Protokoll der Sitzung vom 13.12.2002

Die Änderung der Verfassung kann auch nicht mit einer Resolution beschlossen werden. Auch hier gibt es noch nicht einmal eine erste Beratung.

Hier ist es guter demokratischer Brauch, bei einer Verfassungsänderung auch die Dinge mit zu beraten, die bei Verfassungsänderungen vorher schon diskutiert worden sind. Ich erinnere an den Eingabenausschuss, der zum Petitionsausschuss werden möchte, ich erinnere aber auch an den Wunsch von Sinti und Roma, die als anerkannte Minderheit in der Verfassung verankert werden wollen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Abgeordnetengesetz ändern wir heute auch nicht grundlegend. Auch eine Diätenreform ist weder mit unserer noch mit Ihrer Resolution beschlossene Sache.

Meine Fraktion findet es falsch, die große Diätenreform schon ab Sommer 2003 in Kraft treten zu lassen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Wir wollen sie zwar im nächsten Jahr beschließen, aber erst für die neu gewählten Abgeordneten 2005 gelten lassen, zeitgleich mit der Wahlkreisreform.

(Monika Heinold)

Das war immer das Signal, das wir aussenden wollten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Die Resolution von SPD und CDU schafft also keine Probleme vom Tisch, sondern sie verschiebt alles in das nächste Jahr. Nach der Debatte in diesem Jahr zu Diäten und Wahlkreisen tun wir uns damit alle gemeinsam keinen Gefallen, im Gegenteil, sollte es im nächsten Jahr keine Einigung für eine Diätenreform geben, wird der Landtagspräsident nach dem Muster dieses Jahres im Herbst eine Diätenerhöhung von zirka 8 % vorschlagen müssen.

(Holger Astrup [SPD]: Unsinn, bis zum 31. Mai!)

- Wann auch immer, auf jeden Fall wird er auf eine Zahl von 8 % kommen. Wer, frage ich Sie, will diese Diskussion führen? Wollen Sie den Fehler des letzten Jahres wiederholen, indem wir erst in der Hoffnung auf eine Einigung eine Nullrunde beschließen, für die es dann einen Vorschlag gibt, sie wieder rückgängig zu machen? Wer heute einer Nullrunde zustimmt, muss dies auch gelten lassen, wenn es 2003 zu keiner Diätenreform kommt. Nullrunden nachzuholen funktioniert nicht. Diese Erfahrung haben wir alle gemeinsam gemacht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben mit unserer Diskussion in diesem Jahr dazu beigetragen, dass kein Bürger, keine Bürgerin mehr verstehen kann, was hier im Parlament eigentlich abläuft. Da stimmt die CDU ihrem eigenen Vorschlag zur Reduzierung der Wahlkreise genau in dem Moment nicht mehr zu, wo sich hierfür eine Mehrheit findet. Da argumentiert der Landesvorsitzende der FDP in Bad Bramstedt, Herr Koppelin, folgendermaßen: Er müsse mit der SPD gemeinsame Sache bei den Diäten machen, weil sonst die Sozialdemokraten nicht für eine Verkleinerung des Landtages seien. Habe ich da einen zweiten Antrag verpasst?

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Ja, offensicht- lich!)

Anschließend steht die FDP im Finanzausschuss mit ihrem Antrag auf plus 5,7 % plötzlich allein, der ursprüngliche Partner ist ohne Ankündigung abhanden gekommen.

(Holger Astrup [SPD]: Wie im richtigen Le- ben!)

Die Grünen wurden bei der ersten Lesung des Abgeordnetengesetzes von CDU und SPD scharf dafür kritisiert - ich will die Worte nicht wiederholen, Herr

Plüschau -, dass sie die Diäten nicht um 5,7 % im nächsten Jahr anheben wollen, um dann heute von CDU und SPD mit einer Nullrunde unterboten zu werden.

(Holger Astrup [SPD]: Zum Ausgleich erhö- hen Sie die Funktionszulagen, Frau Kolle- gin!)

Da diskutiert der Landtag ein halbes Jahr über Diätenreform, Diätenerhöhung und Wahlkreisreform, um anschließend eine unverbindliche Resolution ohne konkrete Auswirkung zu beschließen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Verabschieden wir heute die Resolution von SPD und CDU, verschieben wir alle Probleme ins nächste Jahr. Ich frage Sie: Wem kann daran gelegen sein?

(Martin Kayenburg [CDU]: Wir verschieben Lösungen!)

Dass wir dann zum zweiten Mal eine Nullrunde eingelegt haben, wird nach der Diskussion der letzten Wochen niemand in der Bevölkerung mitbekommen oder gar honorieren. Deshalb werbe ich dafür - ich werbe bei jedem einzelnen Abgeordneten und bei jeder einzelnen Abgeordneten -: Stimmen Sie unseren Anträgen zu! Sie können heute real Dinge beschließen.

Ich bitte das Präsidium, die Abstimmung so durchzuführen, dass wir zum einen über das Gesetz zur Wahlkreisreform abstimmen, zum anderen über die beiden vorliegenden Anträge zu den Abgeordnetengesetzen abstimmen und zum Dritten über die beiden vorliegenden Resolutionen alternativ abstimmen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Das Wort für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag hat jetzt die Sprecherin, Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer das Privileg hat, sein Gehalt mit sich selbst verhandeln zu müssen, hat es gut. Das wird uns jedenfalls immer wieder gern vorgehalten. Die Medienberichterstattungen der vergangenen Wochen und die vielen persönlichen Reaktionen haben uns aber allen verdeutlicht: Es kann auch ein Albtraum sein, als Abgeordnete die eigenen Bezüge auszuhandeln.

(Anke Spoorendonk)

Niemand wird ernsthaft behaupten können, dass der Schleswig-Holsteinische Landtag dieses Recht bisher missbraucht hat. Wir leben nicht in einer Bananenrepublik, in der sich Parlamentarier am Mandat persönlich bereichert haben. Im Gegenteil, der SchleswigHolsteinische Landtag liegt im Vergleich der Bundesländer am unteren Ende, wenn es um die Höhe der Entschädigung geht.

(Jutta Schümann [SPD]: Das will aber nie- mand hören!)

Die Diäten der Abgeordneten übersteigen nicht den Verdienst eines Studienrats. Eine solche Bezahlung ist sicherlich nicht zu viel verlangt, wenn man die Arbeitsbedingungen und die Arbeitszeiten eines durchschnittlichen Abgeordneten kennt.

Ein zentraler Bestandteil dieses verantwortungsvollen Umgangs mit den Diäten ist es bislang gewesen, dass wir die Anpassung der Bezüge fraktionsübergreifend und in großer Einigkeit beschlossen haben. Sicherlich hat der Abgeordnete, der als selbstständiger Anwalt tätig war, andere Gehaltsvorstellungen als die Abgeordnete, die vorher Sozialhilfe bezog. Die unterschiedlichen Vorstellungen mündeten aber bis heute immer in einen Kompromiss, der von einer breiten Mehrheit getragen wurde.

Das haben SPD und CDU in den letzten Wochen mit einer umwerfenden Gründlichkeit geändert. Immerhin liegt schon ein parlamentarisches Verfahren vor, mit Anträgen und einer ersten Lesung. Aber das soll nun alles wieder Makulatur sein.

(Holger Astrup [SPD]: Wovon reden Sie, Frau Kollegin?)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich begreife schlicht und ergreifend nicht, wieso dieses offene Verfahren mit einmal aufgegeben worden ist. Ich begreife es einfach nicht.

(Beifall bei SSW, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW stellt den Versuch dar, die Geschichte der ausgewogenen, einvernehmlichen Diätenreformen doch noch fortzuschreiben.

Mittlerweile haben alle Fraktionen immerhin erkannt: Eine Erhöhung der Diäten um 5,7 % ist vielleicht ökonomisch angemessen, wenn man die allgemeine Preis- und Lohnentwicklung von 2001 und 2002 betrachtet; politisch vermittelbar ist eine solche Erhöhung in der aktuellen Situation aber nicht. Ich erinnere noch einmal an die Debatte, die wir im Rahmen der

ersten Lesung und zum Diätenbericht des Landtagspräsidenten geführt haben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Parlamente in Bund und Ländern werden ihre Haushalte für 2003 nur dadurch über die Runden retten können, dass sie sich auf eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts berufen. In dieser Lage kann man niemandem erzählen, dass der Landtag jetzt die Entwicklung der letzten Jahre auf einen Schlag nachholen möchte.

Wir brauchen also einen Kompromiss. Drei von fünf Parteien in diesem Hause haben sich darauf geeinigt, dass dieser eine Erhöhung um 2,2 % zum 1. Januar 2003 sein sollte. Damit würde nur die Entwicklung für 2002 nachgeholt. Der Verzicht auf die Anpassung der Diäten für 2001 soll unser Solidarbeitrag in der aktuellen Situation sein.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Die großen Fraktionen wollen jetzt sogar gar keine Erhöhung mehr zum 1. Januar, allerdings soll es danach umso mehr geben. SPD und CDU wollen quasi Weihnachten für Abgeordnete auf den 1. Juni 2003 verlegen.

(Beifall des Abgeordneten Wolfgang Kubi- cki [FDP] - Klaus Schlie [CDU]: Das ist un- redlich! Das ist unter Ihrem sonstigen Ni- veau, Frau Kollegin! - Zurufe von SPD und CDU)

Das wäre jedenfalls die Folge, wenn die für 2005 geplante große Diätenreform schon 2003, aber dafür nur in Teilen, umgesetzt wird. Wir meinen, dass die Frage einer grundlegenden Reform der Abgeordnetenentschädigung und die Frage der aktuellen Anpassung der Diäten nicht miteinander vermischt werden dürfen. Bei der Diätenreform geht es um eine langfristige, strukturelle Verbesserung der Abgeordnetenentlohnung. Es geht um die Abschaffung der Privilegien bei der Altersversorgung, um Streichung der Privilegien durch Funktionszulagen und so weiter. Wir hatten uns mit gutem Grund in diesem Haus darauf geeinigt, diese Reform im Jahr 2005 durchzuführen.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)