Sie sehen, das ist eine schwierige Rechtsmaterie, aus der der 1. Parlamentarische Untersuchungsausschuss folgende Empfehlung gibt,
„Der 1. Parlamentarische Untersuchungsausschuss empfiehlt als Konsequenz aus den untersuchten Vorgängen, die Anordnung über Berichtspflichten in Strafsachen zu überarbeiten. Dabei ist wirksam auszuschließen, dass durch die Erfüllung der Berichtspflicht der Ermittlungszweck gefährdet wird. Insbesondere ist zu regeln, unter welchen Voraussetzungen Berichte der Staatsanwaltschaft dienstrechtlich verwertet und an welche Personen im Rahmen von Informations- und Akteneinsichtsrechten weitergegeben werden dürfen.“
Nach meinem Kenntnisstand hat die Landesregierung auf diesen Vorhalt des Untersuchungsausschusses zwischenzeitlich reagiert. Es ist - soweit mir bekannt
ist - seitens der Justizministerin genau dies veranlasst worden, sodass zukünftig derartige Vorkommnisse, die sich - wie wir gehört haben - im Grenzbereich von Justiz und Recht bewegen, nicht wieder vorkommen werden.
Der betroffene Dr. Rohwer hat den Schlussbericht zur Kenntnis genommen. Ebenfalls hat Ministerpräsidentin Heide Simonis den Schlussbericht so zur Kenntnis genommen.
Deshalb empfiehlt der 1. Parlamentarische Untersuchungsausschuss der 15. Wahlperiode dem Landtag einstimmig, seinen Bericht zur Kenntnis zu nehmen und den ihm durch Plenarbeschluss vom 15. November 2000 erteilten Auftrag für erledigt zu erklären.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die Fraktion der CDU hat der Herr Abgeordnete Klaus Schlie.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir freuen uns, Frau Ministerpräsidentin, dass Sie doch noch den Weg ins Parlament bei diesem Tagesordnungspunkt gefunden haben.
Zwischen der Einsetzung des 1. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses der 15. Wahlperiode in seiner Sitzung am 15. November 2000 und der heute stattfindenden Beratung über den Abschlussbericht sind fast zweieinhalb Jahre vergangen. Dies ist eine bedauerlich lange Zeit, eine zu lange Zeit für ein dem Sachverhalt angemessenes Untersuchungsverfahren. Trotzdem möchte ich mich zugunsten einer Behandlung des eigentlichen Sachverhalts nicht mit der Würdigung dieser Verzögerung auseinander setzen.
Dieser Untersuchungsausschuss war jedenfalls notwendig und die Sachlichkeit und die weitgehende Übereinstimmung in der größtenteils gemeinsamen Bewertung sind auch deswegen bemerkenswert, weil es für die größte Regierungsfraktion natürlich überhaupt nicht einfach ist, ein derartiges Fehlverhalten sachlich und objektiv zu bewerten.
schaftsministerium Uwe Mantik im Zusammenhang mit seiner früheren Tätigkeit als Geschäftsführer des Koordinierungsbüros Wirtschaft in Lübeck berichtet wurde, wurde auch die Staatsanwaltschaft Lübeck tätig. Die Staatsanwaltschaft entschloss sich am 10. Mai 2000 zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den damaligen Staatssekretär Mantik. Um eine vorgesehene Hausdurchsuchung nicht zu gefährden, entschloss sich die Staatsanwaltschaft, das Justizministerium mit einem BeStra-Vermerk erst dann zu informieren, wenn die vorgesehene Maßnahme angelaufen war. Dies geschah auch so. Dass die Staatsanwaltschaft bei dieser Untersuchung in einem Pappordner des beschuldigten Staatssekretärs diesen BeStra-Vermerk fand, löste bei dem Staatsanwalt, der die Maßnahme leitete, die Reaktion aus, dass er - ich zitiere - „etwas schockiert und entsetzt“ war, weil er befürchtete, dass weitere Ermittlungen gefährdet sein könnten.
Der BeStra-Vermerk enthielt alle Strafvorwürfe und die bisherigen Ergebnisse der Vorermittlungen gegen Uwe Mantik und Dritte.
Der Leitende Oberstaatsanwalt Wille in Lübeck merkte zu Recht in einem Schreiben an das Justizministerium Folgendes an:
„Ich bitte höflich um Unterrichtung, ob weiterhin vorgesehen ist, meine Berichte an den Beschuldigten weiterzuleiten. Ich müsste dann allerdings künftig die Berichte so abfassen, dass sichergestellt wird, dass der Ermittlungserfolg nicht gefährdet wird.“
Auch Generalstaatsanwalt Rex war über das Auffinden des BeStra-Vermerks entsetzt, denn bis dahin hatte er in 30 Jahren beruflicher Tätigkeit, wie er uns berichtete, nicht erlebt, dass Staatsanwälte beim Beschuldigten auf ihren eigenen innerdienstlichen Bericht stoßen.
Allein diese Erkenntnisse rechtfertigen die Einsetzung des Untersuchungsausschusses, da die Öffentlichkeit bis dahin glauben sollte, dass es sich bei dem Vorgang um ein geordnetes und völlig normales Verfahren handele.
Durch die Untersuchungen hat sich Folgendes gezeigt: Der BeStra-Vermerk ist leider nicht vertraulich behandelt worden, wie er gekennzeichnet war. Die Staatskanzlei hat den Vorgang durch das Unkenntlichmachen der Auszeichnungsleiste verschleiern wollen - ein einmaliger Vorgang! Die unberechtigte Aushändigung des Berichts an Herrn Mantik ist nicht nur auf die direkte Weitergabe des Vermerks, sondern vor allem auch auf eine desolate Organisation und einen dem öffentlichen Dienst sonst artfremden kum
pelhaften Umgang von Teilen der Bediensteten, vor allem in der Staatskanzlei, zurückzuführen. Wenn diese Fehler vorher in den Beratungen des Innen- und Rechtsausschusses offen dargelegt worden wären und die notwendigen Konsequenzen aus dem fehlerhaften Verhalten gezogen worden wären, hätte man sich die Untersuchung gegebenenfalls ersparen können.
Folgende Verfehlungen sind festgestellt worden: Die Ministerpräsidentin hat den Bericht für die dienstrechtliche Prüfung verwendet, ohne bei der Staatsanwaltschaft Rücksprache zu halten, ob die laufenden Ermittlungen gefährdet werden könnten. Generalstaatsanwalt Rex hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die BeStra-Vermerke ausdrücklich von denjenigen zu unterscheiden seien, die ein Dienstvorgesetzter auf der Grundlage der MiStra erhalte, um gegebenenfalls dienstrechtliche Konsequenzen zu ziehen.
Die Ministerpräsidentin hat ihre Mitarbeiter, insbesondere Herrn Minister Rohwer, nicht darüber informiert - jedenfalls nach unserem Kenntnisstand -, wie mit dem Bericht umgegangen werden soll. Dafür, dass Minister Rohwer dem Beschuldigten bereits am 11. Mai den Bericht ausgehändigt hat, ist insoweit die Regierungschefin verantwortlich, weil sie für die schlampige Organisation und die mangelnde Überwachung von Verwaltungsvorgängen als oberste Dienstvorgesetzte des stellvertretenden Chefs der Staatskanzlei, Herrn Wewer, die Verantwortung trägt.
Dieser hat aus dem verschlossenen Büro des Büroleiters der Ministerpräsidentin den BeStra-Vermerk entwendet, dieses hochsensible Dokument verfälscht, indem er die Abzeichnungsleiste beim Kopieren abdeckte, und dieses Schreiben dann ohne Berechtigung und Kenntnis des Sachverhalts dem persönlichen Referenten des Wirtschaftsministers ausgehändigt, ohne genau beurteilen zu können, zu welchem Zweck und mit welcher Absicht dieser das Schreiben für seinen Minister spätabends aus der Staatskanzlei abholte.
Abgesehen davon wirft schon die Tatsache, dass Auszüge aus staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten mit schützenswerten Daten Dritter frei zugänglich in der Staatskanzlei herumliegen, ein bezeichnendes Bild auf die Organisation dieser Verwaltungseinheit.
Minister Rohwer gibt dann ein Exemplar des Berichts an den Beschuldigten Uwe Mantik weiter, obwohl dieses Exemplar mit dem Wort „vertraulich“ gekenn
zeichnet wurde. Minister Rohwer entschloss sich aufgrund eigener Erkenntnisse und Beurteilungen und aufgrund der Rechtsberatung eines freiberuflich tätigen Anwalts zur Weitergabe des BeStra-Vermerks. Er war davon überzeugt, dass dadurch das Ermittlungsverfahren nicht beeinträchtigt werden würde, da die Hausdurchsuchung vollzogen war und nach seiner Einschätzung alle im BeStra-Vermerk dargelegten Vorwürfe angeblich auch in der Presse nachzulesen gewesen seien. Tatsächlich waren die Umstände, auf die sich der Verdacht der Bestechlichkeit gegründet hat, allerdings noch nicht presseöffentlich. Dieser Sachverhalt wurde erstmals im BeStra-Vermerk genannt.
Minister Rohwer hatte sich auf der Grundlage der ihm von der Ministerpräsidentin übertragenen dienstrechtlichen Überprüfungen entschlossen, den Sachverhalt durch eigene Ermittlungen aufzuklären. Die Ermittlungen des Wirtschaftsministers endeten am 15. Mai 2000 mit der Empfehlung, Herrn Staatssekretär Mantik im Amt zu belassen, bis die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft abgeschlossen seien. Das war - ich betone - aus heutiger Sicht eine Fehleinschätzung. Der Minister ging aufgrund seiner eigenen Recherchen, die parallel zur Ermittlung der Strafverfolgungsbehörden stattfanden, davon aus, dass sich dieser Verdacht der Staatsanwaltschaft nicht bestätigen würde. Er vertraute den Aussagen seines Staatssekretärs. Dies war ein Irrtum, wie sich später herausstellte. Die Ministerpräsidentin hätte als oberste Dienstherrin Herrn Minister Rohwer diese Überprüfung gar nicht übertragen sollen. Es wäre vielmehr richtig gewesen, wenn sie sich ihrer eigenen Verantwortung gestellt hätte. Offensichtlich fehlten hierzu aber der Mut und der juristische Sachverstand.
An der grundsätzlichen Notwendigkeit von BeStraVermerken zweifeln wir auch nach Abschluss der Untersuchungen nicht. Mit diesen Dokumenten muss dann allerdings so umgegangen werden, wie es das Justizministerium in allen Phasen getan hat. Dieser Umgang ist als vorbildlich zu bezeichnen und trägt dem vertraulichen und sensiblen Gehalt der BeStraVermerke in vollem Umfang Rechung. Die sorglose, unkontrollierte und schlampige Weitergabe des BeStra-Vermerks an einen fast nicht mehr zu überprüfenden Personenkreis und gar an den Beschuldigten zum Zwecke der dienstrechtlichen Überprüfung stellt nach Ansicht von Generalstaatsanwalt Rex einen Verstoß gegen das Gewaltenteilungsprinzip und gegen die politische Kultur dar. Er sagt zu Recht, dass sich eine andere Gewalt im Staate, in diesem Fall die Exekutivgewalt in Person des Wirtschaftsministers, der - darauf möchte ich allerdings hinweisen - von der Ministerpräsidentin beauftragt war, sich nicht eines
justizinternen Vorgangs annehmen darf, um ohne Kenntnis der Justiz und ohne Rücksprache mit dieser - Zitat Generalstaatsanwalt Rex - „damit nach Belieben zu verfahren“.
Neben dem Kernproblem der möglichen erheblichen Beeinträchtigung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen würde, so Generalstaatsanwalt Rex, auch ein Zwei-Klassen-System von Beschuldigten entstehen, was nicht rechtens sein kann. Ein Beschuldigter selbst hat in einem Strafverfahren entsprechend den Vorschriften der Strafprozessordnung keinen Anspruch auf Akteneinsicht. Auch dem beauftragten Anwalt eines Beschuldigten wäre die Akteneinsicht zu diesem Zeitpunkt verwehrt worden. Ein Staatssekretär muss in einem Strafermittlungsverfahren genauso behandelt werden wie der beschuldigte Normalbürger. Alles andere würde unseren Rechtsstaat auf den Kopf stellen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.
Da auch in Zukunft bei dieser Landesregierung unter Leitung von Simonis nicht ausgeschlossen werden kann, dass Mitglieder der Landesregierung von der Regierungschefin beauftragt werden, sich in derartigen Fällen nicht an die Regelungen der Strafprozessordnung gebunden zu fühlen, muss die Frage schnellstens auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden, unter welchen Voraussetzungen Berichte der Staatsanwaltschaft dienstrechtlich verwertet und an welche Personen sie weitergegeben werden dürfen.
Es muss sich um ein transparentes Verfahren handeln. Die Staatsanwaltschaft ist vor der Aushändigung des BeStra an Dritte zu hören, ob aus ihrer Sicht der Ermittlungszweck gefährdet werden könnte. Der Generalstaatsanwalt sollte berechtigt werden, den Umgang mit BeStra-Vermerken zu prüfen und gegebenenfalls zu beanstanden.
Es muss eine regelmäßige parlamentarische Kontrolle über den Umgang mit BeStra-Berichten stattfinden. Nur wenn der Umgang kontrolliert wird, kann sichergestellt werden, dass nicht bestimmte Personen bevorzugt behandelt werden. Es muss eine Gleichbehandlung aller Betroffenen sichergestellt werden und es muss ausgeschlossen werden, dass Unbefugte Zugriff auf staatsanwaltschaftliche Ermittlungsakten haben.
Die Ministerpräsidentin ist für die Einhaltung dieser Regelungen verantwortlich. Sie muss die Abläufe in der Staatskanzlei ordnungsgemäß organisieren.
Sie hat dafür zu sorgen, dass die Regeln zum Umgang mit BeStra-Vermerken eingehalten werden, wenn sie
Dies alles setzt allerdings eine ordnungsgemäße Organisation der Staatskanzlei mit einer am Verwaltungshandeln ausgerichteten Arbeitsweise voraus. Ein schlichtes und kumpelhaftes „Knudi, kümmere dich mal darum" wird den Ansprüchen an ein geordnetes Verwaltungshandeln mit Sicherheit nicht gerecht.
Die Hauptverantwortung für die Grenzüberschreitung zwischen Judikative und Exekutive liegt bei der Ministerpräsidentin.
Ich möchte sehr bewusst hinzufügen, dass ich die Einschaltung eines freiberuflich tätigen Anwalts während des Untersuchungsausschussverfahrens sehr kritisch beurteilt habe. Aus heutiger Sicht sehe ich darin die Absicht des Wirtschaftsministers, den gesamten Vorgang zu objektivieren. Der Minister war durch den Auftrag der Ministerpräsidentin in der Zwickmühle. Sie hat sich ihrer Verantwortung entzogen, der Minister hat sich der ihm übertragenen Verantwortung gestellt.