Protokoll der Sitzung vom 13.12.2002

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Jacobs das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erneut hat die CDU-Fraktion eine Große Anfrage zum Thema Lärm gestartet. Uns allen ist sicherlich die Problematik bekannt, denn Lärm stört die Menschen am meisten. Dass die Regelungsmöglichkeiten des Landes allerdings sehr begrenzt sind, weil Zuständigkeiten auf allen Ebenen bestehen, das wissen Sie, Frau Scheicht und alle Kollegen von der CDU, natürlich auch. Ich habe daher ein Problem, die Notwendigkeit jeder einzelnen der von der Landesregierung zu beantwortenden 42 Fragen anzuerkennen.

Mit der Beantwortung ist ein hoher Arbeitsaufwand verbunden. Es entstanden nicht unerhebliche Kosten.

(Martin Kayenburg [CDU]: Was soll der Quatsch?)

Bevor ich einige wichtige Themenbereiche des umfangreichen Papiers anspreche, möchte ich mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Umweltministeriums für diese Fleißarbeit bedanken.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW - Wolfgang Kubicki [FDP]: Schon wieder drei Minuten weg!)

Durch die Beantwortung der Fragen erfahren wir beispielsweise, dass in komplizierten Einzelfällen die Lärmmessstelle des Staatlichen Umweltamtes in Kiel Amtshilfe leistet oder dass in Fragen des Straßenverkehrslärms die Bundesanstalt für Straßenwesen eng mit den Landesbehörden zusammenwirkt.

In Bezug auf den zu Recht als besonders belastend empfundenen Fluglärm müssen wir leider zur Kenntnis nehmen, dass das Bundesgesetz immer noch nicht an die neuesten Forschungserkenntnisse angepasst worden ist. Ich könnte mir vorstellen, dass die Landesregierung auf diesem Problemfeld intensiver tätig sein könnte.

(Beifall des Abgeordneten Werner Kalinka [CDU])

Endlich ist es in der Frage der Vorbehaltsregelung bei Straßenbaumaßnahmen aus den Jahren 1978 bis 1990 zu einer Grundsatzentscheidung gekommen. Der Bund hat im Herbst 2000 die sich dann auch

(Helmut Jacobs)

tatsächlich ergebenden Ansprüche anerkannt. Hierdurch haben sich die Handlungsmöglichkeiten erweitert, bei bestimmten Fernstraßenbaumaßnahmen Lärmschutzmaßnahmen zu realisieren. Dass es der Landesregierung gelungen ist, in dieser schwierigen Frage eine Lösung herbeizuführen, finde ich hervorragend. Ich danke den Verantwortlichen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Leider müssen wir auch zur Kenntnis nehmen, dass der Änderungsantrag der Landesregierung im Bundesrat zur TA Lärm wie auch ein Antrag zur Geräte- und Maschinenlärmschutzverordnung keine Mehrheit fand. Unsere Landesregierung ist in wichtigen Gremien regelmäßig präsent und kann dort Einfluss nehmen.

So geht aus der Antwort auf die Große Anfrage hervor, dass sich Schleswig-Holstein im Bund-LänderAusschuss Luftfahrt mit Erfolg für eine Verschärfung der Landeplatzlärmschutzverordnung eingesetzt hat. Der Verminderung der durch Bahnlärm verursachten Immissionen sind durch das auch in anderen Bereichen zu beachtende Bestandsschutzprinzip enge Grenzen gesetzt.

Unklar bleibt für mich in der vorliegenden Antwort auf die Große Anfrage der CDU-Fraktion, ob im Lärmsanierungsprogramm der Bahn deshalb keine Schienenwege aus Schleswig-Holstein aufgenommen worden sind, weil dieses entweder von der Landesregierung nicht beantragt wurde oder weil einfach die Aufnahme abgelehnt worden ist.

Was die besonders komplizierte Situation im Bereich des Flughafens Fuhlsbüttel angeht, so verdient der Einsatz des Ministeriums für Wirtschaft, Technologie und Verkehr des Landes Schleswig-Holstein im Rahmen der Norderstedter Gespräche unsere Unterstützung und Anerkennung.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW und des Abgeordneten Joa- chim Behm [FDP])

Ein Lärmthema sind die Windkrafträder. Der besonders in Schleswig-Holstein mit den Windkraftanlagen einhergehende Immissionsbelästigung ist mit dem Runderlass über Grundsätze zur Planung von Windenergieanlagen verantwortungsbewusst entgegengetreten worden. Wenn ich auf Diskotheken, Openairveranstaltungen, LKWs und so weiter nicht näher eingehe,

(Martin Kayenburg [CDU]: Diskotheken kennen Sie nur von außen!)

dann sagt das nichts über deren Beeinträchtigungsgrad für unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger aus. Ich kann in meinem Beitrag viele Dinge nur streifen oder muss sie völlig weglassen.

Das Thema Lärm wird uns nicht zuletzt aufgrund der laufenden Veröffentlichung neuerer Forschungsergebnisse immer wieder beschäftigen. Gesetz- und Verordnungsgeber werden trotz der allgemeinen Tendenz zur Entbürokratisierung bei unserem Thema tätig werden müssen, zumal es manche Bereiche gibt, für die noch keine Regelungen existieren.

(Glocke des Präsidenten)

Ich habe in der Presseerklärung von Frau Scheicht lesen können - ich komme zum Schluss -, dass sie meinte, die bauchige Windelschnecke oder der Wachtelkönig stünden mehr im Mittelpunkt des Interesses unserer Bevölkerung. Ich vermisse in dieser Großen Anfrage auch eine Frage nach der Krähenpopulation in Wohngebieten. Das macht auch Lärm. Das beschäftigt unsere Bevölkerung auch stets.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Kolb das Wort. Ich sage nur ein Stichwort: Jungfernrede. - Bitte kommen Sie nach vorn.

(Beifall)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Beim Thema Lärmentwicklung geht es nicht um die persönliche Bewertung moderner Musikrichtungen. Es geht um eine der Zivilisationsbelastungen, also um eine der Nebenwirkungen, die mit dem gewünschten Wirtschaftswachstum, mit Arbeitsplätzen und der Expansion von Infrastrukturmaßnahmen einhergehen.

(Beifall der Abgeordneten Herlich Marie Todsen-Reese [CDU])

Kiel-Holtenau ist dabei das beste Beispiel. Die dortige Bürgerinitiative richtet sich nicht gegen eine bessere Fluganbindung der Landeshauptstadt Kiel und seines Hinterlandes an sich. Sie richtet sich gegen die durch eine höhere Flugfrequenz entstehende zusätzliche Lärmbelästigung.

(Beifall bei FDP und CDU und vereinzelt beim SSW)

Das ist also ein ernstes Thema, das jedes Mal Beachtung finden muss, wenn durch Ausbau- oder Umbau

(Veronika Kolb)

maßnahmen von Straßen oder Ansiedlungen von Gewerbegebieten zusätzliche erhebliche Lärmimmissionen für Anwohner entstehen können. Dabei ist es unsere Aufgabe als Parlamentarier, für Regelungen zu sorgen, die einen vernünftigen Ausgleich zwischen der wichtigen Bereitstellung notwendiger Infrastrukturmaßnahmen für eine wirtschaftliche Expansion mit mehr Arbeitsplätzen und einem weitestgehenden Schutz von Bürgerinnen und Bürgern vor gesundheitlichen Nachteilen durch eine höhere Beschallung schaffen.

Meine Damen und Herren, seit der letzten Großen Anfrage zum Thema Lärmentwicklung sind fast zehn Jahre vergangen. Es war also an der Zeit, eine solche Anfrage zu stellen. In diesem Sinne geht der Dank meiner Fraktion an die CDU-Fraktion, die sich dieser Problematik angenommen hat.

(Beifall bei FDP und CDU - Zuruf des Ab- geordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

So liegt uns heute ein umfangreiches Werk vor, das uns als Voraussetzung für weiteres Handeln dienen sollte. - Herr Kubicki!

(Heiterkeit bei der CDU - Holger Astrup [SPD]: Er ist Spezialist für Lärm!)

In der Antwort der Landesregierung wurde ihre Auffassung deutlich, dass gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht. Viele Erkenntnisse zur schädlichen Lärmemission haben sich in den letzten Jahren ergeben und noch keinen Eingang in gesetzliche Regelwerke gefunden.

Diese Auffassung ist durchaus vertretbar, wenn man sich die in der Antwort aufgeführten Feststellungen einmal näher betrachtet. Da ist das Problem der Lärmvorsorge und der Lärmsanierung. Die Lärmvorsorge bezieht sich auf die einzuhaltenden Emissionswerte bei neu zu bauenden Straßen, während sich die Lärmsanierung auf Lärmschutzmaßnahmen bei bereits bestehenden Straßen bezieht.

Bei neu zu errichtenden Straßen, also der Lärmvorsorge, liegt der zulässige Dezibelwert pro Lärmschutzmaßnahme bei Krankenhäusern, Schulen, Kur- und Altenheimen am Tag bei 57. Wenn die Straße aber schon existiert, liegt der zulässige Wert vor einer Sanierung wegen Lärmemissionen bei 70 Dezibel. Das leuchtet so nicht ein. Zulässige Höchstwerte dürfen sich nicht nach dem Alter der Straße richten, sondern müssen sich nach der gesundheitsschädlichen Wirkung von Lärm auf Menschen richten.

(Beifall bei FDP und CDU)

Insofern verwundert es schon, dass unterschiedliche Werte bei Lärmvorsorge und -sanierung gelten.

Eine weitere bedenkliche Feststellung in der Antwort bezieht sich auf den Zustand vieler Schulen in Schleswig-Holstein. Auf Seite 9 wird vorgetragen, dass viele Klassenräume lange Nachhallzeiten und ungünstige Raumstrukturen aufweisen, die die selbst verursachte Lautstärke der Schülerinnen und Schüler noch erhöhen. Hierdurch kann der Lärmpegel letztlich so hoch sein, dass die Dauerbelastung in jenem Lärmbereich liegt, der für industrielle Arbeitsplätze verboten ist.

Leider bleibt die Antwort der Landesregierung bei dieser Feststellung stehen und nennt keine eigenen Vorschläge für die Lösung dieses Problems.

(Beifall bei FDP und CDU)

Außerdem hätten wir sehr gern gewusst, bei welchen Schulen diese Lärmbelastung konkret festgestellt wurde.

Noch eines: Wenn die Landesregierung selbst feststellt, dass unsere Lehrerinnen und Lehrer teilweise höheren Lärmbelastungen ausgesetzt sind als Industriearbeiter, dann sollten auch einige Mitglieder dieser Landesregierung einmal nachdenken, bevor sie hinter vorgehaltener Hand die vielen Frühpensionierungen im Lehrkörper beklagen und eine gewisse Bequemlichkeit unterstellen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ich komme zum Schluss. Im Bereich Fluglärm fand ich noch eine Zahl erwähnenswert. Die Zahl der Starts und Landungen ist in Schleswig-Holstein von knapp 180.000 in 1991 auf knapp 115.000 in 2000 zurückgegangen. Die Lage ist hier also entspannter, als es vielfach veröffentlicht wird.