Protokoll der Sitzung vom 11.10.2002

Für die kleineren kommunalen Unternehmen kommt es nun darauf an, die Grundlagen dafür zu schaffen, dass die Arbeitsplätze vor Ort erhalten bleiben und die Wertschöpfung weiterhin vor Ort stattfindet. Hierbei kündigen sich schwierige Gratwanderungen an, die in den meisten Fällen in Übernahmen durch größere Unternehmen enden werden. Dessen bin ich mir sicher.

Als Land können wir hierbei herzlich wenig tun. Die Liberalisierung des Strommarktes ist politisch gewollt und längst nicht mehr von uns zu steuern. Das, was wir zum Wohl der Menschen in den Regionen beitragen können, ist, dass wir versuchen, auf eine gewisse

Vielfalt in der Stromerzeugung hinzuwirken. So besteht die Chance, dass zumindest der Produktionsbereich weiterhin in vielfältigen Händen verbleibt. Daher ist der Weg Schleswig-Holsteins, auf erneuerbare Energien hinzuwirken, nicht nur aus ökologischer Sicht der vernünftigste Weg.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Durch diesen Weg lassen sich auch Marktkonzentrationen im Produktionssektor verhindern. Ein großes Unternehmen wird sich nicht um jede Windkraftanlage, um jeden Windpark, jede Biogasanlage oder jedes Blockheizkraftwerk kümmern können. Gerade in diesen Bereichen liegen die Chancen für die Regionen. Dezentrale Energieerzeugung heißt das Stichwort. Hier ist Schleswig-Holstein führend und auf einem sehr guten Weg. Allerdings setzt dies voraus, dass der Geist und der Inhalt des ErneuerbareEnergien-Gesetzes erhalten bleiben. Hier meine ich weniger die Vergütungshöhen als eher die Pflicht zur Abnahme des Stroms.

Ein wenig anders sieht es auf dem Stromverteilermarkt aus. Hier ist die Konzentrationsphase in vollem Gang. Die Netze sind untereinander aufgeteilt und komplett in privaten Händen. Die Problematik, die sich in Zukunft ergeben wird, wird dieselbe sein wie bei der Bahn und dem Schienennetz. Die Nutzung des Stromnetzes wird nur für denjenigen attraktiv sein, der die entsprechenden Durchleitungspreise zahlen kann.

Die Antwort auf die Große Anfrage geht auf die Richtlinienvorschläge der EU-Kommission von 2001 ein. In diesen Richtlinien schlägt die EU-Kommission eine Regulierungsbehörde vor, die sicherstellen soll, dass die Netzbetreiber die Kraftwerke und Händler von Unternehmen, die mit ihnen verbunden sind, nicht besser stellen. Hier genau wird in Zukunft der Knackpunkt sein. Die EU schlägt hierfür vorab festgelegte, bindend vorgeschriebene Tarife vor. In Deutschland setzt man bisher auf freiwillige Vereinbarungen mit der Stromwirtschaft. Dass SchleswigHolstein - wie unser Minister gerade schon ausführte - schon 1998 Zweifel an einem solchen System, das auf Freiwilligkeit beruht, geäußert hat, hat nichts an Aktualität verloren.

Wir wollen einen diskriminierungsfreien Zugang aller Marktteilnehmer zum Netz. Hierbei müssen für alle die gleichen Bedingungen gelten. Nach derzeitigem Kenntnisstand kann man dies nur auf Basis von zwei Szenarien erreichen.

Das erste Szenario wäre, dass sich das Netz in öffentlicher Hand befindet. Dies ist eine Alternative, die in

(Lars Harms)

Deutschland wohl nicht im entferntesten diskutabel ist, da sich die Netze immer im Besitz der Stromgesellschaften befunden haben.

Das zweite Szenario wäre, dass man den Vorschlägen der EU-Kommission folgt - ich glaube, man muss ihnen auch folgen - und feststehende Preise für den Netzzugang festlegt und allen Marktteilnehmern den gleichen Zugang ermöglicht. Dies scheint ein logischer Weg zu sein. Ob dieser Weg allerdings in Deutschland durchsetzbar ist, ist fraglich. Da ist zum einen die Frage, ob man in Besitzrechte der Stromgesellschaften überhaupt so massiv eingreifen darf. Diese rechtliche Frage wird uns noch einige Zeit beschäftigen und - so vermute ich - am Ende nur unbefriedigend gelöst sein. Die zweite Frage in diesem Zusammenhang wäre aber auch, ob man überhaupt politisch gewillt ist, einen solchen Eingriff vorzunehmen. Das beziehe ich nicht so sehr auf das Land Schleswig-Holstein, sondern mehr auf die Bundesrepublik Deutschland. Ich vermute, auch unter der derzeitigen Regierung wird die Antwort eher Nein sein.

Schließlich komme ich in der Frage des Netzzugangs zu dem Schluss, dass eher alles beim Alten bleibt und wir damit rechnen müssen, dass dies gerade den größeren Unternehmen am Markt nützt. Hier kann ich eigentlich nur die Hoffnung äußern, dass die EU relativ restriktiv auch gegenüber unserer Regierung vorgeht, damit sich hier vielleicht doch noch etwas ändert. Aber das wird sehr lange dauern.

Im Netzbereich haben wir schon seit jeher eine Konzentration von Unternehmen und dies wird auch in Zukunft so sein. Nachteilig hierbei wird aber vor allem sein, dass wir keine entsprechenden Kontroll- und Koordinationsinstanzen schaffen, die ihrem Namen gerecht werden. Was das bedeutet, können wir bei den Antworten auf die Fragen 15 und 16 nachlesen. Die Netznutzungsentgelte werden erhöht und die Landesregierung kann nichts anderes sagen, als dass sie diesen Schritt bedauert. Das ist eine Situation, mit der wir nicht leben können.

Kommen wir nun noch zu den Stromhändlern! Hier gilt, was ich schon anfangs sagte: Der Wettbewerb wird eher stärker als schwächer. Aufgrund dieser Tatsache wird es auch hier Konzentrationsbestrebungen geben. Das heißt, die großen Konzerne werden danach streben, die kleinen regionalen Unternehmen aufzukaufen oder doch zumindest Mehrheitsbeteiligungen in diesen Unternehmen zu erreichen. Mein Kollege Matthiessen hat das eben schon recht deutlich gemacht: Gegen die geballte Marktmacht von e.on, Yello und Co. anzugehen, ist für einen regionalen Anbieter fast unmöglich.

Ich habe die ganze Zeit einen Unterschied zwischen Produzenten, Netzbetreibern und Händlern gemacht, um die einzelnen Wirkungsweisen im System Strommarkt deutlicher machen zu können. Aber wir wissen natürlich alle, dass die großen Unternehmen auf allen drei Märkten gleichzeitig tätig sind und so eine Marktmacht entwickeln, die kaum zu steuern ist. Für die kleinen regionalen Anbieter bleibt maximal ein Nischendasein und der Trost, dass man zumindest mit dezentraler Energiegewinnung einen kleinen Teil des großen Kuchens abbekommen kann.

(Vizepräsident Thomas Stritzl übernimmt den Vorsitz)

Spinnt man die gesamte Entwicklung zu Ende, so merkt man, dass die derzeitigen Probleme mit der Liberalisierung des Strommarktes kaum bewältigt sind und die nächsten Probleme schon anstehen. Mit der Liberalisierung des Gasmarktes sind die gleichen Konzerne beschäftigt und es gelten fast die gleichen Bedingungen, die die gleichen Probleme auslösen.

Im Ausschuss sollten wir uns darüber unterhalten, wie wir unter diesen Bedingungen, unsere heimische Stromwirtschaft am besten unterstützen können, damit sie die Liberalisierung so gut wie möglich überstanden werden kann.

Ich glaube, wir sind hier auf einem richtigen Weg und sollten vor allen Dingen - das muss eigentlich Ziel der Landespolitik sein - an der Förderung erneuerbarer Energien festhalten. Das ist der einzige Bereich, den wir steuern können, und das ist der einzige Bereich, der wirklich auch Wirtschaftskraft in die Regionen bringt - möglicherweise an den großen Konzernen vorbei.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Aschmoneit-Lücke.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Matthiessen, ich habe Sie in meinem ersten Debattenbeitrag ja als energiepolitischen Antipoden zurück im Land begrüßt. Ich möchte diese Begrüßung wiederholen, wobei jetzt allerdings nach Ihrem Debattenbeitrag die Betonung auf „Antipode“ liegt.

(Heiterkeit)

(Christel Aschmoneit-Lücke)

Zum Inhalt Ihres Beitrages! Ich fürchte, Herr Kollege, die Zwangspause als Abgeordneter hat Ihnen in energiepolitischer Hinsicht nicht gerade gut getan.

(Heiterkeit und Beifall bei FDP und CDU)

Ich verstehe ja, dass Sie als Geschäftsführer der Fördergesellschaft Windenergie

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Lobbyist! Lobby- ist!)

eindeutig ideologisch und interessengebunden argumentieren mussten.

Ich bitte Sie als Abgeordneten und energiepolitischen Sprecher der grünen Landtagsfraktion, zur Kenntnis zu nehmen, dass jedenfalls meine physikalischen Kenntnisse weit über Milchseen hinausgehen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Ich würde mich freuen, wenn Sie bei der nächsten oder übernächsten energiepolitischen Debatte wieder auf dem Stand wären, den wir hier alle in der Zwischenzeit gemeinsam erreicht haben, und nicht so täten, als ob Sie mit Ihrer Klientel, der Fördergesellschaft Windenergie, sprächen. Im Prinzip sollten Sie, auch aus früheren Debatten, wissen, dass wir hier sehr ernsthaft über energiepolitische Fragen sprechen und dass alle energiepolitischen Sprecher sehr wohl darüber informiert sind, wie die Energiepolitik in Schleswig-Holstein abläuft, und dass wir alle über die physikalischen Bedingungen von Energie - das gilt selbstverständlich nicht nur für Schleswig-Holstein; die physikalischen Gesetzmäßigkeiten gelten global - Bescheid wissen.

Das wollte ich nur noch einmal zum Ausdruck gebracht haben.

(Beifall bei FDP und CDU)

Das Wort erteile ich jetzt dem Herrn Abgeordneten Detlef Matthiessen.

Was den Lobbyisten und die Fördergesellschaft anbelangt, möchte ich sagen: Die Mitglieder kommen aus den verschiedensten Bereichen: Aus der Verwaltung, der Stromwirtschaft, von den Herstellern von Windturbinen. Es werden technische Richtlinien herausgegeben; es werden im so genannten e.on-Arbeitskreis Netzanschlussregeln verhandelt.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Keine Werbung jetzt!)

Es ist eigentlich eine Institution mit einer klassischen Querschnittsfunktion und es ist kein Lobbyverband. Vielmehr werden dort divergierende Interessen technischen Lösungen zugeführt.

Im Übrigen habe ich, glaube ich, zur Windenergie gar nichts gesagt; auch zur KWK habe ich nichts gesagt.

(Zuruf der Abgeordneten Christel Aschmo- neit-Lücke [FDP])

Wir unterhalten uns jetzt ja über den Wettbewerb im Strommarkt. Die Erzeugung durch KWK und erneuerbare Energien stellt ja nun einmal die eine Seite dar. Wir unterhalten uns aber in dieser Debatte, glaube ich, über die 90 % Haupterzeugung. Das haben wir wettbewerblich zu organisieren. Dazu habe ich einige Ausführungen gemacht.

Frau Kollegin, in Bezug auf die Rexrodt-Novelle - sie ist, glaube ich, seit 1998 gültig; wir haben also jetzt fast vier Jahre lang Erfahrung damit gesammelt, wie sich die FDP die Liberalisierung vorstellt und den Wettbewerb per Gesetz organisieren will - kann nur eine vernichtende Bilanz gezogen werden. Insofern bin ich ganz gelassen, was Ihre Einstufung meiner Kompetenz anbelangt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich gehe davon aus, dass beantragt worden ist, die Große Anfrage der Fraktion der CDU sowie die Antwort der Landesregierung, Drucksache 15/1871, zur abschließenden Beratung dem zuständigen Wirtschaftausschuss zu überweisen. Habe ich das so richtig verstanden?

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Energiepolitik ist im Um- weltausschuss! Den Wirtschaftsausschuss können wir zusätzlich machen!)

- Herr Kollege, ich bedanke mich für den Hinweis. Wenn gar keine Anträge gestellt werden, kann ich ja nur vermuten, an welchen Ausschuss es überwiesen werden soll.

Es soll also an den Umweltausschuss und mitberatend an den Wirtschaftsausschuss überwiesen werden. Soll der Umweltausschuss dann federführend sein?

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Brauchen wir nicht, weil es ab- schließend ist!)

(Vizepräsident Thomas Stritzl)

- Beide Ausschüsse sollen also abschließend beraten. Dann machen wir das so.