Protokoll der Sitzung vom 27.09.2001

den ersten Spiegelstrich in der Begründung, der besagt, dass das derzeitige Seeunfalluntersuchungsgesetz grundsätzlich den IMO-Empfehlungen entspricht. Das ist schlichtweg eine falsche Aussage und wir könnten nicht etwas mit beantragen, wenn die Begründung falsch ist. Deswegen haben wir unseren Änderungsantrag gestellt. Wir beantragen, den ersten Spiegelstrich aus der Begründung zu streichen.

Ich werde ihnen kurz erläutern, warum das Seeunfalluntersuchungsgesetz nicht grundsätzlich den IMOEmpfehlungen entspricht. Das fängt bereits bei der Definition des Begriffs Seeunfall an und geht weiter über die Regelungen, ab wann ein Seeunfall zu untersuchen ist. Nicht jeder Seeunfall wird nämlich untersucht. Seeunfälle nach § 1 des heutigen Seeunfalluntersuchungsgesetzes werden gemäß § 2 untersucht, wenn ein öffentliches Interesse vorliegt. In Nummer 4 des Codes der International Maritime Organization für die Untersuchung von Unfällen und Vorkommnissen auf See werden verschiedene Definitionen von Seeunfällen aufgeführt.

Dabei wird zwischen einem sehr schweren Seeunfall, einem schweren Seeunfall, einem Seeunfall und einem Vorkommnis auf See differenziert. Liegt ein sehr schwerer oder ein schwerer Seeunfall vor, müssen nach den IMO-Bestimmungen zwingend Untersuchungen angestellt werden. Bei Seeunfällen und Vorkommnissen auf See wird zusätzlich ein öffentliches Interesse verlangt. Da also schon gravierende Unterschiede bei der Definition von Seeunfällen und Untersuchungspflicht zwischen dem Seeunfalluntersuchungsgesetz und den IMO-Bestimmungen herrschen, kann nicht mehr davon gesprochen werden, dass das heutige Gesetz grundsätzlich dem IMO-Code entspricht.

Dafür spricht übrigens auch die Tatsache, dass den Bund eine Klage aus Europa erwartet, weil die Bundesrepublik die europäische Richtlinie 99/35 noch nicht umgesetzt hat. Diese Richtlinie besagt, dass die Definition von Seeunfällen und Untersuchungspflicht und die Zusammenarbeit der deutschen Seeunfalluntersuchungsbehörden mit den Untersuchungsorganisationen anderer Staaten entsprechend dem IMO-Code in das nationale Recht zu implementieren ist. Dies hat die Bundesregierung bisher versäumt.

Die FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag ist der Bundesregierung einen weiten Schritt voraus. Die Liberalen haben bereits einen Gesetzentwurf eingereicht, der sowohl die bewährten Regelungen des Seeunfalluntersuchungsgesetzes enthält und sie entsprechend den internationalen Verpflichtungen ergänzt.

Wir stellen also den Antrag, aus der Begründung zu dem gemeinsamen Antrag von SPD, CDU, BÜNDNIS

90/DIE GRÜNEN und SSW den ersten Spiegelstrich zu streichen. Ansonsten stimmen auch wir diesem Antrag zu.

(Beifall bei FDP und CDU)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat jetzt Herr Abgeordneter Rainder Steenblock.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht sollten wir uns, was das Verfahren angeht, einmal darauf verständigen, ob wir Begründungen mitbeschließen oder nicht. Normalerweise beschließen wir nur Anträge und die Begründungen werden in der Regel mündlich gegeben. Deshalb würde ich es vom Verfahren her für ausgesprochen gut halten, wenn wir nur den Antrag beschließen würden, zumal wir uns da alle einig sind.

(Beifall bei CDU, FDP und SSW)

Da wir uns im Wesentlichen auch hinsichtlich der Begründung einig sind, will ich nur noch zwei Sachen darstellen.

Ich bin bei diesem Themenkomplex ja nicht so ganz unbefangen und habe in diesem Bereich Erfahrungen gemacht. Zu dem, was Herr Maurus hier zu Recht angemahnt hat, will ich sagen: Wir sind uns darin einig, dass Maßnahmen auf Bundesebene nicht in der Geschwindigkeit umgesetzt werden, wie wir es aufgrund unserer Erfahrungen hier in Norddeutschland gern hätten. Da sollten wir gemeinsam weiter Druck machen. Auch das, was Sie zum Thema Schlepper gesagt haben, ist richtig. Ich habe mit großer Sorge zur Kenntnis genommen, dass die niedersächsische Landesregierung wieder gesagt hat, die beiden Mehrzweckschiffe ersetzten eigentlich einen Hochseeschlepper. Ich halte das für völlig falsch. Wir brauchen eine dauerhafte Sicherung von Hochseeschlepperkapazitäten.

(Beifall im ganzen Haus)

Mich ärgert an diesem Gesetzentwurf ganz besonders - dies halte ich auch aufgrund meiner Erfahrung für völlig falsch -, dass die Beteiligung der Öffentlichkeit in diesen Verfahren abgeschafft wird und auch Experten ausgeschlossen werden. Ich halte es für völlig falsch, die Beteiligungsmöglichkeiten an solchen Stellen einzuschränken. Nicht akzeptieren kann ich vor allem die Begründung, die die Bundesregierung - auch wenn es meine Bundesregierung ist - dazu gegeben hat, nämlich dass öffentliche Verhandlungen die Unabhängigkeit der Untersuchungsbehörden gefährden

(Rainder Steenblock)

würden. Man muss sich einmal vorstellen, welche Konsequenzen das zum Beispiel für parlamentarische Untersuchungsausschüsse hätte. Die Begründung, dass die Untersuchungsbehörden durch den Einfluss der Öffentlichkeit in ihrer Unabhängigkeit gefährdet werden könnten, widerspricht meinem demokratischen Verständnis zutiefst.

(Beifall im ganzen Haus)

Gerade in den Fragen, die einen hohen Grad an öffentlicher Aufmerksamkeit haben, brauchen wir transparente Verfahren, Verwaltungsverfahren, durch die den Bürgerinnen und Bürgern Vertrauen und das Gefühl gegeben wird, dass sie ernst genommen werden. Nicht alles, was die Bürgerinnen und Bürger sagen, ist in Ordnung. Darum geht es hier auch nicht. Durch die Möglichkeit, solche Verfahren im Ablauf zu begleiten, wird erst das Verständnis dafür geschaffen, was dort passiert, und verhindert, dass man nur das Ergebnis kennt, das am Ende dabei herauskommt. Darüber besteht also großer Konsens.

Was die anderen Punkte angeht, etwa die Abschaffung von Widerspruchsverfahren, so führt dies in der Tendenz letztlich zu einem Abbau von rechtsstaatlichen Strukturen an einer hochsensiblen Stelle. Deshalb sollten wir als Küstenland ganz entschieden sagen: So geht es nicht. Ich glaube, die Anhörung in Berlin bietet, da unsere Kritik von anderen geteilt wird, eine gute Möglichkeit, die Bundesregierung in eine andere Richtung zu lenken. Darum sollten wir uns gemeinsam bemühen.

(Beifall im ganzen Haus)

Ich bedanke mich für den Beitrag.

Da wir etwas über 18 Uhr tagen werden, möchte ich für den Fall, dass jemand schon vor Ende der Sitzung gehen muss, weil er andere Termine hat, kurz sagen, welche Tagesordnungspunkte wir am morgigen Vormittag behandeln werden. Die Parlamentarischen Geschäftsführer haben sich auf folgende Reihenfolge verständigt: Tagesordnungspunkt 23 verbunden mit Tagesordnungspunkt 49, Tagesordnungspunkt 26, Tagesordnungspunkt 27, Tagesordnungspunkt 30 und Tagesordnungspunkt 24. Es folgt dann der Tagesordnungspunkt 33, für den keine Aussprache vorgesehen ist. Sofern noch Zeit zur Verfügung steht, wird Tagesordnungspunkt 34 noch vor der Mittagspause behandelt werden.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Tagesordnungs- punkt 24 muss vor Tagesordnungspunkt 26 behandelt werden!)

- Das ist die dem Präsidium bekannte Reihenfolge. Für den Fall, dass es morgen noch zu anderen Absprachen zwischen den Geschäftsführern kommt, bittet das Präsidium rechtzeitig um Mitteilung.

Wir fahren in der Beratung fort. Ich erteile für den SSW dem Abgeordneten Lars Harms das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer die Entwicklung zum Zweiten Seeschifffahrtsanpassungsgesetz verfolgt hat, weiß, dass der Gesetzentwurf der Bundesregierung nicht überall Zustimmung gefunden hat. Aber - da sind sich meines Erachtens Bundesregierung und Bundesrat einig - das derzeitige Seesicherheitsuntersuchungsgesetz muss geändert werden, da der IMO-Code von 1997 und die vorhin schon erwähnte EU-Richtlinie eine Aktualisierung notwendig machen.

Was viele Probleme bei der Novellierung aufwirft, ist die Frage, wie das Gesetz letztendlich umgesetzt werden soll. Zwischen dem Gesetzentwurf der Bundesregierung und den Wünschen des Bundesrates bestehen derzeit noch erhebliche Unterschiede.

Um die Verwirrung perfekt zu machen, hat auch die FDP-Bundestagsfraktion noch einen Gesetzentwurf in den Ring geworfen. In diesem Zusammenhang ist es jedoch zu begrüßen, dass der FDP-Bundestagsabgeordnete Goldmann eine Expertenanhörung gefordert hat, um die Mängel des Entwurfs der Bundesregierung aufzudecken.

(Beifall bei der FDP)

Ich gehe davon aus, dass eine solche Expertenanhörung die Kritik des Bundesrates teilen wird.

Jeder, der die Problematik der Seeschifffahrt kennt, weiß, dass ein wichtiges Element für die Sicherheit des Schiffsverkehrs die Nähe zum Schiffsrevier ist. Gleiches gilt natürlich auch für die Untersuchungen von Seeunfällen. Je näher man am Geschehen ist und je besser man die Verhältnisse vor Ort kennt, desto besser kann man sich im Falle eines Unfalls ein Bild vom Geschehen machen und ermitteln.

Gerade aus diesem Grund ist es unverständlich, dass die Unfalluntersuchung zentralisiert werden soll und die Möglichkeiten zur Untersuchung für die Wasserschutzpolizei eingeschränkt werden sollen. Es ist überaus wichtig, dass gerade die, die entsprechende Ortskenntnisse haben, ein Untersuchungsverfahren einleiten können. Da die Seeämter vor Ort und die Wasserschutzpolizei über diese Kenntnisse verfügen, müssen ihnen Möglichkeiten eingeräumt werden, Untersuchungen einzuleiten. Darüber hinaus bin ich mir

(Lars Harms)

sicher, dass so auch die Wahrnehmung der Interessen aller Beteiligten besser gewährleistet wäre als bei einer zentralen Stelle, die über eine geringere Ortsund Revierkenntnis verfügt.

Ähnliches gilt auch für den Rückgriff auf Sachverständige. Die Bundesregierung möchte zwar auf dem Papier die Kenntnisse und den Sachverstand von sachverständigen Bürgern an der Küste mit einbeziehen, hat hierfür aber nur vage Formulierungen parat. Der Wunsch des Bundesrates und damit der norddeutschen Küstenländer ist es, festzulegen, dass die Aufnahme von Sachverständigen mit revierspezifischen Kenntnissen in die Untersuchungskommission sichergestellt werden muss. Wir wollen also die Sicherheit haben, dass Sachverstand von der Küste in den Untersuchungsgremien fest verankert wird. Ich glaube, dass dies für die jeweiligen Verfahren sehr hilfreich sein kann.

Des Weiteren muss natürlich sichergestellt werden, dass das Seeunfalluntersuchungsverfahren öffentlich ist. Es gibt ein erhebliches öffentliches Interesse an diesen Verfahren und es gibt keinen triftigen Grund, solche Verfahren von vornherein unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchzuführen. Wie wichtig die Beteiligung der Öffentlichkeit ist, hat die Havarie der „Pallas“ in Schleswig-Holstein sehr deutlich gezeigt.

Auch gehört es zu einem normalen Verfahren, dass Widerspruchsrechte gegen eine Entscheidung möglich sein müssen. Diese Widerspruchsmöglichkeiten wären nach dem Vorschlag der Bundesregierung so nicht mehr gegeben. Das kann nicht angehen.

So gesehen muss man sagen, dass die Vorschläge der Bundesregierung eindeutig einen Schritt zurück darstellen und wir als Nordlichter einmal mehr für Erleuchtung auf den Fluren der Bundesregierung sorgen müssen.

Daher möchte ich mich auch noch einmal ganz herzlich für die Initiative des Abgeordneten Malerius bedanken.

(Beifall im ganzen Haus)

Das Wort für die Landesregierung erteile ich dem Wirtschaftsminister, Herrn Professor Bernd Rohwer.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das meiste ist gesagt worden; es muss nicht alles doppelt gesagt werden. Ich werde mich auf wenige Anmerkungen beschränken.

Es ist richtig, dass das internationale Seesicherheitssystem neue Anpassungen erforderlich macht. Deswegen ist es richtig, dass die Bundesregierung einen Vorschlag macht.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Womit wir überhaupt nicht leben können, sind einige Regelungen, die wir auch mit Ihrer Unterstützung korrigieren wollen. Insbesondere ist das die Einschränkung der Untersuchungen. Nach den Vorstellungen des Bundes sollen ja nur noch solche Unfälle amtlich untersucht werden, die voraussichtlich für eine Fortentwicklung der Sicherheitsvorschriften von Belang sind. Das ist nicht akzeptabel. Hierzu habe ich auch hier einheitliche Meinung festgestellt.

Ebenfalls lehnen wir eine Abschaffung der Öffentlichkeit bei den Untersuchungen ab. Gerade die Transparenz des Verfahrens über bis zu zwei Instanzen hat ja zu einer Akzeptanz der Ergebnisse geführt, was dann eine rasche Regelung der zivilrechtlichen Ansprüche mit ermöglicht hat. Wir streben deswegen gemeinsam mit den anderen Küstenländern an, dass weiterhin öffentlich untersucht wird und nicht im stillen Kämmerlein.

Wir haben - das wissen Sie - die Argumente und Vorstellungen in das Gesetzgebungsverfahren im Bundesrat eingebracht. Wir haben immerhin erreicht, dass der Bundestagsausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen hierzu demnächst eine formelle Anhörung durchführt. Ich bin zuversichtlich, dass es uns gemeinsam gelingt - auch mit dem Rückenwind des heutigen Antrages -, dafür zu sorgen, dass diese Korrekturen noch vorgenommen werden können, und bedanke mich für Ihre Unterstützung.

(Beifall im ganzen Haus)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.