Protokoll der Sitzung vom 16.05.2002

Zwar haben wir in diesem Bereich einige Verbesserungen und ich danke der Frau Ministerin, dass sie diese ermöglicht hat, aber es leuchtet nicht ein, dass die Leute, die am wenigsten Geld haben, die geringsten Zuschüsse für Reisekosten bekommen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, FDP und SSW)

Dazu sage ich einmal selbstkritisch: Wir reden ja gleich noch über unsere Diäten. Lassen Sie uns vielleicht doch lieber an dieser Stelle ein paar Pfennig bei der Reisekostenvergütung sparen, damit sie für diese jungen Leute zur Verfügung stehen.

(Lachen und Widerspruch bei SPD, CDU und FDP)

- Jetzt höre ich die Buh-Rufe. Hic Rhodos, hic salta! Dies wäre aber eine Geste, die Folgen zeigen würde.

(Beifall der Abgeordneten Sylvia Eisenberg [CDU] - Zurufe)

- Ich sehe, mein Vorschlag löst lebhafte Debatten aus. Das ist immer so, wenn man selber Worten Taten folgen lassen muss.

(Klaus Schlie [CDU]: Nein! - Dr. Heiner Garg [FDP]: Machen Sie das doch!)

Ich hoffe, dass die lebhafte Debatte auch im Ausschuss Folgen zeigt und wir in den Haushaltsberatungen mit einer Stimme sprechen, wenn es um die Verbesserung der Situation von Berufsschulreferendaren geht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht der Landesregierung über die Gewinnung von Lehrkräften gibt einen guten Überblick über die viel

fältigen Maßnahmen, die ergriffen worden sind, um in den letzten Jahren den Bedarf an Lehrkräften bei steigenden Pensionierungszahlen und gleichzeitig steigenden Schülerzahlen in den Griff zu bekommen. Die Landesregierung unterstreicht zwar, dass die Situation beim Lehrerbedarf zum Schuljahresbeginn 2001/2002 nicht so schlecht ist, wie sie manchmal in der Öffentlichkeit dargestellt wird - auch dazu ist heute schon einiges gesagt worden -, denn für die Einstellung in den Schuldienst lagen circa 3.400 Bewerbungen vor.

Hiervon wurden über 1.200 Lehrerinnen und Lehrer übernommen, während rund 400 Bewerber befristete Verträge erhielten. Also gab es circa doppelt so viele Bewerberinnen und Bewerber, wie sie im Land gebraucht werden. Auch für die nächsten Jahre rechnet das Bildungsministerium mit einem Überhang an Bewerbungen.

Dennoch gibt es aus Sicht des SSW überhaupt keinen Grund zur Entwarnung. Zum einen überdeckt die positive Lehrerbedarfsdeckung insgesamt, dass es in vielen Regionen und - bezogen auf bestimmte Fächer sehr wohl schon heute große Probleme bei der Besetzung von Lehrerstellen gibt und dass die Klagen der Eltern über fehlende Unterrichtsversorgung lauter werden und lauter geworden sind, zum anderen wissen wir, dass Schleswig-Holstein mittelfristig Schwierigkeiten bei der Besetzung von Lehrerstellen bekommen wird. Alle Prognosen weisen in diese Richtung. Gerade deshalb hat das Bildungsministerium ja im letzten Jahr die Initiative zur Gewinnung von neuen Lehrkräften in Gang gesetzt. Ob nun alle Maßnahmen gleich sinnvoll sind, sei dahin gestellt.

So bewilligt die Landesregierung zum Beispiel seit dem 6. Juni 2001 keine Anträge mehr auf Altersteilzeit von Beamtinnen und Beamten - es sei denn, sie haben eine Schwerbehinderung mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 %. Auch das ist heute schon angesprochen worden. Es ist sicherlich noch zu früh zu sagen, welche Folgen diese Entscheidung für den Schuldienst haben wird.

Aber eines gebe ich doch zu bedenken: In seinen Bemerkungen 2001 hat der Landesrechnungshof darauf hingewiesen, dass gerade Lehrerinnen und Lehrer häufig wegen Dienstunfähigkeit frühpensioniert werden. Dafür gibt es zwar keine eindeutige Erklärung, aber man kann vermuten, dass gerade dieser Beruf doch bei einigen Lehrkräften langfristig zu Verschleißkrankheiten führt. Von daher muss die Frage erlaubt sein, ob die Abschaffung der Altersteilzeit in diesem Bereich nicht eher kontraproduktiv ist. Durch die Beibehaltung der Altersteilzeit gäbe es die Möglichkeit, die wöchentliche Belastung für diese Lehrer

(Anke Spoorendonk)

gruppe zu reduzieren, damit sie so vielleicht länger im Schuldienst bleiben kann.

Positiv bewertet der SSW allerdings die Bemühungen, neue Lehrerinnen und Lehrer aus Ostdeutschland für Schleswig-Holstein anzuwerben; denn Länder wie Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern werden in den nächsten Jahren einen Lehrerüberhang bekommen. Hinzu kommt, dass der Beamtenstatus in Schleswig-Holstein für viele Bewerber aus diesen Bundesländern attraktiv ist. Wir erwarten also von der Landesregierung, dass sie sich weiter dafür einsetzt, die bürokratischen Hemmnisse bei der Übernahme von Lehrkräften aus Brandenburg und aus MecklenburgVorpommern so weit wie möglich abzubauen.

Wir betrachten auch - das muss ich sagen - die so genannte „Welcome-Back-Aktion“ für ehemalige Lehrerinnen und Lehrer als eine gute Initiative, auch wenn bisher nur etwa 70 Lehrkräfte auf diese Art neu für den Schuldienst gewonnen werden konnten, und wenn es auch - laut Presseberichten und wir haben es auch von anderen gehört - bei der Umsetzung dieser Aktion einiges zu bemängeln gab. Ich meine, es ist wichtig, diese Kritik ernst zu nehmen, und ich meine, es ist wichtig, auch dem Ministerium zu sagen, dass mehr Dienstleistung und weniger Behörde angebracht ist.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Naturgemäß sind die Maßnahmen zur Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung und der Abbau von Ausgleichsstunden, was ja zur Verbesserung der Unterrichtsversorgung an den Schulen beiträgt und somit rein rechnerisch die Anzahl der Lehrerstunden erhöht, von den Gewerkschaften und den Lehrerverbänden nicht gerade mit Freude begrüßt worden. Allerdings ist Schleswig-Holstein nicht das einzige Land, in dem eine Verlängerung der Arbeitszeit angeordnet wird. Auch ich sage: Siehe das Beispiel Hamburg!

Wer aber einerseits - das möchte ich hinzufügen - den Beamtenstatus fordert und somit höhere Bezahlung und bessere Pensionsbedingungen bekommt, muss andererseits auch die negativen Seiten dieses Status akzeptieren. Dazu gehört, dass die Unterrichtsverpflichtung für beamtete Lehrkräfte per Beschluss der Landesregierung erhöht werden kann. Man muss also beides sehen.

Vor dem Hintergrund der Arbeitszeitverlängerung hat es auch eine erregte Diskussion darüber gegeben, ob die Landesregierung ihre Zusage aus dem Wahlkampf eingehalten hat, in diesem Jahr 200 neue Lehrerinnen und Lehrer einzustellen. Natürlich hat die GEW nicht Unrecht, wenn sie die Rechnung aufmacht, dass von

den versprochenen 200 neuen Lehrerstellen 78 nicht besetzt werden, da diese nur auf dem Papier als so genannte Bewirtschaftungsreserve bestehen.

(Beifall bei der FDP)

Aber für den SSW ist entscheidend, dass die Schülerinnen und Schüler dieses Jahr tatsächlich einen Mehrunterricht in Höhe der versprochenen 200 Lehrerstellen bekommen. Das wird durch die Verlängerung der Arbeitszeit und durch Neueinstellungen sichergestellt. Allerdings dürfen wir nicht blauäugig sein. In Zukunft muss mehr in die Unterrichtssituation der schleswig-holsteinischen Schulen investiert werden. Nur so wird es uns langfristig gelingen, die angesprochenen Probleme in den Griff zu bekommen.

Ich komme jetzt noch zu dem CDU-Antrag, auch wenn dazu heute das Meiste schon gesagt worden ist. Es ist richtig, diesen Antrag ernsthaft zu prüfen. Ich finde es auch richtig, dass wir uns im Bildungsausschuss noch einmal mit den Detailfragen auseinander setzen. Ich kann auch nur bestätigen, dass natürlich andere Faktoren eine genauso große Rolle spielen, wenn es darum geht, Lehrkräfte zu gewinnen. Aber dennoch gibt es Probleme. Ich denke auch, dass wir diese Probleme dann am besten einvernehmlich lösen sollten. Dabei wissen auch wir natürlich, dass das Problem die Landeskasse sein wird. Das ist ja - das wissen Sie ebenfalls - kein unwesentlicher Gesichtspunkt. Von daher können wir den Referendaren auch nicht das Blaue vom Himmel versprechen, aber ich denke, wir sollten weiter daran arbeiten, hier zu einer guten Lösung zu kommen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und Beifall der Abgeordneten Lars Harms [SSW], Karl- Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Jutta Schümann [SPD])

Das Wort hat die Ministerin für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Forschung.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon manchmal mit diesen Debatten hier eine Crux. Es sind immer die gleichen Rituale, die hier ablaufen. Die Opposition malt schwarz, keine Maßnahme taugt etwas,

(Beifall der Abgeordneten Jutta Schümann [SPD])

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

es ist alles Blödsinn, nichts bewirkt etwas, nur Missstände werden aufgezeigt. Sie würden es einem wirklich auch leichter machen

(Sylvia Eisenberg [CDU]: Dafür sind wir nicht hier!)

- nein, aber mein Satz ist auch noch nicht zu Ende; Fehler und Missstände sind natürlich auch einzugestehen und natürlich ist auch nicht alles zum Besten bestellt -, wenn Sie sich nicht immer nur hier hinstellen würden und alles, aber auch wirklich alles mies machen würden

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW - Thorsten Geißler [CDU]: Jetzt ist sie beleidigt!)

- nein, ich bin gar nicht beleidigt - und auch nicht immer alles Heil in der einen Lösung, nämlich mehr Geld, suchen würden, jedoch immer den Nachweis schuldig blieben, woher das Geld denn kommen soll. So einfach haben Sie es sich eben schon bei der Klinikdiskussion gemacht und jetzt wieder das Gleiche.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD - Jost de Jager [CDU]: Das stimmt doch gar nicht! - Weitere Zurufe von der CDU)

Ich stehe ja überhaupt nicht an zu leugnen - ich weiß es auch aus eigener Erfahrung und aus der Erfahrung in der Familie -, dass Referendare schlecht bezahlt werden. Übrigens: Im Justizbereich werden sie noch schlechter bezahlt.

(Thorsten Geißler [CDU]: Ja, das ist ganz schlimm!)

Das sind auch 25- bis 28-jährige junge Leute, die das betrifft. Das ist ein genereller Missstand, finde ich. Der betrifft den Nachwuchs im öffentlichen, im staatlichen Bereich und wir müssen uns hier grundsätzlich fragen, ob das so richtig ist, was wir da mit dem Nachwuchs machen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der SPD)

- Ja, natürlich.

Aber das ist eine Debatte, die dürfen nicht nur die Bildungspolitiker führen, sondern die betrifft auch die Finanzpolitiker und die betrifft die Innenpolitiker, die betrifft uns alle miteinander.

Meine Damen und Herren, ich würde in den Mangelfächern natürlich gern und sofort den Referendaren diese Zuschläge zahlen. Aber ich habe das Geld nicht im Haushalt. Wenn es in den nächsten Haushalt kommen soll, müssen wir uns alle miteinander gewaltig anstrengen. So ist doch die Lage. Nun werfen Sie mir

doch nicht vor, dass ich das Geld nicht plötzlich aus der Tasche ziehen kann. Das muss ordnungsgemäß in den nächsten Haushalt. Ich hoffe, dass uns das zumindest ein Stück weit gelingen wird.

Nun zu Ihrem Missverständnis, Frau Eisenberg, was Ländertauschverfahren und Abgabeverfahren Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern angeht! Ländertauschverfahren ist etwas anderes; das ist eine Erleichterung für diejenigen, die schon lange nach Schleswig-Holstein wollen, aber dies aus Gründen der bürokratischen Hemmnisse zwischen den Bundesländern - das ist auch ein Föderalismusproblem - eben nicht gekonnt haben. Das ist in Zukunft viel einfacher.

Weil die Nachfrage nach Schleswig-Holstein erheblich größer ist als umgekehrt, versprechen wir uns davon nicht zu Unrecht etwas. Lieber Herr Kollege, Schleswig-Holstein ist ein attraktives Bewerbungsland. Das mag Ihnen irgendwie nicht gefallen, aber es ist wirklich so,