Protokoll der Sitzung vom 13.11.2002

Landeszentrale für politische Bildung

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/2243

Antrag der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 15/2256

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Ich eröffne die Aussprache und erteile Frau Abgeordneter Eisenberg das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wieder einmal gibt es Zoff bei dem Thema der Umgestaltung der Landeszentrale für politische Bildung. Das ist auch kein Wunder, denn das Thema politische Bildung ist ein brisantes Thema. Die CDU-Fraktion hatte sich bereits im Sommer 2001 in den Diskussionsprozess eingeschaltet, eigene Vorschläge auf den Tisch gelegt, um die Unabhängigkeit der Landeszentrale zu wahren und die Arbeitsmöglichkeiten der Landeszentrale in Verbindung mit anderen Trägern der politischen Bildung im Lande und der Bundeszentrale zu erhalten. Bereits im Herbst 2001 lehnte die CDU den für Deutschland einmaligen Plan der schleswig-holsteinischen Landesregierung ab, die politische Bildung aus der staatlichen Verantwortung in die Abhängigkeit privater Träger zu überführen. Trotz unserer Warnung versuchte das Bildungsministerium mit Unterstützung der Regierungsfraktionen und des SSW mit allen Mitteln, dieses Konzept einer gemeinnützigen GmbH durchzusetzen, und trug damit zu einer großen Verunsicherung der Nutzer der Landeszentrale bei.

Nicht die Fachleute, sondern erst die Gewerkschaften brachten das Bildungsministerium - aus welchen Gründen auch immer - zum Umdenken. Die dann im Sommer 2002 in die Diskussion eingebrachte Lösung, die Landeszentrale als Landesbetrieb unter dem Dach der Volkshochschulen anzusiedeln, konnten wir nur mit großen Bedenken mittragen. Wir sahen

(Sylvia Eisenberg)

die Unabhängigkeit der Arbeit der Landeszentrale weiterhin gefährdet. Was dann folgte, kam einer Täuschung des Bildungsausschusses und einer Täuschung des Kuratoriums gleich. So habe ich das für mich bemerkt.

(Beifall des Abgeordneten Jost de Jager [CDU])

Der geplante Organisationserlass vom September macht deutlich, dass die Leitung des Landesbetriebs Politische Bildung vom Direktor des Landesverbandes der Volkshochschulen übernommen wird. Frau Erdsiek-Rave, ich frage Sie ernsthaft: Ganz abgesehen davon, dass Sie diese Konstruktion weder im Bildungsausschuss noch im Kuratorium so genannt haben, sind Sie wirklich der Auffassung, dass mit dieser Konstruktion die politische Bildung im Lande im Sinne von Multiplikatorenschulung vorangetrieben werden kann?

(Beifall des Abgeordneten Uwe Greve [CDU])

Fachleute sind jedenfalls der Auffassung, dass damit die Arbeit der Landeszentrale zukünftig auf Null reduziert werden soll.

(Werner Kalinka [CDU]: Sehr richtig!)

Ein Weiteres kommt hinzu: Nicht nur die Dienstaufsicht über die Mitarbeiter, sondern auch die Fachaufsicht soll künftig beim Bildungsministerium liegen. Damit wird die inhaltliche Arbeit der zukünftigen Landeszentrale vom Ministerium überwacht und das Kuratorium, das eigentlich dazu da war, zu einem reinen Akklamationsorgan, wenn es denn überhaupt noch bestehen bleibt. Soweit ich in Erfahrung bringen konnte, ist vom Kuratorium - jedenfalls in diesem geplanten Erlass - nicht mehr die Rede.

Die bisherige parteipolitisch neutrale Arbeit der Landeszentrale wird, so denke ich, damit endgültig zu Grabe getragen. Das ist nicht nur unsere Auffassung, sondern die vieler Träger politischer Bildungsarbeit im Lande. Uns erreichende Briefe, die Sie sicherlich auch erhalten haben, bestätigen dies. Wenn das Ihr politisches Ziel ist, so sagen Sie es. Dann kann man sich damit auseinander setzen. Frau Erdsiek-Rave, wenn Ihr Ziel aber eine Einsparung von Haushaltsmitteln im Einzelplan 07 gewesen sein sollte, so wäre es besser gewesen, Sie hätten dieses Ziel bereits zu Beginn der Diskussion genannt und unter diesem Gesichtspunkt die Diskussion geführt. Das wäre zumindest ehrlicher gewesen, als mit Stichworten wie Reformierung, Modernisierung und Optimierung herumzuwerfen und die am Diskussionsprozess Beteiligten hinters Licht zu führen.

Wir legen heute einen erneuten Vorschlag mit dem Ziel vor, die parteipolitische Unabhängigkeit der Landeszentrale für politische Bildung in der bisherigen Form zu erhalten und die anstehende Entscheidung zu verhindern.

(Glocke des Präsidenten)

Die Unabhängigkeit der politischen Bildung im Lande hat für uns höchste Priorität. Dafür sind wir auch bereit, die Organisationsstruktur der Landeszentrale zu straffen und die Aufgaben auf ein Maß zu beschränken, das mittelfristig auch Personalabbau bedeuten kann. Wir sind aber nicht bereit, die parteipolitische Unabhängigkeit der Landeszentrale aufs Spiel zu setzen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Weber das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Eisenberg, mit Verlaub, in einem FünfMinuten-Beitrag habe ich selten so viel Unfug aneinandergereiht gehört wie in diesem Beitrag.

(Widerspruch bei der CDU)

Dazu will ich auch gleich ein paar deutliche Worte sagen: Man kann sich über die Arbeit und Zielrichtung der Landeszentrale für politische Bildung streiten. Wir haben uns in einem langen Diskussionsprozess darüber gestritten und darüber auseinander gesetzt, welche Funktion und welche Arbeitsschwerpunkte die Landeszentrale haben soll. Das will ich heute nicht alles wiederholen. Das haben wir bereits ausführlich im Landtag und im Bildungsausschuss gemacht.

Sie fokussieren jetzt die Diskussion auf das Thema der Trägerschaft und insbesondere auf die Frage der Fach- und Dienstaufsicht. Ich sage, es geht gar nicht so sehr um den parteipolitischen oder sachlichen Streit, sondern es geht darum, dass in Ihrem Antrag Dinge stehen, die überhaupt nicht zutreffen.

Dazu drei Punkte: Erstens. Sie sprechen von der geplanten Fachaufsicht über die Landeszentrale durch das Ministerium. Dazu sage ich Ihnen: Eine Fachaufsicht des Bildungsministeriums über die Landeszentrale gibt es so lange, wie es diese Landeszentrale gibt. Sie wissen auch, dass nach dem Verwaltungsgesetz das Bildungsministerium Dienst- und Fachaufsicht der Landeszentrale für politische Bildung ist, wie sie es auch bei dem Vorgänger in Form des Amts für

(Jürgen Weber)

staatspolitische Bildung gewesen ist. Es wird also im Hinblick auf die fach- und dienstaufsichtliche Unabhängigkeit überhaupt nichts verändert.

Zweitens. Sie schreiben in Ihrem Antrag: „Dem Kuratorium politische Bildung obliegt weiterhin die Fachaufsicht über die inhaltliche Arbeit der Landeszentrale.“ Von einem „weiterhin“ kann nicht die Rede sein, weil es eine Fachaufsicht des Kuratoriums überhaupt nicht gibt. Hätten Sie sich die Mühe gemacht und in die Geschäftsordnung des Kuratoriums politische Bildung hineingeschaut, hätten Sie unter Punkt 1 gelesen: „Das Kuratorium für politische Bildung berät und unterstützt die Ministerin oder den Minister auf den Gebieten der politischen Bildungsarbeit und es berät und unterstützt auch die Landeszentrale für politische Bildung in ihrer Bildungsarbeit.“ Von einer Aufsicht oder gar einer Fachaufsicht ist da überhaupt nicht die Rede. Die Grundannahmen in Ihrem Antrag sind also schon von vornherein völlig falsch.

(Beifall bei SPD und SSW)

Jetzt will ich in der Kürze der Zeit noch kurz eine Bewertung abgeben. Die Fachaufsicht, die in diesem Bereich existiert, hat sich noch nie, unter keiner Regierung in Schleswig-Holstein - das behaupte ich einmal, da ich nichts anderes weiß -, auf die Inhalte von politischer Bildung konzentriert.

Über die Konzepte von politischer Bildung gab es und gibt es allerdings immer mal wieder die Gelegenheit, dass man mit einer Behörde redet. In den 80er- und 90er-Jahren war die Bereitschaft zur Selbstreflexion der Konzeption der Arbeit der Landeszentrale nicht übertrieben ausgeprägt, sodass es durchaus Sinn machte, das in einem Gespräch und gegebenenfalls in einem entsprechenden Verfahren zur Sprache zu bringen.

Das Niveau der Unabhängigkeit der Landeszentrale in dieser neuen Konstruktion hat sich rechtlich gar nicht verändert. Dies allerdings mit dem Unterschied, dass es im Hinblick auf die wirtschaftliche Unabhängigkeit nun neue zusätzliche Möglichkeiten gibt.

Nun zu der Kooperation oder Zusammenarbeit mit den Volkshochschulen! Es ist richtig, dass der entsprechende Ausführungserlass davon spricht, dass die Geschäftsführung auf den Landesverband der Volkshochschulen übertragen werden soll. Dessen ungeachtet bleibt bestehen, dass es sich weiter um zwei eigenständige Einrichtungen handelt, die eigenständig handeln können. Ich kann mir auch gar nicht vorstellen, dass der Landesverband der Volkshochschulen bereit wäre, die Geschäftsführung zu übernehmen, wenn das nicht der Fall wäre. Jeder arbeitet also weiter verantwortlich in seinem Bereich.

Die Organisation als Landesbetrieb - darüber haben wir lange diskutiert und hier haben Sie im Ausschuss und nachher im Parlament ohne Aussprache zugestimmt - ist die, die wir benötigen, um mehr Wirtschaftlichkeit bei der Erzielung von Einnahmen zu erreichen.

Meines Erachtens ist eine Masse Dampf entfacht worden, die keine wirklich realistische Grundlage hat. Wenn Sie das dann noch zuspitzen und sagen, es könnte unter Umständen eine Gefährdung der parteipolitischen Unabhängigkeit geben, empfehle ich Ihnen, den Erlass detailliert durchzulesen. Dort steht explizit und wörtlich, dass nach wie vor die parteipolitische Unabhängigkeit der Institution auch in dieser Konstellation erhalten bleiben wird.

Das Kontrollgremium, das das natürlich auch zu überprüfen hat, ist ein Stück weit das Parlament. Das ist richtig. Deshalb ist es schlau und gut, dass wir häufig über die Landeszentrale reden, weil die politische Bildung ein sensibler Bereich ist. Wir Abgeordnete im Kuratorium als auch das Parlament insgesamt sollen die Gelegenheit zur Debatte nutzen.

Summa summarum gibt es eigentlich keinen Grund für Aufregung. Man muss sich im Detail informieren. Dann wird man die Probleme auch etwas präziser wägen können.

Frau Eisenberg, dem Irrtum sind aber nicht nur Sie unterlegen, sondern ich habe gelesen, dass der Vorsitzende des DGB Nord, Herr Deutschland, sich ähnlich eingelassen hat. Es gibt also noch viel Bildungsarbeit in diesem Land zu betreiben.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Klug das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Landeszentrale für politische Bildung muss eine eigenständige Einrichtung des Landes sein. Wir wollen nicht, dass sie zu einer Propagandaabteilung der Landesregierung degradiert wird.

(Beifall bei FDP und CDU)

Wir wollen auch nicht, dass das Land sie einem Dachverband von Bildungsträgern unterstellt, die selber Akteure im Bereich der Erwachsenenbildung sind und somit eigene Interessen vertreten.

So sehr wir auch die Volkshochschulen als Träger der Erwachsenenbildung schätzen, halten wir jedoch

(Dr. Ekkehard Klug)

das vom Bildungsministerium verfolgte Ziel, die Landeszentrale für politische Bildung dem Direktor des Landesverbandes der Volkshochschulen zu unterstellen, für falsch. Zudem würde damit ein Präzedenzfall geschaffen, der nicht Schule machen darf.

Wenn die Landesregierung Einrichtungen des Landes in dieser Weise der Steuerung durch Dritte ausliefert, wird nämlich auch das Prinzip der parlamentarischen Kontrolle über Dienststellen des Landes ausgehöhlt.

Meine Damen und Herren, es war zudem jahrelang, um nicht zu sagen jahrzehntelang guter Brauch, dass die überparteiliche Bildungsarbeit der Landeszentrale in einem von allen Landtagsfraktionen besetzten Kuratorium beraten und begleitet wurde. Das soll zwar weiter so sein, aber ich bin der Meinung, dass de facto die Funktion dieses Kuratoriums in der neuen Konstruktion ausgehöhlt wird, wenn die Geschäftsführung dieser Einrichtung bei einem Dritten liegt, der außerhalb der Landeseinrichtungen steht.

Mit diesen Plänen kehrt das Kultusministerium - das ist mein fester Eindruck - seine im Juni bekundete Absicht de facto in das Gegenteil um. Damals hatte die Bildungsministerin mitgeteilt - ich habe das aufmerksam in den damals herausgegebenen dpa-Meldungen nachgelesen -, die Landeszentrale für politische Bildung solle nicht privatisiert, sondern in einen Landesbetrieb umgewandelt werden. In einem dpaBericht vom 12. Juni war dann wörtlich davon die Rede: „Die Geschäftsführung dieses Landesbetriebes solle mit den Volkshochschulen zusammenarbeiten.“ Meine Damen und Herren, Zusammenarbeit ist doch wohl nach wie vor substanziell etwas anderes als Unterordnung.

(Zuruf des Abgeordneten Jürgen Weber [SPD])

Ansonsten müsste man in Schleswig-Holstein alle Bürger davor warnen, ihnen allgemeine Warnhinweise zukommen lassen, die vor einer Zusammenarbeit mit dieser Landesregierung nach dem Motto, die versteht Zusammenarbeit als Unterordnung, abraten.