Protokoll der Sitzung vom 14.11.2002

3. Zusammenfassend betrachtet der private Sektor das Projekt als nicht finanzierbar ohne erhebliche Subvention/Garantie.“

Ich muss schon sagen, das ist ein eindeutiges Zeugnis,

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

das die Privatwirtschaft dem Projekt der festen Fehmarnbeltquerung ausgestellt hat.

(Lars Harms)

Das heißt also, wenn wir über dieses Projekt diskutieren, diskutieren wir auch über millionenstarke Zuschüsse aus dem Landeshaushalt. Das sollten wir auch vor dem Hintergrund der Haushaltssituation immer bedenken.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Martin Kayenburg [CDU]: Wieso denn das?)

Darüber hinaus ist der gemeinsamen Pressemitteilung zu entnehmen, dass noch Klärungsbedarf in Bezug auf die Verkehrsprognosen und die Rolle der Eisenbahnunternehmen besteht. Das bedeutet, dass bisherige Berechnungen aufgrund unzulänglicher Zahlen gemacht wurden.

Dänemark hat seine Erfahrungen bei der Verkehrsentwicklung am Øresund gemacht. Der Bericht der Landesregierung macht deutlich, dass die Verkehrsprognose hier durchschnittlich von 11.800 Fahrzeugen pro Tag und mit einem jährlichen Wachstum von 3,2 % ausgegangen ist. Tatsächlich belief sich die Zahl im ersten Betriebsjahr jedoch nur auf 8.100 Fahrzeuge pro Tag. Dies hat natürlich zu Einnahmeeinbußen geführt.

Also, wenn wir schon solch ein Jahrhundertprojekt in Angriff nehmen, dann muss dies zumindest auf der Grundlage zuverlässiger Zahlen geschehen.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber der SSW wäre natürlich nicht der Anwalt des Landesteils, Herr Minister Rohwer, wenn wir im Zusammenhang mit der Fehmarnbeltquerung nicht auch auf die Infrastrukturprobleme im nördlichen Landesteil hinweisen und hier natürlich auch eine Lösung fordern würden. Darum: Bevor wir Milliarden € für eine nebulöse Brücke im Meer ausgeben, muss dafür gesorgt werden, dass die Infrastruktur an Land vorangebracht wird. Dies hat für uns Vorrang.

Dazu gehören unter anderem die westliche Elbquerung mit Anbindung an die Westküste, ein Ausbau des grenzüberschreitenden Schienenverkehrs, eine Kapazitätserweiterung der Rendsburger Hochbrücke, die Ausbesserung der Hochdonner Brücke sowie die vielen anderen Infrastrukturmaßnahmen, die auch hier im hohen Haus schon mehrfach angesprochen worden sind.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danach kann man sich meinetwegen auch konkrete Gedanken über die Fehmarnbeltquerung machen - übrigens auch unter ökologischen Aspekten. Unsere Äußerung hat aber nichts damit zu tun, dass wir ir

gendein Projekt gegen ein anderes ausspielen wollen, sondern wir setzen bewusst politische Prioritäten. Da gibt es definitiv andere Projekte, die für uns wichtiger sind.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und des Abgeordneten Uwe Eichelberg [CDU])

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, den Bericht der Landesregierung entsprechend der Empfehlung des Wirtschaftsausschusses zur Kenntnis zu nehmen, verbunden mit der Bitte an den Wirtschaftsminister, bei Notwendigkeit zügig den Wirtschaftsausschuss über die aktuelle Situation bezüglich der Entwicklung beim Fehmarnbelt zu unterrichten. Wer dem so seine Zustimmung geben will, den darf ich um sein Handzeichen bitten. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist vom Haus einstimmig so beschlossen worden. Der Tagesordnungspunkt ist damit erledigt.

Ich darf jetzt auf der Tribüne neue Gäste begrüßen. Es sind Damen und Herren und Soldatinnen und Soldaten des Panzergrenadierbataillons 182, 1. Kompanie, aus Bad Segeberg sowie vom Heeresfliegerregiment 6 in Hohenlockstedt. - Ihnen allen zusammen ein herzliches Willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 30 auf:

Entwicklung des Halligprogramms

Landtagsbeschluss vom 21. Juni 2002 Drucksache 15/1928 Bericht der Landesregierung Drucksache 15/2150

Für den Bericht der Landesregierung erteile ich zunächst dem Minister für Umwelt, Natur und Forsten, Herrn Müller, das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Seit Jahrhunderten leben und wirtschaften auf den Halligen des nordfriesischen Wattenmeeres Menschen, die sich auf die Herausforderungen eines einzigartigen Lebensraumes eingestellt haben. Den Möglichkeiten zur wirtschaftlichen Nutzung der Halligen werden vor allem durch den Einfluss der Nordsee enge natürliche Grenzen gesetzt.

(Minister Klaus Müller)

Erst als durch flächenhafte Küstenschutzmaßnahmen den Landverlusten der Vergangenheit begegnet werden konnte, war es möglich, in den 60er- und 70erJahren durch gezielte Infrastrukturmaßnahmen wie zum Beispiel Strom- und Wasserversorgung angemessene wirtschaftliche und soziale Verhältnisse zu schaffen und damit auch die Abwanderung von den Halligen zu verringern.

Grundlage der gegenwärtigen finanziellen Förderung und ökonomischen Entwicklung der Halligen ist das infolge der geänderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen 1986 aufgelegte Halligprogramm zur Sicherung und Verbesserung der Erwerbsquellen der Halligbevölkerung im Rahmen der Landschaftspflege, der Landwirtschaft, des Küstenschutzes und des Fremdenverkehrs. - Welch ein Name!

Die unter seinem Dach 1987 entstandene und zuletzt am 10. April dieses Jahres weiter entwickelten Richtlinien für die Gewährung eines erweiterten Wirtschaftsentgelts im Rahmen des Halligprogramms verfolgt die Absicht, die Halligen Langeneß, Oland, Hooge, Gröde, Nordstrandischmoor, Süderoog und Südfall im Interesse des Küstenschutzes und des Naturschutzes und der Landschaftspflege als Lebens- und Arbeitsraum zu erhalten und ihren Bewohnerinnen und Bewohnern eine ausreichende Existenzgrundlage zu schaffen.

Mit den Förderrichtlinien zum Halligprogramm verbindet sich eine der Erfolgsgeschichten des Naturschutzes in Schleswig-Holstein. Mit ihnen ist es zum einen gelungen, die starke Verbundenheit der Halligbewohnerinnen und -bewohner mit dem von ihnen bewohnten Lebensraum sowie auch untereinander zu erhalten. Zum anderen konnte im Rahmen der bisherigen Förderung erreicht werden, dass hieran bis heute nahezu alle Halliglandwirte geschlossen teilnehmen. Woanders wünscht sich der Naturschutz so etwas.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Möglicherweise sind gerade die jahrhundertelangen Erfahrungen mit den Herausforderungen des Lebens auf den Halligen maßgeblich für ein derartiges Maß an Kooperationsbereitschaft zwischen Bevölkerung, Landwirtschaft und Naturschutz, das in dieser Form seinesgleichen sucht.

Mit der Entscheidung der Europäischen Kommission vom 17. Mai 1999, unter Wettbewerbsaspekten die bislang ausschließlich auf halligansässige landwirtschaftliche Betriebe beschränkte finanzielle Unterstützung im Rahmen der Förderrichtlinien zum Halligprogramm ab dem 1. Januar dieses Jahres auch

halligfremden Betrieben zu öffnen, droht zumindest ein Teil der Identifizierung der Halligbevölkerung mit ihrem Lebensraum verloren zu gehen. Wenngleich ein derartiger Fall noch nicht eingetreten ist, hat die in diesem Punkt von der Europäischen Kommission verfügte Änderung der Richtlinien für erhebliche Unruhe auf den Halligen gesorgt, zumal die Halliglandwirte am Flächenmarkt auch nur schwer gegen die Konkurrenz vom Festland bestehen könnten.

Mit der Möglichkeit der Pacht beziehungsweise des Erwerbs von Halligland durch Landwirte vom Festland wäre erstmals eine ständige Anwesenheit der neuen Nutzer der Flächen vor Ort nicht mehr zwangsläufig gegeben und ließe damit negative Auswirkungen auf die Gemeinschaft und den Zusammenhalt der Halligbevölkerung befürchten.

In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass durch einen derartigen Zugriff von außen auch die wichtige Eigenschaft der Halligen als Wellenbrecher zum Schutz des Festlandes infrage gestellt werden könnte, weil damit vor Ort zwangsläufig wichtige Erwerbsmöglichkeiten entfallen und Abwanderungstendenzen womöglich verstärkt würden. Gerade für einen funktionierenden Halligschutz ist jedoch die ständige Präsenz und gegenseitige Unterstützung der dort seit jeher mit den natürlichen Gegebenheiten vertrauten Menschen absolut unverzichtbar.

Verehrte Damen und Herren, ich gehe davon aus - wie selten -, dass es in der einheitlichen Bewertung möglicher negativer Auswirkungen auf die weitere Entwicklung der Halligen fraktionsübergreifend Übereinstimmung gibt. Ich würde es deshalb sehr begrüßen, wenn Sie die im Bericht dargelegte Absicht der Landesregierung unterstützten, sich im Rahmen des hierfür vorgesehenen Verfahrens im Hinblick auf die besondere Situation der Halligen bei der Europäischen Kommission für eine Aufhebung der Entscheidung zur Einbeziehung halligfremder Landwirte in die Förderrichtlinien einzusetzen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt bei der SPD)

Ich danke für den Bericht. Ich eröffne die Aussprache. Für die CDU-Fraktion erhält Herr Abgeordneter Jürgen Feddersen das Wort.

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Heute ist schon ein paar Mal der Name Günter Flessner gefallen. Dieses Halligprogramm trägt auch noch die Handschrift von Günter Flessner. Das ist

(Jürgen Feddersen)

über 20 Jahre her. Es ist ein sehr weitreichendes Programm, das die Landesregierung damals aufgelegt hat.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU - Caroline Schwarz [CDU]: Ein guter Mann!)

- Das ist ein guter Mann; das kann ich nur bestätigen.

Die erste Seite sagt eigentlich schon alles aus - der Herr Minister hat das ja auch gesagt -: „Halligprogramm zur Sicherung und Verbesserung der Erwerbsquellen der Halligbevölkerung im Rahmen der Landschaftspflege, der Landwirtschaft, des Küstenschutzes und des Fremdenverkehrs“. Das gilt heute noch eher.

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Sehr weitsichtig!)

Aber die neuen Richtlinien für die Gewährung eines erweiterten Bewirtschaftungsentgeltes im Rahmen des Halligprogramms werden weiter zum Ausverkauf der Halligen führen.

Wenn es nicht gelingt, eine Veränderung herbeizuführen, werden Festlandslandwirte Halligflächen anpachten oder aufkaufen, um Vorteile für die heimischen Betriebe zu erlangen.

Wenn es nicht gelingt, den Rückgang der Hauptwohnsitze zu stoppen, ist die Infrastruktur langfristig nicht zu halten.

Aber gerade hier hat sich das Halligprogramm bewährt. Für 47 Familien ist das Programm eine wichtige Grundlage zur Förderung des Hauptwohnsitzes und der Absicherung des Familieneinkommens.