Protokoll der Sitzung vom 18.12.2002

Wenn nun das Ziel, dass wir unsere Ausgaben bezahlen können, die wichtigen notwendigen staatlichen Ausgaben bezahlen können, mit einer anderen Steuer unbürokratischer - zum Beispiel mit der Abgeltungssteuer - erreicht werden kann, spricht aus unserer Sicht nichts dagegen.

(Zuruf von der CDU: Aha!)

Ich habe gestern schon gehört, dass Herr Wulff aus Niedersachsen verfassungsrechtliche Bedenken geltend macht, also schon wieder das Hintertürchen aufmacht, um nicht dabei sein zu müssen, um sich hinter dem Verfassungsgericht zu verstecken.

Soziale Gerechtigkeit, meine sehr verehrten Damen und Herren, muss aber auch dem Verhältnis der Generationen untereinander dienen. Es kann nicht sein,

(Ministerpräsidentin Heide Simonis)

dass Wohlstand eine Frage des Jahrgangs ist. Die Belastungen müssen zwischen Alt und Jung gerecht aufgeteilt werden. Es gibt dazu auch erste Hinweise auch aus der Rürup-Kommission, denen ich durchaus etwas abgewinnen kann. Der erste Schritt bei der Rente ist gemacht: Eigenversorgung plus vom Staat garantierte Versorgung, damit die Menschen im Alter keine Sorgen haben müssen, plus eine Grundversorgung, damit Altersarmut endlich aufhört.

Zu Ähnlichem werden wir wohl auch in der Gesundheitspolitik kommen müssen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben in diesem Jahr rund 430 Millionen € weniger in der Kasse, als uns von den Steuerschätzungen prognostiziert wurde. Wenn man sich die Körperschaftsteuer anguckt, dann kommt man langsam wirklich ins trockene Schluchzen. Die Entwicklung dieser Steuer ist geradezu absurd. Sie hat einmal über 20 Milliarden € betragen und hat jetzt gerade wieder die Höhe der - wie der Herr Finanzminister immer sagt - Biersteuer erreicht. Die Biertrinker tun also mehr zum Wohle der Gesellschaft als die großen Körperschaften.

(Beifall bei der SPD und Beifall des Abge- ordneten Lars Harms [SSW] - Klaus Schlie [CDU]: Und wie ist das gekommen?)

- Herr Schlie, wie das gekommen ist? - Die Frage beantworte ich Ihnen gern. Die CDU wollte - von Herrn Stoiber angetrieben - sogar, dass diese Steuerstufe noch schneller vorgezogen werden sollte und wollte an dieser Stelle noch mehr tun.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Als ich als Erste gesagt habe, dass ich das für nicht in Ordnung finde, habe ich von der „Welt“ eine hineingewatscht gekriegt, dass es nur so geknallt hat. Sie hatten sich richtig gefreut. Dann haben Sie gemerkt, dass man mit diesem opportunistischen Umsteigen auf die Körperschaftsteuer versuchen kann Stimmen zu gewinnen. Das ist Ihnen gelungen. Das ist in Ordnung. Aber Sie haben die Diskussion nicht angefangen, Sie haben sie aufgenommen, weil Sie gemerkt haben, dass das die Mittelständler ärgert - zu Recht, wohlgemerkt.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW - Zurufe von der CDU)

Ich hatte Ihnen gerade gesagt, dass 500 Millionen € weniger nicht einfach weggespart werden können. Nur um Ihnen eine Größenordnung zu sagen: Es handelt sich um die Hälfte des kommunalen Finanzausgleichs, es handelte sich zum Beispiel um rund 10.000 Lehrerstellen oder ähnlich viele Stellen für

Polizisten. Das kann man ja von uns nicht erwarten, dass wir auch nur daran denken, an dieser Stelle in dieser Höhe zu sparen.

Im nächsten Jahr werden die Steuermindereinnahmen weit über 500 Millionen € ausfallen und müssen auch noch verkraftet werden. Platz für Versprechungen ist nicht mehr vorhanden. Wer in diesen Zeiten etwas anderes behauptet, der handelt unredlich.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der Abgeordneten Anke Spooren- donk [SSW])

Die Opposition ist immer noch auf dem alten Trip: mehr Polizei, mehr Lehrer, mehr dies und mehr das. Alles schöne Sachen!

(Zuruf des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

Das Ganze aus einmaligen Verkäufen und aus Sparvorschlägen finanziert, die frühestens in fünf, sechs, sieben Jahren - aus meiner Erfahrung heraus - greifen.

(Martin Kayenburg [CDU]: Das ist über- haupt nicht richtig! - Rainer Wiegard [CDU]: Unsinn!)

So kann man keine ordentliche Haushaltspolitik machen, indem man laufende Kosten mit einmaligen Verkäufen decken will.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es wird in der nächsten Zeit schwierig werden, aber es ist kein Grund, in Sack und Asche zu gehen. Ich hatte Ihnen bereits zwei Zitate genannt. Deutschland gehört nach wie vor zu den Weltmeistern im Export, zu den großen Wirtschaftsnationen Europas und ich denke, wir werden es schaffen, weil wir es schaffen müssen, auch wieder unsere Rolle im internationalen Wirtschaftsbereich zu spielen.

In Schleswig-Holstein haben wir vor längerer Zeit damit begonnen, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung kritisch zu durchforsten. Ich hatte das Gefühl, besonders auf der rechten Seite des Hauses, dass heute Morgen etwas völlig Neues erzählt worden wäre, was wir noch nie gehört und gesehen haben. Ich erinnere mich an lebhafte Diskussionen, in denen Sie immer dazwischengerufen haben: Leitbild, Frau Simonis, Leitbild, das muss man mit „d“ schreiben! Das

(Ministerpräsidentin Heide Simonis)

war bei Ihnen der Anfang der Diskussion über die Modernisierung.

(Klaus Schlie [CDU]: Und was ist dabei he- rausgekommen? - Wolfgang Kubicki [FDP]: Fragen Sie doch einmal Ihre Mitarbeiter!)

Und was haben wir geschafft? - Ich könnte Ihnen das vorlesen. Wenn Sie einmal das lesen würden, was man Ihnen schickt, dann würden Sie ja merken, was alles dabei herausgekommen ist.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben es Ihnen jedenfalls im Finanzausschuss vorgetragen.

Ich wäre ja gern bereit, Ihnen die gesamte Gemeinsame Geschäftsordnung des Kabinetts vorzulesen - Sie haben das bekommen -, aber das dauert einfach zu lange; so viel Zeit habe ich nicht.

(Klaus Schlie [CDU]: Das würde auch nichts nutzen!)

Der Sachstand ist jedenfalls heute so, dass wir Lizenzgebühren bekommen, wenn eine Firma, die mit uns an der Stelle zusammengearbeitet hat, unser Modell woanders hin überträgt. Wir kriegen Preise von der Hochschule für Verwaltungswissenschaften.

(Klaus Schlie [CDU]: Schön!)

Wir haben von 9.630 Vorschlägen etwa 8.458 abgearbeitet. Wir haben die Zahl der Leitungsebenen, der Abteilungen, der Referatsgruppen, der Stabsstellen und so weiter nach unten korrigiert und haben gesagt: Das bedeutet weniger Kosten, weil weniger Bürokratie entsteht und weil Menschen auf weniger Stellen zu befördern sind.

Da haben wir also eine ganze Menge gemacht. Dennoch bin ich gern bereit, mir das, was Sie vorgelegt haben, anzugucken. Man kann ja in der Vergangenheit durchaus etwas übersehen haben. Weil die Frau Staatssekretärin in der Staatskanzlei in der Zwischenzeit mit einer Strukturarbeitsgruppe arbeitet, ist sie bestimmt auch für jeden Vorschlag, der sich umsetzen lässt, dankbar.

Nur eines darf bei der Diskussion nicht herauskommen - das ist immer so ein falscher Zungenschlag -: Als würden wir beim Abbau von öffentlichem Dienst und bei Privatisierung Geld sparen. Der Bürger zahlt genau das Gleiche, wenn er eine Dienstleistung haben will und muss, und die Leistungen sind zum Teil schlechter - siehe England.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW - Widerspruch bei der CDU)

Die Privatisierung in England war keineswegs nur positiv.

Einen Punkt möchte ich jetzt bei dem Thema Modernisierung noch aufgreifen, weil er auch eine Rolle in der Diskussion gespielt hat, und zwar die Funktionalreform.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin der Meinung, dass wir die Funktionalreform so, wie wir sie uns vorgestellt haben und wie sie sich auch die Kommunen vorstellen, bei der jetzigen Struktur unserer Kommunen nicht schaffen werden. Die Aufgaben werden komplizierter, sie werden mit größeren Risiken behaftet sein, es wird größerer Sachverstand notwendig sein, um bestimmte Sachen zu machen. Rund 2,8 Millionen Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner leben in 1.132 Gemeinden, eine kleinteilige Struktur, die ihre Vorteile hat - man kennt sich, man kann schnell miteinander kommunizieren -, die aber im europäischen Vergleich Wettbewerbsnachteile hat. Alle unsere europäischen Nachbarn haben deswegen ihre Gebietskörperschaften auf den europäischen Wettbewerb vorbereitet und zu europafähigen Größenordnungen gefunden. Hier müssen wir vorankommen und freiwillige Lösungen wären das beste Beispiel, wie auf Fehmarn, im Hamburger Rand oder auf Sylt.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn sich da nicht mehr andeutet als dies, wird man die Diskussion anfangen müssen, was eine europafähige Gebietsreform bedeuten würde, bei der die kleinen Einheiten übrig bleiben, aber die Verwaltungseinheiten, die darüber sind, größer sind, schneller sind und international agieren können.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich begrüße ausdrücklich, dass der SchleswigHolsteinische Gemeindetag in seiner Delegiertenversammlung Anfang November eine Diskussion darüber geführt hat, ob und wie die Lehrerstellen kommunalisiert werden können. Das ist ein Vorschlag, über den man sich unterhalten kann und den man am Ende ablehnen oder stückweise übertragen kann. Das ist ein Vorschlag, der von unten nach oben gekommen ist und für solche Vorschläge sind wir immer dankbar.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Die Diskussion ist deswegen auch so interessant, weil alle Länder, die uns im PISA-Ranking überrundet

(Ministerpräsidentin Heide Simonis)

haben, eine ganz starke kommunale Komponente in ihrem Schulwesen haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, natürlich gehören zum Sparen - es ist auch richtig, dass die Opposition das aufgreift - auch alle Maßnahmen, die die Personalkosten heruntersetzen. Nun haben wir heute von Ihnen Gott sei Dank rechtzeitig die Nachricht bekommen, die auch in der Zeitung zu lesen war, dass Sie außer Lehrer, Polizei, Justiz und Steuerverwaltung - - Uni haben sie ausdrücklich nicht genannt. Da muss man noch einmal nachfragen, was das bedeutet. Andere haben Sie auch nicht genannt. Alle anderen sind nur Menschen, die uns verwalten. Die Uni verwaltet uns nicht, die verwaltet sich selbst. Man kann gucken, ob sie das richtig macht. Das hätte man anders ausdrücken sollen; vielleicht ist es auch falsch verstanden worden.