Also noch einmal: Wer dem Antrag der Fraktion der CDU, Drucksache 15/2439, seine Zustimmung geben will, den darf ich um das Handzeichen bitten! - Die Zustimmung erfolgte durch die Fraktionen von CDU und FDP. Ich darf fragen, wer dem Antrag der Fraktion von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 15/2488, seine Zustimmung geben will. -
Da erfolgt die Zustimmung durch die Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten des SSW. Damit hat der Antrag der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 15/2488, die Mehrheit gefunden.
Ich darf also die Landesregierung bitten, vertreten durch die Bildungsministerin, Frau Ministerin Erdsiek-Rave, ihren Bericht auf der Grundlage dieses Antrages zu geben.
Herzlichen Dank, Herr Präsident! Ich werde mir Mühe geben, auch andere Fragen, die aufgeworfen worden sind, gleichzeitig mit zu beantworten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir sind uns in der Bewertung einig, dass das Potenzial, das Kinder zum Zeitpunkt der Einschulung mitbringen, in unserem Schulsystem nicht ausreichend ausgeschöpft wird. Das gilt besonders in der Grundschule. Deshalb müssen die Weichen neu gestellt werden. Damit meine ich die Verzahnung des Kindertagesstättenbereichs mit der Grundschule, damit meine ich die qualitativen Veränderungen im Sinne von Standardsetzung und Qualitätsentwicklung in der Grundschule und damit meine ich auch den Bereich, sozusagen Inhalt und äußere Gestaltung miteinander zu verbinden. Zu den anderen Bereichen ist an anderer Stelle hier diskutiert und berichtet worden. Ich möchte mich heute auf die Frage beschränken, wie wir den äußeren Rahmen und die Verschränkung mit den entsprechenden Inhalten gestalten.
Neue Weichen zu stellen heißt deshalb für uns: Wir haben uns für die Einführung der verlässlichen Grundschule in mehreren Schritten entschieden. Sie soll erstens den Unterricht in der Grundschule stärken und verstärken; sie soll zweitens einen verlässlichen Schulzeitrahmen bieten und damit drittens Unterrichtsausfall soweit wie irgend menschlich möglich verhindern. Zum 1. August soll dieser Erlass zur Einführung der verlässlichen Grundschule in Kraft treten.
Das Modell dafür ist mehrfach öffentlich vorgestellt und diskutiert worden. In einem ersten Schritt wurden am Ende des letzten Jahres die Schulleitungen der betroffenen Schulen im Hamburger Randgebiet über die geplante Einführung informiert. Es folgten zahlreiche intensive Gespräche mit Elternvereinen, Schulträgern, Trägern von Betreuungseinrichtungen. Am Ende der vergangenen Woche ist der Zeitrahmen für die ausführliche Anhörung abgeschlossen gewesen.
Lassen Sie mich als grundsätzliches Fazit sagen: Es gab neben kritischen Stellungnahmen, von denen Sie natürlich wissen, auch viele erfreuliche, sehr positive Rückmeldungen. Sie alle gingen in die Richtung, dass man das Ziel grundsätzlich bejaht hat, dass an dem Konzept allerdings aus Sicht der Betroffenen noch das eine oder andere verändert werden sollte. Unter anderem haben die Regionen, die in dieser ersten Phase noch nicht vorgesehen sind, angefragt, ob sie nicht auch noch berücksichtigt werden könnten. Auch das spricht für die Sache.
In den Regionen, in denen die verlässliche Grundschule umgesetzt werden soll, sollen Eltern von Grundschülern sich auf einen verlässlichen Zeitraum, einen verlässlichen Betreuungsrahmen verlassen können.
Erstens. Die verlässliche Grundschule lässt sich nicht überall mit dem Stundenvolumen vor Ort vereinbaren. Für manche Schulen ist der Rahmen zu starr. Sie hatten den Eindruck, wir würden ihnen etwas überstülpen, das sich vor Ort nicht realisieren ließe. Zweitens. Wo Betreuungsangebote existierten, ergab sich eine mögliche Konkurrenz zwischen dem neuen Modell der verlässlichen Grundschule und einem bewährten Betreuungskonzept. Darauf haben wir reagiert.
Erstens, in der ersten Phase wird die verlässliche Grundschule am Hamburger Rand an knapp 100 Schulen verwirklicht. Frau Eisenberg, es handelt sich nicht um 160 Schulen - dabei handelt es sich wohl um einen Hörfehler bei einer Veranstaltung -, sondern es sind nur 106 Schulen. Dafür hatten wir ursprünglich 50 zusätzliche Lehrerplanstellen vorgesehen, die wir nun um weitere 25 Lehrerplanstellen für die Einführungsphase erweitern. Erstere stammen aus dem Volumen der neuen Planstellen, die zweiten 25 Stellen werden durch Umschichtung aus der Sekundarstufe II erwirtschaftet werden, beziehungsweise dort abgezogen werden müssen. Sie sollen den Schulämtern vor Ort zur Verfügung stehen, um einen situationsbedingten und bedarfsorientierten Ausgleich schaffen zu können.
Soweit die Schulen und Schulämter am Projekt „Geld statt Stellen“ teilnehmen, können sie die zugewiesenen Stellen in Geld umwandeln und damit befristete Dienstleistungskooperationsverträge, Arbeitsverträge, abschließen. Das trifft in dem Bereich, in dem wir beginnen, für das Schulamt Herzogtum Lauenburg zu,
aber in den Folgejahren kann das Projekt „Geld statt Stellen“ auf andere Regionen ausgeweitet werden.
Meine Damen und Herren, die verlässliche Grundschule ist ein Rahmen für Verlässlichkeit, nicht mehr und nicht weniger. Wir haben einen zeitlichen Rahmen vorgegeben, aber über das Konzept vor Ort soll allein die Schulkonferenz entscheiden, orientiert an Gegebenheiten und Strukturen der jeweiligen Schule.
Weder das zeitliche Konzept noch der Einsatz der Lehrkräfte sollen in starrer Form von den Schulen gehandhabt werden müssen. Auch hier soll das Prinzip der Eigenverantwortung von Schule obersten Rang haben und in diesem Konzept Geltung haben.
Zweitens. Wir haben nach Wegen gesucht, um bestehende Betreuungsangebote an den Grundschulen mit dem Modell der verlässlichen Grundschule zu verbinden. Dabei muss ich eines unterstreichen: Wir, das Land, sind für den Bildungsauftrag verantwortlich. Die Betreuungsaufgabe liegt in Schleswig-Holstein in unterschiedlichen Händen, zum Teil bei den Kommunen, bei Wohlfahrtsverbänden, bei Elternverbänden. Eines soll das leitende Prinzip sein: Durch die Einführung der verlässlichen Grundschule soll keinem bestehenden Betreuungsangebot seitens des Landes die Förderung entzogen werden.
Das eine, die Verlässlichkeit, ist weder eine Konkurrenz zum anderen, also zur Betreuung, noch eine Alternative. Ideal ist es, wenn sich beides ergänzt. Dafür plädieren wir. Ich gehe davon aus, dass vor diesem Hintergrund auch die kommunale Seite ihre bisherige Unterstützung der betreuten Grundschulen aufrechterhält.
Um so viel Reibungsverluste wie möglich auszuschließen, wollen wir erstens unsererseits den Erlass mit den Zielen, die ich Ihnen eben vorgestellt habe, entsprechend überarbeiten. Der Zeitrahmen der betroffenen Grundschulen wird nun so flexibilisiert, dass auch eine Betreuung durch die betreuten Grundschulen parallel zum Unterricht und auch nach 14 Uhr möglich wird. Zweitens nehmen wir eine zweijährige Einführungszeit in den Erlass mit auf, um Erfahrungen sammeln und Korrekturen am Konzept vornehmen zu können. Ich glaube, das ist wichtig. Wir betreten hier Neuland. Wir müssen wissen, wie es vor Ort funktioniert. Die zweijährige Einführungsphase dient dazu, entsprechende Erfahrungen zu sammeln und das Konzept weiterentwickeln zu können. Ich glaube,
es entspricht nicht nur dem Prinzip der Eigenverantwortung, sondern auch der Notwendigkeit der Überprüfung, dass man in dieser Einführungsphase noch Konsequenzen für die weiteren Schritte ziehen kann.
Noch einmal: Die Einführung der verlässlichen Grundschule ist ein Prozess, mit dem wir Neuland betreten. Sie verlangt von den Schulen Eigeninitiative, sie verlangt Kreativität bei der Umsetzung. Natürlich bedarf es auch der weiteren Beratung und Information. Hier sind auch die Schulräte vor Ort gefordert, die Arbeitskreise gebildet haben und in Einzelberatung die Schulen auf die Einführung der verlässlichen Grundschule vorbereiten. In dieser Woche werden die Schulträger gemeinsam mit den Schulräten über den erarbeiteten Erlass, der Ende dieser Woche vorliegen soll, informiert. Ich bitte um Nachsicht, dass die zeitliche Übereinstimmung zwischen Abschluss der Anhörungsphase und der heutigen Landtagssitzung dazu führt, dass ich Ihnen noch keinen komplett neuen Erlass präsentieren kann. Er wird in dieser Woche endgültig überarbeitet und Ende der Woche vorgestellt. Die Elemente habe ich Ihnen im Wesentlichen dargestellt.
Meine Damen und Herren, Schulen sind lernende Organisationen, Ministerien sind es auch. Der Abgeordnete Klug hat natürlich alles schon wieder vorher gewusst.
Wir haben in diesem Prozess die Rückmeldungen, die Diskussionen vor Ort und die Anhörung sehr ernst genommen. Wir haben in diesem Fall gelernt, wie vielfältig und differenziert die Voraussetzungen für die Einführung sind, wie wichtig den Schulen ihr Profil und ihr Schulprogramm ist, das sie erarbeitet haben, und wie engagiert die Betreuungseinrichtungen sind, die sich im Land inzwischen etabliert haben und die zur hohen Zufriedenheit der Eltern arbeiten. Dies alles wollen wir nicht nur berücksichtigen, sondern wir wollen es in das Gesamtkonzept integrieren, damit es auch wirklich zu einem Erfolgsmodell werden kann.
Dann treten wir jetzt in die Aussprache ein. Es ist im Interesse und in Übereinstimmung mit dem Haus, dass wir zunächst für den Antrag 15/2430 historisch betrachtet dem Antragsteller, der Fraktion der FDP, das Wort erteilen, dann der SPD, der CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und dem SSW. Ich sehe Übereinstimmung des Hauses. Ich erteile jetzt für die
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Schleswig-Holstein brauchen wir keinen Schul-TÜV, sondern vielmehr einen Kultusministeriums-TÜV.
Das hat die Diskussion um das Regierungsprogramm zur Einführung der verlässlichen Grundschule deutlicher gezeigt als alle früheren Beispiele aus der Abteilung Pleiten, Pech und Pannen des Bildungsministeriums. Es ist wirklich ein Kunststück, was dieses Ministerium hier vollbracht hat: Eine eigentlich vernünftige Idee, die Einführung verlässlicher Grundschulzeiten, ist in der Umsetzung derart verhunzt worden, dass am Ende das genaue Gegenteil drohte, nämlich weniger Unterricht und weniger Betreuungsangebote an den Grundschulen.
Dafür, dass es so gewesen ist, gibt es zwei wesentliche Ursachen. Erstens gab es einen falschen politischen Denkansatz, nämlich einen Denkansatz, der auf zentralistische Regelungen bei Zuteilung viel zu geringer Personalressourcen setzte, und zweitens gab es obendrauf ein handwerkliches Unvermögen des Ministeriums, aus diesem falschen Ansatz auch noch etwas halbwegs Funktionierendes hervorzubringen. Die Ministerin hat sich deshalb in der vergangenen Woche angesichts auch der Protestwelle, die insbesondere im Hamburger Umland inzwischen auch die Abgeordneten erreicht hat, gezwungen gesehen zurückzurudern. Sie hat zumindest in dem, was sie auch heute wieder dazu gesagt hat, im Wesentlichen die Forderungen aufgenommen, die wir Anfang Februar als FDP-Fraktion erhoben und in unserem Antrag zu Papier gebracht haben.
Aber wie weit die Lernfähigkeit des Ministeriums nun tatsächlich reicht, ist mir heute noch nicht so recht klar, denn 48 Stunden, nachdem Frau ErdsiekRave in der letzten Woche ihre Revision des Erlassentwurfs öffentlich bekannt gegeben hat, fand in Lübeck eine Diskussionsveranstaltung zum Thema „verlässliche Grundschule“ statt, auf der die Vertreterin aus dem Ministerium, die dort referiert hat, nach dem Empfinden der Lübecker Elterninitiative Interessenvertretung betreute Grundschule e. V. praktisch dasselbe vorgetragen hat, was im Ursprungsentwurf stand, also die altbekannten Positionen. So hat jedenfalls die Lübecker Elterninitiative uns das noch am Wochenende in einer Mail mitgeteilt. Die Einschätzung der Lübecker Eltern lautet:
„Unter dieser Voraussetzung besteht die große Gefahr, dass die erheblichen Bedenken und die Kritik, die quasi unisono von allen Betroffenen und Fachleuten am vorliegenden Konzept vorgetragen werden, unbeachtet bleiben und die verlässliche Grundschule mit den bekannten Schwachstellen und Mängeln durchgesetzt wird. Das würde weiteren Qualitätsverlust an den Schulen, noch weniger Unterricht und Unvereinbarkeit von Beruf und Kind bedeuten.“
Es besteht also aller Anlass, dass wir im Bildungsausschuss sehr genau darauf achten, dass die Ankündigungen, die die Ministerin in Richtung Flexibilisierung, Aufgabe eines starren Rahmens, in Richtung eines Eingehens auf die Kooperation mit den Initiativen der betreuten Grundschulen, den Initiativen der Eltern, der kommunalen Träger und der anderen Trägervereine gemacht hat, auch in die Tat umgesetzt werden. Es darf nicht bei bloßen Lippenbekenntnissen bleiben.
Wir halten es zweitens für sinnvoll, dafür zu sorgen, dass die Personalressourcen flexibel an die Schulen umverteilt werden, und zwar in der Weise, dass man den Schulen Optionen einräumt, ob sie die ursprünglich 50 oder jetzt 75 Stellen, die zur Ausstattung angekündigt worden sind, entweder in Form von Stellenanteilen oder in finanziellen Zuweisungen ausgedrückt, das heißt nach dem Prinzip „Geld statt Stellen“ haben wollen. Dies sollte so flexibel wie möglich vor Ort dezentral entschieden werden können.
Dritter und zentraler Punkt: Die dezentrale eigenverantwortliche Zusammenarbeit zwischen den Schulen auf der einen Seite und den Betreuungsangeboten, die Trägervereine oder Kommunen vor Ort gewährleisten, die an vielen Orten schon existieren, muss bestehen bleiben. Es muss die Möglichkeit gegeben sein, ihre Angebote in vernünftiger Weise weiter einzubringen.
Meine Damen und Herren, damit würde das Land zugleich mit dem seit Jahren propagierten Ziel einer stärkeren Eigenverantwortung der Schulen Ernst machen. Dies ist immer als hehres Ziel deklamiert und proklamiert worden. Aber in der Praxis handelt das Ministerium vielfach nach dem Prinzip par ordre du mufti, zentral irgendwelche Regelungen vorzugeben, die dann den Schulen vor Ort übergestülpt
Ohne einen wesentlich höheren Mitteleinsatz, ohne einen wesentlich höheren Personalmehreinsatz wie er zum Beispiel in Hamburg vor einigen Jahren - übrigens noch unter SPD-Regierungsverantwortung - mit 465 Lehrerstellen, die man dort zur Einführung der verlässlichen Grundschule eingesetzt hat, lässt sich ein solcher starrer Zeitrahmen von 8 bis 12 oder von 8 bis 13 Uhr allein durch Lehrkräfte überhaupt nicht gewährleisten - ganz abgesehen von der Frage, ob es überhaupt sinnvoll ist, den Betreuungsbereich durch relativ teure Lehrerstunden abzudecken oder ob man dafür nicht für diesen Zweck gut ausgebildete pädagogische Fachkräfte einsetzen sollte, die für den Arbeitgeber außerdem wesentlich günstiger zu beschäftigen wären. Das ist eine ganz pragmatische Überlegung. Auch das spricht für eine viel größere Flexibilität, als sie das Ministerium bislang vorgesehen hat.
Das Hamburger Umland hätte mit 50 oder jetzt 75 Lehrerstellen nur einen Bruchteil der Ausstattung, die in einem vergleichbaren Bereich in Hamburg zur Verfügung gestanden hat. Das bedeutet in der Konsequenz: Wenn man den starren Zeitrahmen wirklich mit Lehrerstunden abdecken will, müssten die Schulen alles, was sie bislang an Stunden für Förder- und Differenzierungsmaßnahmen zur Verfügung haben, wie zum Beispiel Deutsch für Ausländer oder Förderstunden für Legastheniker oder Arbeitsgemeinschaften oder die Vertretungsreserven, einsetzen, um den festen Zeitrahmen aus dem Personalbestand der Lehrkräfte heraus gewährleisten zu können. Das wäre dann wirklich ein massiver Verlust an Qualität des Bildungsangebotes vor Ort. Da gingen pädagogische Angebote verloren, die wir an den Schulen dringend brauchen, die alle - auch gerade nach den in den letzten Jahren beschlossenen Schulprogrammen - zur Qualität des Bildungsangebots der Grundschulen als essentiell angesehen werden. Das alles wäre hin.