Protokoll der Sitzung vom 14.11.2002

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bericht ist kurz, aber treffend und sehr aussagekräftig. Es ist vor allem dem Halligprogramm aus dem Jahr 1987 zuzuschreiben, dass die Menschen auf den Halligen eine Perspektive haben und weiter auch von der Landwirtschaft leben können. Dies belegen auch noch einmal eindrucksvoll die Zahlen, die im Bericht zusammengefasst sind. Seit 1987 sind rund 3,7 Millionen € auf die Halligen geflossen. Diese Summen haben zu einem erheblichen Teil dazu beigetragen, dass man den Menschen auf den Halligen eine Perspektive bieten konnte. Durch diese Perspektive war es überhaupt möglich, die Einheimischen auf den Halligen zu halten. Ohne wirtschaftliche Perspektive kann auch in der heutigen Zeit niemand mehr auf den Halligen überleben. Daher ist es fatal, wenn die Richtlinien für ein erweitertes Bewirtschaftungsentgelt im Rahmen des Halligprogramms weiter auf alle Landwirte ausgeweitet bleiben. Als diese Richtlinien eingeführt wurden, ging es darum, mit zusätzlichen Einnahmemöglichkeiten gerade die Halligbewohner auf den Halligen halten zu können und sie für entsprechende materielle Nachteile, die die Landwirtschaft auf den Halligen mit sich bringt, zu entschädigen. Aus diesem Grunde wurden die Richtlinien auch nur auf die Halligbewohner angewandt. Würde diese Besserstellung der Halligbewohner wegfallen, hätte dies möglicherweise unabsehbare Folgen für die Halligen. In diesem Moment, wo es nicht mehr notwendig ist, auch auf den Halligen zu leben, um diese gesonderte Förderung zu erhalten, wird die Motivation steigen, die Halligen zu verlassen. Warum soll sich ein Landwirt noch zum Leben auf den Halligen entscheiden, wen die gleichen finanziellen Vorteile auch zu haben sind, wenn man seine Landwirtschaft vom Festland aus betreibt. Langfristig werden nach und nach immer mehr Halligbetriebe auf das Festland wechseln, weil die wirtschaftlichen und natürlichen Bedingungen dort einfach besser sind.

Was hätte das nun für Folgen für die Halligen? Viele Halliglandwirte sind auch zeitweise im Küstenschutz

beschäftigt beziehungsweise setzen sich freiwillig für den Küstenschutz auf den Halligen ein. Diese Fachkräfte mit eingehender Ortskenntnis werden dem Küstenschutz verloren gehen. Ein nicht wieder gut zu machender Verlust. Gleichzeitig wird aber auch das Halligleben ärmer werden. Die Abwanderung der Halligleute wird sich verstärken, mit all den Konsequenzen, die das mit sich bringt.

Deshalb begrüßen wir es auch, dass die Landesregierung darauf hinwirken will, dass die alte Regelung in Bezug auf das Bewirtschaftungsentgelt wieder eingeführt wird. Die Europäische Kommission hat seinerzeit einen Fehler gemacht, als sie annahm, dass das Bewirtschaftungsentgelt als Hilfe im Wettbewerb zu sehen ist, die allen zustehen müsse. Die Landwirte, die Rinder, Schafe oder Pferde auf den Halligen halten, erhielten nach den bisherigen Richtlinien Zuwendungen für Maßnahmen im Naturschutz und als Ausgleich für besondere Auflagen bei der Bewirtschaftung ihrer landwirtschaftlichen Flächen. Darüber hinaus wurden dann noch Schadensersatzleistungen für Schäden durch Ringelgänse gezahlt.

Dies alles hat mit dem Wettbewerb in der Landwirtschaft nichts zu tun, sondern hängt mit der speziellen Lebenssituation auf den Halligen zusammen. Die Kommission hat nicht bedacht, dass mit dem Bewirtschaftungsentgelt nicht die Landwirtschaft auf den Halligen im Allgemeinen gefördert werden sollte, sondern die Halliglandwirte im Speziellen gefördert werden sollten. Das Schwergewicht liegt nicht auf dem Wirtschaftszweig, sondern auf dem Natur- und Landschaftsschutz. Deshalb sind auch nur auf den Halligen ansässige Landwirte unterstützt worden. Dieses gilt es der Europäischen Kommission in den kommenden Verhandlungen zu verdeutlichen. Wenn dies nicht relativ schnell geschieht, werden wir uns von Teilen der Halligbevölkerung verabschieden müssen. Die Konsequenzen wären, wie gesagt, unabsehbar. Daher unterstützen wir die Landesregierung in ihrem Bemühen, die Situation für die Halligbewohner wieder zu verbessern, und sehen es genau so wie alle anderen, dass wir auch über Alternativlösungen nachdenken müssen. Diese sollten wir uns möglichst schnell im Ausschuss einfallen lassen.

(Beifall beim SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Dann ist die Frage, wie wir zu verfahren haben. Ich schlage Kenntnisnahme vor bei weitergehender Unterrichtung des Ausschusses, wenn es denn wieder Not tut, Herr Minister. Wer so verfahren möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthal

(Vizepräsident Thomas Stritzl)

tungen? - Damit ist der Tagesordnungspunkt 30 erledigt.

Ich rufe auf Punkt 31 der Tagesordnung:

Luftverkehrskonzept für Schleswig-Holstein

Landtagsbeschluss vom 15. Mai 2002 Drucksache 15/1801

Bericht der Landesregierung Drucksache 15/2152

Ich darf zunächst für die Landesregierung Herrn Wirtschaftsminister Professor Dr. Rohwer das Wort erteilen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vorweg möchte ich einen wesentlichen Fehler korrigieren. Zu Seite 12 des Berichts ist anzumerken: Der Flughafen Lübeck verzeichnet zwar eine stürmische Aufwärtsentwicklung, aber die Abfertigungskapazität des 1998 in Betrieb genommenen Flughafengebäudes beträgt nicht 1000 Fluggäste pro Stunde, sondern pro Tag.

(Heiterkeit - Dr. Heiner Garg [FDP]: Darauf können wir ja noch hinarbeiten!)

Ausgangspunkt des Berichts ist Folgendes. Schleswig-Holstein ist ohne Zweifel auf leistungsfähige Anbindungen im Luftverkehr angewiesen. Der Wirtschaftsstandort braucht gute Verbindungen bei allen Verkehrsträgern, auch per Luft. Und dazu sind auch die Prognosen eindeutig. Auch nach dem 11. September 2001 wird der Luftverkehr der Verkehrsträger mit den höchsten Zuwachsraten sein.

Schleswig-Holstein beherbergt zwar kein internationales Luftkreuz, wie wir wissen, das sind einerseits Hamburg und andererseits Kopenhagen, trotzdem verfügen wir mit den drei Regionalflughäfen, den 12 Verkehrslandeplätzen, den vier Militärflugplätzen und den Sonderlandeplätzen und Segelfluggeländen in Schleswig-Holstein über ein breites Luftverkehrsangebot, das eine wichtige Funktion wahrnimmt.

Sie alle kennen die Konflikte, die im Zusammenhang mit dem Ausbauvorhaben der Flughäfen Kiel-Holtenau und Lübeck entstanden sind. Ich weiß, dass die ganz große Mehrheit in diesem hohen Hause von der Notwendigkeit dieser Bauvorhaben überzeugt ist.

Zu Lübeck möchte ich - ohne die Antworten auf zwei Kleine Anfragen von Herrn Geißler vorweg zu nehmen - anmerken, dass das eingeleitete Planfeststellungsverfahren von der Planfeststellungsbehörde zügig betrieben wird. Ein schnellerer Ablauf wäre möglich gewesen, wenn die Flughafengesellschaft die

Planung ausführlicher vorbereitet und die Unterlagen für das Planfeststellungsverfahren termingerecht vorgelegt hätte.

Dies betrifft sowohl das Konzept für den Ausgleich naturrelevanter Eingriffe und die dazu benötigten Flächen, als auch die Planung für das Instrumentenlandesystem, das frühzeitig mit der zuständigen deutschen Flugsicherung hätte abgestimmt werden können.

Zum Regionalflughafen Kiel ist zu sagen, dass die Landeshauptstadt Kiel die Planung unter Beteiligung der Landesregierung und der Flughafengesellschaft kurzfristig einleiten wird, nachdem die IMAG dem vorzeitigen Maßnahmenbeginn zugestimmt hat. Die erste Sitzung der Projektlenkungsgruppe ist für den 22. November terminiert.

Kiel und Lübeck sind als zentrale Wirtschaftsstandorte unseres Landes auf die Anbindung an das Luftverkehrsnetz angewiesen, und zwar nicht nur als Städte, sondern auch als Regionen. Kiel ist bedeutend für das gesamte mittlere und nördliche Schleswig-Holstein; Lübeck ist wichtig für das gesamte südöstliche Schleswig-Holstein. Daher müssen wir beide Flughäfen ausbauen. Ich glaube, das wird aus dem Bericht hinreichend deutlich.

Die Prognosen für den Luftverkehr sind nach wie vor positiv. Ich habe es erwähnt. Für Schleswig-Holstein wird es zwischen 1997 und 2015 einen prognostizierten Anstieg des Personenverkehrs in der Luft von 95 % geben. Das entspricht fast einer Verdoppelung. Zum Vergleich: Bei allen anderen Verkehrsträgern liegt der Zuwachs zwischen 10 und 20 %. Der Betrieb der Flugplätze schafft heute und in Zukunft nicht nur selbst Arbeitsplätze, sondern er zieht auch luftverkehrsverbundene Wirtschaftsunternehmen an. Damit trägt der Flugbetrieb zu neuen Arbeitsplätzen in allen Produktions- und Dienstleistungsbereichen bei. Ich glaube, ich sollte abschließend darauf hinweisen, dass der Flughafen-Hamburg Fuhlsbüttel zwar nicht in Schleswig-Holstein liegt, aber für SchleswigHolstein existenziell ist. Nach der deutlich verbesserten Straßenanbindung muss auch die Bahnanbindung verbessert werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten Werner Kalinka [CDU] und Silke Hinrichsen [SSW])

Leider sind die bisher vorliegenden Daten zur Wirtschaftlichkeit noch nicht überzeugend. Wir haben verabredet, dazu weitere Prüfungen und Gespräche durchzuführen, um zu erkunden, wie vielleicht doch noch eine wirtschaftlich vertretbare Lösung realisiert werden kann. Dazu brauchen wir allerdings Partner

(Minister Dr. Bernd Rohwer)

und die müssen überzeugt werden. Ich bitte Sie, uns in dieser Hinsicht zu unterstützen. In der Theorie ist das einfach. In der finanziellen Praxis sieht das etwas anders aus. Wahrscheinlich braucht es 100 Millionen € und mehr, um insgesamt eine vernünftige Anbindung zu schaffen. Das ist nicht einfach finanzierbar. Der Bericht bietet - so glaube ich - viele Fakten, die wir im Ausschuss diskutieren können. Er soll insbesondere deutlich machen, dass die zurzeit laufenden Ausbauvorhaben in ein sinnvolles Gesamtkonzept eingebunden sind.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke für den Bericht und eröffne die Aussprache. Für die Fraktion der CDU erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Trutz Graf Kerssenbrock das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn die Wirtschaftspolitik der rot-grünen Regierungen in Berlin und Kiel fortgesetzt wird, dann brauchen wir uns über eine Luftverkehrskonzeption der Zukunft nicht mehr lange Gedanken zu machen. Luftverkehr braucht nun einmal solvente Kunden und solvente Unternehmen. So, wie die Entwicklung gegenwärtig verläuft, wird die Zukunft des Luftverkehrs eher die Verlängerung der Gegenwart sein. Wir haben im Moment Stagnation und werden eventuell sogar eine Rezession haben. Wir brauchen also keine Zukunftskonzeption mehr. Das ist das Resultat Ihrer Politik!

(Beifall bei der CDU)

Herr Minister, ganz so sieht inzwischen auch der Bericht aus. Er trägt die falsche Überschrift. Das ist ein Etikettenschwindel. Hier steht etwas von Konzeption. Ich habe eigentlich nur eine Bestandsaufnahme und eine Wiedergabe des Bestehenden gefunden. (Beifall bei der CDU)

Ich habe nichts von Konzeption entdecken können. Da stellt sich die Frage, auf welcher Basis das alles gesagt wird, was gesagt wird. Ich komme jetzt nicht auf die Seite 12, sondern sehe mir die Ausführungen auf Seite 10 an. Da sagen Sie:

„Die Ereignisse des 11. Septembers 2001 haben zu einer vorübergehenden Abschwächung auf dem Luftverkehrsmarkt geführt. Nach vergleichbaren Krisen in der Vergangenheit hat sich der Luftverkehr von Rückschlägen kurzfristig erholt.“

Ich frage mich: Was ist eine vergleichbare Krise im Verhältnis zum 11. September 2001? Ich kenne offen gestanden kein vergleichbares Ereignis, das in diesem Sinne zitierfähig wäre. Wenn man sich allein die Berichte der Luftverkehrsgesellschaften der letzten Monate ansieht, dann muss man leider befürchten, dass der Schlag vom 11. September tiefere Auswirkungen hat, als wir es gemeinsam möglicherweise glauben.

Sie zitieren für einen Zuwachs der nächsten Jahre Prognosezahlen aus dem Jahr 1997. Ich habe gravierende Zweifel, ob diese Prognosen noch realitätsgerecht und realitätsorientiert sind. Ich stelle klar: Der Ausbau der Flughäfen in Kiel und in Lübeck bleibt für das Land infrastrukturell von wirtschaftspolitisch großer Bedeutung. Das bleibt richtig. Wir orientieren uns hier aber nicht mehr am Bedarf, sondern eher an Hoffnungen und Angeboten, die gemacht werden, damit Schleswig-Holstein als Wirtschaftsstandort überhaupt attraktiv und interessant bleibt. Das ist die Veränderung der Perspektive, die sich auch im Luftverkehr deutlich zeigt. Das hat natürlich auch etwas mit Ihrer Wirtschaftspolitik in Kiel und Berlin zu tun. Auch wenn Sie, Herr Minister, sich immer fein säuberlich von der rot-grünen Regierungspolitik in Berlin absetzen, so müssen Sie sie doch auch verantworten, weil Sie sich noch nicht einmal in Ihrer eigenen Regierung durchsetzen können.

Sie reden von der verkehrlichen Mehrfachwirkung, von dem Konzept des Ausbaus des Bundesfernstraßennetzes und des regionalen Fernstraßennetzes, das darin eingebunden sein soll. Ich habe mich bei der Lektüre des Berichts gefragt: Was wollen Sie wirklich? Ich habe nicht herausgefunden, wo das Konzept liegt. Sie haben wunderbar das Bestehende wiedergegeben, aber ich habe kein Konzept entdeckt. Ebenso wenig habe ich dies bei der Frage der Flugsicherheit entdeckt. Wir sind uns sicherlich einig: Die Flugbewegungen sind von der Zahl her zurückgegangen. Das hat einen positiven Einfluss auf die Lärmentwicklung. Auch darüber sind wir uns sicherlich einig. Das ist alles schön. Es ist auch schön, dass wir eine geringere Unfallgefahr haben. Eine Konzeption der Landesregierung in diesem Bereich habe ich aber nicht feststellen können.

(Beifall bei der CDU)

Reden wir auch über das Problem des Fluglärms. Herr Minister, wir sind uns möglicherweise darüber einig, dass auch die Landeplatzlärmschutzverordnung in der Tat novelliert werden und auf zeitgemäße Erkenntnisse umgestellt werden müsste. Da bin ich durchaus der Meinung, dass man dies machen sollte. Dass das im Ergebnis nicht dazu führen darf, dass der

(Dr. Trutz Graf Kerssenbrock)

Luftverkehr abgeschnürt wird, darüber sind wir uns möglicherweise auch einig.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was wollten Sie eigentlich sa- gen?)

- Herr Hentschel, Sie dürfen irgendwann dazwischen reden, aber jetzt nicht. Irgendwann werden Sie als Landesregierung konzeptionell zu entscheiden haben, ob Sie auch Entscheidungen zwischen Verkehrsträgern zu treffen haben werden, denn diese Entscheidungen treffen Sie in der Luftverkehrskonzeption, die nur den Namen trägt, überhaupt nicht. Ich kann nur sagen: Wir vermissen diese Konzeption. Wir haben eigentlich erwartet, dass Sie eine Konzeption vorlegen würden. Das ist eine reine Fehlanzeige geblieben.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion der SPD erteile ich Herrn Abgeordneten Klaus-Dieter Müller das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Wahlkampfrede meines ansonsten geschätzten Kollegen Trutz Graf Kerssenbrock kam natürlich acht Wochen zu spät. Wir haben Sie aber zur Kenntnis genommen. Die SPD-Fraktion dankt dem Verkehrsminister für die Vorlage des Luftverkehrskonzeptes, vor allem aber auch für den Hinweis, dass es unabdingbar ist, alle Verkehrsträger - Straße, Schiene, Wasser und Luft - zu einem leistungsfähigen Gesamtsystem zu vernetzen.

(Beifall der Abgeordneten Bernd Schröder [SPD] und Renate Gröpel [SPD])

So viel zum Thema Konzeption! Insofern ist die Aufstellung eines Verkehrsentwicklungsplans für Schleswig-Holstein, den der Minister vorbereitet, das wesentliche Vorhaben. Die SPD-Fraktion begrüßt, dass die Landesregierung die Bedeutung des Luftverkehrs für die wirtschaftliche Prosperität des Landes eindeutig bejaht, ohne Belange des Umwelt- und Naturschutzes außer Acht zu lassen. In den letzten drei Jahrzehnten ist das Verkehrsaufkommen in Europa jährlich um etwa 2 bis 3 % gestiegen. Dieser Trend hält nicht zuletzt wegen des Wegfalls der EUBinnengrenzen und der Öffnung neuer Märkte in Osteuropa an.