Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich wünsche allen einen schönen guten Morgen. Wir wollen die Tagung fortsetzen.
Ich möchte kurz bekannt geben: Erkrankt gemeldet sind Frau Abgeordnete Fröhlich, Herr Abgeordneter Weber und Herr Abgeordneter Fuß. Frau Abgeordnete Rodust und Frau Abgeordnete Kleiner sind beurlaubt. Wegen dienstlicher Verpflichtung auf Bundesebene sind beurlaubt: Herr Minister Möller und die Ministerpräsidentin, die teilweise auch im Lande ist.
Ich erteile zunächst für die Landesregierung der Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz, Frau Ministerin Moser, das Wort.
Während Sie zum Mikrofon gehen, darf ich Besucherinnen und Besucher im Schleswig-Holsteinischen Landtag begrüßen. Auf der Tribüne haben Schülerinnen und Schüler sowie Lehrerinnen und Lehrer der Jens-Kruse-Schule, Eckernförde, sowie die Damen und Herren des Deutschen Roten Kreuzes, Ortsverband Bad Bramstedt, Platz genommen. - Herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Kampf um die Arbeitsplätze von MobilCom, leider brandaktuell, zeigt einmal mehr, dass Beschäftigungsverantwortung nicht nur national wahrgenommen werden muss, sondern eigentlich transnational - um nicht zu sagen: global - ist.
Aber niemand sollte heute der Versuchung unterliegen, dies entweder ganz auszublenden und zu sagen: Nur die vor Ort sind irgendwie verantwortlich, oder umgekehrt die nationalen Instrumente, die die HartzKommission vorschlägt - um die geht es heute -, klein zu reden.
Die betroffenen Arbeitnehmer bei MobilCom vor Augen, und zwar sehr direkt, in Büdelsdorf, sollte das unsere Entschlossenheit zur Sicherung von Beschäftigung und zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit,
Lassen Sie mich mit drei Feststellungen einsteigen. Die Vorschläge der Hartz-Kommission werden den Wahlkampf überdauern, und zwar als konkrete Politik und als Grundlage für die weitere zukunftsorientierte Gestaltung des Arbeitsmarktes. Dies ist keine Drohung, dies ist ein Versprechen nicht nur des Bundeskanzlers, sondern auch dieser Landesregierung.
Dass dies kein leeres Versprechen ist, mögen Sie daran sehen, dass der Einstieg in einen regionalen Masterplan über drei konkrete Projekte bereits in Vorbereitung ist. Mein Haus und das Landesarbeitsamt Nord wollen gemeinsam mit Partnern aus Kommunen und Wirtschaft schon im Vorfeld der gesetzlichen Regelungen in Personalserviceagenturen, also in Verleihagenturen, flächendeckend Leiharbeit für Arbeitslose organisieren. Wir wollen gemeinsam mit den Kommunen unsere drei MoZArT-Projekte als Vorläufer für Jobcenter auswerten, um auch hier die entsprechenden Strukturen für die Hartz-Umsetzung vorzuhalten. Wir werden darüber hinaus in Erörterungen mit den Sozialpartnern einsteigen, um vorgesetzlich mit der Quickvermittlung zu beginnen, direkt nach der erfolgten Kündigung.
Zweite Feststellung. Mit den Hartz-Vorschlägen wurde das Rad nicht neu erfunden. Niemand hat diesen Anspruch formuliert, die Kommission schon gar nicht. Die Vorschläge entfalten aber die Funktion eines Schwungrades, das neue Ordnung und Bewegung schafft.
Gerade in Schleswig-Holstein erwarten wir von der Umsetzung der Hartz-Vorschläge auf Bundesebene zusätzlichen Rückenwind für unsere innovativen Konzepte und Projekte in der Arbeitsmarkt-, in der Beschäftigungs- und in der Sozialhilfepolitik.
Wir, das ist nicht nur die Landesregierung, das sind auch die Partner aus Wirtschaft, Verbänden und Kommunen, zum Beispiel in der Kieler Runde, im Bündnis für Ausbildung, in der regionalen Aktion „Arbeit für Schleswig-Holstein“. Insoweit verstehen wir uns hier in Schleswig-Holstein als Vorreiter von
Hartz’ Ideen. Das gilt zum Beispiel für die Prinzipien „fördern und fordern“ Konzentration auf die schnelle und passgenaue Vermittlung am ersten Arbeitsmarkt, Verzahnung von Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsförderung genauso wie für einzelne Module: Errichtung von Jobcentern, Einsatz von Leiharbeit, Einstieg in Arbeit für niedrig Qualifizierte in einen Niedriglohnbereich oder auch den Einsatz von Anreizen für Unternehmen für Beschäftigung und Beschäftigungssicherung.
Die dritte Feststellung gilt der Hartz-Philosophie. Diese Philosophie heißt: Beschäftigung beziehungsweise Bekämpfung von Beschäftigungslosigkeit ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Sie erfordert ein ziel- und aktionsorientiertes Zusammenwirken sämtlicher Politikbereiche.
Die Entwicklungen der letzten Jahre haben leider gezeigt, dass es in allen Politikbereichen zunehmend schwerer, wenn nicht gar unmöglich geworden ist, Partikularinteressen zu einem gemeinsamen Lösungsansatz zusammenzubringen. Die Angst vor Tabuverletzungen auch gegenüber der eigenen Klientel hat diese Gesellschaft in wichtigen Politikfeldern nahezu gelähmt. Die Kommission hat diesen Teufelskreis vor dem Hintergrund der BA-Misere durchbrochen. Wer diesen Teufelskreis aus Wahlkampfgründen jetzt wieder schließen will, der wird das politisch nicht ungestraft tun können.
Meine Damen und Herren von der CDU, es ist eigentlich schade, dass sich Späths Kompetenz im Umgang mit Hartz als schwächer erwiesen hat als der Oppositionsreflex von Stoiber.
Vor dem Hintergrund dieser drei generellen Feststellungen lassen Sie mich einige Erwartungen der Landesregierung, wie sie im Bericht formuliert sind, herausgreifen. Wir gehen davon aus, dass der Umbau der Bundesanstalt für Arbeit zu einem modernen Dienstleister sehr zügig erfolgt, sowohl was die Aufbauorganisation als auch was die Arbeitsweise betrifft. Die angekündigten Schritte des neuen Vorstandes und die politische Entschlossenheit der Bundesregierung sind dafür Garant. Wir setzen darauf, dass der rechtliche Rahmen Zug um Zug weniger Einzelregelungen und Einzelinstrumente vorgibt und stattdessen mehr Transparenz und mehr Wirkungsmöglichkeiten
Wir werden unsere Erfahrungen nutzen, um die Einrichtung der Jobcenter optimieren zu helfen, und dabei - das ist uns sehr wichtig - das Know-how kommunaler Arbeitsmarktpolitik einbeziehen.
Wir erwarten, dass im Zuge der anstehenden Reformen der Gemeindefinanzen und des Bundessozialhilfegesetzes die Arbeitslosenhilfe und die Sozialhilfe in ein einziges System zusammengeführt werden.
Wir gehen davon aus, dass die Personalserviceagenturen durch Aufhebung der gesetzlichen Beschränkungen für Leiharbeit in unterschiedlicher Trägerschaft ihre Beschäftigungswirkung am Markt und im Wettbewerb entfalten. Wir sind überzeugt, dass der Einstieg über die Minijobber im familiennahen Dienstleistungsbereich und über die Ich- beziehungsweise Familien-AGs in Zukunft zu weiteren Integrationsangeboten für den Personenkreis der gering Qualifizierten führen wird und eine Ausweitung des Niedriglohnsektors - dieses Wort ist allerdings hässlich - eine sinnvolle Art ist, für mehr - und zwar sozial gesicherte - Beschäftigung zu sorgen.
Wir setzen darauf, dass das Prämiensystem für positive Beschäftigungsentwicklung und die Erstellung von Beschäftigungsbilanzen so sind, dass sie auch für die kleinen und mittleren Betriebe in Schleswig-Holstein optimalen Nutzen entfalten können.
Meine Damen und Herren, die Aufzählung verdeutlicht, dass die Umsetzung der Hartz-Vorschläge eine Vielzahl positiver Arbeitsmarkteffekte auslösen wird. Diese Effekte sind - das sage ich manchen Kritikern der Hartz-Kommission - mehr als eine optimierte Arbeitsmarktausgleichspolitik. Es eröffnet sich nämlich auch die Aussicht auf neue Arbeitsfelder, neue Arbeitsplätze. Vor allen Dingen werden neue Verantwortlichkeiten geschaffen.
Die Landesregierung wird sich aktiv an der Konkretisierung und Weiterentwicklung beteiligen und - ich sagte es schon - einen regionalen Masterplan auf der Grundlage vieler einzelner Projektkoalitionen auflegen. Wir werden über unsere Konsensrunden hinaus Verantwortliche mit einbeziehen. Alle Profis der Nation sind gefordert. Wir werden gemeinsam mit bewährten Partnern nicht neu beginnen müssen - das ist unser Vorteil -, sondern werden gestärkt und verstärkt Beschäftigungsförderung und innovative Arbeitsmarktpolitik fortsetzen und damit auch bundesweit einen Beitrag im Sinne der Kommission und ihrer Mitglieder leisten. Die Kommission besteht ja
nicht nur aus Herrn Hartz, sondern dazu gehören viele Personen aus ganz unterschiedlichen Bereichen, die sich der gemeinsamen Verantwortung stellen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erteile ich jetzt dem Oppositionsführer im Schleswig-Holsteinischen Landtag, dem Vorsitzenden der CDU-Fraktion, Herrn Abgeordneten Martin Kayenburg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Wenn wir es nicht schaffen, die Arbeitslosenquote signifikant zu senken, haben wir weder verdient, wieder gewählt zu werden, noch werden wir wieder gewählt.“ - So Kanzler Schröder 1998.
Heute wissen wir: Schröder hat es nicht geschafft, das von ihm selbst vorgegebene Ziel, 3,5 Millionen Arbeitslose oder weniger, zu erreichen; er hat es verpasst. Aber, als ob dieses Versagen nicht reichen würde, kramt er jetzt noch den alten Vertrauten aus Wolfsburger Zeiten aus der Kiste und lässt durch Herrn Hartz ein Versprechen, das noch wahnsinniger ist, aussprechen, nämlich in kurzer Zeit die Arbeitslosenzahl um 2 Millionen zu reduzieren. Dies ist aber ein haltloses Versprechen. Das Fatale an dieser Situation ist, dass vielen Arbeitslosen in unserem Land damit Sand in die Augen gestreut und mit trügerischen Mitteln eine Aussicht vorgegaukelt wird, die in keinem Fall erfüllt werden kann.
Dass es viele Menschen in diesem Lande gibt, die wieder Hoffnung brauchen, machen doch die Arbeitslosenzahlen von August deutlich. In der Bundesrepublik haben wir 229.000 mehr Arbeitslose im August gehabt als im entsprechenden Monat des Vorjahres. Das ist die wirklich verheerende Schlussbilanz der rot-grünen Bundesregierung.