Protokoll der Sitzung vom 20.02.2003

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Zuruf des Abgeordneten Klaus Schlie [CDU])

Zur Gemeindefinanzreform führen die Landesregierung mit den kommunalen Landesverbänden einen sehr guten Dialog. So wurden im Mai des vergangenen Jahres die Fragen des kommunalen Steuersystems und der sozialen Transfers in einem gemeinsamen Workshop erörtert. Zu den beiden Schwerpunktthemen wurden ebenfalls Arbeitsgruppen eingesetzt, um Reformvorschläge gemeinsam fachgerecht bewerten zu können.

Als Ergebnis des Workshops haben sich Land und kommunale Landesverbände gemeinsam mit Blick auf eine Verstetigung der kommunalen Einnahmen für eine Modernisierung der Gewerbesteuer ausgesprochen. Dieses Votum vertritt die Landesregierung uneingeschränkt auf Bundesebene im Rahmen des Reformprozesses.

Die Arbeitsergebnisse zur Gemeindefinanzreform sollen bereits in einigen Wochen vorgelegt werden. Ich bin sicher - ich hoffe das natürlich auch -, dass die Ergebnisse ein wichtiger Beitrag zur Stärkung der kommunalen Handlungsfähigkeit sein werden.

Damit, meine Damen und Herren, komme ich abschließend zu dem Entschließungsantrag der CDUFraktion zur Stärkung der kommunalen Handlungs

(Minister Klaus Buß)

fähigkeit. Hier wird ein bunter Strauß von Maßnahmen präsentiert, der in sich nicht unbedingt konsistent erscheint.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

So ist beispielsweise aus meiner Sicht nicht nachvollziehbar, warum einerseits höhere Investitionszuweisungen zur Stärkung der örtlichen Wirtschaft an die Kommunen gefordert werden, andererseits Investitionszuweisungen abgebaut werden sollen.

(Martin Kayenburg [CDU]: Das erklären wir Ihnen dann einmal!)

- Das wäre sehr freundlich von Ihnen.

Völlig unverständlich ist für mich, dass insbesondere an den Abbau der Schulbauförderung gedacht wird. Meine Damen und Herren, gerade Investitionen in die Ausbildung unserer Kinder und damit in die Zukunft, sind aus meiner Sicht unverzichtbar.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW - Zuruf des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

Wir haben als eines der ersten Länder das Konnexitätsprinzip in unsere Landesverfassung aufgenommen. Sie wissen das alle.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Aber nur deshalb, weil wir Sie dazu gezwungen haben!)

Mit der Änderung des kommunalen Verfassungsrechts haben wir die Selbstverwaltung in Schleswig-Holstein gestärkt. Wir leisten Finanzzuweisungen an die Kommunen im Rahmen unserer begrenzten finanziellen Möglichkeiten. Wir halten an unserer kommunalfreundlichen Politik fest

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Wolfgang Kubicki [FDP]: Was?)

und befürworten daher die Einführung des Konnexitätsprinzips auch auf Bundesebene.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW - Klaus Schlie [CDU]: Ach! - Martin Kayenburg [CDU]: Ach nee! - Wolf- gang Kubicki [FDP]: Eigentlich wollten wir nett zu Ihnen sein! Aber das stellt sich jetzt anders dar!)

Bevor ich die Aussprache eröffne, möchte ich zunächst neue Gäste im Schleswig-Holsteinischen Landtag begrüßen, und zwar Schülerinnen und Schü

ler sowie Lehrerinnen und Lehrer der Realschule in Halstenbek. - Herzlich willkommen im SchleswigHolsteinischen Landtag!

(Beifall)

Dann begrüße ich noch Schülerinnen und Schüler sowie Lehrerinnen und Lehrer vom TheodorMommsen-Gymnasium, Bad Oldesloe. - Auch Ihnen ein herzliches Willkommen!

(Beifall)

Ich eröffne die Aussprache. Ich gehe einmal so vor, dass ich zunächst dem Herrn Abgeordneten Klaus Schlie von der CDU-Fraktion das Wort erteile.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die kommunale Selbstverwaltung ist durch das Grundgesetz und unsere Landesverfassung garantiert. Das Vorhalten lebensnotwendiger Leistungen der öffentlichen Verwaltung zur Befriedigung der Grundbedürfnisse der Bürger, die so genannte Daseinsvorsorge, gehört unstreitig zu den vom Selbstverwaltungsrecht erfassten Angelegenheiten. Dazu gehören eine Reihe von Aufgaben die auch Investitionsmaßnahmen erfordern und die natürlich von uns überhaupt nicht bestritten werden. Was soll denn dieses Durcheinanderbringen, Herr Minister?

Eine eigenverantwortliche Aufgabenerfüllung ohne eine ausgabengerechte Finanzausstattung erscheint schlechterdings unmöglich. Wegen der notwendigen Zusammengehörigkeit der Einnahmen- und Ausgabenverantwortung umschließt die Garantie kommunaler Selbstverwaltung zwingend auch die Gewährleistung derjenigen finanziellen Mittelausstattung, die zur Wahrnehmung der garantierten Selbstverwaltungsaufgaben erforderlich ist. Die Gewährleistung einer ausreichenden Finanzausstattung der Kommunen ist infolgedessen für das Funktionieren kommunaler Selbstverwaltung unabdingbar.

Wenn jeder von uns in diesem hohen Hause einmal ganz ehrlich ist und die Situation ohne die parteipolitische Brille analysiert, in der sich unsere Kommunen in Schleswig-Holstein befinden, müssen wir doch nüchtern bilanzieren, dass es eine kommunale Selbstverwaltung in diesem landesverfassungsrechtlichen Sinn leider gar nicht mehr gibt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die meisten von uns kommen doch aus dem kommunalen Bereich. Viele von uns sind auch jetzt noch kommunale Mandatsträger. Wir müssen doch in einem ehrlichen Resümee zugeben, dass wir die Aufgaben der Daseinsvorsorge für die Bürgerinnen und Bürger nicht mehr erfüllen

(Klaus Schlie)

können, weil die kommunalen Finanzmittel, die den Kommunen zugewiesen werden müssen, leider nicht mehr ausreichen.

(Beifall bei der CDU)

Wir alle wissen, dass sich die öffentlichen Haushalte insgesamt in einer dramatischen Krisensituation befinden. Ich will an dieser Stelle das übliche Ritual nicht ablaufen lassen und jetzt die politischen Verantwortlichkeiten aufzählen, die zu dieser Finanzkrise und Wirtschaftskrise geführt haben, weil uns das genauso wenig weiterhilft wie eine dümmliche Bemerkung, wir hätten irgendetwas abgeschrieben. Natürlich arbeiten wir mit den kommunalen Landesverbänden zusammen. Das haben wir im Übrigen auch schon getan, als Sie die Verantwortung für einen kommunalen Landesverband gehabt haben, Herr Buß. Das zeichnet uns im Gegensatz zu anderen Fraktionen möglicherweise aus.

(Beifall bei der CDU - Wolfgang Kubicki [FDP]: Das macht er ja auch!)

Wir sind davon überzeugt, dass unsere Vorschläge, die eben zum großen Teil Vorschläge der kommunalen Landesverbände sind, tatsächlich zu einer Verbesserung der kommunalen Finanzsituation beitragen können.

Eines steht fest, die Kommunen haben ihre Hausaufgaben längst erledigt. Gemeinden, Städte und Kreise haben ihre Einsparpotenziale ausgeschöpft. Aufgaben wurden eingeschränkt, Privatisierungen, die Sie ja immer bekämpft haben, wurden durchgeführt, Personal wurde abgebaut, freiwillige Leistungen wurden fast überall drastisch reduziert - und übertragene Aufgaben mussten ganz einfach zurückgeschraubt werden. Um mit den Worten des ehemaligen SPD-Innenministers Bull zu sprechen: Die suboptimale Aufgabenerfüllung ist längst Standard in SchleswigHolstein. Das ist doch kein Zustand! Das können wir als Landesparlament doch nicht zulassen.

(Beifall bei der CDU - Wolfgang Kubicki [FDP]: Wir werden auch suboptimal regiert!)

Eine der Hauptursachen für die Krise, in der sich die Kommunen befinden - das ist doch unsere gemeinsame Erkenntnis - sind neben den schwindenden Einnahmen eine ständige Aufgabenverlagerung des Bundes und des Landes auf die Kommunen.

Wir haben in Schleswig-Holstein dieses Problem vom Grundsatz her gelöst. Das ist richtig. Der von uns allen formulierte Konnexitätsgrundsatz in der Landesverfassung garantiert bei Aufgabenübertragungen durch das Land auf die Kommunen den gleichzeitigen Kostenausgleich. Das ist richtig. Wer bestellt, soll

auch bezahlen! Was nützt es allerdings den Kommunen, wenn dieser Grundsatz eingehalten wird und sich das Land gleichzeitig bei den Kassen der Kommunen bedient, um sich zu refinanzieren?

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Unglaublich!)

1991 bis 1994: Jedes Jahr 100 Millionen DM Kürzung der Finanzausgleichsmasse zugunsten des Landeshaushalts. 1999: Kürzung der Finanzausgleichsmasse um 50 Millionen DM. 2000: Kürzung der Finanzausgleichsmasse um 65,4 Millionen DM. Im Dezember 2000 dann der berühmte Landtagsbeschluss,

den Sie mit rot-grüner Mehrheit herbeigeführt haben: Eine vierjährige Kürzung um je 75 Millionen DM, heute also 38,4 Millionen €, um den Landeshaushalt zu sanieren oder besser gesagt, um die Löcher zu stopfen, die durch Ihre Politik verursacht werden.

Zur Sicherung der Finanzkraft der Kommunen und zur Gewährleistung der kommunalen Aufgabenerfüllung bedarf es bei erheblichen Einnahmeausfällen einer garantierten Finanzausgleichsmasse. Offensichtlich - das will ich für uns alle sagen - müssen wir uns als Landtag selbst Fesseln anlegen, um nicht immer wieder die kommunalen Kassen als Selbstbedienungsladen zu begreifen. Deshalb sollte ein Regulierungsmechanismus im Finanzausgleichssystem eingeführt werden, der vorsieht, dass der Grundsatz der Verteilungssymmetrie zwischen Land und Kommunen erhalten bleibt. Bei erheblichen Einnahmeausfällen der Kommunen muss das Land den Kommunen bei gleich bleibender Aufgabendefinition entweder mehr Finanzmittel zur Verfügung stellen oder aber - das ist die Alternative - Aufgabenbereiche benennen, die von den Kommunen nicht mehr erfüllt werden sollen. Dafür muss der Landtag dann auch die politische Verantwortung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern übernehmen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Deutschland braucht starke Kommunen. Sie sind der Garant für Wachstum und Wohlfahrt. Ohne steigende kommunale Investitionen wird es keinen Wirtschaftsaufschwung geben.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Genau!)

Wir brauchen deshalb dringend Investitionszuweisungen an die Kommunen zum Stopp des Verfalls der Infrastruktur vor Ort und zur Stärkung der mittelständischen Wirtschaft.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Sehr gut!)

Eines ist unstreitig: Die Finanzlage des Bundes ist relativ günstiger als die der Kommunen. Das werden

(Klaus Schlie)