Protokoll der Sitzung vom 29.04.2002

schließt natürlich die Aufklärung in der Sache nicht aus. Aber ich freue mich, dass hier wiederholt gesagt worden ist, dass, zumindest was den Korruptionsvorwurf angeht, auch für Herrn Lohmann die Unschuldsvermutung gilt, solange das Verfahren nicht abgeschlossen ist.

Nachdem hier aus verschiedenster Sicht zum Themenkomplex SAP etwas gesagt worden ist, lassen Sie mich auch aus meiner Sicht verdeutlichen, worum es ging. Als eines der ersten Länder hat SchleswigHolstein Mitte der 90er-Jahre den Versuch unternommen, das bisherige System des ausschließlich ausgabenorientierten kameralen Rechnungswesens um die Einbeziehung der Kosten- und Ergebnisermittlung zu ergänzen. Über die Notwendigkeit einer derartigen, wie ich es gesagt habe, Kulturrevolution in der Haushaltsbetrachtung bestand und besteht ein parteiübergreifendes Einvernehmen nicht nur im Bund und in den Ländern, sondern auch in diesem Hause, das durch vielfältige Beschlüsse des Finanzausschusses, die ich im Einzelnen nicht wiederholen will, nachhaltig bekräftigt wurden.

Von Beginn an war allen Beteiligten in diesem Hause klar, dass dieses Unternehmen beträchtliche Investitionen erfordern würde, die sich jedoch aufgrund der zu erwartenden besseren Steuerungsmöglichkeiten insbesondere nach Einführung der outputorientierten Budgetierung rechnen werden. Gerade wegen der großen politischen und finanziellen Bedeutung dieses Vorhabens ist das Parlament seit 1997 und der Rechnungshof über jeden Schritt der Landesregierung informiert worden, um gegebenenfalls steuernd einzugreifen.

Ich kann Ihnen sagen: Der Rechnungshof hat das auch getan. Der Rechnungshof hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, sodass die entscheidende Finanzausschussvorlage, die Drucksache 14/1883, aufgrund eines Gespräches mit der Spitze des Rechnungshofes im Hinblick auf die Darstellung von Wirtschaftlichkeit und Kosten ausführlich erweitert worden ist.

Ich habe aufgrund von Erfahrungen mit früheren Großprojekten im IT-Bereich Wert darauf gelegt, dass Schleswig-Holstein nicht Sonderwege geht, auf denen uns später niemand folgt. Wir wollten möglichst Lösungen, die sich im Verbund mit anderen Ländern realisieren lassen, und zwar auch deshalb, weil ich wirklich etwas unter dem Trauma stehe, dass sich Schleswig-Holstein - das war die Vorgängerregierung - einmal auf einem Einzelweg deutlich übernommen hat. Wir unterhalten in der OFD ein eigenes Softwarehaus für die Gesamtprogrammierung unseres komplizierten Steuersystems. Das leistet sich sonst nur Nordrhein-Westfalen. Alle anderen machen das in Verbünden. Diese Entscheidung ist einmal getroffen. Sie ist

(Minister Claus Möller)

sehr teuer. Insbesondere Schleswig-Holstein hat zu denen gehört, die massiv darauf drängen, dass wir ein bundesweit einheitliches Programmierungsverfahren FISCUS erhalten.

(Beifall bei der SPD)

Letztlich - auch dafür stehe ich politisch - war es das Anliegen der Landesregierung, einen Partner zu finden, der in der Lage ist, uns auf unserem Wege zu einer umfassenden Modernisierung des Haushaltswesens mit den erforderlichen sachlichen und personellen Kapazitäten langfristig verlässlich zu begleiten.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich eine kurze Zwischenbilanz ziehen: Wo stehen wir? Das für die öffentliche Verwaltung weiterentwickelte System SAP R/3, das ja in der freien Wirtschaft ein gängiges Verfahren ist, wird in unterschiedlicher Ausprägung inzwischen in 14 Bundesländern eingesetzt. Hervorzuheben sind insbesondere Bremen, Hamburg und Baden-Württemberg, in denen ähnlich wie in SchleswigHolstein ein integratives Mittelbewirtschaftungs- und Kostenrechnungssystem eingesetzt wird.

Darüber hinaus wird es in den Städten Dortmund, Leverkusen, Stuttgart, Bielefeld, Wolfsburg, München, Münster, Bonn, Halle, Mannheim und Esslingen sowie in den Landschaftsverbänden Rheinland und OstWestfalen vom Prinzip her eingesetzt.

(Unruhe)

Mit dem Projektmanagement durch debis und der entwickelten Software von SAP hat sich das Land für ein zukunftssicheres Verfahren entschieden. Mit Genugtuung können wir feststellen, dass sich dieses System bei uns schrittweise zu einem Standardverfahren für die öffentliche Verwaltung entwickelt hat und weiterentwickeln wird. Vier Länder sind bereits dabei.

(Martin Kayenburg [CDU]: Nun lenken Sie doch nicht dauernd ab! - Anhaltende Unruhe)

Das Kernstück ist die dezentrale Mittelbewirtschaftung und die Ablösung des alten HKR-Verfahrens. Die dezentrale Mittelbewirtschaftung ist in SchleswigHolstein seit dem 1. Oktober 2001 flächendeckend eingeführt. Die Arbeit mit dem Verfahren ist unproblematisch.

Der zweite Punkt ist die Kosten- und Leistungsrechnung. Diese wird zurzeit in 70 Pilotbehörden eingeführt. Auch in diesen Behörden ist das Verfahren kein Problem. Das System funktioniert und läuft.

Übergangs- und Einführungsprobleme gab es beim Kassenverfahren. Heute können wir auch hier sagen: Das Tagesgeschäft läuft. Nur, die Umstellung auf kaufmännische Buchung war hier ein Anfangsproblem.

Herr Kubicki, wir werden darüber im Finanzausschuss berichten. Hier gilt es noch Rückstände abzuarbeiten.

Die finanziellen Belastungen im Zusammenhang mit der Einführung des neuen Systems liegen weit unter unseren ursprünglichen Annahmen. Es war richtig, zunächst eine konservative Kostenbetrachtung vorzunehmen. Wir haben das Parlament und den Rechnungshof vor jedem wichtigen Verfahrensschritt über unsere Absichten unterrichtet und Anregungen von dieser Seite beim weiteren Vorgehen berücksichtigt.

Ich verweise ausdrücklich darauf, dass wir auch in unserer Stellungnahme eingeräumt haben, dass es Fehler gegeben hat. Es ist die nicht vollständige Dokumentation. Auf den Vorwurf des Rechnungshofs, es habe haushaltsrechtliche Fehler gegeben, bleibe ich dabei, was ich im Ausschuss zu Protokoll gegeben habe: Unsere Mitarbeiter, die dafür zuständig waren, waren wirklich der Auffassung, es sei ein laufendes Verfahren und könnte so gehandhabt werden. Aber nach der Kritik des Rechnungshofs gestehen wir ein, dass wir in Zukunft anders verfahren werden.

Schließlich ist nicht zu leugnen, dass ein formal korrekter Vergabevermerk fehlt. Zwar stellen die vorhandenen Unterlagen, insbesondere die Finanzausschussvorlage, das Vergabeverfahren ausführlich dar, enthalten aber nicht alle Angaben, die für einen Vergabevermerk nach der VOL vorgeschrieben ist. Sie können diesen auch nicht ersetzen.

(Zuruf des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

Das ist bedauerlich, gerade im Finanzministerium. In der Tat trage ich dafür die Verantwortung und ich werde sie auch im Untersuchungsausschuss vertreten.

Wir haben bei diesem Projekt - sicherlich eines der umfassendsten Verwaltungsmodernisierungsverfahren - erkannt, dass es sich bei dem Vergabeverfahren um eine komplexe Materie handelt. In vielen großen Bereichen unserer Verwaltung, in denen das ordentliche Vergabeverfahren zum täglichen Geschäft zählt Straßenbauverwaltung, Bauverwaltung, GMSH -, wird das Vergaberecht natürlich ordnungsgemäß angewandt. Es gibt aber Bereiche, in denen das Vergabeverfahren eher die Ausnahme ist. Hier müssen und haben unsere Maßnahmen nach diesem Fehler eingesetzt. Es wird einen Vergabeleitfaden mit einer klaren Checkliste für die gesamte Landesverwaltung geben - er befindet sich bereits in der Ressortabstimmung - die Staatskanzlei plant Inhouse-Seminare zu dem Thema und bei größeren Projekten eine ständige Begleitung durch Fachleute für Vergaberecht, wie wir es jetzt mit der GMSH machen. Ich freue mich, dass

(Minister Claus Möller)

auch andere Ressorts auf den Sachverstand der GMSH zurückgreifen.

Dennoch bleibe ich dabei: Wichtig ist doch auch formale Verstöße will ich nicht kleinreden -, dass der wesentliche Sinn und Zweck eines ordentlichen Vergabeverfahrens, nämlich die Nachvollziehbarkeit der Entscheidung und die Transparenz des Verfahrens, beachtet worden sind. Mit der Kabinettsvorlage sowie den ausführlichen Behandlungen im Kabinett und im Finanzausschuss ist die Entscheidung zugunsten von debis/SAP unter Abwägung aller Gesichtspunkte transparent begründet worden. Ich kenne kein Vergabeverfahren, das in drei Finanzausschusssitzungen so intensiv und teilweise kontrovers unter Beteiligung des Rechnungshofs beraten wurde und letztlich zu einer einmütigen Zustimmung geführt hat.

(Beifall des Abgeordneten Günter Neugebau- er [SPD])

Auch in den Außenbeziehungen für die sonstigen Beteiligten gibt es nach damaligem Recht - das Recht ist inzwischen geändert worden - nichts zu beanstanden: Der Vertrag ist rechtswirksam und aus dem Verfahren ergeben sich für das Land vonseiten der übrigen Mitbewerber aus meiner Sicht keine nachteiligen Rechtsfolgen. Diese haben wir juristisch sorgfältig prüfen lassen. Es wird gegen das Land keine Schadensersatzforderungen geben.

Meine Damen und Herren, wie Sie spätestens seit der Presseerklärung des Rechnungshofs vom 26. Januar wissen, ist der Rechnungshof der Ansicht, die Gesamtkosten innerhalb von 15 Jahren betrügen 419 Millionen € und dem Land sei ein Schaden von 511.000 € entstanden. In seinen Bemerkungen 2002 wiederholt er diese Vorwürfe. Dass er trotz umfangreicher Erklärungen des Finanzministeriums nicht ein Jota von seiner damaligen Auffassung abweicht, zeigt auch die Tücken seiner öffentlichen Vorfestlegung.

(Beifall der Abgeordneten Ursula Kähler [SPD], Konrad Nabel [SPD] und Günter Neugebauer [SPD])

Dem Rechnungshof konnte bei seiner ersten vorläufigen Stellungnahme nicht bekannt sein, dass eine gegenüber den ursprünglichen Planungen reduzierte Anwendungstiefe der Kosten- und Leistungsrechnung in einigen Behörden den Personalbedarf vermindern wird und nach unserer Auffassung damit die Gesamtkosten für 15 Jahre auf voraussichtlich 238 Millionen sinken werden. Das bleibt die Messlatte, die zu überprüfen sein wird. Über den genauen Minderbedarf kann man sicherlich unterschiedlicher Auffassung sein, die vollständige Nichtberücksichtigung bleibt aus meiner Sicht aber unverständlich.

Der Rechnungshof nimmt bei seinen Vorwürfen beharrlich nicht zur Kenntnis, dass sich die Möglichkeit von Synergieeffekten auch bei debis ergeben hat. Er ignoriert, dass unser Vertragspartner debis und nicht SAP war und er ignoriert den Nachweis, dass der Beginn von Lizenzpflege und deren Kosten üblicherweise mit dem Kauf dieser Lizenzen und nicht erst ab Nutzungsbeginn einsetzt. Unser Vertrag sorgt dabei noch dafür, dass die Zahlungen der Gebühren erst verzögert und gestaffelt einsetzen.

(Martin Kayenburg [CDU]: Das stimmt doch gar nicht! Sie verstehen von SAP nichts!)

Den Preisnachlass im Innenverhältnis zwischen diesen beiden Partnern, unserem Vertragspartner und dem Subunternehmer, die sich das teilen, muss auch der Rechnungshof akzeptieren.

(Zuruf des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

Wer diese Fakten nicht zur Kenntnis nehmen will, kann die rein fiktiven Mehrkosten weiter anprangern. Nach meiner Auffassung ist dem Land kein Schaden, schon gar nicht in der vom Rechnungshof benannten Höhe entstanden.

Wir haben eine wirtschaftlich sinnvolle und zukunftsträchtige und damit richtige Entscheidung getroffen. Die Entscheidungen haben wir nachvollziehbar getroffen und - ich meine auch - gerade gegenüber dem Parlament wie bei kaum einem Vergabeverfahren transparent erläutert. Die Wünsche des Rechnungshofs und die Anforderungen des Finanzausschusses wurden - soweit möglich und rechtlich zulässig - berücksichtigt. Die vereinbarten Kündigungsmöglichkeiten sind für das Land - wie wir meinen - wirkungsvoll geregelt und entsprachen der Intention des Finanzausschusses.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Quatsch!)

Meine Damen und Herren, die Entscheidung für debis/SAP war richtig. Das Verfahren ist gegenüber dem Parlament und dem Rechnungshof transparent dargestellt worden. Dem Land Schleswig-Holstein ist kein finanzieller Schaden entstanden.

Das ist mein Fazit. Ich denke, zu meiner Verantwortlichkeit und zu den Fehlern, die passiert sind, habe ich mich deutlich erklärt.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Beratung.

(Vizepräsidentin Dr. Gabriele Kötschau)

Herausgegeben vom Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtags - Stenographischer Dienst

Ich weise zunächst darauf hin, dass nach Artikel 18 Abs. 1 Satz 1 der Landesverfassung der Landtag verpflichtet ist, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, wenn der Antrag von einem Fünftel der Mitglieder des Parlaments unterstützt wird. Ich stelle fest, dass der Antrag der Fraktion der CDU von einer ausreichenden Zahl von Abgeordneten unterstützt wird.

Wir kommen jetzt zu der Beschlussfassung nach § 2 Abs. 2 des Untersuchungsausschussgesetzes. Ich lasse zunächst über den Antrag der Fraktion der SPD, Drucksache 15/1803 (neu), abstimmen. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dieser Antrag ist einstimmig angenommen.

Ich lasse jetzt über den Antrag der Fraktion der CDU, Drucksache 15/1785, mit den soeben beschlossenen Ergänzungen abstimmen. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen! - Enthaltungen? - Dies ist ebenfalls einstimmig angenommen. Ich stelle fest, dass der Untersuchungsausschuss damit eingesetzt ist.

Meine Damen und Herren, mir bleibt jetzt nur noch, die Sitzung zu schließen und bekannt zu geben, dass die nächste ordentliche Tagung des Landtages am 15. Mai beginnt. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Nachmittag.

Die Sitzung ist geschlossen.