Protokoll der Sitzung vom 29.04.2002

Wir meinen auch, dass der Finanzminister durch das externe Gutachten nachvollziehbar dargelegt hat, dass sich aus dem fehlerhaften Vergabeverfahren nach den Regeln, die vor 1999 galten, keine Rechtsansprüche der anderen Bieter ableiten lässt.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Ich darf um ein bisschen mehr Aufmerksamkeit bitten.

Natürlich muss es als äußerst merkwürdig bezeichnet werden, dass sowohl der ehemalige Staatssekretär Dr. Lohmann als auch die zuständige Projektleiterin heute bei SAP in Brot und Arbeit stehen. Das an sich ist allerdings nicht strafbar. Hier muss die Staatsanwaltschaft die wahren Zusammenhänge aufklären.

Dennoch wirft dieses unsensible Verhalten besonders auf den damaligen Amtsleiter des Finanzministeriums, der ja im Grunde für die schlampige Aktenführung beim Vergabeverfahren die Verantwortung trägt, ein ganz schlechtes Licht, zumal er auch die Beraterverträge nicht bei seinem ehemaligen Dienstherrn angezeigt hat. Mit seiner damaligen Anzeige bei der Staatsanwaltschaft und einem Dienstaufsichtsverfahren hat das Finanzministerium daher richtig gehandelt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht heute allein um die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, nicht darum, schon irgendwelche Ergebnisse, die wir noch nicht kennen, zu debattieren.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das haben Sie ge- rade gemacht!)

Zum Schluss möchte ich daher noch einmal auf einige Punkte zurückkommen, die dem SSW besonders am Herzen liegen.

Erstens. Es ist klar, dass für jede Person bis zum Beweis des Gegenteils die Unschuldsvermutung gilt.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Strafrecht!)

Auch das klang in allen Reden heute schon an. Wenn dies aber für die Herren Pröhl und Lohmann in der Frage des Korruptionsverdachts gilt, dann muss es erst recht für Ministerpräsidentin Simonis in der Frage gelten, was sie wann gewusst hat.

(Beifall der Abgeordneten Lars Harms [SSW], Klaus-Dieter Müller [SPD] und Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es ist schon verwunderlich, mit welch unkritischer Begeisterung sich Medien und Politiker auf die verschiedenen Äußerungen der Herren Pröhl und Brückner gestürzt haben. Kritische Nachfragen nach den Motiven hätten so manchem gut zu Gesicht gestanden. Es darf keine Vorverurteilung betrieben werden, auch nicht, wenn Bundestagswahl angesagt ist.

(Beifall bei SSW und SPD)

Zweitens. Der Untersuchungsausschuss sollte sich vor allem auch mit der Frage beschäftigen, welche Kon

trollmechanismen versagt haben und wie wir in Zukunft eine Wiederholung solcher Vorfälle verhindern können. Dieses konstruktive Element ist aus Sicht des SSW ein ganz entscheidender Punkt der Ausschussarbeit. Ansonsten kommen wir wirklich nicht weiter.

Drittens. Man kann allen Beteiligten nur raten, sofort alles auf den Tisch zu legen. Wenn die Wahrheit weiterhin scheibchenweise in die Öffentlichkeit gelangt, schadet das nur dem, der sie bisher verschwiegen hat.

(Beifall bei SSW und SPD)

Viertens und Letztens. Der Untersuchungsausschuss darf nicht zu einem permanenten Korruptionsausschuss verkommen, der von jetzt an bis zum Jahre 2005 alle angeblichen Verfehlungen der Landesregierung untersuchen soll.

(Beifall bei SSW und SPD)

Alle müssen darauf achten, dass wir innerhalb

(Zuruf des Abgeordneten Werner Kalinka [CDU])

- lieber Kollege Kalinka, beruhigen Sie sich - eines angemessenen zeitlichen Rahmens den Untersuchungsauftrag abarbeiten können. Eine fortdauernde Schlammschlacht nützt niemandem und schadet der Demokratie.

(Beifall bei SSW und SPD)

Für die Landesregierung erteile ich jetzt der Frau Ministerpräsidentin Simonis das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Schon lange geht es in der Korruptionsaffäre nicht mehr darum, welche privaten Geschäften Karl Pröhl neben seinem Job in der Staatskanzlei illegal betrieben hat und ob er beim Verkauf des Kieler Schlosses eine dubiose Doppelrolle gespielt hat.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieses Zitat ist nicht von mir, sondern von „Focus“. Bis auf den Punkt, dass Herr Dr. Pröhl die ihm vorgeworfenen Straftaten und Verfehlungen nicht in der Staatskanzlei beging, weil er zur Investitionsbank abgeordnet war und dort seinen Arbeitsplatz hatte, scheint die Aussage trotzdem richtig zu sein, wenn man so manche Äußerung der vergangenen Wochen auf ihre Sinnhaftigkeit hin überprüft. Wenn ich die von manchen Oppositionspolitikern kolportierten Äußerungen richtig deute, die in vertrauten Runden und hinter vorgehaltener Hand mir gegenüber vorgebracht werden, sind einige

(Ministerpräsidentin Heide Simonis)

in der Zwischenzeit schon im Bereich Schmuddel und Schmutz angekommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, versuchen wir einmal, die Affäre Pröhl vom Kopf auf die Füße zu stellen. Vielleicht können Sie mir folgen. Lassen Sie mich zu Beginn kurz auf die Weltausstellung EXPO 2000 zu sprechen kommen, die nach anfänglichem Stottern und Stolpern - sie hatte keineswegs Zustimmung durch dieses Haus, jedenfalls nicht von allen Seiten - am Ende ein großer Erfolg für unser Land war. Dieser Erfolg war bislang auch nicht strittig.

Als Dr. Pröhl am 1. September 1996 seine Arbeit als EXPO-Beauftragter begann, war er ein unbelasteter Mitarbeiter und für diese Aufgabe geeignet, was für diesen Bereich seiner Tätigkeit bis heute niemand ernsthaft bestreitet. Auch Personen, die Herrn Dr. Pröhl heute am liebsten nie über den Weg gelaufen sein wollen, versagten ihm damals nicht die Anerkennung.

(Zuruf von der SPD: Stimmt!)

Noch heute sind folgende Sätze im Archiv unter der Internet-Adresse „Arbeit und Leben“ zu finden - ich darf zitieren: „Ein Projektbeirat, dem unter anderem Dr. Bernd Rohwer, Minister für Wirtschaft, Technologie und Verkehr, Martin Kayenburg, Oppositionsführer im Schleswig-Holsteinischen Landtag, und Dr. Karl Pröhl, Projektleiter EXPO 2000 SchleswigHolstein, angehörten, verliehen einen mit insgesamt 10.000 DM dotierten Internet-Preis an Provinzial, Nico Pyrotechnik und Drägerwerke“.

Noch ein Hinweis zur Gedächtnisauffrischung: In einer Pressemitteilung der FDP-Fraktion vom 12. Dezember 1996 lese ich im Hinblick auf die Leitung des EXPO-Teams: „Es reicht nicht aus, ein spannendes Drehbuch zu verfassen und einen guten Regisseur mit der brillianten Umsetzung zu beauftragen.“ Damit war ja wohl Dr. Pröhl gemeint.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Sie haben die Iro- nie gemerkt, Frau Ministerin? - Weitere Zu- rufe von CDU und FDP)

Also, meine sehr verehrten Damen und Herren, auch die Opposition hätte damals keinen Grund gesehen, Dr. Pröhl mit diesen Aufgaben nicht zu betrauen. Sie sah auch keinen Grund, uns zu warnen.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von CDU und FDP)

Der Aufgabenübertragungsvertrag, den das Land mit der Landesbank schloss, trat nach der Bestätigung durch den Rechnungshof, dem Finanzausschuss und nach Schlusszeichnung durch Staatssekretär Gärtner Ende 1997 rückwirkend in Kraft. Er regelte, dass bei

der Investitionsbank für die Wahrnehmung der Aufgaben, die Beteiligung Schleswig-Holsteins an der EXPO 2000 vorzuberaten, eine Projektgruppe eingerichtet wird. In dem Vertrag heißt es: „Die Projektgruppe führt den Namen „EXPO-Projekt 2000 Schleswig-Holstein“ und tritt nach außen mit eigenem Logo auf. Sie tritt im Rechtsverkehr unter ihrem Namen mit dem Zusatz bei der Investitionsbank Schleswig-Holstein auf.“

Dr. Karl Pröhl ist mit Wirkung vom 1. September 1996 an die Staatskanzlei versetzt worden. Seit diesem Datum ist er als EXPO-Beauftragter und Leiter der Projektgruppe EXPO 2000 tätig. Er arbeitete zunächst in Büroräumen der Dänischen Straße in Kiel und später in der Investitionsbank. Die Räume wurden auf Kosten der Investitionsbank angemietet. Die Personalkosten für Herrn Dr. Pröhl wurden von der Staatskanzlei getragen. Auf der Grundlage des Aufgabenübertragungsvertrages wurde Dr. Pröhl am 1. März 1998 auch formal an die Investitionsbank abgeordnet. Das Weisungsrecht für die vom Land abgeordneten EXPO-Mitarbeiter wurde in § 7 Nr. 2 des Aufgabenübertragungsvertrages geregelt. Das haben wir im Übrigen öfter, dass Dienstaufsicht und Fachaufsicht getrennt sind.

Dr. Pröhl hatte als Leiter dieser Gruppe eine Vertrauensstellung, die bestimmte Rechte, aber natürlich auch Pflichten beinhaltete. So war er ausgenommen worden, eine Zeitkarte zu stechen. Er hatte eine generelle Reiseerlaubnis für Dienstreisen bekommen und durfte jederzeit die Bank verlassen, wann immer er es für richtig gehalten hatte.

Am 12. Dezember 1996 begrüßte Herr Kayenburg in einer Rede vor dem Landtag wörtlich, „dass das Projektmanagement aus den Verwaltungsstrukturen der Regierung heraus gelöst wurde und damit flexibel gestaltet wird. Die Organisationsstruktur ist überzeugend, und auch die Einbindung der gesellschaftlich relevanten Gruppen und insbesondere des Parlaments entspricht unseren Vorstellungen.“

Die Projektgruppe, der Lenkungsausschuss, das Kuratorium und die Landesjury haben gute Arbeit geleistet. Das ging nur, weil alle Beteiligten eng und gut zusammengearbeitet haben. Niemand konnte ahnen, weder Klaus Gärtner, Klaus Haller, die drei Vertreter des Landes, die Vertreter der Investitionsbank

(Lachen bei CDU und FDP - Zuruf von der CDU: Lächerlich!)

im Lenkungsausschuss und alle anderen, mich eingeschlossen, dass gegen Herrn Dr. Pröhl eines Tages strafrechtlich ermittelt werden würde. Inszenierungen, wie sie heute Morgen von Herrn Kayenburg in die

(Ministerpräsidentin Heide Simonis)

Luft gestellt wurden, ich hätte durch bewusstes Wegsehen die womöglich kriminellen Aktivitäten von Herrn Dr. Pröhl unterstützt, ja, sogar gefördert, weise ich mit Entschiedenheit zurück.

(Beifall bei SPD und SSW)

Weil ich schon einmal beim Korrigieren bin, würde ich gern auf das zweimal falsch zitierte Interview von mir im „Hamburger Abendblatt“ eingehen.

(Zuruf von der CDU: Ach was?)