Warum hat die CDU-Fraktion diese Anfrage gestellt? Die Antwort kannten wir doch auch schon vorher: Die Liberalisierung des Strommarktes hat nicht zu freiem Wettbewerb geführt. Das Gegenteil ist der Fall. Das ist im Geltungsbereich des Gesetzes in Deutschland und in Schleswig-Holstein so. Die Antwort der Landesregierung bestätigt das. Vielen Dank für die Arbeit und die Informationen, die Sie uns Parlamentariern haben zukommen lassen.
Der Wettbewerb in diesem wichtigen Bereich funktioniert nicht. Wir beobachten eine beispiellose Konzentration. Es fusionieren PreussenElektra und BayerWerke zu e.on, HEW und Bewag und andere zu Vattenfall Europe. Stadtwerke werden systematisch von den großen alten Energieversorgen aufgekauft.
- Wie bitte? Der Herr Minister hat die Beispiele aus Schleswig-Holstein auch genannt. Wenn man es bundesweit beobachtet, sind es 60 Aufkäufe, an denen im Wesentlichen RWE und e.on beteiligt sind. Das ist eine Tatsache. Das liegt daran, dass die Kriegskassen der großen EVUs gut gefüllt sind. Die Gewinne steigen, ein merkwürdiges Phänomen in einem Markt, den man gerade auf mehr Wettbewerb ausgerichtet hat. Gerade das Gegenteil müsste zu erwarten sein, nämlich dass die Gewinne sinken und es zu einem Verdrängungswettbewerb und zu einer Vielfalt am Markt kommt. Das ist nicht der Fall.
Neue Unternehmen zappeln sich am Markt ab und kommen nicht zum Zug. Die Durchleitungsgebühren, also die Netzbenutzungsentgelte, sind exorbitant hoch. Vor dem Bundeskartellamt sind Dutzende von Verfahren anhängig. Die Gerichte sind beschäftigt. Mit dem vom Bundesgesetzgeber, also von der schwarz-gelben Koalition der Kohl-Ära gewählten Modell des verhandelten Netzzugangs ist nicht der
Das ist in ganz Deutschland so und das ist in Schleswig-Holstein nicht anders. Nicht dass diese Entwicklung überraschend gekommen ist. Man konnte sie voraussehen, man konnte sie auch voraussagen. Sie können das in den Protokollen der letzten Legislaturperiode nachlesen: Drucksache 14/343 Antrag SPD und Grüne, Wodarz, Matthiessen, Drucksache 14/2126, Drucksache 14/2329, sehr gute Anträge voller weiser Voraussicht,
deren Intension an den damaligen Mehrheiten in Bonn scheiterte. Von ganz gegenteiliger Qualität waren die damaligen Anträge von CDU und FDP, verschiedene Drucksachen. Das ist alles in der 16., 24., 85. und 94. Sitzung des Landtages behandelt worden. Schauen Sie in die Protokolle; da können Sie das alles nachlesen.
Es ist doch sehr befriedigend, lieber Kollege Wodarz, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD und den Grünen, dass wir Recht gehabt haben. Noch befriedigender wäre es natürlich gewesen, hätte man das Gesetz damals besser gemacht, was leider nicht der Fall war.
Warum hat die CDU diese Anfrage gestellt? Wollen Sie noch einmal feststellen, wie handwerklich katastrophal Ihre Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes, also des EnWG, war, oder wollen sie feststellen, wie schlecht unter Rot-Grün die Umsetzung Ihres guten Gesetzes läuft, wie inkompetent das Bundeskartellamt arbeitet, wie saumselig die Landeskartellbehörde, wie langsam die Gerichte sind, wie die so genannte Verbändevereinbarung verbessert werden sollte, nachdem man sich vorher von der Verbändevereinbarung 1 zur Verbändevereinbarung 2 zur Verbändevereinbarung der VV 2 plus durchgekrampft hat? Oder wollen Sie mit mir beklagen, dass Rot-Grün bisher im Bund noch nicht die Kraft gefunden hat, diese Gesetzeskatastrophe zu reformieren und sich zu einem tatsächlichen Wettbewerb durchzukämpfen? In der Tat, das ist bedauerlich. Allerdings ist das bei einem Wirtschaftsminister Müller als ehemaligen VEBA-Mann auch nicht verwunderlich. Das zeigt, wie weit der Arm der etablierten Energiewirtschaft reicht, wie verflochten dieser Wirtschaftszweig noch mit Politik und Verwaltung ist,
was für ein gewaltiges Machtkartell die Energiewirtschaft immer noch ist. Die Rexroth-Novelle des EnWG, Frau Kollegin Aschmoneit-Lücke, war auch kein Versehen, da bin ich mir ziemlich sicher. An ihr lässt sich exemplarisch der Unterschied zwischen den Auswirkungen einer neoliberalistischen FDP und einer wettbewerbsorientierten guten ordoliberalen Politik der Grünen aufzeigen.
Die Energiepolitik der letzten Legislaturperiode weist eine ganz erfreuliche Bilanz auf. Ich nenne Atomausstieg, Ökosteuer, EEG, KWK-Gesetz, Energiesparverordnung, BiomasseVO und vieles mehr, insgesamt 16 Initiativen, von denen die FDP alle und die CDU alle bis auf zwei abgelehnt haben.
- Herr Dr. Garg, der Wähler hat das anders beurteilt, kann ich nur mal feststellen. Wir haben uns ja gerade dafür ein Votum geholt. Oder hat der Wähler das alles nicht mitgekriegt und uns aus anderen Gründen gewählt und die FDP abgestraft? Das weiß ich natürlich nicht. Die Weisheit des Wählers ist ja manchmal ein Buch mit sieben Siegeln.
Was den Wettbewerb angeht, liegt es jedenfalls nicht an den Grünen. Unser Motto lautet: Wir brauchen die rationellste Stromerzeugung und -verteilung, um uns die umweltschonendste Form der Energiewirtschaft leisten zu können, anders ausgedrückt, die ökonomischste Form, um die ökologischste Form zu ermöglichen. Wie wollen wir das machen, was sind die Voraussetzungen für Marktöffnung und Wettbewerb in einer leitungsgebundenen Energiewirtschaft?
Vorweg, ein gutes Gesetz macht die Arbeit der Kartellbehörden und Gerichte überflüssig. Ich glaube, das sollte Ziel einer Novelle des EnWG sein, nicht, was Sie hier gefordert haben,
Man muss die Regelung für einen Markt so machen, dass das von selbst funktionieren kann. Das Mindeste ist die Ablösung des verhandelten Netzzugangs durch ein vollständiges Unbundling, also die Trennung des Netzbetriebes von der Stromerzeugung und dem Handel. Da sollte auch eine Trennung im Eigentum einfließen. Das bedeutet, wir brauchen ein durch Verordnung und Gesetz reguliertes Netz mit einer Regulierungsbehörde.
Das Beispiel des verhandelten Netzzugangs, das wir hier in Schleswig-Holstein haben, ist ja weltweit singulär und funktioniert grottenschlecht und ist ein Erbe Ihres ehemaligen Wirtschaftsminister der FDP, Rexroth, gemacht von Schwarz-Gelb. Dieses natürliche Monopolnetz führt natürlich zu einem Marktversagen, denn es ist absurd. Um dort Wettbewerb zu ermöglichen, ermöglichte man etwa einen Parallelnetzbau, wie es das Gesetz vorsieht. Keiner baut eine zusätzliche Autobahn, um andere Autos darauf fahren zu lassen. Die Autobahn ist ja bewusst staatliches Monopol und ermöglicht damit einen Wettbewerb zwischen VW und Mercedes und Opel durch Benutzung dieses natürlichen Monopols. Ähnliches müssen wir auch mit dem Stromnetz machen.
Zweitens. Es war eine unglückliche Entscheidung des Gesetzgebers für ein Durchleitungsmodell und damit gegen ein Poolmodell. Damit ist statt einer vernünftigen wettbewerbsstützenden ordoliberalen Variante eine untaugliche neoliberale Variante gewählt worden.
Das bedeutet, wir brauchen ein Preisstrukturgesetz, das den Handel mit dem heterogenen Wirtschaftsgut Strom ermöglicht.
Herr Kollege, ich habe vorhin angedeutet, dass jeder Fraktion nach § 56 Abs. 6 der Geschäftsordnung fünf Minuten mehr Redezeit zustehen als beantragt.
Weil die Kollegen von der FDP das nicht begreifen, lassen Sie mich diese Zeit ausnutzen, um Ihnen folgende Stichworte zu nennen. Eine Kundenbeziehung zwischen einem Stromerzeuger und einem Abnehmer, A-B-Beziehung genannt, funktioniert natürlich in einem Stromnetz nicht, weil der Strom physikalisch den Kirchhoffschen Gesetzen folgt, dem geringsten Widerstand. Damit kommt an der Stromdose immer Strom aus einem großen Pool an. Darum heißt unser Modell auch Poolmodell.
Um das zu verdeutlichen, damit auch die FDP das begreift: Wir haben im Strommarkt, wenn wir das auf den Milchmarkt übertragen, etwa Folgendes angerichtet. Frau Aschmoneit-Lücke, Sie wollen 1 l Milch kaufen. Da gehen Sie in den Supermarkt und sagen, ich habe eine Handelsbeziehung mit Bauer XY in meinem Dorf in Bayern hergestellt, der mich mit dieser Tüte Milch beliefert. - Das ist doch ein ganz absurder Vorgang. Wir brauchen ein Poolmodell. Das heißt, das heterogene Handelsgut Strom wird von den Erzeugern ständig in einem großen Teich oder in einen großen Milchsee, wenn Sie das so wollen nachgegossen, und dann wird von vielen, vielen Verbrauchern an vielen Stellen herausgenommen.
Dieser See wird von einem Kraftwerkpark immer auf einem bestimmten Niveau gehalten. Das ist ein Poolmodell.
Das bedeutet Abschaffung des Leistungspreises, lastvariable Tarife, keine Differenzierung zwischen Sondervertragskunden und Privatkunden. Was ist das für ein absurder Vorgang, dass ich über 17 ct bezahle und der Schlachthof Kiel 5 ct. Worin ist das begründet? Können Sie mir das ökonomisch oder physikalisch begründen?
Ich merke schon: Selbst mit Redezeitzuschlag ist das der FDP sehr schwer begreiflich zu machen. Die Ausgestaltung dieser Gesetze ist hier im Einzelnen natürlich nicht möglich. Ich freue mich auf die abschließende Diskussion im Ausschuss und hoffe, dass Sie dann etwas dazulernen.
Das Wort für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag erteile ich jetzt dem Herrn Abgeordneten Lars Harms.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Zuge der Liberalisierung des Strommarktes wurden Befürchtungen laut, dass kleine kommunale Unternehmen am Markt der Großen in Zukunft nicht bestehen können. Natürlich wurde manch ein Unter
nehmen aufgekauft, und manche Unternehmen mussten die Beteiligung eines großen Partners zulassen. Gleichwohl können wir bisher auch feststellen, dass es auch positive Beispiele von Unternehmen gibt, die trotzdem Bestand haben. So sind zum Beispiel die Stadtwerke Flensburg seit über 100 Jahren zuverlässiger Versorgungspartner für Haushalte und Betriebe und es gibt viele solcher Stadtwerke.
Im Haushaltskundenbereich gibt es zurzeit noch keine sehr große Wechselbereitschaft. Man bleibt bei seinem bisherigem Versorger, weil man noch keine richtigen Erfahrungen mit den am Markt neu auftretenden Stromversorgern hat. Solange dies der Fall ist, können die kleinen regionalen Stromversorger und Stadtwerke noch überleben. Die Frage ist nicht, wie der derzeitige Stand ist - der ist ja noch recht gut -, sondern wie die Zukunft aussehen wird.
Nach einer Phase der Konsolidierung geht man davon aus, dass die Preise in der Stromversorgung nach und nach steigen werden. In der Vergangenheit hat man ja vonseiten der Stromversorger versucht, die Endkunden mit Niedrigpreisen zu locken. Bisher war dies relativ erfolglos, da aufs Jahr gesehen vielleicht 50 oder 100 € pro Haushalt zu sparen waren. Erfahrungsgemäß kann man aber davon ausgehen, dass der Kunde bei steigenden Preisen sensibler reagieren wird; zumal er nun auch die Wettbewerber am Markt als zuverlässig kennen gelernt hat.
Gehen wir nun noch davon aus, dass berechtigterweise die Abgabenlast auf den Strombezug in der Zukunft eher höher als niedriger wird, können wir davon ausgehen, dass der Preiskampf von Neuem ausbrechen wird. In Zukunft wird es noch attraktiver werden, den Stromversorger zu wechseln. Daher sollten die kommunalen Stromversorger auch nicht von der erfolgreichen Bewältigung der Liberalisierung des Strommarktes sprechen, sondern eher von einem guten Einstieg, der ihnen eine gewisse Verschnaufpause gebracht hat.
Für die kleineren kommunalen Unternehmen kommt es nun darauf an, die Grundlagen dafür zu schaffen, dass die Arbeitsplätze vor Ort erhalten bleiben und die Wertschöpfung weiterhin vor Ort stattfindet. Hierbei kündigen sich schwierige Gratwanderungen an, die in den meisten Fällen in Übernahmen durch größere Unternehmen enden werden. Dessen bin ich mir sicher.