Der SSW begrüßt daher, dass die Landesregierung mit einem millionenschweren Programm - rechtzeitig zum Unterrichtsanfang des neuen Schuljahrs - den Unterrichtsausfall bekämpfen will. Auch wir haben in der Vergangenheit immer wieder gefordert, dass für die Schulen mehr finanzielle Ressourcen zur Verfügung stehen müssen. Zusätzlich zu den vorhandenen 2,1 Millionen € werden jetzt weitere 1,9 Millionen € bereitgestellt. Das wird die Unterrichtssituation in diesem Schuljahr wesentlich entspannen. Bis 2005 werden insgesamt sogar zusätzlich 21,9 Millionen € für diesen Vertretungsfonds zur Verfügung gestellt. Das Prinzip „Geld statt Stellen“, das dem Programm zugrunde liegt, das bereits im Kreis Plön erfolgreich angewandt wird, ist aus unserer Sicht die richtige Maßnahme, damit die einzelnen Schulen flexibel auf den ausgefallenen Unterricht reagieren können.
Mit dem Geld sollen also nicht nur befristet Ersatzlehrer eingestellt werden, sondern es können auch
flexibel Teilzeitverträge abgeschlossen werden. Vor Ort stellt sich die Ministerin den Aufbau von Vertretungsnetzen vor; so hat sie es in ihrer Pressemitteilung gesagt. Vorrangig soll dieses Netz ausgebildete Lehrkräfte, aber auch pensionierte Pädagogen, Studenten oder sogar Väter und Mütter umfassen, wenn diese eine entsprechende Ausbildung haben. Das von der Landesregierung vorgeschlagene Programm erscheint uns also vernünftig und praktikabel. Es ist wichtig, Letzteres hervorzuheben. Da die Schulen in Zukunft den Unterrichtsausfall dokumentieren müssen, werden wir demnächst vernünftige Vergleichszahlen bekommen. Dies sage ich noch einmal in Anlehnung an die Debatte, die wir vorhin hatten.
Um auf die Aussagen des GEW-Vorsitzenden Kai Niemann zurückzukommen: Es wird endlich Zeit, dass wir uns verstärkt auf die Inhalte des Unterrichts konzentrieren können, und nicht auf die Frage, ob der Unterricht überhaupt stattfindet. Die PISA-Herausforderung hat gerade gezeigt, dass dieser Aspekt wichtig ist. Die Frage lautet: Wie verbessern wir die Qualität des Unterrichts an unseren Schulen? Auch die Ministerin hat heute mehrfach darauf hingewiesen, dass das die zentrale Frage ist. Der Bericht zeigt, dass die Landesregierung eine Vielzahl von Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung des Unterrichtsangebots in Gang gesetzt hat. Diese reichen von einer Verbesserung der Lehrpläne und der Lehrplanarbeit über eine externe schulische Evaluation im Team über eine Stärkung der schulischen Eigenverantwortung und Personalentwicklung an den Schulen bis zur Weiterentwicklung der Lehrerausbildung, mit der wir uns gleich noch beschäftigen werden.
Es ist noch zu früh, alle Maßnahmen im Detail zu beurteilen, denn wir wissen, dass so ein Prozess Zeit braucht. Mir scheint aber, dass die Landesregierung die Herausforderung angenommen hat. Es ist auch die Aufgabe des Landes, die Landesregierung dabei konstruktiv - aber nicht zuletzt auch kritisch - zu begleiten.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es ist beantragt worden, den Bericht der Landesregierung über die Unterrichtssituation im Schuljahr 2002/03, Drucksache 15/2717, zur abschließenden Beratung an den zuständigen Bildungsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Für die antragstellende Fraktion der FDP hat Herr Abgeordneter Dr. Ekkehard Klug das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Qualität des Schulunterrichts hängt nicht zuletzt davon ab, wie gut die Lehrerinnen und Lehrer für ihren Beruf ausgebildet sind. So genannte Naturtalente mag es geben, aber man sollte diese nicht als den Regelfall annehmen. Für eine gute Lehrerbildung ist die Vernetzung von Theorie und Praxis entscheidend. Die Lehrkraft in Ausbildung gewinnt in dem schon heute an der Schule eigenverantwortlich geleisteten Unterricht - es sind neun bis elf Wochenstunden - erstmals nach einem überwiegend theoriebezogenen Studium praktische Berufserfahrungen als Lehrer. Daraus resultierende Fragen und Probleme wurden bislang in den Ausbildungsgruppen der Lehrerseminare unter Anleitung kompetenter Studienleiter systematisch aufgegriffen. Durch Vermittlung fachdidaktischer und methodischer Kenntnisse sowie durch Beratung zu allen im Arbeitsalltag auftretenden Fragen erwirbt die junge Lehrkraft - unter Rückkoppelung mit der eigenen Unterrichtserfahrung - zunehmend Sicherheit und Kompetenz für die eigene Berufspraxis.
Wenn man zum Beispiel mit Lehrern oder Schulleitern über die Erfahrungen in der Referendarausbildung spricht, dann wird berichtet, wie die jungen Lehrkräfte in Ausbildung von einem Semester zum nächsten im Rahmen des zweijährigen Referendariats an beruflicher Kompetenz und beruflicher Sicherheit gewinnen. Dies ist jedenfalls in der Regel der Fall. Dieser Ausbildungserfolg ist an den Schulen auch sichtbar. Das ist eine Leistung der Arbeit in den IQSH-Regionalseminaren sowie in den zuständigen Landesseminaren im Bereich Sonderpädagogik und der berufsbildenden Schulen.
Für die Schulen ist wichtig, dass auf diesem Wege auch der aktuelle Stand der Fachdidaktik und der Unterrichtsmethodik an die jungen Lehrkräfte vermittelt wird. Durch den fortwährenden Zugang von jungen Lehrkräften, die in den Lehrerseminaren ausgebildet worden sind, erhalten die Schulen fortwährend
innovative Impulse für ein modernes und möglichst effektives Unterrichtsangebot. Mit der Auflösung der IQSH-Regional- und Landesseminare und der Abschaffung der Referendarausbildung in den dort angesiedelten Fachgruppen wird diese vernünftige Vernetzung von Theorie und Praxis im Schulbereich unserer Auffassung nach zerrissen. Das Bildungsministerium rechtfertigt dies mit dem Schlagwort der angeblich größeren Praxisnähe. Nach unserer Auffassung ist dies ein Etikettenschwindel. Tatsächlich werden die jungen Lehrkräfte quasi ins kalte Wasser geworfen. Statt Ausbildung für die Berufspraxis zu gewährleisten, orientiert sich die Referendarausbildung künftig am Prinzip „Learning by doing“.
Die damit verbundene Qualitätsverschlechterung der Lehrerausbildung bringt im Ergebnis genau das Gegenteil dessen, was spätestens seit PISA unstrittig sein müsste: Vor allem in der Vermittlung neuer qualifizierter Kenntnisse der Fachdidaktik und der Unterrichtsmethodik müssten eigentlich Reformen im Bereich der Lehrerbildung Fortschritte bringen. Was jetzt passiert, ist ein Abbau an Ausbildungsqualität. Es ist jedenfalls den Fachleuten bekannt, dass wir gerade im Zuge der Diskussion um PISA erkannt haben, dass eine bessere Fachdidaktik auch zu einem besseren Bildungsergebnis in den Schulen beitragen muss. Deshalb gibt es etwa im Bereich der Naturwissenschaften an das IPN in Kiel von der Kultusministerkonferenz entsprechende Aufträge. Man braucht für die Vermittlung neuer fachdidaktischer Ansätze an die Schulen einen Transmissionsriemen. Dieser Transmissionsriemen ist institutionell das Lehrerseminar, das IQSH in der Region oder das zuständige Landesseminar. Wir sind deshalb der Meinung, dass man für ein Reform der zweiten Phase der Lehrerbildung die IQSH-Lehrerseminare als Kompetenzzentren für Fachdidaktik eigentlich noch stärken müsste, statt sie aufzulösen.
Die IQSH-Regionalseminare und die Landesseminare könnten zum Beispiel bisherige Aufgaben der IQSHZentrale übernehmen. Sie könnten verstärkt in der Lehrerfortbildung tätig sein. Meine Idealvorstellung ist, dass die Studienleiter der IQSH-Lehrerseminare auch alternierend für eine gewisse Zeit auf Stellen im Hochschulbereich in der Lehrerbildung tätig sind, sodass sie einerseits für die Jahre, in denen sie im Hochschuldienst tätig sind, noch stärker am wissenschaftlichen Fortschritt in der von ihnen vertretenen Fachdidaktik teilhaben, zum anderen aber auch schon im Lehramtsstudium theoretische Grundlagen der Fachdidaktik an die Lehramtsstudenten - besser als bisher schon - während des Studiums vermitteln können.
Auf diese Weise würden die IQSH-Regionalseminare und die Landesseminare zur Wahrnehmung einer Scharnierfunktion zwischen der Wissenschaft und dem Studium auf der einen Seite und dem Unterrichtsalltag an den Schulen auf der anderen Seite auch durch ihr Personal ausgestattet und gestärkt. Damit soll das Ziel verfolgt werden, in der beruflichen Praxis und im Unterricht an den Schulen moderne fachdidaktische Ansätze besser, umfassender und zügiger als bisher weiterzuvermitteln.
Durch die Auflösung der IQSH-Seminare, die die Landesregierung jetzt beabsichtigt, wird die Chance für eine solch sinnvolle und weiter verbesserte Theorie-Praxis-Vernetzung in der Lehrerbildung zerstört.
Ich komme zum Schluss und möchte noch kurz auf etwas hinweisen: Ansonsten legt die Landesregierung vielleicht zu Recht immer Wert darauf, dass man bei politischen Entscheidungsprozessen eine Evaluierung des bestehenden Systems vornimmt. Das ist hier nicht getan worden. Es handelt sich einfach um eine politische Setzung. Man stellt das im Prinzip bewährte, sicherlich aber auch verbesserungsfähige Ausbildungsmodell, das wir jetzt haben, schlicht und ergreifend zur Disposition und will es abschaffen. Man will es durch ein neues Verfahren ersetzen, das im Übrigen personalaufwendig ist, weil man die Ermäßigungsstunden der Mentoren beziehungsweise der Ausbildungslehrkräfte, wie sie künftig heißen, verdoppelt.
Durch das neue Mentorenmodell bedarf es an den Schulen also einer hohen Personalkapazität. Die Qualität in der Ausbildung der Referendare fällt weg.
Dabei handelt es sich um eine Entprofessionalisierung der Lehrerbildung. Deshalb wenden wir uns gegen das, was bisher angedacht wurde.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Klug, vor zwei Jahren habe ich Sie hier zum Ritter des Schulrechts geschlagen und Sie gleichwohl als den Kummerkasten betroffener Pädagogen bezeichnet. Ich habe ein wenig das Gefühl, als ob Sie uns auch jetzt wieder die Interessen Betroffener, die andere Ideen bezüglich der Lehrerfortbildung in Schleswig-Holstein haben, hier vortragen.
Diese Ideen sind aufgrund der laufenden Evaluierung der bisherigen Lehrerfortbildung eigentlich obsolet.
Herr Dr. Klug, wir werden Ihren Antrag ablehnen. Es hat eine fundierte Evaluierung der bisherigen zweiten Ausbildungsphase der Lehrerbildung in SchleswigHolstein gegeben. Das haben wir alle mitbekommen. Nach unserer Auffassung ist eine neuerliche wissenschaftliche Aufarbeitung der bisherigen Form der Ausbildung ebenso wie die Kostenvergleiche zwischen der alten und der neuen Ausbildungsform nicht notwendig.
Wir sind uns darüber im Klaren: Wir brauchen in Schleswig-Holstein ein neues Konzept für die zweite Ausbildungsphase der Lehrerbildung. Im Zusammenhang mit dem Bologna-Prozess müssen wir sicherlich auch für die erste Phase der Lehrerbildung an unseren Hochschulen im nächsten Jahrzehnt über neue Formen nachdenken.
Wir alle haben nicht erst im Zusammenhang mit der PISA-Studie begriffen, dass die Qualität der Lehrerbildung eine wichtige Voraussetzung für die Qualität des Unterrichts an ihren Schulen ist. Das ist übrigens ein Zitat, das ich Ihrem Antrag entnommen habe. Diese Erkenntnis teilen wir alle.
Wir alle wollen einen professionellen Unterricht und die notwendige pädagogische und fachliche Förderung unserer Kinder. Wir alle wollen selbstverständlich auch, dass sich das durch die PISA-Studie angeknackste Leistungsbild unserer Schulen positiv verändert und wir im Rahmen der nächsten Studie einen besseren Platz einnehmen werden.
Im Zusammenhang mit der Diskussion um PISA haben wir uns gefragt, was die Spitzenreiter bei PISA in der Lehrerbildung anders machen. Wir haben uns angeschaut, wie dort der Unterrichtet gestaltet wird. Im nahe liegenden Skandinavien haben wir feststellen können, dass es dort eine - ich nenne es einmal so -
fast handwerkliche Art der Unterrichtsvermittlung gibt. Das Handwerk des Pädagogen dort, wie wir das so schön nennen, hat uns beeindruckt. Das Schlüsselwort der Lehrerbildung heißt in Skandinavien Unterrichtspraxis. Ich glaube, das sollte auch unser Schlüsselwort werden.
Hierin lag und liegt eine Schwäche in der Struktur der Lehrerausbildung in der Bundesrepublik Deutschland. Vor allen Dingen ist hier der Ansatz in der Weiterentwicklung der Lehrerbildung zu suchen. Ganz sicher haben wir fachlich hoch qualifizierte wissenschaftlich ausgebildete Lehrkräfte. Sie sind aber sehr häufig nicht ausreichend auf den Schulalltag vorbereitet.
Mit dem höheren Stellenwert der Unterrichtspraxis in der Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer muss sich auch das bisherige Konzept der Regionalseminare weiterentwickeln. Die Lehrer im Ausbildungsverhältnis müssen sinnvoller in den eigenverantwortlichen Unterricht eingeführt und hierbei an ihren Schulen beratend begleitet werden.
Uns sind am vergangenen Freitag die ersten Bausteine des weiterentwickelten Lehrerbildungskonzeptes vorgestellt worden. Mit Blick auf den Direktor des IQSH muss ich sagen, dass uns Anwesende diese ersten Bausteine des Konzeptes genauso wie die Tatsache, dass die Entwicklung dieses Konzeptes fachlich und wissenschaftlich durch eine Arbeitsgruppe begleitet wird, in der Tat überzeugt haben.
Lieber Kollege, ich glaube, wenn Sie am Freitag dabei gewesen wären, dann hätten Sie feststellen müssen, dass Ihr Antrag eigentlich überflüssig ist.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Realität ist, dass es bundesweit zu Veränderungen in der zweiten Phase der Lehrerbildung, dem Referendariat, kommt. Anlass dafür ist die von der Kultusministerkonferenz seinerzeit in Auftrag gegebene so genannte Terhart-Studie, in der die Lehrerbildung insgesamt untersucht und Schlussfolgerungen vorgeschlagen wurden.
Die Modelle, mit denen einzelne Bundesländer an das Referendariat herangehen, sind so unterschiedlich, wie es der Föderalismus immer wieder zulässt. Auch
in der schleswig-holsteinischen Lehrerbildung gibt es eine Reihe von Fragen, über die wir zweifelsohne nachdenken müssen, nämlich zum Beispiel, ob man in der ersten Phase der Lehrerbildung, also dem Studium, die Praxisanteile erhöhen und das Pädagogikum auf neue Beine stellen muss. Auch bezüglich der Art und des Umfangs der Fortbildung für Lehrer gibt es bei uns in Schleswig-Holstein einen Handlungsbedarf.
Den wenigsten Handlungsbedarf gibt es nach unserer Meinung beim Referendariat. Die Rückmeldungen an die Lehrkräfte und Referendare sind zweifelsohne gut. Die jungen Lehrkräfte leisten nach dem zweiten Staatsexamen eine gute Arbeit in den Schulen. In anderen Bundesländern werden sie sehr gern eingestellt. Folglich gibt es hinsichtlich der Qualität der zweiten Phase der Lehrerausbildung eigentlich keine Notwendigkeit, das Referendariat auf völlig neue Beine zu stellen.
Deshalb schließen wir uns der Forderung der FDP nach einer wissenschaftlichen Beurteilung und Bewertung von Studienreferendaren und Lehramtsanwärtern gern an. Ebenso unterstützen wir auch unter Kostengesichtspunkten den Vergleich mit dem neuen Modell.