Protokoll der Sitzung vom 23.01.2002

Ich rufe Tagesordnungspunkt 11 auf:

Neue Wege in der Drogenpolitik Projekt: „Schleswig-Holsteins Schulen sind rauchfreie Zonen“

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/1398

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann erteile ich Frau Abgeordneter Tengler das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kinder, die in Schleswig-Holstein zur ersten Zigarette greifen, werden immer jünger. Das Durchschnittsalter liegt bei nur noch 11,3 Jahren. Dieses dramatische Ergebnis ist der Antwort auf meine Kleine Anfrage, Drucksache 15/1350, zu entnehmen. Die Aussage deckt sich mit wissenschaftlichen Erkenntnissen und Erhebungen aus anderen Bundesländern. Bereits laut Ecstasy-Bericht vom August 1999 lag das Durchschnittsalter beim Griff zur ersten Zigarette bei 12,7 Jahren. In nur zwei Jahren gab es ein Absinken des Alters um 1,4 Jahre. Schon damals sagte Frau Moser am 3. September 1999 in der „Dithmarscher Zeitung

das muss unserer Gesellschaft zu denken geben“.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Johann Wade- phul [CDU])

Aber nur zu denken geben und betroffen zu sein reicht nicht aus.

(Beifall bei CDU und FDP)

Wir müssen endlich den ersten Schritt einer klaren Linie gehen. Es ist doch nicht Aufgabe von Schule, den Schülern das Rauchen zu ermöglichen.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU und Beifall des Abgeordneten Günter Neugebauer [SPD])

Bei der Auswertung des Projektes „Gläserne Schule“ auf der Grundlage der Antwort auf die Kleine Anfrage zeigt sich, dass fast doppelt so viele Hauptschülerinnen und -schüler zur Zigarette greifen wir Gymnasialschüler. Die Beantwortung der Kleinen Anfrage sagt weiter, dass sich 62 % der befragten Schüler für eine stärkere Einschränkung und Kontrolle des Rauchens an ihrer Schule aussprechen.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Da es in der Prävention und in der Drogenpolitik keinen Königsweg gibt, ist unser Antrag, SchleswigHolsteins Schulen auf dem Verordnungsweg zu rauchfreien und alkoholfreien Zonen zu erklären, ein wichtiger Mosaikstein in der Suchtprävention.

(Beifall bei CDU und FDP)

Als Vorbild kann uns hierfür Niedersachsen dienen.

Die Regelungen über den Umgang mit dem Nikotinkonsum an Schleswig-Holsteins Schulen sind höchst unterschiedlich. Laut Aussage der KOSS wird das Rauchen an Hauptschulen nicht mehr zum Thema gemacht. Schulleitung und Lehrer haben resigniert. An Gymnasien und Realschulen gibt es unterschiedliche Regelungen für die unter 16-Jährigen, bei jüngeren Rauchern auf dem Schulgelände wird häufig weggeguckt.

Es gibt drei Möglichkeiten, wer die Verantwortung für die Situation übernehmen muss, wenn man im Sinne des Jugendschutzgesetzes handeln will: der Träger, die Schule oder das Land. Da nun von der Bundesregierung im Sinne der Angebotseinschränkung nichts zu erwarten ist - sie erhöht die Tabaksteuer für die Finanzierung der Sicherheit - und die DB AG das Rauchen auf den Bahnhöfen nur verbietet, um Reinigungskosten zu sparen, sollte wenigstens die Landesregierung Farbe bekennen. Frau Moser hat immer wieder von einer Angebotsverringerung sowohl im illegalen als auch im legalen Drogenbereich gesprochen.

(Martin Kayenburg [CDU]: Und wo ist Frau Moser jetzt?)

- Frau Moser hat vielleicht etwas anderes zu tun!

Heute unserem Antrag zuzustimmen und ihn umzusetzen, wäre ein Schritt in diese Richtung.

„Sofort das Rauchen an Schulen verbieten“, fordert der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung in Hamburg. Er wird vom Berufsverband der Kinderärzte und der Vorsitzenden der Elternkammer in Hamburg unterstützt. Unser Antrag wird unterstützt von den Vorsitzenden der Landeselternbeiräte in SchleswigHolstein.

Die Umsetzung unseres Antrages würde zu einem Paradigmenwechsel an den Schulen führen. Das Normale ist danach das Nichtrauchen. Soll geraucht werden, muss das von der Schulkonferenz beschlossen werden. Ich hoffe, dass dem Staatssekretär Dr. Stegner - leider ist er heute auch nicht da - jetzt deutlich geworden ist, dass mit unserem Antrag keineswegs das Rauchen einfach plump verboten werden soll.

(Frauke Tengler)

Dr. Stegner, die CDU passt nicht in Ihre polemische Schublade.

(Beifall bei der CDU und des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Die Umsetzung unseres Antrages soll den Erlass der Landesregierung von 1992 zur Suchtprävention unterstützen und verstärken. Ich zitiere ein von der Landesregierung genanntes Ziel aus dem Erlass: „Abstinenz im Hinblick auf alle Suchtmittel zum Schutz der Gesundheit“. Die Umsetzung unseres Antrages soll weiter einen wesentlichen Beitrag zur Gesundheitserziehung leisten, sie soll der Umsetzung des Jugendschutzgesetzes Rechnung tragen und sie soll ein Beitrag zur Angebots- und Gelegenheitsverringerung sein. Es ist erwiesen, dass die Zigarette die Einstiegsdroge für viele Drogenkarrieren ist. Wenn wir Kinder und Jugendliche vor der Sucht schützen wollen, dann ist die Umsetzung unseres Antrages ein Beitrag dazu und der Anfang vom Ende der Kapitulation vor dem Rauchen an unseren Schulen.

Wir werden aber weiter über die Einschränkung der Tabakwerbung mit Jugendlichen als Zielgruppe und über die Reduzierung des Zugangs zu Zigarettenautomaten zu sprechen haben.

(Beifall bei der CDU und des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Ein letzter Punkt: Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZGA) hat die Tabakprävention zu ihrem Schwerpunktthema 2002 erklärt. Sie sollten Sie durch die Umsetzung unseres Antrages dabei unterstützen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Herr Abgeordneter Dr. Höppner hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Rauchen schadet der Gesundheit

(Vereinzelter Beifall bei SPD, CDU und FDP)

und Rauchen ist die Ursache für schwere Erkrankungen. Das können wir auf jeder Zigarettenschachtel nachlesen. Und es ist wissenschaftlich erwiesen und unbestritten, dass vor allem Kinder und Jugendliche in der Wachstumsphase Schäden nehmen können, die ihre körperliche und geistige Entwicklung auch im Erwachsenenalter negativ beeinflussen. Leider gibt es in der Bundesrepublik gegenwärtig - anders als in den skandinavischen Ländern oder in Nordamerika - keine

öffentliche Diskussion über die Folgen des Konsums dieser Alltagsdroge. Dass Zigarettenwerbung in den Kinos auch am Nachmittag und bei Filmen, die für Kinder ab sechs Jahre freigegeben sind, noch laufen darf, ist das mehr als bedenklich.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Ich bin Ihnen, liebe Kollegin Tengler, aus diesem Grunde dankbar für Ihre Kleine Anfrage zum Thema „Rauchen in der Schule“ und dafür, dass sie heute auf die Tagesordnung gebracht wurde.

In der Tat sind die Erhebungen über das Rauchverhalten von Schülerinnen und Schülern im Rahmen des Projekts „Gläserne Schule“ erschreckend genug. Das trifft insbesondere auf das Einstiegsalter zu. Wenn wir feststellen müssen, dass das durchschnittliche Einstiegsalter in den Hauptschulen heute bei 11,3 Jahren liegt, und erfahren, dass gut die Hälfte der Hauptschülerinnen und -schüler Raucherfahrung haben und an dieser Schulart 36,5 % der Schülerinnen und Schüler aktuelle Raucher sind, dann ist eine neuerliche Initiative hinsichtlich Aufklärung und Prävention vor gesundheitlichen Schäden des Rauchens bei Kindern und Jugendlichen ausgesprochen notwendig.

(Beifall bei SPD und CDU)

Wenn wir nach den Erhebungen dieser Studie feststellen müssen, dass das Einstiegsalter bei Gymnasiasten etwa zwei Jahre später liegt und auch nur halb so viele Gymnasiasten wie Hauptschüler Gewohnheitsraucher sind, dann stellt sich hier - nicht anders als bei den ersten Erkenntnissen zur PISA-Studie - dar, dass es um die Chancengleichheit von Hauptschülerinnen und -schülern gegenüber den Schülerinnen und Schülern anderer Schularten schlecht steht, in diesem Fall also hinsichtlich des Gesundheitsschutzes.

Eine Initiative für das Nichtrauchen, über die wir im Bildungsausschuss ausführlich diskutieren sollten, muss zielgerichtet auf die Schulen sein, aber auch auf das Elternhaus und das außerschulische Umfeld. Denn letztlich hilft uns ein Rauchverbot in den Schulen, wie Sie es fordern, im Hinblick auf eine nachhaltige Gesundheitserziehung allein nicht weiter.

In meiner eigenen kleinen Stadt muss ich zur Kenntnis nehmen, dass an fast jeder Bushaltestelle, also an Haltestellen, an denen Schülerinnen und Schüler des Morgens oder Mittags in den Schulbus einsteigen, frei zugängliche Zigarettenautomaten stehen oder hängen. Das Ordnungsamt der Stadt hat mir mitgeteilt, dass das so in Ordnung sei. Ich aber denke, dass wir über gesetzliche Einschränkungsmöglichkeiten bei diesen Verkaufsformen Überlegungen anstellen sollten. Schließlich ist es vor vielen Jahren gelungen, die frü

(Dr. Henning Höppner)

her so reichlich vertretenen Bierautomaten aus unseren Gemeinden zu verbannen.

Ich halte - übrigens in Übereinstimmung mit anderen EU-Ländern - eine eigens für den Tabakwarenverkauf notwendige Konzessionierung von Ladengeschäften für durchaus denkbar und für die Raucher zumutbar.

Die Konsumhürden für jugendliche Raucher zu erhöhen kann allerdings nur ein Beitrag sein. Wir müssen daneben erneut an der Bewusstseinsschwelle arbeiten. Der Aspekt der Gesundheitserziehung in den Schulen muss neu positioniert werden.

Wir wissen, dass das Problem des Rauchens an den Schulen schwer in den Griff zu bekommen ist, wenn das Elternhaus nicht bereit ist, die Kinder und Jugendlichen vor gesundheitlichen Schäden durch das Rauchen zu schützen.

Der Erlass über die Suchtprävention in den Schulen ist mittlerweile zehn Jahre alt. Die Situation hat sich in dieser Zeit an den Schulen nicht verbessert, sondern eher verschlechtert. Ich denke, dies sollte für uns Anlass genug sein, das Problem des Rauchens von Kindern und Jugendlichen gesundheits-, jugend- und bildungspolitisch neu aufzuarbeiten. - Ich bitte, den Antrag in den Ausschuss zu überweisen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und CDU)

Das Wort erteile ich dem Herrn Abgeordneten Dr. Garg.