Protokoll der Sitzung vom 13.12.2002

Diejenigen, die Kenntnis nehmen wollen, bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist die Beschlussempfehlung einstimmig angenommen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 15 auf:

Lärmentwicklung in Schleswig-Holstein

Große Anfrage der Fraktion der CDU Drucksache 15/1816

Antwort der Landesregierung Drucksache 15/2222

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht.

Zur Beantwortung der Großen Anfrage erteile ich dem Minister für Umwelt, Natur und Forsten, Herrn Müller, das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Mir hat sich der Zusammenhang zwischen der Gemeinschaftsaufgabe und dem Lärm bisher noch nicht erschlossen. Nichtsdestotrotz ist es ein wichtiges Thema.

Lärm gehört nach wie vor zu den wichtigsten Umweltbelastungen überhaupt. Nach Untersuchungen des Bundesumweltamtes ist die dominierende Lärmquelle - anders als hier im Raum, nämlich im Wohnumfeld -, wie in den früheren Jahren auch, der Straßenverkehr.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Minister Müller, erlauben Sie mir eine Unterbrechung, bevor viele Abgeordnete den Saal verlassen. In Anwesenheit der meisten Abgeordneten möchte ich Frau Abgeordnete Happach-Kasan, MdB, in der Loge begrüßen und ihr noch einmal für die geleistete Arbeit für unser Land Schleswig-Holstein während ihrer knapp 10-jährigen Zugehörigkeit zu diesem Parlament herzlich danken und ihr für die Zukunft alles Gute wünschen.

(Beifall)

Herr Minister Müller, Sie haben wieder das Wort.

Aber auch durch Fluglärm sowie durch den Lärm der Industrie und des Gewerbes fühlt sich bundesweit mehr als jede beziehungsweise jeder Fünfte belästigt. Beim Schienenverkehr ist es etwa ein Sechstel der Bevölkerung. Geräusche von Nachbarn oder vielen Freizeitbeschäftigungen zählen ebenfalls zu relevanten Lärmquellen.

Wenn man sich diese Bilanz, die in der Antwort zur Großen Anfrage zahlenmäßig unterlegt wurde, vergegenwärtigt, könnte man meinen, dass sich im Lärmschutz in den letzten Jahren nicht viel getan hat.

(Holger Astrup [SPD]: Oh, das täuscht!)

Richtig ist, dass die gewünschte deutliche Verringerung der Lärmbelastung nicht erreicht werden konnte. Es gab aber auch zahlreiche Erfolge.

Mehr Verkehr, mehr Geräte und Maschinen sowie mehr lärmintensive Freizeitbeschäftigungen haben diese Erfolge jedoch fast aufgezehrt. Wir müssen feststellen, dass weiterhin ein Handlungsbedarf beste

hen bleibt. Die Landesregierung misst neben dem klassischen Dreiklang - Lärmvermeidung, Lärmminderung, Lärmschutz - dem vorbeugenden Ruheschutz eine zunehmend größere Bedeutung zu.

Mit der Großen Anfrage zur Lärmentwicklung zeigt sich einmal mehr die Komplexität der Aufgabenstellung der Lärmbekämpfung und auch, wie sie in fast alle Bereiche hineinwirkt. Dass es in der Wahrnehmung der Bevölkerung angesichts der sich rasant verändernden Lebensverhältnisse nicht zu einer deutlichen Verschlechterung der Belastung gekommen ist, möchte ich vor diesem Hintergrund als Erfolg verbuchen. Zufrieden stellend ist das Ergebnis aber sicherlich nicht.

Verehrte Damen und Herren, lassen Sie mich nur einige Punkte aufgreifen, die mir wichtig erscheinen:

Erstens. In der Bundesrepublik gibt es kein allgemeines Gesetz zum Schutz vor Lärm. Für die Lösung von Lärmproblemen bedeutet dies traditionell, dass eine Vielzahl von rechtlichen Regelungen und Vorschriften verschiedenster Rechtsgebiete beachtet werden muss.

Zweitens. Lärmschutzregelungen sind vielfach Bundesrecht. Die Möglichkeiten für die Länder, eigene rechtliche Regelungen zu treffen, sind somit erheblich eingeschränkt. Der Landesregierung kommt es auch in Zukunft darauf an, im Konzert aller Länder auf Fachebene - beziehungsweise in den Fachministerkonferenzen - Handlungsbedarf aufzuzeigen.

Drittens. Den Spielraum auf Landesebene hat die Landesregierung bislang ausreichend genutzt. So wurden für die Planung und Errichtung von Freizeit- oder Windkraftanlagen gerade auch unter Lärmgesichtspunkten Regelungen erlassen. In der Umsetzung und Überwachung der Rechtsvorschriften konnten die zuständigen Behörden auf Landesebene ebenso wie auf kommunaler Ebene ihren Aufgaben noch ausreichend nachkommen. Die Umsetzung und Überwachung bestehender Regelungen wird unter den schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen die Hauptaufgabe bleiben. Mit welchen Problemen die Behörden zu kämpfen haben, werden die Kolleginnen und Kollegen aus dem Eingabenausschuss sicher gut beurteilen können.

Natürlich möchte ich die Beantwortung der Großen Anfrage in diesem Hause auch dazu nutzen, für die Aktivitäten zur Lärmbekämpfung in SchleswigHolstein und darüber hinaus zu werben. Als vordringliches Projekt ist hier die Novellierung des Fluglärmgesetzes aus dem Jahre 1971 zu nennen. Gerade angesichts der aktuellen Aufbauaktivitäten in Schleswig-Holstein bedarf es der Novelle dieses überholten

(Minister Klaus Müller)

Gesetzes. Das wird die Landesregierung gegenüber dem Bund auch deutlich machen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

Zur Lärmsanierung an bestehenden Verkehrswegen: Mit dem Sanierungsprogramm für Schienenwege hat die Bundesregierung den ersten Schritt getan. Das im Koalitionsvertrag vereinbarte Sanierungsprogramm an Bundesautobahnen sehe ich als logische und notwendige Konsequenz. Die Umsetzung der europäischen Umgebungslärmrichtlinie hat zum Ziel, schädliche Lärmeinwirkungen durch einheitliche Anforderungen an Lärmkarten zu vermeiden, ihnen vorzubeugen und sie zu verringern. Schließlich nenne ich die Prüfung einer landesrechtlichen Regelung. Immer wieder erreichen das Umweltministerium Forderungen der Kommunen nach landesrechtlichen Regelungen, die insbesondere unterhalb der Gefährdungsschwelle Möglichkeiten schaffen, Lärmbelästigungen - gerade auch im Freizeitbereich oder durch verhaltensbedingten Lärm zu schutzwürdigen Zeiten - entgegenzuwirken.

Auch Ermächtigungen, um auf Gemeindeebene durch kommunale Satzungen - zum Beispiel für Kurgebiete - Sonderregelungen erlassen zu können, werden von den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern angeführt. Hierzu bedürfte es eines Landesgesetzes, wie es auch in zahlreichen anderen Bundesländern existiert. Ob sich die Mehrheit in diesem Hause dazu entschließt, möchte ich Ihrer Diskussion im Umweltausschuss überlassen. Für die Landesregierung bleibt die Lärmbekämpfung auch in Zukunft ein wichtiges Handlungsfeld zum Erhalt gesunder Lebensgrundlagen und der Lebensqualität in SchleswigHolstein.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Ich danke dem Herrn Minister für seinen Bericht und eröffne die Aussprache. Frau Abgeordnete Scheicht hat das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Während sich der schleswig-holsteinische Umweltminister Klaus Müller ausgiebig mit dem Umweltranking beschäftigte, als gäbe es zurzeit bei uns im Lande und für die Bevölkerung nichts Wichtigeres, haben wir uns nun das zweite Mal dem Thema Lärm gewidmet. Ich danke allen beteiligten Mitarbeitern des Ministeriums für die sehr aufwändige Arbeit zur Beantwor

tung der Großen Anfrage. Leider ist es in fünf Minuten nicht möglich, auf jeden Aspekt des Lärms einzugehen. Ich glaube, dass wir uns alle - nicht nur der Kollege Poppendiecker und die Kollegen des Eingabenausschusses - noch öfter mit dieser Großen Anfrage beschäftigen werden.

Ich gehe nun auf die aktuelle Situation ein, denn es wird noch öfter Reaktionen auf das geben, was derzeit im Lande passiert. Herr Minister Müller, Sie sind da. Ich dachte, Sie wären heute auch nicht da, denn ich habe Sie vermisst, als ein großes Raunen durch die Kommunen ging. Gleich nach meiner Presseerklärung zur Großen Anfrage habe ich - -

(Zuruf der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Frau Fröhlich, bitte seien Sie ruhig, es ist eine Lärmanfrage!

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich habe über 100 Anrufe und Briefe von Bürgern aus ganz Schleswig-Holstein erhalten. Sogar während dieser Sitzung musste ich hinaus, weil die Leute anriefen. Fragen Sie den Pförtner! Sie haben mir ihr Problem geschildert und sich dafür bedankt, dass die CDU in Schleswig-Holstein das Umweltproblem Nummer eins endlich aufgreift. Herr Minister, seit 1993, als die letzte Große Anfrage zum Lärm gestellt wurde, hat sich vieles geändert, jedoch wenig verbessert. Für 12 Millionen Bundesbürger ist Lärm nach Angaben des Bundesumweltamtes immer noch das größte Umweltproblem. Ich habe dies an der ersten Stelle Ihres Umweltrankings vermisst. Wir halten das Thema Lärm auch deshalb für besonders wichtig, da laut Hochrechnung zirka 3 % alles Herzinfarkte durch Verkehrslärm hervorgerufen werden können. Die Erkrankungen von Herz-Kreislauf-Beschwerden nehmen zu und die Lärmschwerhörigkeit gehört mit den beruflich bedingten Hautkrankheiten zu den häufigsten Berufskrankheiten in Deutschland.

Vor dem Hintergrund, dass Lärm als eines der gravierendsten Umweltprobleme für den Menschen erachtet wird, müssen wir leider feststellen: Hier hat die rotgrüne Regierung in Schleswig-Holstein einmal mehr gezeigt, dass ihr auch in der Umweltpolitik der Weitblick und das Verständnis für Mehrwert fehlt. Ich glaube, es fehlt auch an Transparenz und auch an Informationen dem Bürger gegenüber. So haben zum Beispiel Ämter und Firmen in Schleswig-Holstein durch die Tageszeitung erfahren müssen, was auf sie und ihren Betrieb in Zukunft zukommt.

Wo waren Sie denn, Herr Umweltminister, als vor wenigen Wochen - nach der Veröffentlichung der

(Jutta Scheicht)

neuen Geräte- und Maschinenschutzlärmverordnung der EU - ein Aufschrei durch alle Kommunen ging und kommunale wie private Unternehmen die Umsetzung der Verordnung für planerisch und technisch nicht durchführbar hielten?

(Günter Neugebauer [SPD]: Das muss ein leiser Aufschrei gewesen sein!)

- In Lübeck war dies zu lesen! Durch diese neue Verordnung werden andere Verordnungen aufgehoben. Ich nenne zum Beispiel die 8. Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes. Dies betrifft die Rasenmäherverordnung. Das ist noch nicht so schlimm, aber auch die Baumaschinenverordnung ist aufgehoben. Alle Betriebe - von der Bauwirtschaft bis zur Entsorgungswirtschaft - stehen durch die dann verschärfte zeitliche Einschränkung - von 9 bis 13 Uhr und von 15 bis 17 Uhr - vor erheblichen Schwierigkeiten. Die Betriebe dürfen also nur noch sechs Stunden am Tag arbeiten. Herr Minister, vielleicht haben Sie ja die „Lübecker Nachrichten“ gelesen. Außerdem mangelt es an Prüfstellen, die die definierte Lärmmessung für Geräte vornehmen können. Ich glaube, ich habe Sie bereits darauf angesprochen. In Deutschland gibt es lediglich neun Stellen. Wenn Sie das Umweltamt danach fragen, dann erfahren Sie, dass Sie herumgehen können, um zu fragen, wer dies in Deutschland durchführen kann. Diese Antwort kriegen Sie vor Ort - auf jeden Fall in Lübeck.

(Beifall bei der CDU)

Wenn wir nachfragen, wo es in Deutschland so etwas gibt, dann wird uns ein Ort genannt. Wo dieser Ort genau liegt, wissen wir nicht, aber er liegt in den neuen Bundesländern. Das ist die Antwort. Hier können Sie Ihr Gerät vorführen. Dort wird Ihnen bestätigt, dass Sie mit Ihrem Gerät weiter arbeiten können. Ich möchte sehen, was das in Zukunft gibt. Die finanziellen Auswirkungen sind für alle Betroffenen immens hoch. Liebe Kollegen, ich möchte, dass Sie zuhören, denn dies betrifft uns in Zukunft alle. Im Haushalt ist davon nichts zu lesen. Allein im Bereich Straßenreinigung und Abfallentsorgung rechnet man zum Beispiel in Berlin - aus Schleswig-Holstein hat man dazu noch nichts gehört - im ersten Jahr mit einem Kostenanstieg um 27 Millionen € und 12 Millionen € in den Folgejahren.

(Glocke des Präsidenten)

Es bleibt zu befürchten, dass sich diese Verordnung, die gut gedacht war, zum Nachteil der Bürger auswirkt. Bei mir leuchtet die rote Lampe. Das Thema Lärm kann eigentlich nicht in fünf Minuten abgehandelt werden. Ich beantrage die Überweisung an den

Umweltausschuss und freue mich auf eine lebhafte, aber ruhige und sachliche Diskussion.

(Beifall bei CDU und FDP)