Protokoll der Sitzung vom 15.05.2002

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zuruf des Abgeordneten Wolf- gang Kubicki [FDP])

Nach § 58 der Geschäftsordnung besteht nun Rederecht. Wird dieses Rederecht in Anspruch genommen? - Das ist nicht der Fall.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf federführend dem Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wird Mitberatung gewünscht?

(Renate Gröpel [SPD]: Finanzausschuss! - Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Wirtschafts- ausschuss und Finanzausschuss!)

- Okay, Mitberatung Wirtschaftsausschuss und Finanzausschuss. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Dann haben wir das einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 42 auf:

Chancen der UMTS-Technologie für SchleswigHolstein

Landtagsbeschluss vom 22. März 2002 Drucksache 15/1711

Bericht der Landesregierung Drucksache 15/1823

Zur Berichterstattung erteile ich dem Minister für Wirtschaft, Technologie und Verkehr das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn sich eine Technologie am Markt durchgesetzt hat, wenn die Nutzer damit vertraut sind und wenn auch die Anbieter schwarze Zahlen schreiben, hat im Nachhinein jeder gewusst, dass es sich hierbei um eine Zukunftstechnologie handelt. Nachher sind immer alle schlauer.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Wer hat vorausgesehen, wie schnell die Mobilfunktelefonie auf dem Markt vordringt! Wenn wir ehrlich sind, haben sich viele von uns damals getäuscht.

(Minister Dr. Bernd Rohwer)

Ohne Risiken gibt es keine Innovation und auch nicht ohne Rückschläge. Auch UMTS ist eine Technologie mit Risiken, aber sie kann ganz neue Anwendungen, ganz neue Märkte eröffnen. UMTS kann gerade für Wirtschaft und Beschäftigung in Schleswig-Holstein neue Impulse bringen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Die Telekommunikation ist bei uns - wie Sie wissen stark vertreten. Ich nenne nur Motorola, MobilCom, Talkline, Ticcon und andere.

(Lothar Hay [SPD]: KomTel!)

Wir sollten alles tun, um diesen Bereich zu stärken. Die Landesregierung misst der UMTS-Technologie große Bedeutung bei. Sie unterstützt diesen Sektor dort, wo es sinnvoll und ordnungspolitisch vertretbar ist. Deswegen haben wir diesen Bericht auch gern gegeben.

Wir haben uns auf Bundesebene, insbesondere im Regulierungsbeirat, dafür eingesetzt, dass UMTSLizenzerwerber beim Netzaufbau im Rahmen des Wettbewerbsrechts kooperieren dürfen. Wir unterstützen die Entwicklung sinnvoller UMTS-Anwendungen.

Was sind die Anwendungen, die den Marktdurchbruch schaffen? Sind es die mobile Navigation, die mobilen Reiseinformationen, die Bildübertragungen, Videokonferenzen, elektronischer Handel? Wir fördern ein F- und E-Vorhaben an der Fachhochschule und der Universität Flensburg, speziell mit dem Kompetenzcluster Personal Messaging, eine sehr interessante Technologie.

Ein weiterer Knackpunkt beim UMTS-Start ist der Aufbau der Mobilfunknetze selbst. Der Branchenverband BITKOM hat erst vor wenigen Tagen Alarm geschlagen - und dies, obwohl die Zeit knapp wird, wie wir wissen. Die Landesregierung kann auch dieses Problem nicht lösen, aber wir tragen unseren Teil dazu bei. Der Innenminister hat den beteiligten Stellen durch Erlass Hilfen zur bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen Orientierung gegeben. Genehmigungsanträge werden zügig abgearbeitet. Die Landesregierung begrüßt in diesem Zusammenhang die Lizenzauslegungen der Regulierungsbehörde zum Infrastruktursharing und die mit der Bundesregierung vereinbarte vorsorgende Selbstverpflichtung der Mobilfunkbetreiber.

Ein weiteres und wichtiges Thema sind immer wieder auch die möglichen Auswirkungen elektromagnetischer Felder auf die menschliche Gesundheit - Stichwort „Elektrosmog“. Ich glaube, wir sind alle gut beraten, wenn wir dieses Problem sehr ernst nehmen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten Klaus-Dieter Müller [SPD] und Anke Spoorendonk [SSW])

Ohne sachliche Aufklärung, ohne laufende Beobachtung von Messergebnissen und ohne wissenschaftliche Wirkungsanalysen wird es keine Akzeptanz und damit keinen Markterfolg geben.

(Vereinzelter Beifall)

Wir sollten sachlich aufklären. Die Grenzwerte werden bisher unterschritten und nach allem, was wir wissen, werden sie auch künftig unterschritten. Wir werden die Entwicklung aber weiter beobachten müssen. Die Datenbank mit einer Übersicht über Sendemaststandorte in den Kommunen soll - wie mir gerade im Regulierungsbeirat mitgeteilt wurde - ab Juni verfügbar sein. Dann wird sie hoffentlich auch gefüllt sein, sodass in den jeweiligen Kommunen klar ist, wo die Standorte sind.

Meine Damen und Herren, keiner von uns kann sicher sein, welche Entwicklung UMTS im Einzelnen nehmen wird. Das ist auch nicht unsere Aufgabe. Aber wir sollten gemeinsam dazu beitragen, dass die Chancen dieser neuen Technologie genutzt werden. Ohne Risiko gibt es keinen Gewinn.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich danke dem Herrn Minister für den Bericht. Ich eröffne jetzt die Aussprache und erteile das Wort der Frau Abgeordneten Schmitz-Hübsch.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als wir Anfang März diesen Berichtsantrag gestellt haben, standen wir ganz unter dem Eindruck von negativen Berichten im Zusammenhang mit UMTS: Es wurden Zweifel daran geäußert, ob sich die Milliardenausgaben für die Lizenzen jemals rechnen würden. Andere Meldungen hoben die Ängste der Bürger vor einer verstärkten Strahlenbelastung durch UMTS hervor.

Von den Chancen der neuen Technik wurde dagegen seltener geredet. Nur wenigen Menschen ist der grandiose technische Fortschritt dieser dritten Generation der mobilen Kommunikation bewusst: Die Übertragungsgeschwindigkeit von Daten beträgt bei UMTS 384 kilobit pro Sekunde, an günstigen Standorten sogar bis zu 2 megabit pro Sekunde. Zum Vergleich: Die Leistung eines ISDN-Anschlusses, der inzwischen in viele Haushalte Einzug gehalten hat, bietet eine Über

(Brita Schmitz-Hübsch)

tragungsgeschwindigkeit von 64 kilobit pro Sekunde und das ist schon sehr schnell.

Zur Erinnerung: Dies war die Situation vor der CeBIT, auf der sich Minister Rohwer mit einem UMTS-Gerät ablichten ließ, und vor den Freudenmeldungen, dass Siemens das Motorola-Gerät kaufen will, weil die Firma Siemens mit einer eigenen Entwicklung nicht erfolgreich gewesen ist.

Heute kann die Landesregierung in ihrem Bericht vermelden, dass das UMTS-Gerät A 820 - nicht zu verwechseln mit der A 20; aber die kommt ja nun auch voran - ab dem dritten Quartal in Flensburg in die Produktion gehen wird. Dort soll die weltweite Serienproduktion stattfinden - ein großer Erfolg für diesen schleswig-holsteinischen Standort!

(Beifall)

Ein noch nicht ganz geklärtes Kapitel ist das Tempo des Netzaufbaues für UMTS. Hier gibt es widersprüchliche Meldungen. Der Bericht, für den ich dem Wirtschaftsministerium danke

(Beifall der Abgeordneten Renate Gröpel [SPD])

- gut, Frau Gröpel, dass auch Sie dankbar sind -, geht über die Fragen des Baurechts und der Genehmigungen etwas locker hinweg. Die Bearbeitung erfolge in aller Regel zügig, die Betreiber betrachteten die Situation im Wesentlichen positiv. - Was ist denn mit den Gemeinden, wo das nicht zügig geschieht? Weshalb hat die Wirtschaftsministerkonferenz in Hamburg am 3. Mai 2002 eine Genehmigungsfreiheit für Mobilfunksendeanlagen beschlossen? Laut Mitteilung des niedersächsischen Wirtschaftsministeriums hatten Mobilfunkbetreiber in den vergangenen Monaten wiederholt darauf hingewiesen, dass der Netzaufbau und Netzausbau massiv behindert werde. Ist SchleswigHolstein davon ausgenommen?

Im Übrigen ist es den Mobilfunkbetreibern nur zu wünschen, dass das Netz zügig aufgebaut werden kann. Die Last der Lizenzkosten drückt, der Netzaufbau ist ebenfalls mit hohen Kosten verbunden. In der Zentrale bei MobilCom in Büdelsdorf sind allein 100 Menschen damit beschäftigt, diesen Infrastrukturausbau voranzutreiben. Deshalb ist es positiv zu werten, dass die Regulierungsbehörde den Wünschen der Lizenznehmer nach einem Infrastruktursharing so weit wie möglich entgegenkommt.

Die Landesregierung bejaht das Potenzial, das die Konzentration von Netzbetreibern, Endgeräteherstellern und kleineren Dienstleistungsunternehmen für UMTS im Landesteil Schleswig darstellt. Dies könne als Profilbildung bezeichnet werden und sei für die

Entwicklung von Standortvorteilen nutzbar. Deshalb ist unter der Betreuung der ttz im Raum Flensburg das Kompetenz-Cluster Personal Messaging zustande gekommen, das vor allem neue Anwendungen der UMTS-Technik im Bereich Sprach- und Datenkommunikation entwickeln soll. Es besteht nämlich die Gefahr, dass es nur als Spaßgerät angeboten werden soll, und das wird dieser Technik nicht gerecht. Deswegen werden zu Recht neue Anwendungen entwikkelt. An diesem Projekt beteiligen sich die beiden Flensburger Hochschulen, die Firmen Ticcon AG, about:media AG, KomTel, KIS GmbH, Motorola selbst, T-Mobil und NordwestLotto. Die Ergebnisse sollen das Know-how der Partner und das technologische Profil des Landes vergrößern. Eine Beschreibung des Projektes kann man im Internet abrufen unter der Adresse: www.KompetenzCluster.de.

(Beifall der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])

Es wird ein Finanzvolumen von über 1 Million € ausgegeben und die Landesregierung fördert das mit fast einer halben Million. Dafür möchte ich mich bedanken.

(Beifall der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])

Ich möchte der Landesregierung meine Anerkennung dafür aussprechen - Herr Minister Rohwer, das kommt nicht so oft vor -, dass sie die Entwicklungschancen von UMTS erkannt hat und den beteiligten Firmen mit Rat und Tat zur Seite steht. Hier geht es um eine wirklich innovative Technik und - das ist sehr wichtig - um die Unterstützung des Strukturwandels im Landesteil Schleswig, und der hat solche Hilfen bitter nötig.

(Beifall beim SSW)

Jetzt müssen wir nur noch das Wissen darüber unter die Leute bringen. Eigentlich würde ich hier gern fordern, dass ein Mitarbeiter des Ministeriums zu einem Mr. UMTS gemacht wird. Aber dieser Begriff ist in Schleswig-Holstein zurzeit leider „verbrannt“.

(Beifall der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])

Ich beantrage die Überweisung des Berichts zur abschließenden Beratung in den Wirtschaftsausschuss. Vielen Dank.