Protokoll der Sitzung vom 13.11.2002

- Nein. Dann lasse ich alternativ abstimmen, zunächst über den Ursprungsantrag der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 15/2237. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer will dem Antrag der Fraktion der CDU zustimmen, Drucksache 15/2252? - Der Antrag der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist angenommen mit den Stimmen der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit ist dieser Antrag angenommen.

(Zurufe: Enthaltungen!)

- Nein, bei einer alternativen Abstimmung kommt es nicht auf Enthaltungen an, sondern darauf, welcher Antrag die meisten Stimmen erhalten hat.

Ich weise darauf hin, dass wir um 15 Uhr mit den Tagesordnungspunkten 9 und 33, Änderung des Abgeordnetengesetzes, fortfahren.

Ich wünsche Ihnen eine gute Mittagspause.

(Unterbrechung: 13:04 bis 15:02 Uhr)

Die Sitzung ist wieder eröffnet.

Zunächst begrüße ich auf der Besuchertribüne unsere Gäste vom SSW Flensburg-West und FlensburgZentrum. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 9 und 33 auf:

Gemeinsame Beratung

a) Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Schleswig-Holsteinischen Abgeordnetengesetzes

Gesetzentwurf der Fraktionen von SPD und FDP Drucksache 15/2249

Gesetzentwurf der Fraktion der CDU Drucksache 15/2255

b) Bericht des Landtagspräsidenten gemäß § 28 des Schleswig-Holsteinischen Abgeordnetengesetzes über die Angemessenheit der Entschädigung sowie der Aufwandsentschädigung der Abgeordneten

Drucksache 15/2217

Ich erteile Herrn Landtagspräsidenten Heinz-Werner Arens das Wort.

Heinz-Werner Arens, Landtagspräsident:

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach der notwendigen Abstimmung zwischen den Fraktionen, die wesentlich informatorischer Art gewesen ist, lege ich Ihnen - ich lese ihn nicht vor - den Bericht zur Angemessenheit der Diät vor. Ich will aus meiner Sicht einige notwendige Klarstellungen und einige Bemerkungen machen.

Erstens. Das Parlament muss über die Höhe der Diäten selbst entscheiden. Das ist Verfassungsgebot. Es mag angehen, dass wir mit der Strukturreform ins Auge fassen werden, eine vermittelbare Reform der Angleichung der Diäten zu regeln. Das Haus hat sich dementsprechend erklärt. Solange wir die bestehende gesetzliche Grundlage haben, wird in dieser Form durch das Parlament selbst geregelt, wie die Diät angemessen geregelt werden kann.

Zweitens. Die Diät ist keine Beamtenbesoldung, sie ist mit anderen Einkommensarten nicht vergleichbar. Sie hat, so steht es in der Verfassung, angemessen zu sein. Angemessenheit definiert sich auf der einen Seite als Lebensunterhalt, auf der anderen Seite ist die Unabhängigkeit des Mandats zu sichern.

Ich will Ihnen an dieser Stelle noch einmal den Artikel 11 Abs. 3 der Verfassung des Landes SchleswigHolstein ins Gedächtnis rufen:

„Die Abgeordneten haben Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung. Dieser Anspruch ist weder übertragbar noch kann auf ihn verzichtet werden.“

Ich denke, dass wir in der gegenwärtigen Diskussion auch zur Kenntnis nehmen müssen - ich habe heute in der Zeitung gelesen, dass die Diät mit dem Bestandteil der Funktionszahlung als verfassungswidrig bezeichnet wurde -, dass das Bundesverfassungsgericht - wir versuchen, dem Urteil nachzukommen und entsprechend zu reagieren - die Nichtverfassungsgemäßheit der Vielzahl von Funktionszahlungen festgestellt hat, aber keinesfalls die Nichtverfassungsgemäßheit von Funktionszahlungen, um das einmal deutlich zu sagen.

Drittens. Im Unterschied zu allen anderen Einkommensgruppen und Maßnahmen werden die Diäten nach der Einkommensentwicklung des Vorjahres angepasst.

Einige Bemerkungen! Ich habe - die Präsidentin hat es bereits erwähnt - gesetzlich pflichtgemäß dem Parlament einen Bericht über die Angemessenheit der Diät und, falls sie nicht angemessen ist, über die Herstellung der Angemessenheit vorzulegen und einen entsprechenden Vorschlag zu unterbreiten. Dies habe ich mit dem vorliegenden Bericht getan.

Die Argumentation bezüglich der Nichtangemessenheit ergibt sich aus dem soeben von mir zitierten Verfassungsgrundsatz. Die Diäten sind angemessen festzulegen. Wir haben im Jahr 2001 auf die Angemessenheitsherstellung für das Jahr 2002 ausdrücklich verzichtet, aber nicht in Form einer Nullrunde, wie es in der Presse immer berichtet wird, sondern wir haben ausdrücklich gesagt, wir nehmen die notwendige Einkommensentwicklung nicht vor, weil wir zügig zum 1. Januar 2003 die Struktur der Diät im Sinne des Bundesverfassungsgerichts grundlegend verändern wollen und dann diesen Schritt machen werden.

So kommt es eben dazu, dass ich in diesem Bericht festzustellen habe: Die Konsequenzen aus der Nichtanpassung an die Einkommensentwicklung 2001 und die notwendige Anpassung an die Einkommensentwicklung an das Jahr 2002 sind zum 1. Januar 2003 - dies ist mein Vorschlag - zu ziehen beziehungsweise herzustellen.

Ich stecke nicht den Finger in die Luft, ich verhandle nicht am Tariftisch, ich spreche keinen Wunsch aus,

(Landtagspräsident Heinz-Werner Arens)

wenn ich sage: Die Prozentzahlen von 2001 mit 2,5 und von 2002 mit 3,2 sind auf der Grundlage der durchschnittlichen Einkommens- und Lohnentwicklung in der gesamten Bundesrepublik die beiden objektiven Bestandteile, um die die Diät heutzutage aus ihrer Angemessenheit heraus fällt.

Mein Vorschlag kann gar nicht anders sein: Ich habe Ihnen nicht nur pflichtgemäß einen Bericht vorzulegen, sondern Ihnen auch pflichtgemäß vorzuschlagen, wie die Angemessenheit herzustellen ist.

Im Übrigen steht der Präsident nicht allein im Obligo; ich habe eben zitiert „nicht übertragbar und nicht verzichtbar“. Auch Abgeordnete haben der Verfassung gemäß die Angemessenheit grundsätzlich herzustellen.

Nun bin ich weit davon entfernt, nicht zu sehen, was in dieser Zeit angesichts der schwierigen Situation, in der wir uns befinden, in der Bevölkerung, in der Gesellschaft läuft.

Zu dem Vorwurf der schlechten Zeit, des Nicht-indie-Landschaft-Passens muss ich sagen: Ich bin 23 Jahre im Parlament, ich habe hier viele Runden mitgemacht. Es hat noch nie in die Zeit gepasst. Dennoch will ich dies heute isoliert sehen: Es ist eine schwierige Situation. Nur, die Solidarität von Abgeordneten zu verlangen, bedeutet konsequenterweise auch, dass wir in angemessener Zeit über die Haushaltsrunde 2003 einen Vorschlag zu entwickeln haben. Wenn sich der Haushalt negativ entwickelt, entwickelt sich automatisch auch der Vorschlag negativ.

Das ist das Notwendige, was ich zum Bericht sagen sollte, zumal die Frau Präsidentin schon auf die „rote Bremse“ tritt. Ich habe Ihnen den Bericht vorgelegt, ich habe Ihnen einen Vorschlag gemacht. Entscheiden muss das Parlament insgesamt.

(Beifall im ganzen Haus)

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Hay.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gemeinsam legen Ihnen die Fraktionen von SPD und FDP zur Erhöhung der Diäten einen Vorschlag vor, der sich am Bericht des Landtagspräsidenten orientiert. Wenn heute in einer schleswigholsteinischen Zeitung zu lesen war, dass es ein Novum sei, dass dies nicht von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unterzeichnet worden sei, so weise ich darauf hin: Erstens. Es ist ausdrücklich im Koali

tionsvertrag festgelegt, dass Diätenfragen nicht Bestandteil des Koalitionsvertrags sind. Zweitens. Es hat noch nie einen gemeinsamen rot-grünen Antrag zum Thema Diäten gegeben. Insofern hätte eine einfache Nachfrage diesen Bericht obsolet gemacht.

Wir halten eine Erhöhung von 2,9 % zum 1. Januar 2003 für angemessen. Auch eine weitere Erhöhung zum 1. Juli 2003 halten wir für angemessen, allerdings nur dann, wenn es nicht zu einer Diätenstrukturreform kommt, auf die der Präsident kurz eingegangen ist. An diesem Punkt liegen wir mit dem Vorschlag der CDU auf einer Linie, die sich von unserem Vorschlag in der Bindung zur Diätenstrukturreform nur dadurch unterscheidet, dass die Erhöhung nicht zum 1. Januar, sondern erst zum 1. Juli erfolgen soll.

Niemand wird bestreiten, dass diese Debatte in einem politischen und wirtschaftlichen Umfeld stattfindet, das nicht einfach ist. Zu einer schwierigen wirtschaftlichen Entwicklung, deren Ende wirklich nicht absehbar ist, sind auch Äußerungen unserer Ministerpräsidentin Heide Simonis getreten, die besonders im öffentlichen Dienst für Aufregung gesorgt haben. Dazu kann ich nur sagen: Es wird nicht alles so heiß gegessen, wie es gekocht wird.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Damit will ich nicht gesagt haben, dass die SPDFraktion nicht grundsätzlich für eine Reform des öffentlichen Dienstes ist. Wir fordern dies seit vielen Jahren und werden hierzu am Freitag in der Debatte auch klare Vorschläge machen. Was die Diätendebatte an sich angeht, so unterscheidet sie sich in den Reaktionen von außen durch ihre Heftigkeit. Ansonsten erleben wir als Abgeordnete, die wir verpflichtet sind, selbst über unsere Einkommenserhöhung zu entscheiden, eine Debatte, wie ich sie seit 1992 in jedem Jahr erlebt habe. Ich habe bereits im Juni dieses Jahres auf das hingewiesen, was wir jetzt erleben.

Mit Blick auf die unterschiedlichen Nuancen in der in Briefen und auch sonst geäußerten Kritik möchte ich darauf hinweisen, dass nur der Abgeordnete die Kritiker für einen wahrscheinlich auch nur kurzen Moment wirklich zufrieden stellen könnte, der in den nächsten Jahren seine Diäten regelmäßig um 5 bis 10 % kürzt, bis er einen Betrag erreicht hat, für den er hier wirklich nicht mehr arbeiten kann. Das hat auch etwas mit Angemessenheit zu tun. Damit ist unsere Demokratie an einem Punkt angelangt, an dem wir uns fragen müssen, was Demokratie in diesem Lande wert ist. Wir brauchen für unsere demokratische Ent

(Lothar Hay)

wicklung gut bezahlte Abgeordnete, die unabhängig sind und angemessen bezahlt werden.

(Beifall bei SPD, SSW und des Abgeordne- ten Dr. Ekkehard Klug [FDP])

Die Diätenerhöhungen der letzten zehn bis fünfzehn Jahre sind angemessen gewesen. Ein Blick in die beigefügten Tabellen zeigt, dass überwiegend eine Eins vor dem Komma gestanden hat. Sie waren maßvoll und sehr zurückhaltend. Was die Angemessenheit der Diäten betrifft, so sollten wir uns, die Medien und auch die Öffentlichkeit daran erinnern, was uns die unabhängige Diätenkommission vorgelegt hat. Die Angemessenheit einer Diät weist danach einen erheblich höheren Betrag aus als im Augenblick - selbst nach der Erhöhung - der normale Abgeordnete und auch der Abgeordnete mit Funktionszulagen in diesem Landtag bekommen würde. Darüber müsste vielleicht erneut berichtet werden.

(Beifall bei der SPD)

Meine Fraktion hat gestern fast einstimmig den vorgelegten Vorschlag beschlossen. Wir legen diesen heute gemeinsam mit der FDP vor. Herr Kayenburg, ich sage Ihnen deutlich im Namen des gesamten SPDFraktionsvorstands: Nachdem gestern zum dritten Mal Zeitpunkt oder Inhalt von vertraulichen Gesprächen an die Medien weitergegeben wurden, halte ich vertrauliche Gespräche - und die sind in diesem Komplex dringend erforderlich - mit Ihnen zurzeit für äußerst schwierig. Ich bitte Sie, mir dies so abzunehmen. Ich habe bereits zweimal mit Ihnen darüber gesprochen. Was den Zeitpunkt der Diätenstrukturreform betrifft, so gehe ich davon aus, dass wir - wie hier im hohen Hause vereinbart - alles daransetzen werden, dass diese Diätenstrukturreform im nächsten Jahr möglichst vor der Sommerpause zu einer Entscheidung geführt werden wird. Dazu brauchen wir die jetzt langsam eintreffenden Rückmeldungen aus den einzelnen Landtagsfraktionen und aus der Bundestagsfraktion. Wir brauchen eine Rückmeldung der Landesregierung, die ich Anfang des Jahres erhoffe, darüber, was unsere Bundesratsinitiative ergeben hat.