Protokoll der Sitzung vom 07.06.2000

(Beifall des Abgeordneten Klaus Schlie [CDU])

Wer dann noch öffentlich sagt, es sei nicht sicher, dass die Kommunen die Standards senken würden, wenn man ihnen die Möglichkeit dazu gäbe, dem

(Anke Spoorendonk)

kann man meiner Meinung nach nur schwer Glauben schenken.

(Beifall beim SSW - Klaus Schlie [CDU]: Also doch misstrauisch!)

Es mag natürlich Bereiche geben, in denen eine Standardöffnung sinnvoll ist. Deswegen ist der SSW auch bereit, diesen Gesetzentwurf im Ausschuss konstruktiv mit zu diskutieren. Aber so, wie der Entwurf heute aussieht, werden wir ihn auf keinen Fall unterstützen.

(Klaus Schlie [CDU]: Was ist nun mit Dä- nemark?)

Aus unserer Sicht gibt es einfach Kernbereiche wie die Betreuung von Kindern oder die Bereiche der Sozialschwachen und der Älteren, bei denen man keine Abstriche in der Qualität zulassen darf.

(Beifall beim SSW)

Dies gilt insbesondere auch für die Kindertagesstätten. Hier müssen die geltenden Mindeststandards unbedingt erhalten bleiben. Denn meines Wissens lässt bereits die geltende Verordnung eine Gruppengröße zwischen 18 und 28 Kindern zu.

(Klaus Schlie [CDU]: Was?)

Man muss sich die Verordnung einmal genau ansehen.

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich komme zum Schluss. - Das heißt: Wann immer der Kindertagesstättenbereich genannt wird, ist dies eine Symboldiskussion.

Letzte Bemerkung, Herr Präsident! Ich möchte noch einmal in Erinnerung rufen, dass die in dem Gesetzentwurf genannten Gesetze allesamt vom Landtag beschlossen worden sind. Wir als Gesetzgeber können unsere eigenen Gesetze jederzeit wieder ändern. Allerdings haben wir uns bei diesen Gesetzen etwas gedacht. Zumindest nehme ich das für den SSW in Anspruch.

Lieber Kollege Schlie, zu Dänemark komme ich gleich noch einmal in einem anderen Beitrag.

(Beifall beim SSW - Martin Kayenburg [CDU]: Zur Sache wollen wir etwas hören!)

Ich erteile dem Abgeordneten Hildebrand das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Ich möchte, da eine andere Meinung in den Saal hineingerufen wurde, für die F.D.P.-Fraktion betonen, dass es uns in erster Linie darauf ankommt, dass wir die Entscheidungen auf die kommunale Ebene verlagern,

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

weil wir der Meinung sind, dass im Zweifel über diese Standards im Einzelnen wirklich vor Ort besser und verantwortungsvoller entschieden werden kann, und dass nicht alles über einen Kamm geschoren werden darf.

Wir müssen weiterhin berücksichtigen, dass die kommunalen Landesverbände damit rechnen, durch die Steuerreform 300 Millionen DM bis 400 Millionen DM weniger für ihre kommunalen Haushalte zur Verfügung zu haben. Dieser Summe muss man insofern Rechnung tragen, als Möglichkeiten geschaffen werden, den Haushalt letztlich noch auszugleichen.

Vorhin ist von Herrn Schlie bereits gesagt worden, dass dies von uns nicht gedacht ist, um einen Ausgleich für die 100 Millionen DM zu schaffen, die die rot-grüne Koalition den Kommunen praktisch entziehen will.

Herr Puls, Sie haben gesagt, dass Sie den F.D.P.Antrag grundsätzlich unterstützen, natürlich von einzelnen Punkten abgesehen. Darüber werden wir uns im Ausschuss sicherlich unterhalten. Nur, eine Frage muss in diesem Zusammenhang gestattet sein. Wer hat denn diese Standards in den letzten zwölf Jahren beschlossen? Wenn Sie in den letzten zwölf Jahren hier in diesem Hause in einigen Bereichen nicht so erbarmungslos zugeschlagen hätten, brauchten wir diese Diskussion jetzt nicht zu führen.

(Beifall bei F.D.P. und CDU - Zurufe von der SPD)

Aber, Herr Puls, wir nehmen ausdrücklich Ihr Angebot an, wenn Sie sagen, Sie seien bereit, über diese Standards zu diskutieren.

Ich habe aus der Distanz natürlich sehr wohl verfolgt, wie beispielsweise in der letzten Legislaturperiode Frau Sozialministerin Moser versucht hat, den Gegenstand der Ausstattungsverordnung hinsichtlich der Kindergärten auf die Kommunen zu verlagern. Nur, wir mussten sehen, dass sie damals von der Regierungskoalition noch erbarmungslos zurückgepfiffen wurde. Der entsprechende Gesetzentwurf wurde seinerzeit einkassiert. Herr Puls, wenn Sie ein wenig früher zu den Erkenntnissen gekommen wären, die

(Günther Hildebrand)

Sie uns heute mitgeteilt haben, hätte Ihre Sozialministerin seinerzeit nicht im Regen gestanden. Das muss man auch sagen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Wir sind nicht grundsätzlich gegen die Standards, wie sie jetzt festgelegt werden sollen. Wir sind nur dagegen, dass sie von diesem Hause aus den Kommunen im Lande vorgeschrieben werden. Das ist der Punkt.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Es gibt hier im Lande einfach zu viel unterschiedliche Situationen, als dass man mit Generalrichtlinien alles festlegen könnte. Wir wollen, dass die Kommunen vor Ort im Einzelfall prüfen, welcher Standard wirklich erforderlich ist. Ich bin der Meinung, durch die Standards, wie sie jetzt festgelegt werden, wird sehr viel verhindert, weil die Kommunen bestimmte Dinge von vornherein so nicht finanzieren wollen.

Wenn wir uns in den beiden Ausschüssen, im Sonderausschuss und auch in der Enquetekommission, nunmehr mit diesem Thema befassen, kann ich nur hoffen, dass wir wirklich ernsthaft und ohne Tabus darüber sprechen. Aber nach dem, was ich heute in dieser Debatte teilweise gehört habe, sind wahrscheinlich schon wieder sehr viele Dinge ausgeschlossen, so dass ich befürchte, dass es vielleicht ausgeht wie das Hornberger Schießen. Genau diese Erfahrung haben wir bisher mit dem Sonderausschuss gemacht. Zumindest die Ausschusssitzung, die ich vorgestern miterleben durfte, war nicht unbedingt ein Hinweis darauf, dass wir wirklich allesamt bemüht sind, zu vernünftigen Ergebnissen zu kommen. Vielleicht ändert sich das in der Zukunft ja noch.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Ich erteile Herrn Minister Buß das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landesregierung dankt für die Anregung, sich erneut mit der Frage zu befassen, in welcher Form Befreiungen von der Einhaltung von Standards vor allem im kommunalen Bereich geregelt werden können.

Die Inhalte des Gesetzentwurfes sind im Wesentlichen bereits in der letzten Legislaturperiode diskutiert worden. Ergebnis der Erörterung war, dass der von einigen Bundesländern beschrittene und hier vorgeschlagene Weg eines Standardöffnungsgesetzes jedenfalls für Schleswig-Holstein nicht die vorzugswürdigste Lösung ist.

Herr Hildebrand, Sie sagen aus meiner Sicht zu Recht: Die kommunale Ebene soll mehr entscheiden dürfen. Mir erschließt sich allerdings nicht, warum das Land dann im Einzelfall wieder entsprechende Anträge entscheiden soll.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Martin Kayenburg [CDU]: Das ist ein Ab- lenkungsmanöver, Herr Buß! Unsinn!)

Seit Herbst 1998 war die Projektorganisation Funktionalreform im Auftrag der Landesregierung auch mit der Überprüfung von Regulierungen und Standards befasst.

(Klaus Schlie [CDU]: Und was hat das ge- bracht? - Gegenruf von Martin Kayenburg [CDU]: Nichts!)

Zunächst war erwogen worden, sich an dem nordrheinwestfälischen KommunalisierungsModernisierungsgesetz zu orientieren. Dieses Gesetz greift, ähnlich wie der vorliegende Entwurf, eine Reihe von Landesvorschriften auf, von denen auf Antrag für einzelne Gemeinden eine Befreiung ausgesprochen werden kann.

Im Laufe der Diskussion setzte sich jedoch die Auffassung durch, an ein solches Kommunalisierungsgesetz könne nur nachrangig gedacht werden. In erster Linie müsse es darum gehen, Regulierungsstandards landesweit zugunsten kommunaler Gestaltungsfreiheit aufzuheben oder zu ändern. Dabei ist der Effekt selbstverständlich um ein Vielfaches höher als bei Freigabe nur für einzelne Gemeinden.

Auch die Vermutung, dass die an der Aufrechterhaltung von Regelungen Interessierten einem der Deregulierungsvorschlag für einige Gemeinden eher zustimmen könnten als einer landesweiten Regelung, ist aus meiner Sicht eher trügerisch. Mit der grundsätzlichen Novellierung des kommunalen Verfassungsrechts sind in die Gemeindeordnung, die Kreisordnung und die Amtsordnung die im Gesetzentwurf zitierten so genannten Experimentierklauseln zur Weiterentwicklung der kommunalen Selbstverwaltung bereits eingeführt worden. Dabei geht es in der Praxis weniger um die Erprobung neuer Steuerungsmodelle oder die Weiterentwicklung der wirtschaftlichen Betätigung und der privatrechtlichen Beteiligungen der Gemeinde; es wird vielmehr die Möglichkeit eröffnet, spezifische kommunalrechtliche Lösungen für Sachverhalte zu finden, die bei Anwendung des geltenden Rechts nicht oder nur mit großem rechtlichen Risiko umsetzbar wären.

(Martin Kayenburg [CDU]: Können Sie auch einmal konkret werden?)

(Minister Klaus Buß)

Diese kommunalen Experimentierklauseln sind durch eine weitere Klausel im Landesverwaltungsgesetz ergänzt worden, meine Damen und Herren, die probeweise Aufgabenverlagerungen innerhalb des kommunalen Bereichs ermöglicht. Schon diese in Schleswig-Holstein eingeführten Experimentierklauseln sind im Gesetzgebungsverfahren einiger Kritik aus dem parlamentarischen Raum ausgesetzt gewesen. Ich erinnere lediglich daran, um künftige Diskussionserlebnisse vielleicht etwas vorbereiten zu helfen.

(Klaus Schlie [CDU]: Sie meinen, koaliti- onsintern?)

Solche Klauseln mit der Möglichkeit des Abweichens von gesetzlichen Vorschriften sind letztlich auch eine Entmachtung des Gesetzgebers. Unter verfassungsrechtlichen, zumindest aber unter verfassungspolitischen Aspekten könnten bei weiteren Ausnahmeregelungen Bedenken aufkommen. Entscheidend ist, dass Öffnungs- und Freistellungsklauseln hinreichend bestimmt sind. Sie müssen aus Gründen der Rechtssicherheit deutlich erkennen lassen, unter welchen Voraussetzungen die öffentliche Verwaltung zu welcher Entscheidung befugt ist. Inhalt, Zweck und Ausmaß einer Freistellung von gesetzlichen Vorgaben müssen sich also aus der jeweiligen Öffnungs- und Freistellungsklausel selbst ergeben.

Gerade vor diesem Hintergrund sollte eine Lösung diskutiert werden, bei der zum Beispiel über den Weg eines Artikelgesetzes Regulierungen und Standards für einen genau bestimmten Zeitraum ausgesetzt werden. Vor Ablauf dieses Zeitraums müssten die Ergebnisse evaluiert werden und müsste entschieden werden, ob die Aussetzungen bestehen bleiben oder auslaufen. Wie auch immer im Einzelnen ausgestaltet, sollten wir alle gemeinsam den Mut zu solchen landesweiten Erprobungen aufbringen. Nach meinen eigenen Erfahrungen als Bürgermeister kann ich eines sagen, meine Damen und Herren: Die Kommunen zeigen in aller Regel großes Verantwortungsbewusstsein bei der Erfüllung ihrer Aufgaben,