Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nun liegt er also auf dem Tisch - die lang ersehnte und seit anderthalb Jahren heiß diskutierte Änderung der Kommunalverfassung, die heute in zweiter Lesung verabschiedet werden soll. Dabei müssen wir leider feststellen, dass Sprichwörter nicht unbedingt immer zu
Die Diskussion hatte mit einem Gesetzentwurf der CDU begonnen, der das so genannte Ehrenamt stärken sollte, der aber offensichtlich nicht gründlich ausdiskutiert und nicht mit der eigenen Partei abgestimmt war, denn nach nicht allzu langer Zeit korrigierte die CDU ihren ersten Entwurf in wesentlichen Punkten. Das war durchaus begrüßenswert, denn der neue Entwurf näherte sich den FDP-Vorstellungen erheblich an. Auf Druck ihrer eigenen Bürgermeister rückte die CDU zum Beispiel von ihrem Vorhaben ab, den Hauptausschuss wieder als verwaltungsleitendes Organ einzurichten. Damit wäre das Trennungsprinzip - auf der einen Seite der direkt gewählte Bürgermeister oder Landrat als Verwaltungschef, auf der anderen Seite die kommunalen Mandatsträger als Beschluss- und Kontrollorgan - aufgegeben worden und es gäbe keine klaren Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten. Transparenz wäre verloren gegangen.
Auch ein weiterer wesentlicher Punkt tauchte im korrigierten Entwurf der CDU auf: die Direktwahl der ehrenamtlichen Bürgermeister in den amtsangehörigen Gemeinden, eine von uns seit vielen Jahren erhobene Forderung.
Meine Damen und Herren, selbstverständlich muss jede Partei das Recht haben, ihre Ansichten nach intensiver Diskussion zu ändern, dann aber bitte, bevor die parlamentarische Arbeit beginnt, und nicht, nachdem sie schon begonnen hat.
Um Längen geschlagen wurde die CDU aber von der SPD und den Grünen. Nach den schlechten Erfahrungen, die der Landtag mit der Enquete-Kommission zur Weiterentwicklung der Beziehungen zwischen dem Land und den Kommunen und den Kommunen untereinander gemacht hatte, war es für uns nicht verständlich, schon wieder einen Sonderausschuss einzusetzen. Wir lehnten diesen - leider erfolglos - ab. Bereits nach den ersten Beratungen im Sonderausschuss wurden unsere Befürchtungen bestätigt. Die Beratungen sollten verzögert werden, bis SPD und Grüne Klarheit darüber hatten, was sie selbst und miteinander beschließen wollten. Der Ausschuss tagte also bis zum Herbst, ohne Beschlüsse zu fassen, und erging sich in Unverbindlichkeiten. Der Grund wurde prompt nachgeliefert. Ich zitiere aus dem Beschluss des SPDLandesparteitages vom Oktober des letzten Jahres:
„Die Landtagsfraktion hat ihre Zusage, vor den Beschlüssen des Landesparteitages im bereits angelaufenen Gesetzgebungsverfahren keine unumkehrbaren Festlegungen zu treffen, vorbildlich eingelöst.“
Meine Damen und Herren, das kann ja wohl nicht wahr sein. Da tagt der Sonderausschuss mit seinem Mitgliedern, Vertretern des Wissenschaftlichen Dienstes, des Innenministeriums, der kommunalen Landesverbände, der Geschäftsführung des Ausschusses und allen sonstigen Beteiligten und wird doch nur hingehalten, bis die SPD sich dann endlich aufrafft, auf einem Landesparteitag ihre eigenen Vorstellungen zu formulieren. Das war eine Verhöhnung aller ernsthaft interessierten Beteiligten und der vielen Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker im Lande.
Innerparteiliche Diskussionen: Ja - aber diese sollte abgeschlossen werden, bevor eine entsprechende Beratung des Parlaments stattfindet.
Die Grünen hatten im Sommer letzten Jahres für Belustigung gesorgt. Auf einem Parteitag im Juni in Ekkernförde sprachen sie sich für die Abschaffung der Direktwahl der hauptamtlichen Bürgermeister und Landräte aus. Gleichzeitig sollte aber nach ihren Vorstellungen die Fünfprozentklausel im Kommunalwahlrecht abgeschafft werden. Das war eine merkwürdige Kombination von Forderungen. Die Grünen hatten wahrscheinlich eines nicht begriffen: Die starke Stellung der direkt gewählten Bürgermeister war und ist eines der Hauptargumente für die Abschaffung der Fünfprozentklausel. Diese starke Stellung garantiert nach Auffassung der Verfassungsgerichte unter anderem die Funktionsfähigkeit der Verwaltung und der Vertretung. Wer also die Direktwahl abschaffen will, erschwert oder verhindert die Abschaffung der Fünfprozentklausel. Vielleicht sollten Sie darüber einmal nachdenken, Herr Hentschel. Die Fünfprozentklausel im Kommunalwahlrecht war sowieso eines der interessanten Themen. Wir hatten im Mai letzten Jahres einen Antrag zur Abschaffung dieser Klausel eingebracht. In der letzten Sitzung des Sonderausschusses am 3. Juni wurde dieser Antrag mit den Stimmen von SPD und Grünen abgelehnt. Die Grünen stellten durch ihren Fraktionsvorsitzenden Hentschel aber unmissverständlich fest, dass sie der Meinung seien, die Fünfprozentklausel sei verfassungswidrig. Sie fühlten sich aber an den Koalitionsvertrag gebunden, der vorsah, dass erst ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht abgewartet werden sollte, bevor die Koalition in dieser Sache eine Entscheidung trifft.
fassungswidrig ist. Der Gesetzgeber ist grundsätzlich gehalten, zu begründen und zu belegen, warum er einen Teil der Wählerinnen und Wähler von der Teilhabe an der Vertretung ausschließt. Die SPD wartete aber nur wieder mit bekannten Vermutungen auf. Ich zitiere den Kollegen Puls aus seiner eigenen Presseerklärung vom 3. Juni dieses Jahres:
„Damit bleibt es in Schleswig-Holstein dabei, dass die Bildung stabiler, sachorientierter Mehrheiten in den Kommunalparlamenten nicht ständig durch Splittergruppen gefährdet wird, und die Bürger bleiben davor geschützt, dass nicht ausreichend leistungsfähige Kleinstparteien, privat gesteuerte Interessenvereinigungen und extremistisch ausgerichtete Randgruppen die Rathäuser überschwemmen.“
Herr Kollege Puls, was Sie da sagen, zeigt, welches Demokratieverständnis Sie offensichtlich haben und wie Sie beispielsweise kleinere Wählervereinigungen einschätzen.
Ich hatte sie wenigstens bisher immer anders eingeschätzt. Dabei wissen Sie es besser: In den Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Sachsen - in Mecklenburg-Vorpommern liegt dazu inzwischen eine Verfassungsgerichtsentscheidung vor - gibt es die Fünfprozentklausel im Kommunalwahlrecht nicht mehr. In keinem einzigen Fall wurde die Funktionsfähigkeit einer Kommune gefährdet. Die SPD als Verweigerer müsste aber konkret beweisen, dass diese Gefahr besteht. Sie kann es nicht. Meine Damen und Herren von der SPD, kommen Sie zur Besinnung und stimmen Sie endlich der Abschaffung dieser Klausel zu. Sie sind in erster Linie gewählt worden, um die Interessen der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes zu vertreten, aber nicht dafür, Ihren Genossinnen und Genossen in den kommunalen Vertretungen die politische Konkurrenz mit verfassungswidrigen Beschlüssen vom Halse zu halten.
Zweitens. Die Grünen hätten den Koalitionsvertrag durch ein abweichendes Votum zur SPD nicht gebrochen. Das von ihnen im Koalitionsvertrag angesprochene Verfahren der ÖDP vor dem Bundesverfassungsgericht ist bereits im März letzten Jahres entschieden worden. Die Klage wurde - wir wissen es aus formalen Gründen zurückgewiesen, nicht aus der
Sache heraus. Herr Hentschel, Sie hatten also freie Hand, eine politische Entscheidung zu treffen, aber Sie haben gekniffen.
Drittens. Ein letzter Punkt zum grünen Selbst- und Demokratieverständnis: Nachdem sich die Grünen also unredlich hinter dem Koalitionsvertrag, den sie nicht brechen wollten, versteckt hatten, führte Herr Hentschel aus, dass er die Fünfprozentklausel im Kommunalwahlrecht für verfassungswidrig halte; ich sagte dies eben bereits. Diese Aussage bedeutet klipp und klar, dass Sie den Erhalt der Koalition über die Verfassung stellen. Herr Hentschel, Sie stimmen gegen Ihre eigene Überzeugung. Sie sollten Ihr Verhalten einmal vor dem Hintergrund Ihrer Abgeordnetenpflichten überprüfen. In diesem Punkt sind Sie offensichtlich ein gewissenloser Abgeordneter und zeigen das wahre grüne Gesicht: Machterhalt über alles, auch wenn Sie sich dabei selbst zum Erfüllungsgehilfen der SPD degradieren.
Viertens. In seiner Pressemeldung führte Herr Hentschel aus, man habe nun den Weg für eine weitere Verfassungsklage der PDS gegen die Fünfprozentklausel frei gemacht. Das stimmt. Sie vergessen aber, dass Sie mit Ihrem Abstimmungsverhalten die politische Regelung dieses Problems verhindert haben. Es ist auch nicht die Aufgabe einer Landtagsfraktion, Zulässigkeitsbarrieren für Verfassungsklagen aus dem Weg zu räumen, sondern genau das Gegenteil: Es ist ihre Aufgabe, verfassungskonforme Gesetze zu beschließen. Aber offensichtlich wollen Sie der PDS die Möglichkeit geben, sich zu profilieren. Herzlichen Glückwunsch! Zukünftigen Koalitionspartnern muss man ja helfen, und sie müssen gefördert werden.
Fünftens. Unser Entschließungsantrag enthielt die Forderung, im Kommunalwahlrecht das Wahlverfahren des Kumulierens und Panaschierens sowie das Auszählverfahren nach Hare-Niemeyer einzuführen. Auch diese Vorschläge haben SPD und Grüne abgelehnt, obwohl Herr Hentschel noch in einer Presseerklärung vom 2. April des letzten Jahres ausführte - ich zitiere-:
„Des Weiteren freuen wir uns, dass sich die FDP insbesondere mit ihrer Forderung nach Einführung des Kumulierens und Panaschierens im Wahlrecht Positionen zu Eigen gemacht hat, die BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bereits im Programm zur Landtagswahl 2000 aufgestellt haben.“
Gegensatz zu Ihnen versuchen wir wenigstens, diese Punkte umzusetzen, können es zurzeit aber leider noch nicht, weil die Mehrheiten es nicht zulassen. Sie haben aber sogar die Umsetzung aktiv verhindert. Wenn man davon ausgeht, dass einige Wählerinnen und Wähler Sie auch wegen Ihres Programms gewählt haben, grenzt Ihr Verhalten in diesem Punkt an Wählerbetrug.
Meine Damen und Herren, kommen wir zurück zum vorliegenden Gesetzentwurf zur Kommunalverfassung: Die FDP begrüßt die Absenkung der Quoren für Bürgerbegehren und Bürgerentscheide. Wir sind für mehr Mitbestimmung der Menschen in ihrer Gemeinde. Erst vor einigen Tagen scheiterte eine Bürgerinitiative in Eckernförde mit circa 150 Stimmen an einem erfolgreichen Abschneiden ihres Bürgerentscheids. Sie hatte das notwendige Quorum von 25 % nicht erreicht. Dabei hatte es in der Abstimmung selbst über 90 % Zustimmung für das Begehren der Bürgerinitiative gegeben. In der Zukunft wird es für die Bürgerinnen und Bürger einfacher sein, Beschlüsse der Vertretung zu kippen oder zu korrigieren. Das ist ein Mehr an Demokratie und Mitspracherecht.
Die FDP lehnt die Verpflichtung zur Bestellung von Gleichstellungsbeauftragten ab. Wir meinen, die Gemeinden und Städte sollten selbst entscheiden, ob sie diese Stellen einrichten wollen oder nicht. Was SPD und Grüne hier aber verabschieden wollen, gibt der Gleichstellungsbeauftragten sogar noch weiter gehende Eingriffsbefugnisse. Die Gleichstellungsbeauftragten sollen beispielsweise ein Widerspruchsrecht bei Personalentscheidungen erhalten. Im anschließenden Verfahren - zum Beispiel Aussetzung der Entscheidung bis zur Unterrichtung des Hauptausschusses - wird es dann zu weiteren Verzögerungen und auch zu sachfremden Entscheidungen kommen.
„Die Verwaltung wird sich im Konfliktfall noch mehr als bisher nur mit sich selbst beschäftigen. Mindestens ebenso gravierend ist für mich jedoch die Gefahr, dass auch Personalentscheidungen auf unteren und mittleren Ebenen im Hauptausschuss unter politischen Gesichtspunkten diskutiert werden, die mit den sachlichen Gründen für die Entscheidung nichts oder wenig zu tun haben.“
sage ich es noch einmal klar und deutlich: Sie leisten mit dieser Bestimmung der personellen Verfilzung der kommunalen Verwaltung auf allen Ebenen Vorschub. Das ist ein Skandal, das machen wir nicht mit.
Wir waren für ein Grundmandat kleiner Fraktionen in den Ausschüssen, Rot-Grün war dagegen. Der jetzige Kompromiss mit erweiterten Antrags- und Rederechten in weiteren Ausschüssen, in denen sie nicht vertreten sind, ist ein Fortschritt, aber eben auch nur ein Kompromiss. Ein echtes Grundmandat wäre die bessere und eindeutigere Lösung.
Zu guter Letzt sind wir gegen eine überzogene Stärkung des Hauptausschusses. Hier soll der frühere Magistrat oder Haupt- oder Kreisausschuss reanimiert werden. Durch verschiedene Regelungen wird es künftig zu weiteren Verzögerungen, zusätzlichem Verwaltungsaufwand und zu Spannungen mit den Fachausschüssen kommen, die sich durch den Hauptausschuss bevormundet sehen. Es ist nicht einzusehen, dass dann, wenn in einer Angelegenheit unterschiedliche Voten aus zwei Ausschüssen vorliegen, der Hauptausschuss noch ein drittes hinzufügen kann. Die Vertretung beschließt ohnehin in eigener Souveränität.
Auch die Möglichkeit, die Ziele und Grundsätze wirtschaftlicher Betätigung auf den Hauptausschuss übertragen zu können, halten wir für falsch. Wenn es um die wirtschaftliche Betätigung einer kommunalen Gebietskörperschaft geht, müssen alle Fraktionen einer Vertretung beteiligt werden. Nach der vorliegenden Beschlussempfehlung kann bereits die einfache Mehrheit in einer Vertretung diese Aufgabe an den Hauptausschuss abtreten. Ein Grundmandat hätte hier Abhilfe geschaffen. So können wir dem nicht zustimmen.