Protokoll der Sitzung vom 11.10.2002

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort Herrn Abgeordneten Poppendiecker.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es liegt inzwischen ein gemeinsamer Antrag der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten des SSW vor. Ich

denke, das Thema „Rahmenbedingungen für mehr Wettbewerb auf der Schiene“ ist wichtig für unser Land. Wir haben in den letzten Tagen und Wochen wiederum erleben können, was Bahnpolitik bedeutet. Ich denke an das neue Fahrpreissystem der Bahn und all diese Dinge.

Lassen Sie mich einen kurzen Rückblick vornehmen. Früher ist Schleswig-Holstein ein Land auf absteigendem Ast gewesen, was den Bereich der Bahn betrifft. Die damalige Deutsche Bundesbahn als Trägerin des Schienenverkehrs hat jahrelang lediglich Strecken stillgelegt und versuchte, die Kunden von der Schiene vertreiben; ich sage es einmal so grob. Man hat Fahrpläne geschaffen, die einfach unannehmbar waren. Ich kann an dieser Stelle auch feststellen, dass wir inzwischen wieder - darauf bin ich ein bisschen stolz; ich danke dafür auch dem Minister und seinen Vorgängern - Bahnland geworden sind.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Bevor die Deutsche Bundesbahn zur Deutschen Bahn AG privatisiert wurde, sah es, was ich eben betont habe, sehr negativ aus. Nach der Privatisierung hatte und hat die Bahn Schwierigkeiten, zu begreifen, dass es plötzlich Konkurrenten gab. Sie war Monopolbetrieb. Wenn ich mir heute anschaue, was in Schleswig-Holstein los ist, dann sehe ich ein buntes Angebot an Bahn. Es fährt bei uns inzwischen die NordOstsee-Bahn; es fährt die AKN; die DB AG ist immer noch stärkster Partner. Ich sage an dieser Stelle: Sie möge es vielleicht auch bleiben. Sie muss sich dann in vielen Punkten aber noch ändern. Das ist ganz wichtig. Ab 15. Dezember wird es eine neue Gesellschaft geben, die NNVG, die den Betrieb zwischen Flensburg und Hamburg aufnimmt. Mal sehen, was die bringt. Ich denke, es ist Leben in die Bahnlandschaft hineingekommen. Auch die Eröffnung der Strecke Neumünster-Bad Oldesloe und die Hamburger Hochbahn, die sich inzwischen ausdehnt, möchte ich nennen. Das sind positive Dinge. Das Westnetz ist ausgeschrieben. Wir müssen schauen, Herr Minister, was dabei herauskommt. Lieber Kollege Eichelberg, liebe Frau Aschmoneit-Lücke, wir haben das ja oftmals gemeinsam gemacht. Ich denke, dass wir das Thema Bahn auch in Zukunft überwiegend gemeinsam bearbeiten werden. Wir konnten ja nicht nur Strecken erhalten. Vielmehr konnten auch einige Strecken neu in Betrieb genommen werden. Es ist auch das eingetreten, was die Bahn immer bestritten hat: Es hat Zuwächse bei den Fahrgastzahlen gegeben; das ist einfach so.

Wir wünschen weiterhin eine Stärkung im Wettbewerb bei den Verkehrsleistungen, aber auch eine

(Gerhard Poppendiecker)

Verbesserung der Schieneninfrastruktur. Dazu gehört auch eine weitaus bessere partnerschaftliche Zusammenarbeit der Bahn mit dem Land. Das vergisst die Bahn immer noch. Viele Leute bei der Bahn, die dort Verantwortung tragen, sind immer noch der Meinung, man sei trotz der Privatisierung so eine Art Monopolbetrieb. Dies ist aber nicht mehr der Fall.

Es wäre ferner sinnvoll, Mittel für Investitionen im Bahnbereich an die Länder zu geben, damit sie selbst über die Wertigkeit und Wichtigkeit in Bezug auf die Erhaltung, den Ausbau oder den Neubau von Strecken entscheiden können.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

- Es hätten ja auch ein paar mehr klatschen können.

(Beifall der Abgeordneten Caroline Schwarz [CDU])

- Das meine ich auch.

In unserem Antrag steht die Aussage, dass es beispielsweise keine Parallelverkehre geben soll. Damit hier kein falscher Eindruck entsteht: Natürlich wird es auch in Zukunft Parallelverkehre durch Buslinien geben und auch geben müssen. Aber dort, wo es in direkter Konkurrenz zur Bahn geschieht, ist es nicht erforderlich. Um dies alles zu verbessern, wäre auch eine Anpassung der Buslinien an den Taktverkehr der Bahn wichtig. So könnten Fahrgäste an die Schiene herangebracht werden.

Ich denke, wir haben gute Schritte in die Zukunft unternommen. Das soll so bleiben. Ferner meine ich, wir sollten der Bahn immer wieder klar machen, dass sie uns auch in Zukunft Garantien darüber zu geben hat, dass die Fernverkehre, die es heute noch gibt, in diesem Land erhalten bleiben. Sonst müssen wir uns neue und andere Partner suchen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW sowie der Abgeordneten Christel Aschmoneit-Lücke [FDP] und Her- lich Marie Todsen-Reese [CDU])

Wir müssen uns ein wenig kürzer fassen, sonst werden wir Hausaufgaben bis weit nach 18 Uhr zu machen haben.

Ich erteile jetzt Herrn Abgeordneten Eichelberg das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Poppendiecker, deine Ausführungen sind in den meisten Passagen ganz erfreulich. Denn in den grundlegenden bahnpolitischen Fragen sind sich alle Parteien im Landtag einig. Das ist auch gut so; darüber freue ich mich. Aber über die Sinnhaftigkeit des heutigen Antrags muss ich mich doch ein wenig wundern.

(Zuruf von der SPD: Aber Uwe!)

Erst treten wir gemeinsam für mehr Wettbewerb ein; das hast du ja sehr deutlich geschildert. Ich habe aber den Eindruck, dass ihr etwas Muffe bekommen habt und euch der Mut in Bezug auf weiteren Wettbewerb fehlt. Den wollt ihr einschränken. Wenn man den Antrag liest, bekommt man diesen Eindruck.

(Beifall bei CDU und FDP - Dr. Heiner Garg [FDP]: Sehr gut!)

Vielleicht erinnern wir uns noch einmal an die Aufgabenverteilung im Schienenverkehr zwischen Land, Bund und DB AG. Dabei ist ganz klar festgelegt worden, dass die Verantwortung für den Ausbau und die Erhaltung der Eisenbahninfrastruktur und den Fernverkehr eindeutig bei der DB AG liegt. Da können wir machen, was wir wollen; da können wir uns auch mitunter ärgern, besonders dann, wenn Fernzüge eingestellt werden. Die Deutsche Bahn ist eine AG und muss auf die Wirtschaftlichkeit achten. Was wir politisch wollen, ist eine andere Frage. Der Bund sieht das im Augenblick eindeutig mit betriebswirtschaftlicher Brille und nicht mit der sozialpolitischen Brille, die wir manchmal aufhaben, wenn wir manche Strecken behalten wollen. Das ist ein gewisser Unterschied.

Die Länder haben die Verantwortung dafür, den fahrplangerechten regionalen Personennahverkehr zu erhalten und zu gestalten. Damit haben wir reichlich zu tun. Schleswig-Holstein - Landesregierung einvernehmlich mit den im Landtag vertretenen Parteien - hat hier bewusst die Chance des Wettbewerbs angepackt. In anderen Ländern ist das so nicht der Fall; da wird das eher verhindert. Darüber freuen wir uns auch.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das, was erreicht worden ist, Herr Minister, ist erfreulich. Wir brauchen nämlich das zusätzliche Geld, das wir erwirtschaften, um Dinge zu finanzieren, die wir für richtig halten und die nicht immer einer strikten wirtschaftlichen Betrachtungsweise standhalten.

(Uwe Eichelberg)

Für den Fortfall der InterRegios und vieler anderer Fernverkehrsverbindungen sind wir gezwungen, bestimmte Dinge aus unserem Topf zu bezahlen, um Ersatznahverkehrsverbindungen aufzubauen. Das haben wir gewollt. Das haben wir gemeinsam besprochen. Das ist richtig so. Mittlerweile aber ist der Topf leer. Wir können es uns nach unserer Meinung nicht erlauben, zusätzlich Dinge wie zum Beispiel einen Zugbegleiter und ähnliche Dinge zu finanzieren. Das erinnert mich an die Geschichte in England, wo der Heizer auf der Diesellokomotive weiterfährt. Das geht schlichtweg nicht. Wenn ein Träger bestimmte ausgeschriebene Verkehrsleistungen übernimmt, hat er sicherzustellen, dass das dementsprechend abgewickelt wird.

(Beifall bei CDU und FDP - Christel Aschmoneit-Lücke [FDP]: So ist es!)

Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass die Verkehrsträger Lokomotivführer einsetzen, die nicht eine entsprechende Lizenz haben. Ich halte das für wahnwitzig. Sie tragen die Verantwortung für die Transporte nach dem Eisenbahnverkehrsgesetz.

(Beifall bei CDU und FDP)

Der heutige Wettbewerb mit der DB hat sich überhaupt erst dadurch ergeben, dass wir kleine Lose ausgeschrieben haben. Man konnte sich an diesen Markt heranarbeiten. Ich verstehe überhaupt nicht, dass wir die kleinen Lose nun nicht mehr haben wollen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Genau das wollen Sie mit dem Tariftreuegesetz. Wie soll der Kleine vor Ort eine Chance haben, sich im Wettbewerb durchzusetzen? Da muss ich fragen: Was will die SPD überhaupt?

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Das weiß sie selber nicht!)

Zum Wettbewerb gehört die Bahn genauso dazu.

Lieber Herr Poppendiecker, du hast den Wettbewerb auf die Verkehrsträger Bahn und Bus eingeschränkt. Die meisten Strecken, auf denen parallel gefahren wird, sind nur deshalb für die Busunternehmen rentabel, weil eine ganze Menge Orte zwischen den Haltestellen angefahren werden, in denen die Bahn nicht mehr hält oder weil die Orte zu weit weg sind oder weil der direkte Bus nur zum Flughafen fährt. Ich sehe keine Parallelverkehre. Diese nämlich wären überhaupt nicht wirtschaftlich - es sei denn, die Bahn fährt nur alle paar Stunden.

(Caroline Schwarz [CDU]: Oder gar nicht!)

Dann muss der Wettbewerb natürlich erhalten bleiben.

Das lässt sich nicht verhindern und nicht verbieten. Wenn wir Wettbewerb wollen, gibt es immer Wettbewerb. Dann muss es auch Wettbewerb zwischen Bahn und Bus geben.

(Beifall bei CDU und FDP)

Auf eines müssen wir achten, nämlich dass diejenigen, die alternativ zur DB AG die Ausschreibungen gewinnen, die Leistungen von heute mit vollem Hintergrundservice auch morgen erbringen können. Es darf nicht nur ein Einmaleffekt sein. Wir müssen auch darauf achten, dass nicht nur staatliche Gesellschaften aus Frankreich oder anderen Bundesländern die Ausschreibungen gewinnen. Dann nämlich ersetzen wir ein Monopol durch ein anderes Monopol. Dann sind wir morgen genauso abhängig. Das darf nicht sein. Dann diktieren diese uns wieder die Preise.

(Beifall bei CDU und FDP - Dr. Heiner Garg [FDP]: Jawohl!)

Summa summarum: Wir sind eigentlich zufrieden mit der Ausschreibungspraxis in Schleswig-Holstein und der Gemeinsamkeit, mit der wir das durchgezogen haben. Lassen Sie uns auf diesem verantwortungsvollen Weg weitergehen, keine Spielereien machen, sondern Erfüllbares durchführen. In diesem Sinne wünsche ich, dass wir mit dem knappen Geld vernünftige Leistungen erbringen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das Wort hat die Frau Abgeordnete AschmoneitLücke.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Die muss jetzt noch klatschen!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die beiden Anträge der Regierungskoalitionen haben wohlklingende Titel: „Rahmenbedingungen für mehr Wettbewerb auf der Schiene“. Aber sie täuschen über den Inhalt. Richtigerweise müssten sie auf folgenden Namen getauft sein: „Bloß kein Wettbewerb auf der Schiene“.

Wettbewerb bedeutet, dass sich zahlreiche Bewerber um die Gunst der Kunden um die Wette bewerben dürfen. Dieser Prozess konkurrierender Bewerbungen spornt die Bewerber an, immer bessere Lösungen für bekannte und noch nicht erkannte Probleme zu finden.

(Christel Aschmoneit-Lücke)