze erarbeiten könnten, als diese Antwort auf die Große Anfrage sie ausweist.

(Frauke Tengler)

Lassen Sie mich aber schon jetzt einige wenige Forderungen für meine Fraktion markieren. Die Landesregierung will bürokratische Hemmnisse und rechtliche Barrieren zugunsten des Ehrenamtes abbauen. Wir fordern Sie auf: Tun Sie es!

Die Vereine und Verbände sollen Planungssicherheit für ihre finanziellen Rahmenbedingungen erhalten. Wir fordern Sie auf: Schaffen Sie diese!

(Beifall bei der CDU)

Die Landesregierung will die Nachteile für den Einzelnen abbauen, die sich aus ehrenamtlicher Tätigkeit ergeben. Wir fordern Sie auf: Lassen Sie sich damit keine Zeit! Unterstützen Sie aktiv Projekte wie die Jugendleiter-Card, sorgen Sie dafür, dass dies mehr ist als ein Stückchen Papier.

Ich muss auf einen Teil meiner Rede verzichten, weil die Uhr weiter läuft, aber ich denke, wir müssen uns für die Leute engagieren, für die Gemeinwohl mehr zählt als „mein Wohl“. Ich bitte Sie: Erteilen wir dem Egoismus eine Absage! Verpassen wir ihm ein schlechtes Image! Werben wir bei den Menschen für den Altruismus!

(Glocke des Präsidenten)

Altbundespräsident Herzog hat gesagt: Gemeinsames und freiwilliges Engagement sind so etwas wie ein Gradmesser für die moralische Temperatur einer Gesellschaft. - Lassen wir diese Temperatur nicht abkühlen! Darum: Machen wir uns stark nicht nur für Freiwillige, sondern für das Ehrenamt insgesamt!

(Anhaltender Beifall bei CDU und FDP)

Ich erteile das Wort nun dem Herrn Abgeordneten Eichstädt.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der CDU zur Bedeutung und Sicherung ehrenamtlicher Tätigkeit in Schleswig-Holstein ist eine gelungene Bestandsaufnahme ehrenamtlicher Betätigung in Schleswig-Holstein. Und, liebe Frau Kollegin Tengler, ich will gern konstatieren, dass in diesem hohen Hause und von einzelnen Abgeordneten schon weniger gehaltvolle Anfragen gestellt wurden - meist Kleine Anfragen -, als wir dies von der Großen Anfrage zum Thema Ehrenamt sagen können.

Schade ist - das entnehme ich Ihrer Rede -, dass Sie offensichtlich die Antwort nicht in allen Teilen gelesen haben.

(Frauke Tengler [CDU]: Oh ja!)

Denn dann würden Sie wissen, dass sehr wohl auch in dieser Antwort entscheidende Hinweise auf das gegeben worden sind, was die Landesregierung zur Förderung des Ehrenamtes in der vergangenen Zeit bereits getan hat. Ich komme darauf an anderer Stelle noch einmal zurück.

In der Tat gibt die Anfrage der Landesregierung Gelegenheit - diese hat sie auch genutzt -, umfassend darzustellen, welche vielschichtigen und anerkennenswerten Betätigungen in allen Bereichen unserer Gesellschaft ehrenamtlich - das heißt ohne Entlohnung und Bezahlung - geleistet werden.

Für die Arbeit, die mit der Beantwortung der Großen Anfrage verbunden war, danke ich im Namen meiner Fraktion der Sozialministerin und ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen.

(Beifall bei der SPD und der Abgeordneten Christel Aschmoneit-Lücke [FDP])

Die Antwort wird uns helfen, an dem Thema „Bürgerschaftliches Engagement und Ehrenamt“ weiterzuarbeiten und nach Wegen zu suchen, wie in Zukunft durch landespolitische Rahmensetzungen Verbesserungen und Weiterentwicklungen eingeleitet werden können.

Und doch, meine Damen und Herren von der CDU, muss ich feststellen, dass der von Ihnen in Ihrer Anfrage aufgeworfene Sachverhalt nur die eine Seite der Medaille ist. Denn Ehrenamt im klassischen Sinne so, wie wir es überall in Vereinen, in der Kommunalpolitik, bei der Feuerwehr und anderswo erleben und anerkennen - ist eben nur ein Teil bürgerschaftlichen Engagements, mit dem wir uns heute auseinander setzen und welches wir unter dem Stichwort „aktive Bürgergesellschaft ausbauen“ weiterentwickeln wollen. Der besondere Wert der Antwort der Landesregierung liegt deshalb meines Erachtens auch darin, dass sie sich eben nicht auf die enge Beantwortung der gestellten Fragen im Sinne der Abarbeitung einer statistischen Erhebung beschränkt hat, sondern darüber hinaus in ihren zusammenfassenden Vorbemerkungen deutlich macht, dass sich in Deutschland in den letzten Jahren ein verändertes Bewusstsein herausgebildet hat.

Dieses Bewusstsein sieht die Vielzahl einzelner Bereiche bürgerschaftlichen Engagements, seine vielfältigen Formen und Initiativen als Ganzes, als ein gesellschaftliches Handlungsfeld eigener Art. Diese Entwicklung und die damit einhergehende Diskussion über den dritten Sektor, eben das bürgerschaftliche Handlungsfeld zwischen Staat und Wirtschaftsunternehmen, hat dazu beigetragen, dass freiwilliges Enga