Protokoll der Sitzung vom 13.07.2000

Das ist bekannt. Deswegen leite ich daraus sogar die politische Aufgabe ab, in diese Richtung tätig zu werden.

Zu Ihrer Kenntnis: Die EU hat in ihrem Grünbuch zum „Öffentlichen Auftragswesen“ ausdrücklich die Vergabe für andere Kriterien geöffnet. Ich zitiere:

„... dass eine weitere Möglichkeit darin besteht, die Einhaltung von Pflichten sozialen Inhalts zur Vorbedingung für die Ausführung der vergebenen öffentlichen Aufträge zu machen, um beispielsweise“

- das ist schon zitiert worden

„die Beschäftigung von Frauen oder den Schutz bestimmter benachteiligter Personengruppen zu fördern.“

Seite 55 der Drucksache 15/97 der Europäischen Union!

Dieser Standpunkt ist von der EU ausdrücklich bestätigt worden. Der Bundesgesetzgeber hat diesen

Standpunkt in das Vergaberechts-Änderungsgesetz übernommen. Dort heißt es:

„Aufträge werden an fachkundige, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmen vergeben; andere oder weitergehende Anforderungen dürfen an Auftragnehmer nur gestellt werden, wenn dies durch Bundes- oder Landesgesetz vorgesehen ist.“

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Welches ist das Gesetz?)

Es ist explizit so vorgesehen und im GMSH-Gesetz in § 3 Abs. 4 in Schleswig-Holstein gesetzlich umgesetzt.

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Das ist nicht richtig!)

Frau Schmitz-Hübsch, Sie haben leider weder juristisch noch in der Sache Recht. Was uns aber Ihr Antrag beweist, ist das Weltbild, mit dem die CDU weiterhin Frauen betrachtet.

(Widerspruch bei der CDU - Brita Schmitz- Hübsch [CDU]: Es geht um Ordnungspoli- tik!)

Wenn wir in diesem Parlament ein Problem haben, dann ist das Problem, vor dem wir mit diesem Antrag stehen, die Modernisierung der CDU.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Lachen bei der CDU)

Schauen wir doch zum Schluss noch einmal in die von Ihnen so geliebte USA. Da gibt es ein Instrument, das heißt „affirmative action“. Dadurch soll die Einstellungspraxis in öffentlichen Institutionen die Chancengleichheit von Minderheiten und benachteiligten Personengruppen herstellen.

(Zuruf des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

Bei Ausschreibungen werden für die Vergabe öffentlicher Aufträge nur Firmen zugelassen, die sich dieser Politik verpflichten. Nur Firmen, in denen frauenfördernde Maßnahmen tatsächlich durchgeführt werden, dürfen einen Auftrag erhalten.

Diese Politik ist so erfolgreich, dass der Zugang zu höheren Positionen von Frauen deutlich fortgeschritten ist und bereits wesentlich weiter reicht als bei uns in der Bundesrepublik, was - denke ich - der USA wirtschaftlich nicht zu Schaden gereicht hat.

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Das ist Bun- desgesetz! - Glocke des Präsidenten)

Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Abgeordneter.

Der robuste Zustand der US-Wirtschaft zeigt, dass Frauenförderung kein Wirtschaftsvernichtungsinstrument ist, wie Sie es uns hier darstellen und für Schleswig-Holstein verkaufen wollen. Es wäre gut, Frau Schmitz-Hübsch, wenn die CDU davon etwas lernen würde.

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Senkung der Lohnnebenkosten! - Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Harms.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Neben der aktuellen Problematik der neuen Beschaffungsordnung werde ich auch auf das Vergabewesen im Allgemeinen eingehen, da der CDU-Antrag auch allgemein gehalten ist und sich nicht nur auf die Beschaffungsordnung bezieht. Die Worte „vergabefremde Kriterien“ im Antrag der CDU implizieren ja Mauschelei, Bevorzugung, Unkorrektheit. Ich hoffe nicht, dass das mit dem Antrag gemeint ist.

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Nein, nein!)

Das Vergaberecht schreibt eindeutig vor, was berücksichtigt werden darf und was nicht. So kann man Bevorzugungen und Ähnlichem auch einen Riegel vorschieben.

Gemeint ist vielmehr, dass neben betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten auch eine Reihe anderer Kriterien eine Rolle spielen sollen. Zu nennen sind die von Ihnen, Frau Schmitz-Hübsch, kritisierten Frauenförderpläne und darüber hinaus Qualitätsstandards, beispielsweise im Umweltbereich. Dies sind politische, inhaltliche, gesellschaftsrelevante und vor allem gesamtwirtschaftliche Vergabekriterien.

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Keine ge- setzlichen!)

Dies ist so gewollt und auch notwendig, um negativen Entwicklungen vorzubeugen

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Dann macht doch ein Gesetz!)

oder um bestimmte politische Ziele zu erreichen. Das hat Herr Hentschel eben sehr gut deutlich gemacht.

Was ist in dem CDU-Antrag eigentlich mit „wirtschaftlichsten Angebot“ gemeint? Das betriebswirtschaftlichste oder das volkswirtschaftlichste?

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Eine reine Preisbetrachtung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge ist zu einfach und würde auch der Verantwortung der öffentlichen Hand nicht gerecht werden.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Sehen das Ihre kommunalen Vertreter auch so?)

Es geht um eine ganzheitliche Betrachtungsweise. Die öffentliche Hand muss die Auswirkungen von Ausschreibungen beachten.

(Dr. Heiner Garg [F.D.P.]: So ein Blödsinn!)

Wenn einzig und allein der geringste Preis den Ausschlag gibt, sinkt die Qualität. Dem muss man entgegenwirken.

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Nicht der ge- ringste, der wirtschaftlichste! - Dr. Heiner Garg [F.D.P.]: Haben Sie sich je mit Wirt- schaft beschäftigt?)

Daher geht es unter anderem um die Festschreibung qualitativer Standards.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abgeordneter Garg, Zwischenrufe sind sehr erwünscht, aber den Ausdruck „Blödsinn“ weise ich als unparlamentarischen Ausdruck zurück.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein hohes Qualitätsniveau führt auch zum Erhalt hiesiger Arbeitsplätze.

Ich nenne einmal ein Beispiel: ÖPNV. Die Beförderung von A nach B wird im europaweiten Wettbewerb ausgeschrieben. Ohne ein Qualitätskriterium spielt nur der Preis eine Rolle. Mit Qualitätskriterium spielen auch die Ausstattung der Fahrzeuge oder die Ausbildung der Mitarbeiter eine Rolle.

(Zuruf der Abgeordneten Brita Schmitz- Hübsch [CDU])

Dadurch bekommen wir mehr Sicherheit für die beförderten Personen und mehr soziale Sicherheit für

(Lars Harms)