Protokoll der Sitzung vom 13.07.2000

Liebe Kolleginnen und Kollegen, da gibt es beide Möglichkeiten, Abitur nach 12 oder 13 Jahren. Da gibt es die Möglichkeit zu fragen, ob man es so oder so schaffen kann.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Jürgen Weber [SPD]: Ausnahmsweise mal sehr vernünftig in Dä- nemark!)

Ich erteile der Frau Ministerin Erdsiek-Rave das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das schleswig-holsteinische Abitur hat bundesweit einen guten Ruf und eine gute Qualität. Ich hoffe, dass das hier von niemandem bestritten, sondern mit Beifall bedacht wird.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Das heißt aber auch, dass sich alle Überlegungen, jeder Vorschlag, jedes Modell an diesem Grundsatz orientieren müssen, dass das auch in Zukunft so bleibt.

Nun beantragt die CDU hier - Herr Dr. Klug hat dies ja vonseiten der F.D.P. unterstützt - eine generelle Schulzeitverkürzung auf zwölf Jahre.

(Dr. Ekkehard Klug [F.D.P.]: Im Gymnasi- um!)

Ich frage Sie schon, Herr Dr. Klug - noch etwas deutlicher, als dies eben der Fall war -: Woher glauben Sie eigentlich, dafür im Land die Unterstützung nehmen zu können? Noch vor einem Jahr hatte ich Zweifel, ob die Modelle, über die wir jetzt reden, im Land überhaupt Akzeptanz finden würden. Sie kennen - Sie haben sie sehr wohl gehört - die kritische Haltung gerade des Philologenverbandes. Und es gibt ja auch gute Gründe für die Beibehaltung von 13 Schuljahren.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [F.D.P.])

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

- Es gibt wirklich gute Gründe; die hat Frau Spoorendonk eben ausschnittsweise genannt.

Die jetzt von uns geplante partielle und probeweise Verkürzung der Schulzeit an schleswigholsteinischen Gymnasien erfolgt dann auch unter einigen Vorbedingungen. Ich kann das hier in fünf Minuten nicht alles im Einzelnen darlegen. Ich schlage vor, dass wir wirklich im Ausschuss ausführlich diskutieren, welches die Bedingungen sein sollen, wie die Fächerzuordnung in welcher Reihenfolge sein soll. Dafür reicht die Zeit jetzt einfach nicht aus.

Wir jedenfalls wollen erfahren, ob es möglich ist, in acht Jahren die fachliche und methodische Kompetenz zu vermitteln, für die bisher eben neun Jahre gebraucht wurden. Wir wollen zugleich das Angebot machen, dass die Schüler, die das wollen, ein Jahr Lebenszeit für sich gewinnen, sich früher in die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt begeben können.

Man muss hier allerdings zumindest in Klammern hinzufügen, dass die Gesamtlänge der Ausbildung, die ja auch Ausgangspunkt dieser Diskussion war, wahrlich nicht nur auf die Schulzeit zurückzuführen ist,

(Glocke des Präsidenten)

sondern vor allem auf die Studienstrukturen und ganz andere Verhältnisse, die mit der Schule nichts zu tun haben.

Wir haben gestern über die Förderung von Hochbegabten beraten. Natürlich will auch ich nicht, dass besonders begabte Kinder und Jugendliche während ihrer Schulzeit unterfordert sind. Wir fordern und fördern sie effektiver und besser mit einer Schulzeitverkürzung als mit dem individuellen Überspringen einer Klasse.

Herr Dr. Klug, mir scheint auch das beschleunigte Durchlaufen der Sekundarstufe I sinnvoller zu sein als die Straffung erst in der gymnasialen Oberstufe.

(Dr. Ekkehard Klug [F.D.P.]: Beides!)

Aber ich gebe zu, dass man darüber streiten kann. Ich jedenfalls finde, wir sollten das Lernpotential der Schülerinnen und Schüler nicht zu lange auf Eis liegen lassen.

(Beifall der Abgeordneten Roswitha Strauß [CDU] - Die Abgeordneten Jost de Jager [CDU] und Dr. Ekkehard Klug [F.D.P.] spre- chen mit dem Präsidium)

- Ich mache gern einen Augenblick Pause.

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Das ist nicht nötig!)

- Ja, aber da beide Kollegen diejenigen sind, an die ich mich auch mit meinen Bemerkungen richte, bitte ich schon darum, dass sie auch zuhören.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD - Dr. Ekke- hard Klug [F.D.P.]: Entschuldigung, wir wur- den zum Präsidenten gebeten!)

- Gut.

Eine Randbemerkung zum elften Jahrgang! Herr Dr. Klug - ich glaube, Herr de Jager hatte auch darauf abgehoben - hatte das so abfällig als „Böhrk-Modell“ bezeichnet. Das ist ja nun wirklich Quatsch und Sie müssten es eigentlich besser wissen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

In allen Bundesländern findet der elfte Jahrgang im Klassenverband statt. Darauf hat sich die KMK verständigt. Es kehren jetzt zwei Länder wieder zum Kurssystem zurück. Für Schleswig-Holstein muss man wissen, dass das ungefähr 120 zusätzliche Lehrerstellen erfordern würde - 120 zusätzliche Lehrerstellen!

Nun ist es ja wohl an der Zeit, dass ich einmal ein paar Legenden zurechtrücke, die hier entstanden sind.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich meine etwa die Legende, das Saarland würde hopplahopp zwölf Jahre einführen, alle machten mit, ganz prima, Vorreiter in der Bundesrepublik, zögerliches Schleswig-Holstein, es dackelt wieder einmal hinterher! Nun will ich Ihnen zum Saarland einmal Folgendes sagen, Herr de Jager: Ich hoffe, Sie haben einmal einen Blick in das Schulgesetz geworfen, das dort verabschiedet werden soll; es ist ja noch nicht verabschiedet. Da müsste Ihnen eigentlich aufgefallen sein, dass das Saarland das achtjährige Gymnasium einführen will, aber gleichzeitig den Elternwillen abschafft. Das heißt, die wollen nur noch diejenigen Schüler im Gymnasium haben, die von den Grundschulen dafür empfohlen sind! Wenn Sie das in Schleswig-Holstein wollen, dann sollten Sie das hier bitte laut und deutlich sagen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann ist nämlich alles das, was Sie vorher gesagt haben, Makulatur.

Ich erinnere mich sehr gut, Herr Dr. Klug, dass Sie im Wahlkampf auf Ihrem Landesparteitag mit einem solchen Ziel, nämlich der Abschaffung des Elternwillens beim Zugang zum Gymnasium, gescheitert sind. Wenn Sie es jetzt hier wieder durch die Hinter

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

tür einführen wollen, zumindest verbal, müssen Sie ehrlich sein und sagen: Genau das wollen wir für die Zukunft unserer Gymnasien!

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Widerspruch bei der F.D.P.)

Hier bitte Ehrlichkeit - auch von Ihnen, Herr de Jager!

Es gibt bisher eben keine Erfahrungen bundesweit, ob man 33 % eines Jahrgangs - so viel sind es bundesweit, die auf die Gymnasien gehen - diese verkürzte Schulzeit zumuten kann. Und weil die Saarländer sagen: „Nein, das können wir nicht machen“, schaffen sie den Elternwillen ab. In Schleswig-Holstein kommt das jedenfalls mit mir, mit der SPD und mit unserer Regierung nicht in Frage, meine Damen und Herren!

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Glocke des Präsidenten)

Kommen Sie bitte zum Schluß!

Herr Präsident, Entschuldigung! Noch zwei kurze Bemerkungen, aber ich kann mich sonst auch nachher noch einmal melden.

Baden-Württemberg - nehmen wir das einmal als nächstes Beispiel -, eines der von Ihnen sonst so hoch gelobten Länder, führt genau das ein, was wir auch erproben wollen, nämlich Züge an einzelnen Gymnasien.

Bayern - für Sie sonst auch immer leuchtendes Beispiel in der Ferne - macht einen Schulversuch mit Schnellzügen an wenigen Gymnasien. - Also Erprobung wie bei uns auch!

Wir befinden uns keineswegs am Ende und wir befinden uns auch keineswegs in einem einsamen Land, in dem wir das ganz allein erproben. Wir wollen das, was andere genauso sorgsam, genauso behutsam, nämlich nicht Knall auf Fall einführen, sondern erst einmal erproben.. Wir befinden uns mit solchen Modellen bundesweit in sehr guter Gesellschaft.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Gechäftsordnung hat Herr Abgeordneter Dr. Klug.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich denke, es geht in einer Minute.