Protokoll der Sitzung vom 27.08.2003

Herr Abgeordneter Hentschel, ich weiß, dass auch der grüne Koalitionspartner insbesondere für den KitaBereich Mut und Vertrauen braucht; ich bin zuversichtlich, dass Sie ihn aufbringen werden.

Insgesamt wird die rot-grüne Mehrheit beweisen, dass die rechte Seite dieses Hauses, die ohne eigene Konzepte und Anstrengungen an die Regierung kommen will - die Spargelsaison ist lange vorbei -, vergeblich auf die Erosion dieser parlamentarischen Mehrheit setzt.

Frau Abgeordnete Spoorendonk, auch wenn der Finanzminister geschwankt hat, so hat die Landesregierung doch einhellig beschlossen, die Minderheiten trotz der schwierigen Haushaltslage von den Kürzungen auszunehmen.

(Vereinzelter Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Da der SSW in der Regel - anders als andere in diesem Hause - realitätsnäher ist und keine Quadratur des Kreises verlangt, setze ich darauf, dass dieser schwierige Haushaltsentwurf auch Ihre Unterstützung finden kann.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, nun schlägt die Stunde des Parlaments. Gerade bei diesem Doppelhaushalt, gerade bei den vielfältigen Gesetzespaketen mit Finanzwirkung ist bis zur Beratung im Dezember vieles zu gestalten, zu konkretisieren, zu verhandeln. Insofern ist es richtig albern zu sagen, das halte keine paar Wochen. Natürlich ist jetzt die Stunde des Parlaments. Oder haben Sie Ihre Verantwortung abgegeben? Man muss doch darüber reden und

Vorschläge machen! Vielleicht machen Sie ja sogar welche.

Ich sage an die Adresse der Opposition ausdrücklich: Sinnvollen Vorschlägen werden wir uns nicht verweigern. Das setzt aber eine konstruktive Haltung und Seriosität voraus. Herr Kayenburg, solche Vorschläge werden Sie aber nur zustande bringen können, wenn Sie unter Ihren drei Unteroppositionsführern Einigkeit erreichen und sich nicht in Ihren montäglichen gräflichen Detektivspielen verschleißen, die mit den Problemen des Landes nun wirklich gar nichts zu tun haben.

Zusammenspiele wie die der Herren Steinbrück und Koch oder von Heide Simonis und Ole von Beust zeigen, was parteiübergreifend durchaus möglich ist. Ein früherer Bundesminister hat einmal gesagt: Wer Harmonie wünscht, soll in einen Gesangverein eintreten und nicht in die Politik gehen.

(Herlich Marie Todsen-Reese [CDU]: Sie wissen doch gar nicht, wie man „Harmonie“ schreibt!)

Sie wissen, dass ich das durchaus beherzige, aber lassen Sie uns fair und engagiert in der Sache streiten, lassen Sie uns vor allem um unterschiedliche finanz- und haushaltspolitische Konzepte wetteifern! Behaupten Sie nicht, wir hätten kein Konzept, sondern nennen Sie Ihres, wenn Sie denn ein besseres haben, was ich bezweifle! Entscheiden darüber werden die Bürger.

Mit dem Entwurf des Doppelhaushalts 2004/2005 stellt sich die Landesregierung ihrer Verantwortung mit einem klaren Kurs, mit harter Arbeit in Schleswig-Holstein, mit einer selbstbewussten Interessenvertretung gegenüber Berlin und mit einer Ministerpräsidentin, der die Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner vertrauen. Die einen dürfen, die anderen müssen mit uns rechnen.

(Anhaltender Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Bevor ich die Grundsatzberatung eröffne, habe ich Gäste zu begrüßen. Auf der Tribüne haben Platz genommen die ehemaligen Abgeordneten Johna, Dr. Hinz und Dr. Wiebe. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Ich eröffne jetzt die Grundsatzberatung und erteile dem Oppositionsführer, Herrn Abgeordneten Kayenburg, das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Stegner, mit großer Aufmerksamkeit haben wir Ihre Rede verfolgt. Das Urteil: kein tragfähiges Fundament, eine ganze Menge PR-Strategie, wenig konkrete Zahlen und natürlich Durchhalteparolen für den grünen Koalitionspartner - wie schon der Entwurf 2005 hingehauen, aber nicht fundiert.

(Beifall der Abgeordneten Ursula Sassen [CDU])

Allerdings an einer Stelle auch bemerkenswert: Sie haben endlich anerkannt, dass die Opposition gute Vorschläge macht,

(Widerspruch bei der SPD)

Vorschläge, die Sie früher verspottet, in die Schublade gesteckt und dann irgendwann aus irgendeinem der vielen Hüte von Frau Simonis als eigene Kreation hervorgezaubert haben. Danke für die Blumen, Herr Stegner!

Ich finde Ihre Selbsterkenntnis enorm, dass Sie Strukturreformen verschlafen haben. Bitter ist nur, dass Sie sich im Kreise derjenigen wohl fühlen, die genau wie Sie keine Ergebnisse erzielt haben. Es ist deutlich geworden, was Sie wirklich vorhaben: Sie haben den Wahlkampf 2005 eingeläutet, das ist Ihr ganzes Ansinnen.

Der von der Landesregierung schon lange als großes Reformwerk angekündigte Doppelhaushalt 2004/2005 entpuppt sich bei näherem Hinsehen allerdings eher als ein Seifenblasenhaushalt, der das Schicksal aller Seifenblasen teilt: Sie platzen, kaum dass sie bunt und schillernd, aber inhaltsleer herausgepustet wurden.

(Beifall bei CDU und FDP)

Der Haushaltsentwurf wird doch inzwischen von allen, die etwas davon verstehen - selbst von der Ministerialbürokratie -, als unseriös angesehen. Herr Finanzminister, Sie selbst haben doch in Ihrer Pressekonferenz angekündigt, dass mit der Nachschiebeliste noch erhebliche Korrekturen erforderlich seien. So eine Halbwertzeit für einen Haushalt hat bisher keiner Ihrer Vorgänger hingelegt.

(Beifall bei CDU und FDP)

Frau Simonis, was haben Sie sich eigentlich dabei gedacht, so wenig belastbare und kaum durchdachte Zahlen vorzulegen? Ich halte das für eine unglaubliche Missachtung des Parlaments, uns einen solchen Haushaltsentwurf zuzumuten oder - um es deutlich zu sagen - einen solchen Entwurf hinzuhauen.

Frau Simonis, der Entwurf 2004/2005 beweist, dass Doppelhaushalte keine Wunderwaffe gegen Ihre verfehlte Finanzpolitik sein können. Es ist ein Entwurf von ungesicherten Annahmen, Fehleinschätzungen und vielen Unbekannten. Die größte Fehleinschätzung - das wissen Sie genau - sind dabei die von Ihnen angenommenen Steuereinnahmen. Mit einer Steigerung von 2,4 % im Jahr 2004 und gar 3,8 % im Jahr 2005 sollen jeweils über 5 Milliarden € als höchste Einnahmen in der Geschichte des Landes erzielt werden.

Dabei gehen Sie aber von Wachstumsraten aus, die völlig überzogen sind. Das ist keine Miesmacherei der Opposition, Herr Minister, sondern das ist die Erkenntnis der Institute, die für 2003 längst von einer Rezession reden, bestenfalls von einer Stagnation ausgehen, und Sie rechnen immer noch mit ¾ % Wachstum. Für 2004 legen Sie sogar eine Wachstumserwartung von 2 % zugrunde. Die aktuellen Prognosen der wirtschaftswissenschaftlichen Institute belegen Ihre völlig unrealistische Erwartung und damit auch die Risiken für den Haushalt. Denn wenn das Wachstum beispielsweise nur um ein ½ % niedriger ausfiele, würden Ihnen glattweg 100 Millionen € fehlen. Dieses Geld würde Ihnen am Ende des Haushaltsjahres bitter, bitter fehlen.

Sie täuschen also die Öffentlichkeit bewusst und planen schon jetzt erneut die Lüge von den Steuereinbrüchen.

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Im „Handelsblatt“ steht groß die Überschrift: Der Aufschwung kommt!)

- Ach, erzählen Sie doch nicht so einen Blödsinn, Herr Matthiessen! Der Aufschwung ist noch lange nicht da. Wir würden uns freuen, wenn er käme.

Richtig ist doch - damit müssen wir uns auseinander setzen -, dass dieses Land Jahr für Jahr bis auf ein Jahr immer mehr Steuereinnahmen gehabt hat und Sie gleichwohl die Verschuldung immer mehr in die Höhe getrieben haben. Das ist doch das Problem.

(Beifall bei CDU und FDP)

Herr Abgeordneter Kayenburg, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Hentschel?

Ich halte das während einer Rede zum Haushalt für ungewöhnlich. Ich gestatte keine Zwischenfrage, Herr Präsident.

(Martin Kayenburg)

Wie Sie das Vorziehen der Steuerreform auf 2004 und damit den erwarteten Einnahmeausfall von 210 Millionen € bewältigen wollen, wissen Sie offenbar überhaupt noch nicht. Dabei kann das doch nicht wie ein Gewitter über Sie gekommen sein. Denn dass diese Stufe 2005 kommen sollte, ist Ihnen doch seit langem bekannt. Und wo sind denn eigentlich Ihre Vorsorgemaßnahmen? Wo sind Ihre Berechnungen? Wo sind die konkreten Zahlen?

(Beifall bei CDU und FDP)

Wie immer: Diese Regierung bleibt untätig, weil sie keine Zahlen hat.

Ganz nebenbei bemerkt: Sie haben auch für 2004 globale Mindereinnahmen von 88 Millionen €, für die Sie keine Deckung haben.

Herr Minister, ich denke, das sind nicht alle Haushaltsrisiken und nicht alle Tricks, mit denen Sie uns diesen Haushaltsentwurf verbrämt haben. Schauen Sie doch einmal in die Unterlagen hinein. Was ist denn eigentlich mit den Einnahmen aus der LEG? Die haben Sie 2003 drin. 2004 halten Sie sie uns wieder vor. Es kommt zu einer Verschuldung in diesem Jahr und damit zu einer neuen Deckung im nächsten Jahr.

Was ist mit NordwestLotto? Was ist mit der Nachzahlung der Inanspruchnahme der Zweckrücklagen aus der I-Bank? In diesem Jahr sind es 100 Millionen €. Sie sagen, dass Sie die nicht kriegen. Dafür schreiben Sie im nächsten Jahr 200 Millionen € hinein. Das nenne ich in höchstem Maße unseriös.

(Beifall bei CDU und FDP)

In der Reihe der Merkwürdigkeiten dieses Landeshaushalts wird es bei der Schätzung von Steuermehreinnahmen von 50 Millionen € im Zusammenhang mit einem Gesetz ganz spannend, das es überhaupt noch nicht gibt. Es ist das Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit. Das ist ein Hasardspiel schlimmsten Umfangs, Herr Minister.

(Beifall bei CDU und FDP)

Eben haben Sie kritisiert, dass wir uns über den Entwurf des Haushalts 2005 aufgeregt haben. Es lohnt wirklich nicht, sich damit auseinander zu setzen. Aber es ist doch keine Miesmacherei, wenn wir das Wachstum noch nicht sehen. Die Prognosen kommen ja von den Instituten.

Wenn Sie in dem Entwurf Minderausgaben und Mehreinnahmen von über 400 Millionen € haben und insgesamt neue Schulden von 550 Millionen € in dem einen Jahr planen, dann haben Sie ein strukturelles Defizit, das eine Größenordnung von sage und

schreibe 1 Milliarde € erreicht. Herr Minister, das ist nicht der Reformansatz eines Doppelhaushalts, sondern das dokumentierte Unvermögen der Landesregierung.

(Beifall bei CDU und FDP)

Wir sind jedenfalls nicht bereit, uns mit derartigen Phantasiezahlen auseinander zu setzen; das lohnt wirklich nicht. Für einen derart unprofessionellen, unseriösen und realitätsfernen Entwurf gibt es in meinen Augen nur eine einzige Erklärung: Sie wissen genau, dass Sie 2005 nicht mehr im Amt sein werden, und schieben die Verantwortung für die Probleme in die Zukunft.