Weil wir uns bereits häufiger mit den Problemen hoch begabter Schülerinnen und Schüler befasst haben, dürfte die grundsätzliche Haltung des SSW hierzu bekannt sein. Man kann sie in den Protokollen nachlesen.
Wir meinen, dass Schule nicht lediglich ein Ort sein darf, an dem der mit Scheuklappen ausgestattete Leistungserbringer herangezüchtet wird. In der Schule soll auch soziales Verhalten erlernt werden. Aus dem Bericht der Landesregierung zur Hochbegabtenförderung aus der letzten Legislaturperiode ging hervor, dass Kinder und Jugendliche durch Verkennung besonderer Begabungen, falsche Erziehungsansätze und fehlerhaftes pädagogisches Einwirken vereinsamen und psychische Fehlentwicklungen erleiden können. Das ist ja richtig. Auslösend für ihre Entwicklung zum Schulversagen sei häufig eine zu starke Unterforderung.
Der Bericht ging jedoch auch davon aus, dass bis zu 50 % der Kinder und Jugendlichen mit besonderen Begabungen unerkannt geblieben seien,
Das damals beschlossene Konzept - und, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben ein Konzept beschlossen!
sieht vor, dass das Erkennen besonderer Begabungen möglichst frühzeitig, nämlich vor dem Wechsel in weiterführende Schulen erfolgen soll. Ein Baustein in der Ausbildung aller Erzieherinnen und Erzieher sowie der Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen soll unter anderem dazu beitragen, dies zu gewährleisten, heißt es. Weiter sieht das genannte Konzept zwei Strategien vor: Einerseits sind binnendifferenzierende Maßnahmen bei Verbleiben in der jeweiligen Klassenstufe, gegebenenfalls mit Anreicherung des Unterrichtsangebots vorgesehen, andererseits soll es die Möglichkeit eines beschleunigten Durchlaufens des Bildungsganges geben. Hinsichtlich dieses Überspringens von Klassen wird in dem Bericht auch auf Ergebnisse wissenschaftlich begleiteter Projekte verwiesen. Danach verkürzen zu wenige Kinder in der Grundschule und Schüler der Eingangsphase der weiterführenden Schulen ihren Bildungsgang durch Springen.
Wer sich die früheren Debatten angesehen hat, wird wissen, dass es sich bei den besonders begabten Kindern um eine Minderheit von etwa 2 bis 3 % handelt.
Erhalten sie keine Herausforderungen, ist zu befürchten, dass sie sich in sich selbst zurückziehen und Desinteresse zeigen. Auch das geht aus dem Bericht hervor. Das bedeutet umgekehrt, dass besonders begabte Schülerinnen und Schüler im Grunde ein erhöhtes Bedürfnis nach individueller Zuwendung haben. Das gleiche gilt aber - in Klammern bemerkt - für schwach begabte Kinder. Je mehr man sich mit ihnen beschäftigt, desto mehr vermag man ihnen beizubringen und mit auf den Weg zu geben.
In schulpolitischen Debatten hebe ich für den SSW immer wieder hervor, dass es uns - wenn wir von unseren schulpolitischen Vorstellungen sprechen - nicht um einen Einheitsbrei in Sachen Schule geht. Wir wollen nicht, dass Kinder nach dem Motto sortiert werden „die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen“. Wir sind also der Meinung, dass das in der letzten Wahlperiode vorgelegte Konzept zur Hochbegabtenförderung ausreichend Ansätze enthält, die es abzuarbeiten gilt. Aber alle Schüler - gleich, welcher Schulart - haben eines gemeinsam: Sie müssen früher oder später ihren Alltag in der Welt meistern, in der wir nun einmal leben. In dieser Welt gibt es viele verschiedene Menschen. Es gibt hoch begabte und es gibt weniger begabte Menschen, es gibt Analphabeten und so weiter. Alle diese Menschen haben bestimmte Begabungen und alle diese Menschen haben auch bestimmte Schwächen. Wichtig ist, dass die Kinder von heute - das heißt die Erwachsenen von morgen - nicht verlernen, dass man miteinander reden können muss.
Zu dieser Fähigkeit trägt - das möchte ich noch einmal feststellen - der vorliegende F.D.P.-Antrag nicht bei. Wir werden uns im Ausschuss damit befassen; wir werden sehen, ob das Konzept umgesetzt worden ist. Ich habe dann schließlich noch eine Frage, die die Kollegin Eisenberg hoffentlich beantworten kann, nämlich was es heißt, dass so etwas nicht zum Nulltarif zu machen sei. Das würde mich schon interessieren.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte ganz kurz auf ein paar Punkte eingehen. Herr Höppner, natürlich sollen auch hoch begabte Schülerinnen und Schüler soziales Verhalten lernen. Das soziale Lernen ist natürlich auch für diese Schüler ein ganz wichtiger Teil von Erziehung und Bildung in der Schule. Gerade deshalb aber möchte ich ja nicht, dass diese Kinder gewissermaßen in irgendwelchen „EliteInternaten“ - meist sind es ja Privatschulen - separiert werden, sondern ich möchte, dass eine besondere Förderung von hoch begabten Schülerinnen und Schülern in unseren öffentlichen Schulen, in einem speziellen Zweig, in einer Schule, in der man mit anderen Kindern zusammen ist, stattfindet.
Dabei kann man natürlich auch darüber nachdenken, ob man es so macht wie bei bestimmten privaten Bildungseinrichtungen - wie etwa den ChristophorusSchulen -, in denen die hoch begabten Kinder in Lerngruppen zusammen mit anderen leistungsstarken Gymnasiasten unterrichtet werden. Das sind alles Modelle, Mischkonzepte, über die man in diesem Zusammenhang nachdenken kann.
„Kindheit erhalten“ - auch diese Forderung möchte ich ausdrücklich unterstreichen, Herr Kollege Höppner. Aber - ich greife auf, was andere Kolleginnen und Kollegen in ihren Redebeiträgen gesagt haben - heute ist das Problem, dass hoch begabte Kinder völlig unterfordert und gar nicht beachtet werden, mit dem Ergebnis, dass sie sich ausklinken, dass sie abschalten und dass es zu solchen Entwicklungen kommt, wie sie beschrieben wurden, dass diese Kinder in der Schule verhaltensauffällig werden und dadurch ungeheure Probleme entstehen. Mir sagen Leiter von Gymnasien, dass bei der Aufnahme in die fünfte Klassenstufe häufig festgestellt wird, dass hoch begabte Kinder - das betrifft nicht zuletzt hoch begabte Kinder aus sozialen Verhältnissen, die nicht zur „upper class“ oder „upper middle class“ gehören - auf sich allein gestellt in den Schulen große Probleme haben und dass das, was an Begabungspotential, aber auch an sozialen Entwicklungsmöglichkeiten in ihnen steckt, dadurch völlig verschüttet wird.
Das hat mich dazu gebracht, diesen Antrag hier einzubringen. Ich gebe Ihnen gern Recht, dass das ganze Thema komplex ist. Dazu gehört die Lehrerfortbildung, dazu gehört die Vorbereitung im Grundschulbereich, die Beratung der Eltern, die meiner Ansicht nach unzureichend ist. Dazu gehört Didaktik für
Da bedarf es besonderer methodischer und didaktischer Ansätze, Kollege Astrup. Ich sage das einmal einem hoch begabten Parlamentarischen Geschäftsführer, Herr Kollege.
Anke Spoorendonk, hinsichtlich der Kosten ist es wie bei der dänischen Minderheit: Die besondere Förderung der dänischen Minderheit ist auch mit Kosten verbunden.
(Anke Spoorendonk [SSW]: Lieber Kollege Klug, das war eine billige Bemerkung! Das wissen Sie sehr gut!)
Wenn man ein Förderkonzept macht, wird das sicherlich Kosten nach sich ziehen. Darüber wird im Ausschuss zu reden sein.
Weil im Übrigen gerade von dir angemerkt wird, dass ich Hochbegabung hier wieder zum Thema gemacht habe, möchte ich auf die Nachfrage der Lübecker Initiative hinweisen, darunter auch Eltern, die der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands angehören. Die haben mich ausdrücklich gebeten, mich dieser Sache anzunehmen.
(Beifall bei F.D.P. und CDU - Anke Spoo- rendonk [SSW]: Kollege Klug, stimmen Sie mir zu, dass das schon in der 13. Wahlperiode ein Thema war?)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte meinen Beitrag sehr deutlich in einen Zusammenhang mit der noch folgenden Debatte über die Schulzeitverkürzung stellen. Mir haben in den vergangenen Wochen eine ganze Reihe von Schulen ihr Interesse an einer Teilnahme an der probeweisen Verkürzung der Schulzeit vermittelt und alle Anzeichen deuten darauf hin, dass wir eine gute regionale Streuung erreichen werden. Wir machen mit diesem Angebot, das wir ja noch ausführlich diskutieren werden, auch schneller lernenden Schülerinnen und Schülern, die über ein breites Begabungsspektrum verfügen, ein besonderes
Bildungsangebot. Das wird durchaus eine Herausforderung für diese Schülerinnen und Schüler sein; denn es geht um den vorgezogenen Beginn der zweiten und damit auch der dritten Fremdsprache, es geht um den vorgezogenen Beginn des Physik- und Chemieunterrichts. Damit werden die Schülerinnen und Schüler gefordert. Forderung und Förderung gehen damit Hand in Hand. Sie treten ein Jahr früher in die gymnasiale Oberstufe ein. Ich sehe nicht, warum vor dem Hintergrund dieser Bemühungen neben diesen besonderen Schulen, besonderen Zügen, die wir einrichten wollen, besondere Klassen hinzukommen sollen.
Herr Dr. Klug, wenn man dieses Anliegen ganz ernst nehmen, jedes Wort akzeptieren und beschließen würde, dass man so etwas will, müsste man auch ein regional sinnvoll gestreutes, breites Angebot für alle infrage kommenden Kinder machen und dürfte sich nicht nur auf Lübeck beschränken. Deswegen halte ich den Weg, den wir einschlagen wollen, auch für diese Gruppe für richtig.
Die Einrichtung solcher Klassen hätte im Übrigen als Zugangsvoraussetzung die Durchführung von IQgestützten Tests. Ich sage Ihnen ganz klar: Ich möchte nicht, dass in Schleswig-Holstein alle vierten Jahrgänge durch diese Art von Testbatterien geschickt werden.
Für solche Kurztests in der vierten Jahrgangsstufe hat man nach dem Stand der Wissenschaft keine aussagefähigen und gesicherten Ergebnisse zur Hand.
Solche Verfahren haben auch immer so etwas wie integrierte Diskriminierungsaspekte und man erfasst zu dem Zeitpunkt, zu dem man testet, immer nur einen individuellen Entwicklungsstand an einer bestimmten Stelle. Über die tatsächlich vorhandene Intelligenz und ihre Entwicklungsfähigkeit gibt es zu dem Zeitpunkt keine verlässlichen Aussagen. Unter den etwa 2 bis 3 % besonders Begabten eines Jahrgangs befinden sich übrigens viele mit einer ausgeprägt einseitigen Begabung. Wir reden nicht immer nur über ein breites Begabungsspektrum, sondern auch über einseitige Begabungen auf ganz bestimmten Feldern, die gefördert werden müssen, etwa musikalische Begabung, etwa mathematische Begabung und so weiter. Die können wir nicht alle zusammen in einer Klasse gezielt fördern.
Ich bin der Meinung, dass die verkürzte gymnasiale Schulzeit zunächst einmal ein gutes Angebot ist. Sie
würde Schülerinnen und Schüler mit einer schnellen Auffassungsgabe zusammenfassen. Sie würde trotzdem Rücksicht nehmen auf unterschiedliche Lernfähigkeiten und würde nicht neue Differenzierungsnotwendigkeiten entwickeln. Damit hätten wir nämlich bei hoch begabten Kindern zu rechnen, Herr Dr. Klug. Sie haben - darauf haben Sie hingewiesen - zum großen Teil eine schwierige Kindheit insgesamt, manchmal schon im Kindergarten beginnend, allemal aber schwierige Lernkarrieren hinter sich und bringen unterschiedliche, zum Teil erhebliche Lernschwierigkeiten mit - so absurd sich das anhören mag; das ist sehr oft so. Es wäre zwangsläufig zu erwarten, dass eine solche von den Lernschwierigkeiten her heterogen zusammengesetzte Klasse nicht von vornherein so homogen im Sinne der Hochbegabung und Leistungsfähigkeit wäre. Spätestens hier muss man auch einmal an die Lehrerinnen und Lehrer denken.
Ich bin darüber hinaus der Überzeugung, dass gerade besonders begabte Kinder ihre grundlegenden Erfahrungen in der Schule im normalen sozialen Umfeld machen sollten.
Ich bin davon überzeugt, dass sie ihren Fähigkeiten entsprechend in einer verkürzten Schulzeit gefördert würden. Ich bin übrigens sicher, dass sich gerade auch ein Lübecker Gymnasium um die Teilnahme an der probeweisen Schulzeitverkürzung bemühen wird. Darüber hinaus sollten die Eltern besonders begabter Kinder nicht nur in Lübeck ein angemessenes und qualitatives Angebot für ihre Kinder vorfinden.
Frau Eisenberg, Sie haben mit einem Nebensatz darauf hingewiesen, aber es ist ein deutlicher Forschritt, dass wir die Versetzungsordnung so geändert haben, dass in Zukunft jährlich die Möglichkeit besteht, ein Schuljahr zu überspringen. Ich wünschte mir, dass von dieser Möglichkeit noch stärker Gebrauch gemacht wird, gerade im Hinblick auf die besonders begabten Kinder. Für viele spielt dabei natürlich das soziale Umfeld eine große Rolle. Sie wollen oft nicht springen, weil sie in ihrem gewohnten sozialen Umfeld bleiben wollen. Das ist ein sehr verständlicher, nachvollziehbarer und oft auch richtiger Wunsch.
Ich empfehle darüber hinaus, noch einmal unser Konzept zur Förderung von besonderer Begabung sowie die Broschüre, die wir dazu herausgegeben haben, nachzulesen, in der beschrieben wird, worum es geht: Erkennen, Beraten und dann Fördern. Diese fördernden Angebote sollen die Schulen auch machen, etwa Plusangebote, etwa bilinguale Angebote, die Ermunterung von Schülern, an besonderen Wettbe
werben teilzunehmen. Die differenzierten Angebote, mit denen man Kinder mit besonderen Begabungen zeitweise und punktuell zusammenführt und besonders fördert, werden von mir mit Nachdruck unterstützt.
Ich bin gern bereit, über unsere bisherigen Bemühungen und die Erfolge im Bereich der Hochbegabtenförderung und der Förderung besonderer Begabungen im Bildungsausschuss zu berichten. Lassen Sie uns an der Umsetzung dieses Konzeptes weiter beharrlich arbeiten!