Protokoll der Sitzung vom 19.06.2003

Es ist völlig richtig, dass Sie sich darüber beschwe

(Karl-Martin Hentschel)

ren. Nur haben Sie es leider falsch beschrieben. dass das Gesetz von Herrn Eichel eingebracht worden sei.

(Günther Hildebrand [FDP]: Das habe ich auch gesagt!)

- Es ist von Herrn Waigel im Bundestag eingebracht und von Ihrer Partei mit beschlossen worden. Dieses Gesetz hat eine Nachwirkung von 15 Jahren. Das ist das Problem. Wir haben das Gesetz mittlerweile geändert. Aufgrund der Nachwirkung werden Kommunen noch weitere zehn Jahre betroffen sein. Herr Hildebrand, bedanken Sie sich also bei Ihren Parteifreunden, die diesen Unsinn produziert haben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Günther Hildebrand [FDP]: Das stimmt nicht!)

Des Weiteren sagen Sie, die Gewerbesteuer dürfte nur gewinnabhängig erhoben werden. Dann kann ich auch eine Gewinnsteuer machen. Die Gewerbesteuer hat einen völlig anderen Charakter. Die Gewerbesteuer ist der Beitrag des lokalen Gewerbes zur Finanzierung der Infrastruktur vor Ort. Dieser Beitrag muss immer geleistet werden, nicht nur dann, wenn Betriebe Gewinne machen. Das ist das Problem. Deswegen gibt es eine Gewinnsteuer, die einen völlig anderen Charakter hat.

(Günther Hildebrand [FDP]: Zuhören! - Glo- cke des Präsidenten)

Zuhören klappt am besten, wenn alle den Geräuschpegel ein wenig senken.

In der Konsequenz müssten Sie die Gewerbesteuer völlig abschaffen.

(Beifall bei CDU und FDP - Günther Hilde- brand [FDP]: Das haben wir doch gesagt!)

Insofern ist die FDP konsequent. Wenn die CDU das auch will, müsste sie es in ihren Antrag schreiben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Leider fehlt das aber in Ihrem Antrag. Warum haben Sie es nicht hineingeschrieben? Ich weiß, warum Sie das nicht getan haben: Weil Sie sich mit den Kommunen nicht anlegen wollen, weil Sie den Kommunen das Geld nicht entziehen wollen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eine Partei ohne kommunale Verankerung wie die FDP kann natürlich alles Mögliche fordern.

(Lachen bei der FDP)

- Herr Hildebrand weiß noch nicht einmal, warum ihm das Geld entzogen wird. Das ist sein Problem.

Die CDU traut sich nicht, gegen die kommunalen Spitzenverbände eine solche Forderung zu erheben. Deswegen haben Sie die geniale Einfalt besessen, bei einer bundesweiten Debatte, in der es zwei Modelle gibt, zwischen denen man sich zu entscheiden hat, einen Antrag einzubringen, bei dem Sie sich für gar nichts entschieden haben. Ich gratuliere Ihnen zu Ihrer Weitsicht und Ihrem politischen Gespür. Ich bedaure aber die Entscheidungsängstlichkeit Ihrer Partei, die wir auch in anderen Dingen kennen. Denn so kommt man in unserer Republik wirklich nicht weiter.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Wir treten in die Abstimmung ein. Es ist alternative Abstimmung beantragt worden. Wir stimmen über die Drucksache 15/2705 - das ist der Antrag von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - und über die Drucksache 15/2761 - das ist der Antrag der Fraktion der CDU - ab. Alternative Abstimmung bedeutet, man entscheidet sich für den einen oder den anderen Antrag. Wer der Drucksache 15/2705, dem Antrag der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, seine Zustimmung geben will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Wer der Drucksache 15/2761, dem Antrag der CDU, seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. Ich stelle fest, dass der Antrag der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit den Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW die Mehrheit gefunden hat. Für den Antrag der CDU, Drucksache 15/2761, stimmten die Fraktionen von CDU und FDP.

Wir treten dann in die Beratung des Tagesordnungspunktes 24 ein:

(Vizepräsident Thomas Stritzl)

Handwerksordnung mit Bedacht weiterentwickeln

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/2729

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 15/2754

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? – Dem ist nicht so. Ich eröffne die Aussprache.

Für die antragstellende Fraktion der CDU erhält die Frau Abgeordnete Brita Schmitz-Hübsch das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die rotgrüne Bundesregierung besitzt eigentlich ganz zutreffende Erkenntnisse. Ihr ist klar, dass es einer großen Dienstleistungsbranche, nämlich dem Handwerk, schlecht geht. Das schließt sie aus dem Rückgang der Zahl der Betriebe und der Beschäftigten. Doch die rot-grüne Bundesregierung analysiert nicht nur, sie will auch Lösungen umsetzen und Gutes tun. Deshalb sucht sie nach Auswegen aus der Strukturkrise im Handwerk und bietet dazu eine Novellierung der Handwerksordnung an, in der die Meisterprüfung als Zulassungsvoraussetzung für den Marktzugang weitgehend eingeschränkt wird.

Nur: Leider nimmt damit der Wettbewerbsdruck auf die eingetragenen Handwerksbetriebe zu und wird noch zusätzlich durch die mit dem so genannten Vorschaltgesetz geplante verstärkte Förderung der IchAGs – bisher übrigens ein Flop – verstärkt, die als kräftig subventionierte Kleinunternehmen den etablierten Fachbetrieben sehr zusetzen werden.

(Beifall der Abgeordneten Christel Aschmo- neit-Lücke [FDP])

Was als gute Absicht der Legalisierung der Schwarzarbeit dienen sollte, wird zur unlauteren Konkurrenz unter verzerrten Marktbedingungen.

(Zuruf von der CDU: Sehr richtig!)

Wieso dieser Gesetzentwurf mit seiner Fastabschaffung der Meisterprüfung die Strukturkrise im Handwerk überwinden können soll, bleibt schleierhaft; denn die Wahrheit ist: Das Handwerk leidet unter der schwierigen Konjunktur, es leidet unter den verarmten Kommunen, es leidet unter der hohen Besteuerung als Personengesellschaften, es leidet unter der drückenden Kostenlast insbesondere bei den Lohnzusatzkosten, die zu Preisen führen, für die am Markt keine Nachfrage mehr vorhanden ist. Ich verweise auf die gestrige Presse des Bundesverbandes des Baugewerbes.

Es ist festzustellen, dass das Handwerk weniger die Novellierung der Meisterprüfung als vielmehr die Konsequenzen aus dem Vorschaltgesetz fürchtet. Diese Meinung wird offensichtlich von Wirtschaftsminister Rohwer geteilt. In einem Schreiben seines Hauses an Wirtschaftsminister Clement heißt es, dass der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Handwerksordnung und zur Förderung von Kleinunternehmen „grundsätzlichen rechtlichen Bedenken“ begegne.

„Nach hiesiger Auffassung steht zu befürchten, dass die Freistellung so genannter einfacher Tätigkeiten ohne Hinweis darauf, wie der Begriff ‚Tätigkeit’ definiert wird und welche Anforderungen an die Ausbildung gestellt werden, zu einem nahezu vollständigen Ausbluten der Handwerksbetriebe führen kann, dass damit geradewegs dazu ermuntert wird, ein Handwerk in alle möglichen Einzelschritte zu zergliedern, die sich dann obendrein noch gegenseitig abschotten können.“

Das Ministerium kommt in diesem Schreiben zum Schluss – wörtlich -:

„Nach alledem ist das Gesetz ohne einen neuen Ansatz und ohne grundlegende Überarbeitung weder durchführbar noch zielführend.“

Weder durchführbar noch zielführend!

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die Vertreter des Handwerks befürchten eine „Aldisierung“ des Handwerks, in dessen Verlauf Dienstleistungen beim Billiganbieter eingekauft werden und mittelständische Betriebe auf der Strecke bleiben. Damit bleibt dann auch die Ausbildungsleistung auf der Strecke. Die grandiose Ausbildungsleistung des Handwerks ist für unsere Gesellschaft aber unverzichtbar. Ich denke, dass wir uns in diesem hohen Hause in der Bewertung dieser Frage bisher immer alle einig waren.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Die CDU-Fraktion fordert deshalb mit ihrem Antrag den Wirtschaftsminister auf, schnell und entschieden im Bundesrat Einspruch einzulegen, was ihm ja nach seiner Haltung von Anfang Mai nicht schwer fallen dürfte. Allerdings, Herr Minister, ist Eile geboten. Der Bundestag berät bereits morgen in einer Woche

(Brita Schmitz-Hübsch)

in zweiter und dritter Lesung über dieses Gesetz und die entsprechende Bundesratssitzung findet aller Wahrscheinlichkeit nach am 11. Juli statt. Deshalb wollten wir heute eigentlich Abstimmung in der Sache beantragen.

Die Notwendigkeit zur Novellierung der eigentlichen Handwerksordnung wird auch vom Handwerk gesehen. Deshalb fordern wir die Bundesregierung auf, die Novelle gemeinsam mit den Vertretern des Handwerks zu machen und nicht ohne sie über ihre Köpfe hinweg.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU und Bei- fall der Abgeordneten Christel Aschmoneit- Lücke [FDP])

Der vorliegende Entwurf dagegen schüttet das Kind mit dem Bade aus. Bewährte Strukturen werden zerstört, Betriebe, Arbeitsplätze und Ausbildungsplätze drohen vernichtet zu werden.

Die CDU gibt als Leitlinie vor: Wir halten am Meisterbrief fest. Der Meisterbrief ist gerade in der modernen Wissensgesellschaft Grundlage für solide Existenzen, für kompetente Ausbildung und für hohe Qualität.